Betriebsprüfung; doppelte Rechtshängigkeit; Prozessrechtsverhältnis; Statusfeststellungsentscheidungen; Streitgegenstand
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach
dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2012.
Der Kläger betreibt ein Viehvermarktungsunternehmen mit Sitz in S. (Betriebsnummer), das unter anderem den Ankauf von Ferkeln
in Dänemark und deren Weiterveräußerung in Deutschland sowie die Vermarktung von schlachtreifen Schweinen und deren Transport
in verschiedene Schlachthöfe zum Gegenstand hat. Die Tiere werden in Dänemark mit einem dritten Speditionsunternehmen von
einem Landwirt zu einem Selektionshof (in R. und S.) gebracht. In diesem werden sie gesichtet und Tiere mit Erkrankungen werden
aussortiert. Die Tiere, die der Kläger selbst, ein festangestellter Mitarbeiter oder ein Dritter für ihn ausgesucht hat, werden
mit im Fuhrpark des Klägers befindlichen LKW nach Deutschland transportiert. Der Kläger beschäftigt fest angestellte Mitarbeiter.
Daneben wurden im gegenständlichen Zeitraum Transportfahrten und andere Aufgaben von Dritten übernommen, mit denen kein schriftlicher
Vertrag abgeschlossen wurde, die jedoch gemäß einer Vereinbarung für den Kläger tätig wurden und ihm ihre Arbeiten in Rechnung
stellten.
Der 1957 geborene Beigeladene zu 1. ist als Landwirt selbständig tätig und hielt im streitigen Zeitraum Mastschweine. Als
solcher ist er kranken- und pflegeversichert bei der Sozialversicherung der Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Darüber
hinaus übernahm er für das Unternehmen des Klägers diverse Arbeiten, unter anderem das Selektieren von Ferkeln in Dänemark
und deren Transport nach Deutschland sowie die Auslese und den Transport von Schweinen vom Schweinemastbetrieb zum verarbeitenden
Betrieb (in P. und N.) und die dortige Begleitung von Arbeitsschritten, die sich auf den Erlös des Schweinemastbetriebes auswirkten.
In der ersten Zeit fuhr der Kläger mit seinem PKW nach Dänemark, zu einem späteren Zeitpunkt fuhr er nachts mit einem LKW
des Klägers nach Dänemark, selektierte und verlud die Ferkel am nächsten Morgen und führte den beladenen LKW nach Deutschland
zurück. Gelegentlich übernahm er auch die Selektion von Ferkeln, die nicht nur von ihm, sondern auch von weiteren Personen
in LKW des Klägers für diesen nach Deutschland gefahren wurden. Für die Transportfahrten verwendete der Beigeladene zu 1.
die vom Kläger angeschafften und unterhaltenen LKW. Die Tätigkeiten stellte er dem Kläger jeweils für mehrere Monate mit einem
Gesamtbetrag in Rechnung. Dabei gab der Beigeladene zu 1. die Art der Tätigkeit (Stallarbeiten <gemeint ist Schweine sortieren
- Protokoll in dem Verfahren S 28 KR 303/14>, Gülle fahren, Schweine sortieren und verladen), teilweise die aufgewendeten
Stunden und den - teilweise "gemäß Vereinbarung" - in Rechnung gestellten Betrag an (zB Rechnung vom 29. Dezember 2006 für
Oktober, November und Dezember für 184 Stunden mit einem Betrag in Höhe von 2.005,60 EUR zzgl MwSt). Für die Rechnungen verwendete
der Beigeladene zu 1. teilweise nicht individuell gestaltete Formblätter, in denen er als Absender seinen Stempel verwendete
und in den der Empfänger sowie weitere Daten einzutragen waren, und teilweise maschinenschriftlich (vermutlich am PC) verfasste
Dokumente.
Das Hauptzollamt Itzehoe führte bei dem Kläger Ermittlungen durch und stellte die Ermittlungsergebnisse der Beklagten zur
Verfügung. Die Unterlagen enthielten ua Rechnungen des Beigeladenen zu 1. sowie die Auswertung der Buchführung des Klägers
(Tourenbücher, Kalenderbücher, Schichtzettel, Lieferzettel der Touren und Tachoscheiben). Die Beklagte unternahm auf der Grundlage
dieser Ermittlungsergebnisse bei dem Kläger im Frühjahr 2013 eine Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB IV), die auch die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für den Kläger umfasste. Der Kläger und der Beigeladene zu 1. gaben auf Nachfrage
an, der Beigeladene zu 1. arbeite nicht am Betriebssitz des Klägers, erhalte keine Weisungen für die Ausführung der Tätigkeit,
müsse keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einhalten und sein Einsatzgebiet könne nicht ohne seine Zustimmung
verändert werden. Der Beigeladene zu 1. beschrieb, selbst Mastschweine zu halten und für den Kläger nur in dem Umfang zu arbeiten,
wie sein eigener Betrieb es zulasse.
Wie bereits am 23. April 2013 gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. angekündigt stellte die Beklagte mit Bescheid
vom 13. Juni 2013 gegenüber dem Kläger fest, dass der Beigeladene zu 1. seit dem 1. Januar 2006 der Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege, soweit er für den Kläger als Kraftfahrer
und Betriebshelfer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig werde. Den dagegen vom Kläger eingelegten
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2014 zurück. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung
damit, dass der Beigeladene zu 1. bei der untergeordneten Tätigkeit für den Kläger seine eigene Arbeitskraft, jedoch keine
eigenen Betriebsmittel eingesetzt habe und bei der Selektion, dem Transport und der Kontrolle am Schlachtband in die Arbeitsorganisation
des Klägers eingebunden gewesen sei. Denn der Beigeladene zu 1. sei dabei an die terminlichen und örtlichen Vorgaben des Klägers
gebunden gewesen und habe daher betreffend Zeit, Dauer, Ort sowie Art und Weise der Durchführung dessen Weisungen unterlegen.
Er habe sich funktionsgerecht dienend in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht
erkennbar, da die eingesetzte Arbeitskraft nach Stunden vergütet worden sei.
Dagegen hat der Kläger am 13. November 2014 vor dem Sozialgericht Schleswig Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass
zwischen ihm und dem Beigeladenen zu 1. ab dem 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2012 kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne
der Sozialversicherung gemäß §
7 Abs
1 SGB IV bestanden habe. Zur Begründung hat er - wie im Widerspruchsverfahren - vorgetragen, die Tätigkeit könne sowohl in Form eines
abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch selbständig ausgeübt werden. Zu berücksichtigen sei, dass der Beigeladene
zu 1. nicht maßgeblich wegen seiner Eigenschaft als Fahrer eingesetzt worden sei, sondern weil er über die bei der Selektion
von Ferkeln auf dem Selektionshof erforderlichen Kenntnisse über potentielle Erkrankungen oder andere biologische Mängel der
Tiere und bei der Kontrolle am Schlachtband verfüge. Diese besonderen Fachkenntnisse würden zeigen, dass es sich keineswegs
um eine untergeordnete Tätigkeit handele. Sie sei vielmehr anspruchsvoll und erfordere eine jahrzehntelange Erfahrung. Daher
könne der Beigeladene zu 1. nicht mit anderen LKW-Fahrern verglichen werden. Der Kläger hat geschildert, dass der Beigeladene
zu 1. Landwirte auch dabei unterstützt habe, wenn nach der Anlieferung der Ferkel Mastschweine für die Schlachtung ausgesucht
werden. Er berate die Schweinemäster. Auf dem Schlachthof obliege ihm auch die Kontrolle, ob das Hakengewicht korrekt eingestellt
sei und der Einstichwinkel der FOM-Nadel für die Bemessung des Fleisch-Speck-Anteils korrekt sei. Dabei habe er den Beigeladenen
zu 1. nicht überwacht. Für ihn - den Kläger - sei es vorteilhaft, Selbständige einzusetzen, die sorgfältiger arbeiteten, um
erneut beauftragt zu werden. Eventuelle Gespräche über Beanstandungen bei dem Endkunden sowie die Überwachung der Klassifizierung
der Mastschweine auf dem Schlachthof könnten diese aufgrund ihrer Kenntnisse und ihrer Übung in Verhandlungsgesprächen auf
Augenhöhe führen. Der Beigeladene zu 1. sei nicht verpflichtet gewesen, für ihn tätig zu werden, sei wirtschaftlich nicht
von ihm abhängig gewesen, habe keinen vergüteten Urlaubsanspruch und auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
gehabt.
Das Sozialgericht Schleswig hat die Klage mit Urteil vom 26. Februar 2018 abgewiesen und zur Begründung ua auf die Entscheidungsgründe
der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2014 verwiesen.
Gegen das ihm am 27. Juli 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. August 2018 eingegangene Berufung des Klägers. Er
bekräftigt insbesondere sein bisheriges Vorbringen zur Bedeutung der Qualifikation des Beigeladenen zu 1. für seine Beauftragung.
Sie schlage sich im Stundenlohn nieder, der über dem durchschnittlichen Lohn eines in der Landwirtschaft selbständig Tätigen
liege. Dazu legt der Kläger den Lohntarifvertrag für Landarbeiter in Schleswig-Holstein vor und führt ergänzend aus, dass
der Beigeladene zu 1. bei der Übernahme eines Selektionsauftrags gewusst habe, welche Tätigkeitszeit einzuhalten sei, so dass
er zwar einen Zeitrahmen zu beachten gehabt habe, der jedoch auftragsimmanent und nicht einseitig bestimmt gewesen sei. Die
Betriebshaftpflicht des Beigeladenen zu 1. würde für Schäden bei der Arbeit für den Kläger eintreten, so dass es sehr wohl
einen Versicherungsschutz gebe. Ein Unternehmerrisiko liege darin begründet, dass der Beigeladene zu 1. selbst darüber entscheiden
könne, fehlerfrei zu arbeiten und fehlerhafte Selektionsvorgänge zu seinen Lasten gegangen wären. Dass er für die Tätigkeit
keine eigenen Betriebsmittel einsetze, spreche in diesem Fall ebenso wenig für eine abhängige Beschäftigung wie bei Pflegefachkräften.
Dass der Beigeladene zu 1. für ihn - den Kläger - aufgetreten sei, sei nicht entscheidungserheblich, da auch zB selbständig
tätige Bauleiter tagtäglich gegenüber Dritten eigenverantwortlich Entscheidungen träfen. Ferner zieht der Kläger Vergleiche
mit gerichtlichen Entscheidungen unter anderem zu Tätigkeiten eines redaktionellen Mitarbeiters und eines Fußballschiedsrichters.
Der Kläger beantragt,
1.
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Februar 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2013 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2014 aufzuheben,
2.
festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für den Kläger ab dem 1. Januar 2006 bis mindestens 31. März 2012
nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt worden ist und dafür keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und an ihrer Entscheidung fest, dass der Beigeladene zu 1. aufgrund
eines mündlich geschlossenen Rahmenarbeitsvertrages mit individuell vereinbarten Einsätzen tätig gewesen sei. Ergänzend trägt
die Beklagte vor, größere Spielräume, die auch abhängig Beschäftigten aufgrund der Natur der Tätigkeit zustehen, könnten nicht
als maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung herangezogen werden. Der Stundenlohn von 10,90 EUR lasse keinen ausreichenden
Raum für Eigenvorsorge. Der Lohntarifvertrag für Landarbeiter in Schleswig-Holstein bestätige eher, dass der Beigeladene zu
1. ein angemessenes Entgelt erhalten habe. Gerade das Führen von Stundenzetteln und der Erhalt eines Stundenlohnes - ohne
ungewissen Einsatz seiner Arbeitskraft - zeige den Beschäftigtenstatus des Beigeladenen zu 1. Die Kosten für Arbeitsmaterial
- gelegentlich Spraydose und Kleidung - habe er in einem vernachlässigbaren Umfang eingesetzt.
Mit Urteil vom 6. April 2017 hat das SG Schleswig in einem Parallelverfahren (unter dem Aktenzeichen S 28 KR 303/14) die vom Beigeladenen zu 1. erhobene Klage abgewiesen. Diese Klage hat sich gegen die an ihn adressierte, nicht selbständig
begründete und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013 gerichtet, mit der ihm
gleichzeitig die tenorierte und ausführlich begründete Entscheidung der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 13. Juni 2013 bekannt
gegeben wurde. Den Widerspruch des Beigeladenen zu 1. wies die Beklagte ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober
2014 zurück. Zur Begründung hat die Kammer im vorgenannten Verfahren zusammengefasst ausgeführt, dass die Merkmale einer abhängigen
Beschäftigung überwiegen würden. Insbesondere habe der (hiesige) Beigeladene zu 1. für den (hiesigen) Kläger Kaufentscheidungen
getroffen und sei sowohl gegenüber den Verkäufern als auch den Abnehmern gegenüber erkennbar für den (hiesigen) Kläger aufgetreten,
sodass er auch in dessen Betrieb eingegliedert gewesen sei. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche ferner, dass
in erster Linie die Arbeitskraft wirtschaftlich verwertet worden sei, die wesentlichen Betriebsmittel durch den (hiesigen)
Kläger zur Verfügung gestellt worden seien und dieser auch die Betriebskosten des Transportes, Kosten oder Mautgebühren getragen
habe und der (hiesige) Beigeladene zu 1. nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügt habe, um eventuelle Schäden
an den geführten LKW abzudecken. Der (hiesige) Beigeladene zu 1. habe zudem kein unternehmerisches Risiko getragen, zumal
ihm die Kosten für Fahrten mit dem eigenen Pkw zu Selektierhöfen in Dänemark erstattet worden seien. Diese Umstände würden
einem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsprechen, bei dem typischerweise der Arbeitgeber die Kosten des
Arbeitsnehmers für den Einsatz eines privaten Pkw für berufliche Zwecke (nicht Arbeitsweg) trage. Gegen eine selbständige
Tätigkeit des (hiesigen) Beigeladenen zu 1. spreche ferner, dass er Routen gefahren sei, die ihm entsprechend aktueller Aufträge
des (hiesigen) Klägers vorgegeben worden seien, er nur für diesen gefahren sei, er diesbezüglich kein Gewerbe angemeldet habe
und kein Bemühen erkennbar sei, weitere Auftraggeber zu akquirieren. Auch die Vereinbarung eines Stundenlohnes inklusive der
Vergütung von Ruhe- und Wartezeiten in Dänemark spreche für eine abhängige Beschäftigung. Der vereinbarte Stundenlohn von
10,90 EUR sei zu niedrig, um als selbständiges Transportunternehmen kostendeckend zu arbeiten, so dass auch dieser Umstand
für eine abhängige Beschäftigung spreche. Die Merkmale, dass der Beigeladene zu 1. Rechnungen ausgestellt, Aufträge auch abgelehnt
und aus seinem eigenen Betrieb bedarfsdeckende Einnahmen gehabt habe, würden zwar für eine selbständig ausgeübte Tätigkeit
sprechen; diese träten jedoch hinter den übrigen Merkmalen zurück.
Gegen das vorangestellt dargelegte (und mittlerweile rechtskräftige) Urteil des SG Schleswig hat keiner der Beteiligten -
auch nicht der zu dem Parallelverfahren mit Beschluss vom 29. Dezember 2016 beigeladene (hiesige) Kläger - ein Rechtsmittel
eingelegt.
In dem hier anhängigen Berufungsverfahren haben dem Senat außerdem noch die Verwaltungsvorgänge vorgelegen. Für die weiteren
Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig - insbesondere form- und fristgerecht (§
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) eingelegt worden -, jedoch unbegründet.
Die Klage ist beim Sozialgericht Schleswig am 13. November 2014 um 16:52 Uhr per Fax eingegangen (Nr. 1267). Sie ist fristgerecht
innerhalb eines Monats (§
87 Abs
1 Satz 1, Abs
2 SGG) ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2014 erhoben worden. Jedoch ist der Streitgegenstand dieses Verfahrens
identisch mit dem Streitgegenstand des Parallelverfahrens mit dem Gerichtsaktenzeichen S 28 KR 303/14 (dazu 1.). Insofern ist die Klage zwar nicht wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig (dazu 2.); allerdings steht einer
Entscheidung in der Sache die Rechtskraftwirkung des Urteils vom 6. April 2017 in dem Parallelverfahren entgegen, die zur
Bindungswirkung der Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2014
geführt hat (dazu 3.). Unabhängig davon geht der Senat im Übrigen davon aus, dass die Entscheidung der Beklagten auch in der
Sache zutreffend ist (dazu 4.)
1. Der Streitgegenstand dieses Verfahrens ist identisch mit dem Streitgegenstand des Parallelverfahrens S 28 KR 303/14.
§
17 Abs
1 Satz 2
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) bestimmt, dass während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. Die Rechtshängigkeit
entfaltet Sperrwirkung für ein zweites Verfahren über denselben Streitgegenstand, die - grundsätzlich - zur Unzulässigkeit
der zweiten Klage führt (exemplarisch BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R Rn 17). Die "Sache" - gemeint ist der Streitgegenstand - bestimmt sich nach dem prozessualen Anspruch, der sich aus den vom Kläger
in Bezug auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestellten Anträgen oder Rechtsschutzbegehren bestimmt (Binder in Berchtold,
Sozialgerichtsgesetz, 6. Aufl §
94 Rn 2). Der Streitgegenstand dieses Verfahrens ist - aus Sicht des Klägers - die Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2014 in dem Betriebsprüfungsverfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht
des (hiesigen) Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit als Fahrer, Selektierer und Helfer für ihn - den Kläger - in bestimmten
Zweigen der Sozialversicherung. Zu diesem Zweck beantragt er die Aufhebung dieser Entscheidung der Beklagten verbunden mit
der Feststellung, dass für den Beigeladenen zu 1. in der Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Gemäß § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern. Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung
zu erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers als Drittbetroffenem einzugreifen. Die Beklagte kann somit entweder den an den Arbeitgeber
gerichteten Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen mit dem Hinweis, dass dieser berechtigt sei, Rechtsbehelfe einzulegen,
bekanntgeben. Sie kann aber ebenso unter Bezugnahme auf die Betriebsprüfung einen zwar formell, aber nicht materiell eigenständigen
Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen, dem Auftragnehmer, erlassen (Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2013 - L 4 R 2078/11 - Rn 27, juris - nachfolgend: BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - B 12 R 13/13 R - Rn 21; zur Qualität als Verwaltungsakt mit Drittwirkung: Littmann in Hauck/Noftz, SGB, 12/11, § 31 SGB X Rn 55; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl Stand 17. Mai 2021, § 31 SGB X Rn 53). Die Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2014 ist mit einem
tenorierten Regelungsgehalt und einer ausführlichen Begründung an den hiesigen Kläger adressiert und im Sinne von § 37 Abs 1 SGB X bekanntgegeben worden. Darüber hinaus hat der Beigeladene zu 1. eine an ihn adressierte, nicht selbständig begründete und
mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung vom 13. Juni 2013 erhalten, mit der ihm gleichzeitig die tenorierte
und ausführlich begründete Entscheidung der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 13. Juni 2013 bekannt gegeben wurde. Mit dieser
Übersendung hat die Beklagte dem Beigeladenen zu 1. die Entscheidung gegenüber dem Kläger bekannt gegeben und gleichzeitig
den Beigeladenen auch zu einem Beteiligten des Verwaltungsverfahrens gegen den Kläger gemacht (§ 12 Abs 1 Nr 2 SGB X). Gegen diese Entscheidung hat anschließend der Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 10. Juli 2013 Widerspruch eingelegt,
den die Beklagte mit einem eigenständigen Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2014 auch ihm gegenüber zurückgewiesen hat.
Der soeben beschriebene Streitgegenstand des hier anhängigen Verfahrens - die Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013
betreffend den Umfang der Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der Tätigkeit für den Kläger - ist dabei auch
Streitgegenstand des Verfahrens S 28 KR 303/14 gewesen, in dem der (hiesige) Beigeladene zu 1. als (dortiger) Kläger und Drittbetroffener der Entscheidung der Beklagten
vom 13. Juni 2013 beantragt hat, festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit für den (hiesigen) Kläger nicht der Sozialversicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Deutlich wird das insbesondere
daran, dass beiden Klageverfahren derselbe Lebenssachverhalt zugrunde lag und auch die (zielführende) Antragstellung dieselbe
war. Das Verfahren S 28 KR 303/14 ist sogar ebenfalls am 13. November 2014 rechtshängig geworden, allerdings ist die Klageschrift bereits um 16:51 Uhr per
Fax eingegangen und von dem Faxgerät mit der Nummer 1265 gezählt worden. Das hier anhängige Verfahren ist bei dem Sozialgericht
Schleswig erst um 16:52 Uhr per Fax (Nr. 1267) eingegangen.
2. Obwohl damit der Streitgegenstand über die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Tätigkeit für den Kläger zweimal rechtshängig war, entfaltete das (zuerst anhängig
gewordene) Verfahren S 28 KR 303/14 keine Sperrwirkung mit der Folge der Unzulässigkeit des hiesigen Klageverfahrens wegen doppelter Rechtshängigkeit. Denn mit
dem Eingang des Klageverfahrens des Beigeladenen zu 1. gegen die Beklagte einerseits und des Klageverfahrens des Klägers gegen
die Beklagte andererseits ist zweimal eine Rechtshängigkeit (§
94 Satz 1
SGG) eingetreten und es sind jeweils zwei verschiedene Prozessrechtsverhältnisse entstanden. Mit der Definition der Rechtshängigkeit
in §
94 Satz 1
SGG werden der Beginn und das Ende des Prozessrechtsverhältnisses festgelegt (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
94 SGG (Stand: 17.12.2018), Rn 12). Das Prozessrechtsverhältnis bezeichnet die durch einen Prozess geschaffenen rechtlichen Beziehungen zwischen den an einem
Prozess Involvierten, dem Gericht und den Beteiligten, dem Mitwirkungs- und Prozessförderungspflichten sowohl der Beteiligten
als auch des Gerichtes entspringen (VG Aachen, Urteil vom 18. Mai 2021 - 9 K 3029/20 - Rn 73; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
94 SGG (Stand: 17.12.2018), Rn 26; G. Vollkommer in: Zöller,
Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020 - Rn 44). Wenn bei einer subjektiven Antragshäufung mehrere Antragsteller gemeinsam den gleichen Antrag stellen, entstehen entsprechend
viele Prozessrechtsverhältnisse, die lediglich nach dem Willen der Antragsteller in einem Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden sind (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. März 2021 - 7 CE 21.437 - Rn 22). Da jedoch der Beigeladene zu 1. und der Kläger nicht gemeinsam mit einer Klageschrift Klage erhoben, sondern sie getrennt
voneinander geklagt haben, sind am 13. November 2014 jeweils zwei Prozessrechtsverhältnisse entstanden (Kläger, Beklagte,
Gericht sowie Beigeladener zu 1., Beklagte, Gericht). Weder war der Kläger bereits am 13. November 2014 an dem Prozessrechtsverhältnis
des Beigeladenen zu 1. mit der Beklagten und dem Gericht beteiligt, noch war der Beigeladene zu 1. sogleich am 13. November
2014 an dem Prozessrechtsverhältnis des Klägers mit der Beklagten und dem Gericht beteiligt. Unter dem Aktenzeichen S 28 KR 303/14 wurde ein Prozessrechtsverhältnis des Klägers zu dem Beigeladenen zu 1., der Beklagten und dem Gericht erst mit der Beiladung
des Klägers durch Beschluss vom 29. Dezember 2016 begründet. Der Senat geht aber davon aus, dass es im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie
des Art
19 Abs
4 Grundgesetz (
GG) nicht von der Zufälligkeit des Zeitpunkts einer Beiladung zu einem Verfahren und der (erst) dann begründeten Beteiligung
an dem dortigen Verfahren abhängig sein kann, wann für den - ebenfalls und selbständig klagenden - Beigeladenen doppelte Rechtshängigkeit
mit seinem eigenen eingeleiteten Klageverfahren eintritt.
3. Allerdings steht einer Entscheidung in der Sache die Rechtskraftwirkung des Urteils vom 6. April 2017 in dem Verfahren
S 28 KR 303/14 entgegen.
a) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger
(§
141 Abs
1 Nr
1 SGG). Die Bindung iSd §
141 Abs
1 Nr
1 SGG erfasst grundsätzlich nur die Urteilsformel (§
136 Abs
1 Nr
4 SGG), deren Tragweite allerdings auch unter Heranziehung der Urteilsgründe (einschließlich der tatsächlichen Feststellungen im
Urteilstatbestand <§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG>) zu bestimmen ist (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - B 9 V 46/97 R - Rn 10; BSG, Beschluss vom 18. September 2003 - B 9 V 82/02 B - Rn 8; BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 2 U 2/05 R - Rn 28: "<die Rechtskraft> geht so weit, wie der in der Formel enthaltene Gedanke reicht") wobei zu ihrer Auslegung der Klagantrag und ggf der zugrundeliegende Sachverhalt heranzuziehen sind (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - B 9 V 46/97 R - Rn 10).
Bei einem stattgebenden Urteil auf eine Anfechtungsklage müssen zur Bestimmung der Tragweite der in Rechtskraft erwachsenen
Urteilsformel ebenfalls die Entscheidungsgründe des Urteils herangezogen werden, wobei die Bindung eines stattgebenden Urteils
auf eine Anfechtungsklage nur so weit geht, wie die Aufhebungsgründe die Entscheidung tragen (BSG, Beschluss vom 10. Mai 2017 - B 6 KA 58/16 B - Rn 8; BSG, Beschluss vom 22. September 1999 - B 13 RJ 71/99 B - Rn 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
141 Rn 10, 10a).
Die Rechtskraft eines eine Anfechtungsklage abweisenden Urteils hat hingegen zur Folge, dass die angefochtene Entscheidung
der Behörde nach §
77 SGG für die Beteiligten Bindungswirkung entfaltet, da der gegebene Rechtsbehelf erfolglos eingelegt wurde. Ein Rechtsbehelf im
Sinne von §
77 SGG ist auch die Berufung, nicht nur der Widerspruch im Sinne von §
78 SGG. Das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 6. April 2017 in dem Verfahren S 28 KR 303/14 führt somit dazu, dass die Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober
2014, dass der dortige Kläger und hiesige Beigeladene zu 1. in der Beschäftigung für den hiesigen Kläger und dortigen Beigeladenen
zu 1. der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt,
Bindungswirkung entfaltet, zumal beide bereits Beteiligte des Verwaltungsverfahrens der Beklagten im Sinne von § 12 Abs 1 Nr 2 SGB X waren.
b) Diese durch die Rechtskraft der Entscheidung des Sozialgerichts Schleswig vermittelte Bindungswirkung der gegenständlichen
Entscheidung der Beklagten steht einer erneuten Entscheidung über den Status des hier Beigeladenen zu 1. und dessen Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit für den Kläger in diesem
Verfahren entgegen.
Rechtskräftige Urteile binden gemäß §
141 Abs
1 Nr
1 SGG die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Im Interesse der Rechtssicherheit
und des Rechtsfriedens - zweier Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips - darf eine sachlich abweichende Entscheidung zwischen
denselben Beteiligten nicht mehr ergehen. Die Rechtskraft schafft hierzu ein in jeder Verfahrenslage - auch im Revisionsverfahren
- von Amts wegen zu beachtendes Hindernis für eine erneute gerichtliche Nachprüfung des Anspruchs, über den bereits bindend
entschieden worden ist. Diese Bindungswirkung gilt nicht nur für die Beteiligten, sondern erfasst auch die Gerichte in einem
späteren Prozess dieser Beteiligten über denselben Gegenstand (vgl BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 - B 6 KA 27/06 R - Rn 21) und soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig
entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird. Das Gericht ist
im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert (LSG für das Saarland, Urteil vom 22. Februar 2017 - L 2 KR 62/15 - Rn 48, 49, juris, für ein feststellendes Urteil in einem Statusfeststellungsverfahren) und eine neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Gegenstand zwischen denselben Beteiligten ist nicht möglich, eine
neue Klage ist nicht zulässig (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2003 - L 7 V 23/03 - Rn 20 juris; BSG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - B 9 V 46/97 R - Rn 10). Nur sofern bloße Vorfragen klärungsbedürftig sind, die nicht von der Rechtskraft erfasst werden und einer späteren - erneuten
- Prüfung zugänglich sind (vgl BSG, Beschluss vom 3. März 2000 - B 2 U 4/00 B - Rn 7), tritt keine Rechtskraft ein.
In einem - hier vorliegenden - Klageverfahren des Unternehmers als Auftraggeber und potentieller Arbeitgeber im Sinne der
§§ 28a, 28e
SGB IV gegen einen Bescheid, der auf eine Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV hin die Versicherungspflicht eines Auftragnehmers in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung
feststellt, da zwischen ihm - dem Auftraggeber - und dem Auftragnehmer ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne von §
7 SGB IV besteht, ist der Auftragnehmer als potentieller Arbeitnehmer nach §
75 Abs
2 SGG notwendig beizuladen; umgekehrt ist der Auftraggeber als potentieller Arbeitgeber in einem Klageverfahren des Auftragnehmers
als potentiellem Arbeitnehmer nach §
75 Abs
2 SGG notwendig beizuladen (vgl BSG, Urteil vom 15. Juli 2009 - B 12 KR 1/09 R - Rn 11 für Statusfeststellungsverfahren; BSG, Urteil vom 5. Dezember 2017 - B 12 KR 11/15 R - Rn 15 für Beitragserhebungsverfahren mit Statusfeststellung). Die danach notwendigen Beiladungen wurden sowohl in dem Verfahren S 28 KR 303/14 vor dem Sozialgericht Schleswig als auch in dem hier anhängigen Verfahren vorgenommen.
Urteile binden nach §
141 Abs
1 Nr
1 SGG auch die Beigeladenen als Beteiligte iSv §
69 Nr
3 SGG. Beigeladene können gegen ein Urteil Rechtsmittel einlegen, wenn sie nicht nur formell von der Rechtsbindung des Urteils
erfasst werden, sondern auch materiell beschwert und unmittelbar in eigenen Rechtspositionen beeinträchtigt sind (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - B 6 KA 45/13 R - Rn 14; BSG, Urteil vom 11. September 2019 - B 6 KA 2/18 R - Rn 17). Es reicht, wenn ein beigeladener Beteiligter geltend machen kann, aufgrund der Bindungswirkung des angefochtenen Urteils
präjudiziell und unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt zu werden (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - B 6 KA 45/13 R - Rn 14).
Da diese Voraussetzungen für den nach §
75 Abs
2 SGG notwendig Beigeladenen zu 1. des Verfahrens S 28 KR 303/14 (und hiesigen Kläger) zutreffen, hätte er gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Schleswig vom 6. April 2017 in dem Parallelverfahren
Berufung einlegen können, um den Eintritt der Rechtskraft und der damit verbundenen Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung
zu verhindern. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art
19 Abs
4 Grundgesetz, der sich durch die hier vorliegende Konstellation eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung ergeben könnte, liegt nicht vor.
3. Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht dadurch, dass das Sozialgericht in dem Verfahren S 28 KR 303/14 einleitend im Tatbestand als streitigen Zeitraum den vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2010 bezeichnet hat, das Sozialgericht
in seiner Entscheidung vom 26. Februar 2018 jedoch einen Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. März 2012 als streitgegenständlich
beschrieben hat. Eine solche temporäre Beschränkung ergibt sich weder aus der protokollierten Erklärung des dortigen Klägers
(ab 2006), noch der Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013 oder aus dem Antrag des dortigen Klägers und hiesigen Beigeladenen
zu 1. im Termin zur mündlichen Verhandlung. Das Sozialgericht hat eine Beschränkung in dem Verfahren S 28 KR 303/14 wohl darin gesehen, dass die Beklagte eine Betriebsprüfung für die Jahre 2006 bis 2010 durchgeführt hat. Allerdings ist die
Entscheidung der Beklagten vom 13. Juni 2013 dahingehend auszulegen, dass sie die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für den
Kläger nicht zeitlich befristet bewertet hat, sondern der Regelungsgehalt fortwirkt, solange das Rechtsverhältnis zwischen
dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. in der Form existiert und gelebt wird, wie es anhand der in den Verwaltungsvorgängen
aktenkundigen Unterlagen ersichtlich ist.
3. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er die Bewertung der Beklagten und des Sozialgerichts teilt, dass
zwischen dem Beigeladenen zu 1. und dem Kläger ab 2006 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von §
7 Abs
1 SGB IV bestanden hat, das zur Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht
der Arbeitsförderung führt. Der Senat verweist diesbezüglich nach §
153 Abs
2 SGG auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts und macht sich diese zu eigen. Für den Senat ist - ergänzend - entscheidend,
dass der Beigeladene zu 1. in das vom Kläger für seinen Betrieb eingeführte "rationelle Verladesystem" eingebunden war. Soweit
wiederholt betont wird, der Beigeladene zu 1. habe in erster Linie Ferkel selektiert sowie Mastschweine sortiert und die Fahrten
mit dem LKW hätten nicht im Vordergrund gestanden, so ist zu bedenken, dass der Betriebszweck des Klägers empfindlich gestört
worden wäre, wenn der Beigeladene zu 1. in Dänemark lediglich die Ferkel selektiert hätte, dann jedoch ohne die Tiere nach
Deutschland zurückgefahren wäre. Ferner hat der Beigeladene zu 1. die Ferkel eigenverantwortlich gerade für einen Weiterkauf
durch den Kläger an Dritte ausgesucht. Der Kläger hat demnach die Expertise des Beigeladenen zu 1. gerade "wie ein Rädchen
im Getriebe" für seinen laufenden Betrieb eingesetzt und ihn nicht engagiert, um ihm - dem Kläger - oder seinen Angestellten
für die Ferkelselektion notwendige Kenntnisse zu vermitteln, die dann dem Kläger oder dessen Mitarbeitern ein selbstständiges
und eigenverantwortliches Arbeiten ermöglicht hätten. Vor diesem Hintergrund sind auch die im Berufungsverfahren angestellten
Vergleiche mit anderen Lebenssachverhalten aus Sicht des Senats nicht geeignet, eine andere Einschätzung zu begründen.
5. Der Senat lässt die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) zu. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage erwächst daraus, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern
im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (BSG, Beschluss vom 19. Juli 2012 - B 1 KR 65/11 B - Rn 10). Die grundsätzliche Bedeutung liegt vorliegend in der Klärung und Vereinheitlichung der Frage, wie prozessual im sozialgerichtlichen
Verfahren damit umzugehen ist, dass die Beklagte Statusfeststellungsentscheidungen - mit oder ohne Betriebsprüfung - an den
Auftraggeber und den Auftragnehmer versendet und nicht beide gemeinsam (als notwendige Streitgenossen iSv §
74 SGG i.V.m. §
62 Zivilprozessordnung <ZPO>) Rechtsmittel einlegen. Aus Sicht des Senats gilt es auch bei einer getrennten bzw nicht nach §
113 Abs
1 SGG verbundenen Verfahrensführung der Beteiligten zu vermeiden, dass für dasselbe Auftragsverhältnis divergierende bestandskräftige
oder rechtskräftige Entscheidungen umzusetzen sind. Bezogen auf Statusfeststellungsentscheidungen im Rahmen von Betriebsprüfungen
ergibt sich die Notwendigkeit zur Klärung auch aus der Überlegung heraus, dass für den Fall divergierender gerichtlicher Entscheidungen
gegenüber dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer zu klären ist, ob und wem gegenüber aus der bindenden Feststellung der Sozialversicherungspflicht
Sozialversicherungsbeiträge geltend gemacht werden können. Die Vorschläge zum prozessualen Vorgehen divergieren jedoch (siehe Zieglmeier, Das Problem von Mehrfachverfahren bei einheitlicher Statusfeststellung nach §
7a SGB IV, NZS 2013, 854; Breitkreuz, Bestimmung des zuständigen Gerichts bei verschiedenen Klagen betreffend dasselbe Beschäftigungsverhältnis, ASR
2012, 230 ff; Berchtold, Verfahrensrechtliche Probleme des §
7a SGB IV, NZS 2014, 885; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. September 2010, L 4 R 1775/07; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. Juni 2008, L 5 KR 28/07). Dabei wird in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass rechtskräftige Urteile gegenüber dem an einem
Rechtsstreit nicht beteiligten Streitgenossen keine Bindungswirkung entfalten (vgl hierzu Bundesgerichtshof <BGH>, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 110/13 - juris, mwN). Demgegenüber stellen die Verwaltungsgerichte darauf ab, dass zumindest bei einer - wie hier - notwendigen und tatsächlich
erfolgten Beiladung sich die Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile auch auf Parallelverfahren mit demselben Streitgegenstand
erstreckt (vgl hierzu Sächisches Oberverwaltungsgericht <OVG>, Urteil vom 20. November 2015 - 5 A 292/14 - juris).
6. Der Streitwert war nach §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG i.V.m. § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz in Höhe des Auffangstreitwerts festzusetzen (vgl BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 - B 12 R 2/19 R - Rn 27).