Grundsicherung nach dem SGB II
Aufgabe der Rechtsprechung zur Bildung eines monatlichen Durchschnittswertes bei der Einkommensanrechnung
Keine Abweichung vom Monatsprinzip
Berücksichtigung von Freibeträgen unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt des Arbeitsentgelts
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer endgültigen Festsetzung (noch) über höhere Leistungen zur Grundsicherung nach dem
SGB II für die Monate August bis Oktober 2012.
Die Kläger standen seit Juni 2010 im Bezug von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum bewohnten sie eine etwa 45 Quadratmeter große Wohnung in der F.gasse in G. bei einer monatlichen
Bruttowarmmiete von 283,16 Euro bzw. ab September 2012 i. H. v. 288,16 Euro. Der Kläger stand bei der R. AG / Betriebsstätte
H. bei schwankendem Lohn und regelmäßigem Zufluss im gleichen Monat als Lagerarbeiter in einem Beschäftigungsverhältnis. Ausnahmsweise
erfolgte für den Monat Juli 2012 die Lohnzahlung anteilig im Juli und im Folgemonat August.
Auf den Fortzahlungsantrag vom Juni 2012 bewilligte der Beklagte unter dem 19. Juni 2012 für die Monate Juli bis Dezember
2012 vorläufig Leistungen i. H. v. 57,16 Euro. Grund für die Vorläufigkeit war das schwankende Einkommen des Klägers. Bei
dem zu erwartenden Einkommen legte er ein um die Freibeträge bereinigtes, durchschnittliches Einkommen i. H. v. 900 Euro zugrunde.
Die Kläger legten dagegen Widerspruch ein. Der Beklagte habe bei der vorläufigen Bewilligung das monatliche Durchschnittseinkommen
des Klägers zu hoch angesetzt. Nach Erlass eines Änderungsbescheides vom 5. Juli 2012 für Juli 2012 half der Beklagte dem
Widerspruch mit Änderungsbescheid vom 27. August 2012 ab. Bei der vorläufigen Bewilligung lehnte er sich nunmehr an den monatlichen
Durchschnittslohn des vorangegangenen Bewilligungsabschnitts an und ermittelte so ein um die Freibeträge bereinigtes, durchschnittliches
Einkommen i. H. von 730 Euro. Hieraus errechnete er für August 2012 einen Anspruch i. H. von 227,16 Euro, für September 2012
i. H. von 160,54 Euro und für die Monate Oktober bis Dezember 2012 i. H. von 232,16 Euro.
Nach Vorliegen der Lohnbescheinigungen des Klägers für Juli bis Dezember 2012 berechnete der Beklagte die Leistungen mit Bescheid
vom 8. Januar 2013 neu. Bei der Berechnung legte er nunmehr ein um die Freibeträge bereinigtes monatliches Durchschnittseinkommen
des Klägers i.H. von 710,12 Euro zugrunde. Für Juli bis August 2012 bewilligte er 247,04 Euro, für September 2012 180,42 Euro
und für Oktober bis Dezember 2012 252,04 Euro. Für August bis Dezember 2012 ergab sich ein um 19,88 Euro höherer Anspruch;
mithin lag die Nachzahlung bei 99,40 Euro.
Die Kläger legten dagegen Widerspruch ein. Bei der endgültigen Festsetzung sei die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens
nicht zulässig. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Die anschließende Klage hat das Sozialgericht Gotha nach vorheriger Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2015 abgewiesen.
Die Bildung eines Durchschnittseinkommens sei nach § 2 AlgIIVO zulässig. Das Zuflussprinzip sei dadurch nicht beeinträchtigt.
Die endgültige Festsetzung berühre nicht den Zeitpunkt des Zuflusses des Einkommens, sondern stelle eine Regelung zur Berechnung
des Einkommens dar. Ausdrücklich habe der Verordnungsgeber die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei Selbständigen
im Rahmen der endgültigen Festsetzung angeordnet. Es sei kein Grund ersichtlich, warum dies nicht bei Einkommen aus abhängiger
Beschäftigung gelten solle.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger. Die Bildung eines Durchschnittseinkommens bei endgültiger Festsetzung sei nicht
möglich. Dies folge aus dem Urteil des BSG vom 30. März 2017 - B 14 AS 18/16 R.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 17. Dezember 2015 aufzuheben sowie den Bescheid vom 8. Januar 2013 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Monate August bis Oktober
2012 höhere Leistungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Da es den Klägern auf den Zufluss des Einkommens ankomme, seien lückenlose Kontoauszüge vorzulegen. Augenscheinlich habe er
zu hohe Fahrtkosten des Klägers zur Arbeit zugrunde gelegt. Gleiches gelte für die Kfz-Haftpflichtversicherung des Klägers.
Den Klägern werde aufgegeben, alle im Jahr 2012 erhaltenen Steuerbescheide vorzulegen. Im Übrigen sei eine Saldierung mit
überzahlten Leistungen in anderen Monaten des Bewilligungsabschnitts möglich.
Mit Schriftsatz vom 18. September 2017 haben die Kläger klargestellt, dass die Monate August bis Oktober 2012 streitgegenständlich
sind.
Nach Aufforderung haben die Kläger den Bescheid des Finanzamtes G. vom 17. April 2012 vorgelegt. Danach haben sie für 2011
eine Steuerrückerstattung i. H. v. 456,73 Euro erhalten, die im April 2012 zugeflossen ist. Weiter hat der Senat eine Auskunft
der A. Versicherung AG eingeholt. Danach habe die Kfz-Haftpflichtversicherung des Klägers im Jahr 2012 monatlich 29,25 Euro
gekostet. Ein in ihr integrierter Schutzbrief sei kostenlos gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft. Das Sozialgericht hat die Berufung unter Punkt 3 wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Sache zugelassen. Der Senat ist nach §
144 Abs.
3 SGG an die Zulassung gebunden. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid
nach §
105 Abs.
1 SGG nicht vorlagen. Lässt das Sozialgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weist die Sache in der Regel zumindest
Schwierigkeiten in rechtlicher Hinsicht auf. Hiermit hat das Sozialgericht den Klägern ihren gesetzlichen Richter, nämlich
die Kammer in voller Besetzung, entzogen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 / 9 b AY 1/07 R). Trotz des Verfahrensmangels kommt eine Zurückverweisung nach §
159 Abs.
1 SGG n.F. nicht in Betracht.
Die Berufung ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 8. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2013.
Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob er seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Anforderungen an eine endgültige Festsetzung
nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a. F. i. V. m. §
328 Abs.
3 SGB III genügt. Weder dem Verfügungssatz noch der Begründung des Bescheides lässt sich entnehmen, dass eine abschließende Entscheidung
getroffen werden sollte. Insoweit könnte sich der Bescheid als bloße Fortschreibung der ursprünglich ausdrücklich vorläufigen
Leistungsbewilligung darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2014 - B 14 AS 31/14 R). Andererseits war den Klägern aber aus den vorangegangenen Bewilligungsabschnitten bekannt, dass nach Vorlage aller Verdienstbescheinigungen
- wie hier - eine abschließende Entscheidung erfolgen wird. Letztendlich kann die aufgeworfene Frage offenbleiben. Geht man
davon aus, dass es sich bei dem Bescheid vom 8. Januar 2013 um eine bloße Fortschreibung handelt, greift § 41 a Abs. 5 SGB II i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II. Hiernach wandeln sich die angefochtenen Bescheide kraft gesetzlicher Fiktion zum 1. August 2017 in eine endgültige Festsetzung.
Jedenfalls gilt dies im Falle einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, denn maßgeblich bei ihr ist die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Die vorläufigen Leistungsbescheide vom 19. Juni 2012 und 27. August
2012 haben sich durch die endgültige Festsetzung nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R).
Die Klage gegen den Bescheid vom 8. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2013 ist als kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
1 und 4
SGG zulässig und statthaft. Die Kläger haben den Streitgegenstand dabei in zulässiger Weise auf die Monate August bis Oktober
2012 beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 14 AS 18/16 R). Die Klage ist diesbezüglich teilweise begründet.
Rechtsgrundlage für den Leistungsanspruch der Kläger zu 1 und 2 sind die §§ 19 ff. i. V. m. § 7 SGB II und § 40 Abs. 2 Nr. 1 a SGB II a. F. i. V. m. § 328 Abs. 3 S. 1 SGB II. Sie erfüllten im streitigen Zeitraum die (Grund)Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II. Insbesondere hatten sie kein ausreichendes Einkommen/Vermögen und waren in gewissem Umfang hilfebedürftig.
Nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 a SGB II a. F. sind die Vorschriften des
SGB III über die vorläufige Bewilligung entsprechend anwendbar. Nach §
328 Abs.
1 Nr.
3 SGB III kann über die Erbringung von Leistungen vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen für den Anspruch
längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der
Antragsteller die Umstände, die einer sofortigen Entscheidung entgegenstehen nicht zu vertreten hat. Wegen des schwankenden
Einkommens des Klägers zu 1 lagen die Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung vor. Nach §
328 Abs.
3 S. 1
SGB III sind die aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachten Leistungen auf die zustehenden Leistungen anzurechnen (endgültiger
Festsetzungsbescheid).
Auf der Bedarfsseite ist für August 2012 zunächst die Regelleistung nach § 20 SGB II in Ansatz zu bringen, die für die Kläger jeweils 337 Euro ausmachte. Weiter sind die Kosten der Unterkunft/Heizung i. H.
v. 283,16 Euro, die nach § 22 Abs. 1 SGB II angemessen sind, in Ansatz zu bringen. Hieraus resultiert ein Gesamtbedarf von 957,16 Euro.
Dem Gesamtbedarf ist nach § 11 Abs. 1 SGB II das erzielte Einkommen des Klägers zu 1 aus der Tätigkeit bei der R. AG gegenüberzustellen. Über nennenswertes Vermögen verfügten
die Kläger nicht.
Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als der Beklagte aus dem Lohn für die Monate Juli bis Dezember 2012
einen monatlichen Durchschnittswert gebildet hat. Der Senat hält nicht mehr an seiner Rechtsprechung fest, wonach die Bildung
eines monatlichen Durchschnittswertes nach pflichtgemäßer Ermessensausübung möglich ist (vgl. das Senatsurteil vom 25. Mai
2016 - L 4 AS 1310/15). Für die Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens in Abweichung vom Monatsprinzip bei der abschließenden Entscheidung
über die Festsetzung der Leistungen fehlt es vor Inkrafttreten des § 41 a Abs. 4 S. 1 SGB II - außerhalb der Bagatellgrenze des § 2 Abs. 3 S. 3 AlgIIVO - an einer Rechtsgrundlage (BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 14 AS 18/16). Die Berechnung und Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II ist vom Monatsprinzip geprägt. Eine Abweichung vom Monatsprinzip ist nach § 2 Abs. 3 S. 3 AlgIIVO nur dann möglich, wenn das tatsächliche monatliche Einkommen das vorläufig angesetzte um nicht mehr als
20 Euro übersteigt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn das tatsächliche Durchschnittseinkommen liegt unter dem vorläufig
angesetzten. Einer erweiternden Auslegung ist § 2 Abs. 3 AlgIIVO nicht zugänglich. Der Gesetzgeber hat mit § 41 a Abs. 4 S. 1 SGB II eine Ermächtigung zur Durchschnittsberechnung bei endgültiger Festsetzung geschaffen. Die Bestimmung gilt allerdings erst
ab 1. August 2016. Eine rückwirkende Anwendung ergibt sich auch nicht aus der Übergangsvorschrift des § 80 Abs. 2 SGB II. Aus der Trennung in § 80 Abs. 2 SGB II zwischen Nr. 1 einerseits und Nr. 2 andererseits ergibt sich, dass der Gesetzgeber für verschiedene Sachverhalte eine unterschiedliche Anwendung von § 41 a SGB II normiert hat. Für bereits beendete Bewilligungsabschnitte soll nach dem Wortlaut der Norm lediglich die Endgültigkeitsfiktion
in § 41 a Abs. 5 SGB II greifen; nicht jedoch § 41 a SGB II in vollem Umfang Anwendung finden. Ein anderes Verständnis würde zur Durchbrechung des Geltungszeitraumprinzips führen (vgl.
BSG, Urteil vom 19.Oktober 2016 - B 14 AS 53/15 R), wonach das materielle Recht für den Zeitraum anzuwenden ist, für den Leistungen bewilligt worden sind. Dies gilt auch
im Fall einer endgültigen Festsetzung (vgl. zum Ganzen: SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 - S 179 AS 6737/17 und SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 - S 52 AS 4077/17).
Soweit der Beklagte hier einen Nachweis der monatlichen Lohnzuflüsse des Klägers zu 1 durch eine lückenlose Vorlage der Kontoauszüge
gefordert hat, bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen des Senats "ins Blaue hinein". Laut der aktenkundigen Arbeitgeberbescheinigung
vom 13. August 2012 ist der Lohn jeweils im laufenden Monat fällig gewesen und lediglich für den Abrechnungsmonat Juli 2012
eine Abweichung mit einer anteiligen Lohnzahlung im Juli 2012 und einer nachfolgenden Korrekturrechnung mit einer weiteren
Zahlung im August 2012 dokumentiert (Bl. 464/465 der Verwaltungsakten). Für den Monat Juli 2012 wurden daher zwei Verdienstbescheinigungen
(07.12/1 und 07.12/2) erstellt und in der Verdienstbescheinigung 07.12/2 als abweichende Ausnahme zum normalen Lohnzufluss
als Zahlungsmonat der August 2012 ausdrücklich benannt ("08.12", vgl. Bl. 466/467 der Verwaltungsakten). In den anderen vorgelegten
Lohnbescheinigungen für die Folgemonate August bis Oktober 2012 ist ein solcher Hinweis in der Zahlungsmonatsspalte nicht
enthalten (Bl. 468 bis 471 der Verwaltungsakten). Die Lohnbescheinigung für August 2012 berücksichtigt vielmehr sogar bei
der Berechnung des Zahlbetrages ausdrücklich nochmals die für Juli 2012 korrigierte anteilige Lohnberechnung. Es fehlt damit
an jeglichen Anhaltspunkten für eine sonstige Abweichung von der vorgenannten arbeitsvertraglichen Fälligkeitsregelung oder
für die Annahme einer Verletzung der diesbezüglichen Arbeitgeberpflichten.
Für August 2012 ist daher zunächst der Lohn des Klägers zu 1 für August 2012, der im gleichen Monat zufloss, als Einkommen
zu berücksichtigen. Hiervon sind (steuerfreie) Zuschläge wie Arbeiten an Feiertagen und Sonntagen sowie für Schichtarbeit
und Überstunden nicht ausgeschlossen. Sie sind keine zweckbestimmten Einnahmen. Nach § 11 a Abs. 3 S. 1 SGB II sind nur Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Regelungen zu einen bestimmten Zweck erbracht werden, privilegiert.
Dies ist offensichtlich nicht der Fall.
Nach § 11 b Abs. 1 S. 1 SGB II sind vom Einkommen u. a. abzusetzen: - auf das Einkommen entrichtete Steuern (Nr. 1) - Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung
einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung (Nr. 2) - Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen
Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder dem Grunde und der Höhe nach angemessen sind (Nr. 3) -
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Nr. 5) - für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Abs.
3 (Nr. 6) Nach § 11 b Abs. 2 S. 1 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bis 5 ein
Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzuziehen. Beträgt das monatliche Einkommen
aus Erwerbstätigkeit mehr als 400 Euro gilt S. 1 nicht, wenn der oder die erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass
die Summe der Beträge nach Abs. 1 S.1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt.
Nach dieser Maßgabe sind für August 2012 zunächst die Abgaben nach § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u. 2 SGB II vom Bruttolohn i. H. v. 1.322 Euro in Abzug zu bringen. Es verbleibt ein Nettolohn von 994,63 Euro.
Im Hinblick auf § 11 b Abs. 5 S. 1 Nr. 3 bis 5 SGB II sind abzusetzen: - die Haftpflichtversicherung für den PKW i. H. v. 29,25 Euro - die allgemeine Werbungskostenpauschale i.
H. v. 15,33 Euro - die Versicherungspauschale i. H. v. 30 Euro - Fahrtkosten i. H. v. 64,40 Euro (kürzeste einfache Wegstrecke
zur Arbeitsstätte laut Routenplaner Falk 14 Kilometer X 0,20 Euro X 23 Arbeitstage laut Lohnbescheinigung) Hiernach ergeben
sich Aufwendungen i. H. v. 138,98 Euro. Weiter sind die Freibeträge bei Erwerbstätigkeit nach § 11 b Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. Abs. 3 SGB II abzusetzen. Insgesamt sind abzusetzen 338,98 Euro. Es verbleibt ein anrechenbares Einkommen aus dem Lohn für August 2012
i. H. von 655,65 Euro.
Im Weiteren ist eine anteilige Lohnzahlung für Juli 2012 i. H. v. 676,36 Euro brutto als Einkommen zu berücksichtigen. Denn
ausweislich der vorgenannten Lohnbescheinigung 07.12/2 kam anteiliger Lohn für Juli 2012 abweichend von den vertraglichen
Bestimmungen im August 2012 zur Auszahlung. Nach Abzug der Abgaben nach § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u. 2 SGB II verbleibt ein Nettobetrag von 488,52 Euro.
Bei Zufluss von Lohnbestandteilen für mehrere Monate innerhalb eines Kalendermonats sind die Freibeträge nach § 11 b SGB II für jeden Monatslohn in Ansatz zu bringen. Zwar müssen die Einnahmen, die in einem Monat zugeflossen sind, auch grundsätzlich
in diesem Monat angerechnet werden; anders jedoch bei den Freibeträgen. Nach Sinn und Zweck der Regelung kann die Berücksichtigung
der Freibeträge nicht davon abhängen, wann das Arbeitsentgelt zur Auszahlung gelangt. Insbesondere folgt dies aus dem Wortlaut
des § 11 b Abs. 2 und 3 SGB II. Monatliches Einkommen in diesem Sinne kann nur das monatlich erarbeitete und zu beanspruchende Arbeitsentgelt sein, unabhängig
davon, wann es zur Auszahlung gekommen ist. Es liefe auch der Anreizfunktion der Freibeträge zuwider, wenn ihre Berücksichtigung
sowie deren Umfang davon abhinge, ob für die einzelnen Monate erbrachte Arbeitsleistung vom Arbeitgeber monatlich oder erst
im Form einer Nachzahlung rückwirkend vergütet wird (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 17. Juli 2014 - B 14 AS 25/13; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Dezember 2012 - L 7 AS 625/12 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 - L 7 AS 5695/06).
Anders als bei der oben zitierten Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen verhält es sich vorliegend aber
so, dass im August 2012 nicht der gesamte Lohn für Juli 2012 gezahlt wurde. Ausweislich der Lohnbescheinigung 07.12/1 erhielt
der Kläger zu 1 schon im Juli 2012 anteiligen Lohn.
Um dem oben genannten Sinn und Zweck der Freibetragsregelung gerecht zu werden, geht der Senat in einem ersten Schritt von
den beiden Lohnabrechnungen für Juli 2012 aus und ermittelt hieraus einen einheitlichen Freibetrag. Dieser ist dann prozentual
auf Juli und August 2012 zu verteilen. Nach der Lohnbescheinigung 07.12/1 lag das monatliche Brutto des Klägers bei 563,64
Euro und nach der Lohnbescheinigung 07.12/2 bei 676,36 Euro. Hieraus resultiert ein monatliches Gesamtbrutto von 1.240 Euro.
Im Hinblick auf § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bis 5 SGB II sind abzusetzen: - die monatliche Haftpflichtversicherung i. H. v. 29,25 Euro - die allgemeine Werbungskostenpauschale i.
H. v. 15,33 Euro - die Versicherungspauschale i. H. v. 30 Euro - Fahrtkosten i. H. v. 61,60 Euro bei 22 Arbeitstagen laut
Mitteilung des Arbeitgebers vom 13. August 2012 unter Berücksichtigung der Korrektur in der Lohnbescheinigung 07.12/2 Unter
Beachtung der weiteren Freibeträge des § 11 b Abs. 3 SGB II ergibt sich ein Gesamtfreibetrag i. H. v. 336,18 Euro. Unter Beachtung der jeweiligen Bruttobeträge ergibt sich für August
2012 ein Anteil von 181,53 Euro (54 v. H.). Mithin verbleibt ein weiteres anzurechnendes Einkommen des Klägers zu 1 von 306,99
Euro.
Überdies ist ein Anteil der Steuererstattung für 2011 i. H. v. 456,73 Euro, die den Klägern im April 2012 zugeflossen ist,
als Einkommen anzurechnen. Eine Einkommenssteuerrückerstattung ist, auch wenn sie in dem Bedarfszeitraum zugeflossen ist,
der dem streitigen Bewilligungsabschnitt unmittelbar vorangeht, im Hinblick auf den laufenden, nicht unterbrochenen Leistungsbezug
berücksichtigungsfähiges Einkommen i. S. v. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II, welches als Einnahme beginnend ab dem Folgemonat nach Zufluss auf einen angemessenen Zeitraum - dies sind nach § 2 AlgIIVO in der Regel sechs Monate - zu verteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 29/14 R).
Hieraus ergibt sich ein monatlicher Betrag von 76,12 Euro für die Zeit vom Mai bis Oktober 2012. Der Ansatz eines Freibetrages
für Erwerbstätige oder der nochmalige Ansatz der Versicherungspauschale/Haftpflichtversicherung kommt nicht in Betracht.
Das Einkommen der Kläger lag im August 2012 bei 1.038,76 Euro und überstieg den Gesamtbedarf deutlich. Ihr Anspruch wäre für
diesen Monat auf "null" festzusetzen. Allerdings ist der Beklagte an seine Festsetzung nach §
77 SGG grundsätzlich gebunden und kann diese nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X aufheben. Ein solches Verfahren hat er nicht in Gang gesetzt. Aus eben genannten Gründen scheitert auch eine Saldierung der
überzahlten Leistung für diesen Monat mit Unterzahlungen in anderen Monaten des Bewilligungsabschnittes aus.
Auf der Bedarfsseite sind für September 2012 zunächst die Regelleistung nach § 20 SGB II i. H. v. jeweils 337 Euro in Ansatz zu bringen. Bei den Kosten der Unterkunft/Heizung ist zum einen die Miete i. H. v. 288,16
Euro in Ansatz zu bringen. Sofern der Beklagte bei der Festsetzung die in diesem Monat erhaltene Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung
für 2011 berücksichtigt hat, steht dies im Widerspruch zu § 22 Abs. 3 SGB II, denn danach ist der Monat nach der Rückzahlung/Gutschrift maßgeblich. Ferner sind nach dem Bescheid des Landratsamtes vom
6. Februar 2012 Abfallgebühren i. H. v. 27,51 Euro in Ansatz zu bringen. Mithin ergibt sich ein Gesamtbedarf von 989,67 Euro.
Als Einkommen ist zunächst der Lohn des Klägers zu 1 für September 2012 i. H. v. brutto 1.263,31 Euro, der ihm im gleichen
Monat zufloss, zu berücksichtigen. Nach Abzug der Abgaben nach § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u. 2 verbleibt ein Betrag von 958,66
Euro netto.
Im Hinblick auf § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bis 5 SGB II sind abzusetzen: - die Haftpflichtversicherung i. H. v. 29,25 Euro - die allgemeine Werbungskostenpauschale i. H. v. 15,33
Euro - die Versicherungspauschale i. H. v. 30 Euro - Fahrtkosten i. H. v. 56 Euro bei 20 Arbeitstagen laut Lohnbescheinigung
Unter Beachtung der weiteren Freibeträge nach § 11 b Abs.3 SGB II ergibt sich ein Gesamtbetrag von 330,58 Euro. Es verbleibt ein anrechenbares Einkommen des Klägers zu 1 aus Erwerbstätigkeit
i. H. v. 628,08. Unter Einbeziehung der anteiligen Steuererstattung für 2011 ergibt sich ein Gesamteinkommen i. H. v. 704,20
Euro. Danach besteht für September 2012 ein ungedeckter Bedarf i. H. v. 285,47 Euro. Hieraus ergibt sich unter Berücksichtigung
der Rundungsregel des § 41 Abs. 2 Satz 2 SGB II ein Einzelanspruch für die Kläger i. H. von jeweils 142,74 Euro.
Festgesetzt hat der Beklagte nach dem Bescheid vom 8. Januar 2013 insgesamt 180,42 Euro, d. h. für die Kläger jeweils 90,21
Euro. Mithin haben die Kläger jeweils Anspruch auf weitere Festsetzung i. H. v. je 52,53 Euro.
Auf der Bedarfsseite ist für Oktober 2012 zunächst die Regelleistung nach § 20 SGB II i. H. v. jeweils 337 Euro in Ansatz zu bringen. Weiter ist bei den Kosten der Unterkunft/Heizung die Miete i. H. v. 216,54
Euro in Ansatz zu bringen, denn nunmehr ist die Gutschrift i. H. v. 71,62 aus der Betriebskostenabrechnung für 2011 gemäß
§ 22 Abs. 3 SGB II in Ansatz zu bringen. Mithin ergibt sich ein Gesamtbedarf von 890,54 Euro.
Als Einkommen ist der Lohn des Klägers zu 1 für Oktober 2012 i. H. v. 1.240 Euro brutto, der im gleichen Monat zugeflossen
ist, zu berücksichtigen. Nach Abzug der Abgaben nach § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u. 2 SGB II verbleibt ein Betrag von 935,35 Euro netto.
Im Hinblick auf § 11 b Abs. 1 Nr. 3 bis 5 SGB II sind abzusetzen: - die monatliche Haftpflichtversicherung i. H. v. 29,25 Euro - die allgemeine Werbungskostenpauschale i.
H. v. 15,33 Euro - die Versicherungspauschale i. H. v. 30 Euro - Fahrtkosten i. h. v. 64,40 Euro bei 23 Arbeitstagen laut
Lohnbescheinigung Unter Beachtung der weiteren Freibeträge ergibt sich ein Gesamtbetrag von 338,98 Euro. Unter Einbeziehung
der anteiligen Steuererstattung sind als Einkommen 672,49 Euro zu berücksichtigen. Daraus resultiert ein Anspruch auf endgültige
Festsetzung i. H. v. 218,09 Euro.
Festgesetzt hat der Beklagte mit Bescheid vom 8. Januar 2013 252,04 Euro. Ein höherer Anspruch der Kläger für Oktober 2012
scheidet aus. Wegen der Überzahlung und der Möglichkeit der Saldierung wird im Übrigen auf die Ausführungen zum Monat August
2012 Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
183,
193 SGG und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen bzw. Unterliegen. Die Kläger haben für drei Monate höhere Leistungen gefordert,
diese aber nur für September 2012 erstritten.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.