Unfallversicherungsrecht
Basketballspiel im Sportunterricht
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Anforderungen an den Beweismaßstab
Hinreichende Wahrscheinlichkeit
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 24. März 2011 einen Arbeitsunfall mit der Folge einer traumatisch bedingten
Patellaluxation links erlitten hat.
Der 1993 geborene Kläger nahm am 24. März 2011 im Sportunterricht an einem Basketballspiel teil und rutschte dabei aus. Ausweislich
des Berichtes des Durchgangsarztes vom 29. März 2011, bei dem sich der Kläger am 25. März 2011 vorstellte, kam dieser mit
dem linken Knie auf und verdrehte sich dabei. Der Durchgangsarzt äußerte den Verdacht auf eine stattgehabte Patellaluxation
des linken Knies. Laut des Ergänzungsberichtes "Knie" vom gleichen Tage wurden eine mediale Weichteilschwellung und Kapselverdickung
diagnostiziert. Beim MRT des linken Kniegelenkes am 28. März 2011 ergab sich eine komplette Ruptur der Patella bei Zustand
nach lateraler Patellaluxation, begleitet von einem Knochenmarködem. In einem Fragebogen vom 13. Juli 2011 schilderte der
Kläger den Unfallhergang dahingehend, dass er beim Basketballspiel im Sportunterricht beim Abstoppen aus dem Lauf weggerutscht
und dabei mit dem linken Kniegelenk auf den Boden geprallt sei. Die Kniescheibe sei sichtbar heraus- und wenig später von
selbst wieder hereingesprungen. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. stellte in einer Stellungnahme vom 26. November 2011
fest, dass wesentlich für die gedeckte Kniescheibenverrenkung links Schadensanlagen wie eine Kniescheibenfehlform entsprechend
WIBERG IV seien. Abgesehen von verrenkungsbedingten Veränderungen im Kniescheiben-/oberschenkelgelenk fänden sich keine weiteren
Zeichen einer stattgehabten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. In seinem
Widerspruchsschreiben vom 2. Januar 2012 schilderte der Kläger den Unfallhergang dahingehend, dass er sich als ballführender
Spieler im Sprint auf den Korb zubewegt habe, als unvorhersehbarerweise von vorne rechts ein Gegenspieler ihm schnell entgegen
gekommen sei. Zwecks Vermeidung eines Zusammenstoßes habe er versucht, mit dem linken Bein nach vorne links abzustoppen, sei
weggerutscht und nach vorne gestürzt. Dabei sei sein linkes Bein leicht einwärts gedreht worden. Die Kniescheibe sei nach
außen heraus gedrückt und eine Sekunde später wieder von selbst herein gesprungen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 zurück. Alleinige Ursache der Patellaluxation links sei die vorhandene Kniescheibenfehlform.
Hiergegen hat der Kläger am 13. Juni 2012 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Dr.
Sch. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser bejaht in seinem Gutachten vom 18. Juli 2013 das Vorliegen einer
traumatisch bedingten Patellaluxation links. Der kernspintomographische Befund belege das Vorliegen einer Patellaluxation
am Unfalltag. Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang sei geeignet, eine Patellaluxation zu verursachen. Der Fuß sei nicht
nur nach vorne, sondern auch seitlich nach links weggerutscht, so dass der erforderliche Valgusstress entstehen musste. Schadensanlagen
im erheblichen Umfang seien nicht festzustellen. Eine Valgusstellung in Höhe der Kniegelenke bestehe nicht. Allein das Vorliegen
einer Kniescheibe nach Typ WIBERG IV rechtfertige nicht den Rückschluss auf eine anlagebedingte Patellaluxation. Entscheidend
sei der Sulcuswinkel, der sich im vorliegenden Fall innerhalb der mittleren Normvarianz bewege. Trotz unterbliebener Operation
sei inzwischen eine folgenlose Ausheilung eingetreten. Im Anschluss hat das Sozialgericht für die weitere Begutachtung den
Unfallhergang dahingehend vorgegeben, dass der Kläger beim Laufen im Basketballspiel mit dem linken Bein versucht habe, nach
vorne links abzustoppen und dabei weggerutscht sei.
Beim Sturz nach vorne habe er das linke Bein leicht einwärts gedreht und sei dann mit der Innenseite des linken Knies voran
auf den Boden geprallt. In einer Stellungnahme vom 4. April 2014 hat der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. seine Auffassung
des Nichtvorliegens einer traumatisch bedingten Patellaluxation links bekräftigt.
Radiologisch seien deutlich relevante Schadensanlagen gesichert. Der Hergang, so wie er vom Sozialgericht Altenburg vorgegeben
werde, enthalte keinen die Kniescheibe gefährdenden Mechanismus im Sinne eines Valgus-Extensions-Außenrotationsmechanismus.
Auch die spontane Reposition der linken Kniescheibe spreche für eine anlagebedingte Verursachung. Dr. Sch. hat in einer ergänzenden
Stellungnahme vom 23. Juni 2014 seine Auffassung bekräftigt. Der Beratungsarzt lasse außer Acht, dass bei dem vorgegebenen
Hergang eine abrupte Muskelanspannung des Quadrizeps ablaufe, die die Kniescheibe regelrecht aus ihrem Gleitlager herausziehen
könne. Am linken Kniegelenk bestehe nicht zwingend ein Kniescheibentyp WIBERG IV. Vielmehr sei von einer Übergangsform zwischen
Typ III zu Typ IV auszugehen. Der Sulcuswinkel liege beim Kläger unterhalb der oberen Normgrenze von 150°.
Anschließend hat das Sozialgericht Dr. N. mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser
bejaht in seinem Gutachten vom 28. November 2014 eine Geeignetheit des Hergangs zur Verursachung einer traumatischen Patellaluxation.
Hinsichtlich der anlagebedingten Faktoren sei die Grenze, ab wann dispositionelle Faktoren für die Luxation im Vordergrund
stehen, fließend. Aus einer Auswertung der bildgebenden Befunde und insbesondere der röntgenologischen Parameter ergebe sich
hinsichtlich der Kniescheibe des Klägers das Vorliegen eines normal bis grenzwertig dysplastischen Befundes. Daher könne nicht
davon die Rede sein, dass die Auslösung der Kniescheibenverrenkung durch jedes andere alltägliche Ereignis in absehbarer Zeit
geschehen wäre. Eine spontane Reposition der linken Kniescheibe spreche nicht zwingend für eine wesentlich anlagebedingte
Genese. Diesen Ausführungen ist der Beratungsarzt Dr. L. in einer weiteren Stellungnahme vom 14. Dezember 2014 entgegengetreten.
Zu keinem Zeitpunkt sei eine Weichteilschwellung, eine Prellmarke, eine Blutergussverfärbung oder gar eine offene Weichteilwunde
am linken Kniegelenk gesichert worden. Eine spontane Reposition der Kniescheibe sei bei unfallbedingten Kniescheibenverrenkungen
fernliegend.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 5. März 2015 hat Dr. N. dahingehend erwidert, dass sich aus der Unfallschilderung eine
Außendrehung des Unterschenkels ergebe. Die Zugwirkung des Quadrizepsmuskels dürfe nicht unbeachtet bleiben. Der Ergänzungsbericht
"Knie" vom 29. März 2011 beschreibe bei der Erstuntersuchung beim Durchgangsarzt am 25. März 2011 eine Weichteilschwellung
und Kapselverdickung an der Innenseite. Diese könne allerdings auch durch die Verletzung des medialen Retinakulums infolge
der Kniescheibenverrenkung bedingt sein. In der Fachliteratur werde ausgeführt, dass es sowohl bei anlagebedingten als auch
traumatischen Patellaluxationen zu spontanen Repositionen komme. In einer weiteren Stellungnahme vom 24. März 2015 ist der
Beratungsarzt Dr. L. dem erneut entgegengetreten. Aus dem vorgegebenen Hergang ergebe sich kein, die linke Kniescheibe im
Sinne einer Verrenkung zur Außenseite gefährdender Mechanismus. Die zitierte Literatur, wonach auch bei einer Reposition der
Kniescheibe eine traumabedingte Ursache nicht verneint werden könne, werde insoweit unzutreffend wiedergegeben, als der zitierte
Passus unter dem Gliederungspunkt "Schadensbild" und nicht unter dem Gliederungspunkt "Begutachtung" erwähnt werde.
Mit Urteil vom 16. Februar 2016 hat das Sozialgericht Altenburg den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2011 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2012 aufgehoben und das Ereignis vom 24. März 2011 als Arbeitsunfall mit der Folge
einer kompletten Kniescheibenluxation links mit spontaner Rezentrierung festgestellt. Der Kläger habe beim Laufen im Basketballspiel
mit dem linken Bein nach vorne links zu stoppen versucht und sei dabei weggerutscht. Beim Sturz nach vorne habe er das linke
Bein leicht einwärts gedreht und sei mit der Innenseite des linken Knies voran auf den Boden geprallt. Dieser Unfallhergang
ergebe sich aus den Angaben des Klägers im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens. Vollbeweislich gesichert sei eine
komplette Kniescheibenluxation links mit spontaner Rezentrierung. Bei der Auswertung aller medizinischen Befunde spreche mehr
für als gegen einen Ursachenzusammenhang. Der festgestellte Unfallhergang sei geeignet gewesen, eine Patellaluxation zu verursachen.
Die erforderliche Außendrehung des Unterschenkels sei gegeben.
Gravierende dispositionelle Faktoren, die die Luxation alleine oder überwiegend wesentlich verursacht hätten, seien nicht
festzustellen. Beim Kläger liege hinsichtlich der Kniescheibe ein normaler bis grenzwertig dysplastischer Befund vor. Gewisse
Normabweichungen seien lediglich geringfügig. Die spontane Reposition der Kniescheibe stehe der Annahme eines traumatischen
Geschehens nicht entgegen. Zum einen komme diesem Gesichtspunkt keine überragende Bedeutung zu. Zum anderen könne es in allen
Fällen einer Patellaluxation zu spontanen Repositionen kommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Sozialgericht sei gehalten gewesen, eine fachradiologische Nachbefundung
der bildgebenden Befunde zu veranlassen. Ein Dreh- und Verwindungssturz mit fixiertem Unterschenkel sei nicht vollbeweislich
gesichert. Der Unfallschilderung des Klägers könne keine indirekte Gewalteinwirkung durch eine forcierte Innendrehung des
Oberschenkels gegenüber dem in Außenrotation fixierten Unterschenkel entnommen werden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 16. Februar 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zu Recht sei das Sozialgericht von einem geeigneten Unfallmechanismus ausgegangen. Durch abruptes Wegrutschen sei der linke
Fuß in einen Valgusstress geraten. Dispositionelle Faktoren, die die Luxation allein oder überwiegend wesentlich verursacht
hätten, seien nicht zu erkennen. Dr. N. habe in seinem Gutachten ausführlich alle röntgenologischen Parameter aufgelistet.
Danach liege ein Normalbefund bis hin zu einem grenzwertigen Befund in Teilbereichen vor. Ein grenzwertig dysplastischer Befund
habe sich lediglich hinsichtlich der Kniescheibenhöhe sowie des Trochlea und des Kniescheibentyps ergeben. Nach den überzeugenden
Ausführungen von Dr. N. stehe die spontane Reposition der Kniescheibe einer traumatischen Verursachung nicht entgegen.
Der Senat hat im Berufungsverfahren ein radiologisches Gutachten nach Aktenlage von Dr. Sch. vom 3. Juli 2017 eingeholt. Danach
ergeben sich aus dem MRT-Befund vom 28. März 2011 ein vermehrter Gelenkerguss und eine erhebliche Knochenkontusion im Bereich
des lateralen Femurkondylus und im ansatznahen Bereich des medialen Retinaculums. Eine deutliche Einblutung im Bereich des
HOFFA\222schen Fettkörpers im Sinne einer Rissbildung sei festzustellen. Die Patellaform zeige eine Variante im Sinne von
Typ WIBERG IV am Übergang auf eine Jägerhutpatella. Der deutliche Einriss des HOFFA\222schen Fettkörpers sei auffällig und
finde sich bei einer spontanen Patellaluxation im Normalfall nicht. Dieser Befund könne auf eine Traumagenese hinweisen. Beim
Kläger liege eine Patella alta vor. Die Kniescheibe sei als normal groß einzuordnen. Die Messung des Sulcuswinkels nach Brattström
ergebe einen Wert von 145°. Ein Sulcuswinkel über 150° werde als wesentliche konkurrierende Ursache angesehen.
Unter Einbeziehung dieses radiologischen Gutachtens hat Dr. N. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2017 an seiner
Einschätzung einer traumabedingten Patellaluxation links festgehalten. Die radiologische Beurteilung der Fehlform der Patella
nach WIBERG durch den Gutachter sei anhand eines MRT-Befundes erfolgt.
Nach den Literaturangaben solle dies röntgenologisch erfolgen. Auch das fachradiologische Gutachten weise keine überragenden
Schadensanlagen nach, die unter Alltagsbedingungen in näherer Zeit zu einer Ausrenkung der Kniescheibe geführt hätten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig (§§
143 ff. des
Sozialgerichtsgesetzes -
SGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht Altenburg hat zu Recht das Ereignis vom 24. März 2011 als Arbeitsunfall
mit der Folge einer Patellaluxation links anerkannt.
Nach §
8 Abs.
1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) hat der Kläger am 24. März 2011 einen Arbeitsunfall erlitten. Er hat zum Unfallzeitpunkt mit der Teilnahme am Sportunterricht
eine versicherte Tätigkeit ausgeübt und stand daher unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (§
2 Abs.
1 Nr.
8 b SGB VII). Die Patellaluxation links ist auch ursächlich auf den Unfall zurückzuführen.
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und
feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und
"Gesundheitserstschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger
die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis).
Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe)
Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen
Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden
und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend
erachtet (BSG, Urteil vom 20. März 2007, Az.: B 2 U 27/06 R). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen,
die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung
geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch
entfällt.
Erwiesen ist für den Senat aufgrund der vorliegenden Gutachten von Dr. Sch. und Dr. N., dass die Patella des linken Kniegelenks
am 24. März 2011 aus ihrem Halteapparat gerissen und es zu einer spontanen Rezentrierung gekommen ist. Dies ist durch den
zeitlichen Ablauf und durch die bildgebenden Befunde belegt. Auch der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. stellt dies in seinen
Stellungnahmen nicht in Frage.
Dass die Patella im konkreten Fall aufgrund der erforderlichen aufzuwendenden Kraft luxierte und die Krafteinwirkung die wesentliche
Ursache für diese Luxation gewesen ist, steht für den Senat unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses mit der geforderten
hinreichenden Wahrscheinlichkeit fest. Der Kläger hat keine alltägliche, sondern eine erhebliche Kraft, insbesondere im Bereich
seiner Beine, aufwenden müssen, als er beim Laufen im Basketballspielen mit dem linken Bein versucht hat, nach vorne links
abzustoppen. Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft (vgl. hierzu Thomann u.a., Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung,
2. Aufl. 2013, Kap. 9.4.7 Patellaluxation, S. 141 ff; Ludolph/Schröter u.a., Patellaluxation, MedSach 110 5/2014, S. 212 ff.;
Strich, Gutachtliche Bewertung der Patellaluxation, MedSach 113 1/2017 S. 24 ff.), wie er von den Sachverständigen Dr. Sch.
und Dr. N. als auch von dem Beratungsarzt Dr. L. korrekt wiedergegeben worden ist, kann eine Verrenkung der Kniescheibe traumatisch
nur entweder durch eine direkte Gewalteinwirkung auf deren Innenseite oder im Wege indirekter Gewalteinwirkung durch eine
forcierte Innendrehung des Oberschenkels gegenüber dem in Außenrotation fixierten Unterschenkel bei gleichzeitiger Kniebeugung
entstehen.
Soweit die Beklagte und ihr Beratungsarzt Dr. L. einen geeigneten Bewegungsablauf als nicht dokumentiert ansehen, folgt der
Senat dem nicht. Der Senat legt den vom Sozialgericht Altenburg vorgegebenen Hergang zugrunde. Dieser entspricht den Schilderungen,
die der Kläger angefangen von der Schilderung gegenüber dem Durchgangsarzt bis hin zur Schilderung in der Klageschrift abgegeben
hat. Aus Sicht des Senats kann offenbleiben, ob der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. Sch. einen hiervon abweichenden
Sachverhalt geschildert hat.
Der Kläger hat in der Unfallschilderung vom 13. Juli 2011 und im Rahmen der Widerspruchsbegründung vom 4. Januar 2012 den
Unfallhergang dahingehend geschildert, dass er sich als ballführender Spieler im Sprint auf den Korb zubewegte und ihm unvorhersehbarer
Weise schräg von vorne rechts ein Gegenspieler schnell entgegen kam. Der Kläger hat sodann, um den drohenden Zusammenstoß
zu verhindern, versucht, mit dem linken Bein nach vorne links abzustoppen und ist weggerutscht. Dabei ist er mit dem linken
Bein leicht einwärts gedreht und mit der Innenseite des linken Knies auf den Boden geprallt und die Kniescheibe wurde nach
außen heraus gedrückt und sprang unmittelbar von selbst wieder herein. Daraus hat Dr. N. in seinem Gutachten vom 28. November
2014 zu Recht den Schluss gezogen, dass eine Belastung des linken Kniegelenkes im X-Sinne mit einer Außendrehung des Unterschenkels
deshalb anzunehmen ist, weil anderenfalls der Kläger mit der Kniescheibe nach vorn aufgeschlagen wäre. Dr. N. hat zutreffend
darauf hingewiesen, dass nicht das Aufschlagen des Kniegelenkes auf den Boden zur Kniescheibenluxation geführt hat, sondern
der davor liegende Ablauf. Eingehend erläutert Dr. N. in seinem Gutachten, dass durch das Abstoppen und den Sturz nach vorn
ein Valgusstress auf das Kniegelenk eingewirkt hat. Ebenso wie Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 18. Juli 2013 weist Dr. N.
darauf hin, dass man bei dem angenommenen Unfallmechanismus aufgrund der Kraftwirkung des Oberschenkels die Zugwirkung des
Quadrizepsmuskels nicht vernachlässigen darf, die letztendlich für das Herausziehen der Kniescheibe aus dem Gleitlager verantwortlich
ist. Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Anforderungen an die Sicherung eines Unfallherganges im Fall einer Patellaluxation
nicht überspannt werden dürfen. Verständlicherweise kann von niemandem erwartet werden, sich an die konkrete Stellung der
Beine, des Kniegelenks und einen bestimmten Verdrehmechanismus zu erinnern. Eine Hergangsanalyse kann nur unter Auswertung
aller zeitnahen Schilderungen des Unfallhergangs gelingen.
Soweit der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 14. Dezember 2014 bekräftigt, dass ein solcher Hergang
kein die Kniescheibe gefährdender Mechanismus sei, da zu keinem Zeitpunkt weder klinisch noch bildtechnisch Verletzungszeichen
an der Innenseite des linken Kniegelenkes durch diese direkte Krafteinwirkung gesichert worden seien, also insbesondere keine
Weichteilschwellung oder eine Prellmarke, überzeugt dies nicht. Denn Dr. N. hat dem entgegnend in seiner ergänzenden Stellungnahme
vom 5. März 2015 auf die Ausführungen des Ergänzungsberichtes "Knie" des Durchgangsarztes vom 25. März 2011 hingewiesen.
Danach sind eine Weichteilschwellung und Kapselverdickung an der Innenseite beschrieben worden. Dr. N. weist ausdrücklich
darauf hin, dass die Weichteilschwellung auch durch die Verletzung des medialen Retinaculums infolge der Kniescheibenverrenkung
bedingt sein kann. Dies steht mit der Literatur (vgl. nur Ludolph/Schröter, Patellaluxation, MedSach 110 5/2014, S. 212 ff)
im Einklang. Danach ist das Schadensbild nach einer Kniescheibenverrenkung in der Regel nicht ausreichend in der Lage, Aussagen
zur Kausalität zu treffen, da bei erstmals auftretenden Kniescheibenverrenkungen, seien sie traumatisch oder anlagebedingt,
ein weitgehend identisches Befundbild zu erwarten ist. Viele Verletzungen sind zwangsläufige Folge der Luxation bzw. der Reposition.
Rückschlüsse auf die einwirkenden Kräfte können daher nur mit größter Vorsicht gezogen werden.
Jedoch kann die Geeignetheit des Unfallhergangs nicht mit der fehlenden Sicherung von Verletzungszeichen an der Innenseite
des linken Kniegelenkes verneint werden.
Durchschlagende Gesichtspunkte, die gegen das Vorliegen einer traumatisch bedingten Patellaluxation sprechen, liegen nicht
vor. Hinsichtlich des Vorliegens typischer Begleitverletzungen wurde bereits auf das weitgehend identische Befundbild sowohl
bei einer unfall- als auch anlagebedingten Patellaluxation hingewiesen. Vorliegend ist allerdings im Sinne einer Bejahung
der Kausalität zu berücksichtigen, dass der Radiologe Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 3. Juli 2017 eine deutliche Einblutung
im Bereich des HOFFA\222schen Fettkörpers (der Hoffa-Fettkörper ist eine Struktur im Kniegelenk, die aus Fett besteht und
unter der Kniescheibe liegt, direkt hinter dem Kniescheibenband) im Sinne einer Rissbildung diagnostiziert hat. Nach seinen
Ausführungen findet sich ein solcher Befund bei einer spontanen Patellaluxation im Normalfall nicht und deutet auf eine Traumagenese
hin.
Dieser Befund kann daher durchaus im Rahmen einer Krafteinwirkung eingeordnet werden.
Soweit die Beklagte und ihr Beratungsarzt Dr. L. von einer Kniescheibenverrenkung aus innerer Ursache ausgehen, steht nach
dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme fest, dass entsprechende, nach der medizinischen Literatur hierfür in Betracht
kommende innere Ursachen im Falle des Klägers nicht in dem Sinne gesichert sind, dass von einer überwiegenden Verursachung
auszugehen wäre. Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 28. November 2014 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. März
2015 die entscheidenden Gesichtspunkte eingehend herausgearbeitet und diskutiert. Dort hat er dargelegt, dass keine eindeutig
dysplastische Situation vorliegt, sondern allenfalls von einem normal bis grenzwertig dysplastischem Befund in drei von sechs
erhobenen Parametern ausgegangen werden muss. Die einzelnen Parameter hat er in seinem Gutachten auf Seite 6 eingehend diskutiert
und gegenübergestellt. Seine Einschätzung wird im Ergebnis durch das Fachradiologische Gutachten von Dr. Sch. vom 3. Juli
2017 bestätigt. Dr. Sch. kommt dabei in Auswertung des MRT-Befundes vom 28. März 2011 zu dem Ergebnis, dass sich eine Fehlform
der Kniescheibe von Typ WIBERG IV am Übergang auf eine Jägerhut-Patella beim Kläger darstellt. Diesbezüglich hat Dr. N. in
seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2017 nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass diese radiologische Beurteilung
durch Dr. Sch. auf einem MRT beruht, während nach den Literaturquellen eine röntgenologische Beurteilung erfolgen solle. Insoweit
wird zum Beispiel in dem bereits genannten Aufsatz von Ludolph/Schröter u.a., Patellaluxation, Med-Sach 110 5/2014, S. 212
ff., unter dem Punkt "Begutachtung" S. 223 ff. ausgeführt, dass für die gutachtliche Praxis und die Einordnung in die verschiedenen
Kniescheibentypen auf Röntgenaufnahmen abzustellen ist. Sowohl Dr. Sch. als auch Dr. N. gehen von einem Patellahochstand aus.
Entscheidende Bedeutung kommt weiterhin der Messung des sogenannten Sulcuswinkels nach Brattström zu. Dieser beträgt nach
dem Gutachten von Dr. Sch. vom 3. Juli 2017 145°. Erst ein Sulcuswinkel über 150° wird als wesentliche konkurrierende Ursache
angesehen. Der Kläger erreicht damit diesen Wert nicht.
Eine entsprechende Schadensanlage müsste zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Kann eine
weitere Ursache dagegen nicht sicher festgestellt werden, stellt sich schon nicht die Frage, ob diese im konkreten Einzelfall
auch nur als Ursache in Betracht zu ziehen ist. Bezüglich einer Schadensanlage gilt insoweit nichts anderes als bezüglich
anderer Merkmale wie versicherte Tätigkeit oder Gesundheitserstschaden, die ebenfalls im Wege des Vollbeweises, also mit der
an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Der einzige Unterschied besteht nur darin,
dass die Beklagte für den Fall, dass sie sich auf das Vorliegen einer Schadensanlage beruft, die Beweislast hierfür trägt.
Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass die unfallfremden Ursachen auch ohne den versicherten Unfall zum gleichen
Schadensbild geführt hätten. Eine solche Feststellung ist jedoch nicht möglich, und die Beweislast geht auf dieser Stufe zulasten
der Beklagten.
Die beim Kläger vollbeweislich gesicherte spontane Reposition der linken Kniescheibe steht einer traumabedingten Kniescheibenverrenkung
nicht entgegen. Insoweit hat Dr. N. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. März 2015 zu Recht darauf hingewiesen, dass
es nach der wissenschaftlichen Literatur (vgl. Ludolph/Schröter, Patellaluxation, MedSach 110 5/2014, S. 227 ff.) auch bei
traumatisch bedingten Luxationen zu einer spontanen Reposition kommen kann. Die Kritik von Dr. L. im Rahmen seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 24. März 2015, wonach das Zitat aus der Veröffentlichung richtig sei, der zitierte Passus aber nur unter
dem Gliederungspunkt "Schadensbild" und nicht unter dem Gliederungspunkt "Begutachtung" aufgeführt wäre, überzeugt nicht.
Entscheidend ist, dass es belastbare Anhaltspunkte dafür gibt, dass auch im Falle einer traumabedingten Patellaluxation eine
spontane Reposition vorkommt. In der Literatur wird nur dargelegt, dass es bei einer Patellaluxation meist zu einer spontanen
Reposition kommt. Dies bezieht sich nicht nur auf eine anlagebedingte Erkrankung. Auch in weiteren Literaturstellen heißt
es nur, dass bei der traumatischen Patellaluxation häufig eine Fremdreposition notwendig ist (Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung
der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Auflage 2013, S. 755).Ein medizinischer Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine spontane
Reposition nur bei anlagebedingten Luxationen auftritt, existiert daher nicht. Daher stellt die festgestellte spontane Reposition
kein maßgebliches Argument gegen eine unfallbedingte Kniescheibenverrenkung dar.
In der Gesamtwürdigung gelangt der Senat mithin zu dem Ergebnis, dass wesentlich mehr Anhaltspunkte für eine traumatisch bedingte
Patellaluxation links im Fall des Klägers durch das Ereignis vom 24. März 2011 sprechen, als dagegen. Daher war das Ereignis
vom 24. März 2011 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Patellaluxation links mit spontaner Rezentrierung anzuerkennen, wie
das Sozialgericht zutreffend entschieden hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.