Ausbildungs- und Studienförderungsrecht: Schüler-BAföG, Sportgymnasium Leipzig, Lehrstoff/Bildungsgang, Zuwendungen aus Landeshaushalt, Leistungssport außerhalb des Sportgymnasiums
Gründe:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 1.3.2005 hat keinen
Erfolg. Aus seinem Antragsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide des Beklagten und des Sächsischen Landesamtes für Ausbildungsförderung
den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für den Besuch des Sportgymnasiums Leipzig Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz im Bewilligungszeitraum September 2003 bis Juli 2004 dem Grunde nach zu bewilligen. Der Anspruch der Klägerin auf Schüler-Ausbildungsförderung
beruhe auf §
2 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m. §
2 Abs.
1a Nr.
1 BAföG. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt, weil es sich bei dem Sportgymnasium Leipzig und dem Gymnasium in W. nicht um einander
entsprechende Ausbildungsstätten handele. Zwar könne an beiden Schulen die allgemeine Hochschulreife erworben werden. Bei
dem Sportgymnasium Leipzig - einer von sieben sog. Sportbetonten Schulen in Sachsen - handele es sich aber um eine Ausbildungsstätte,
deren Lehrstoff und Bildungsgang von den allgemeinen Gymnasien abweiche. Das Sportgymnasium weise ein besonderes sportliches
Profil auf und Sport könne als Leistungskurs belegt werden. Auf Leistungssport werde Rücksicht genommen und der Unterricht
könne auch in den Ferien und an unterrichtsfreien Tagen erfolgen. Zudem bestehe die Möglichkeit einer Schulzeitstreckung.
Der Beklagte wendet dagegen ein, Gymnasien verschiedenen Typs seien im Freistaat Sachsen nicht eingerichtet. Dies folge aus
§ 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 SchulG. Die nach § 7 Abs. 3 SchulG zwar möglichen besonderen Profile würden nur in den Klassenstufen 8 bis 10 eingerichtet (§ 2 Satz 2 der Schuldordnung Gymnasium
- SOGY -). Streitig sei aber Ausbildungsförderung für die Klasse 11. Die sächsischen allgemein bildenden Gymnasien wiesen
mit dem Unterricht im Kurssystem mit einer Verweildauer von zwei, höchstens drei Jahren sämtlich die Qualifikationsphase der
gymnasialen Oberstufe auf. Gymnasien mit gymnasialer Oberstufe stellten jedoch auch dann einander entsprechende Ausbildungsstätten
dar, wenn die Lernangebote in Leistungs- und/oder Grundkursen nicht deckungsgleich seien. Der Besuch des Sportgymnasiums Leipzig
verleihe keinen zusätzlichen Abschluss. Die vertiefte Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe beschränke sich auf die Wahl
von Sport als Leistungskurs. Ein anderer Bildungsgang als an anderen allgemein bildenden sächsischen Gymnasien sei damit nicht
verbunden. Für die Bewilligung von Ausbildungsförderung müsse außer Betracht bleiben, dass am Sportgymnasium Leipzig auf den
außerhalb der Ausbildungsstätte beim HC Leipzig betriebenen Leistungssport der Klägerin Rücksicht genommen werde. Zudem unterschieden
sich die allgemein bildenden Gymnasien mit vertiefter Ausbildung nach § 4 SOGY nicht so gravierend von anderen allgemein bildenden
Gymnasien mit reformierter Oberstufe, dass von einem deutlich anderen Gepräge ausgegangen werden könnte. Ausbildungs- und
Erziehungsziel sei auch beim Gymnasium mit vertiefter Ausbildung die Allgemeine Hochschulreife. Auch die Förderrichtlinie
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Gewährung einer Zuwendung für Internatsschüler allgemein bildender
Schulen vom 28.2.2003 spreche dafür, dass Gymnasien mit vertiefter Ausbildung den anderen allgemein bildenden Gymnasien entsprechen.
Dieser Vortrag greift nicht durch. Er ist nicht geeignet, den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
Urteils (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) zu stützen.
Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen
Einzelfalls, sprich der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils
des Verwaltungsgerichts erst ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt, dass hierzu wegen des
vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind deshalb anzunehmen,
wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts
mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl.
BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1164). Die Gründe, aus denen heraus bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer
Entscheidung bestehen, können auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts
resultieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, aaO; SächsOVG, Beschl. v. 25.9.2000 - 3 BS 72/00 -, NVwZ-RR 2001, 486).
Der Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass es sich bei dem Sportgymnasium Leipzig und dem Gymnasium in W. - anders als
vom Verwaltungsgericht ausgeführt - um einander entsprechende Ausbildungsstätten handelt. Seine Argumentation ist nicht nachvollziehbar.
Sie ist nicht zu vereinbaren mit den gesetzlichen Grundlagen für die Einrichtung und Ausrichtung der Gymnasien.
Nach § 4 Abs. 1 SchulG gliedert sich das Schulwesen im Freistaat Sachsen in drei Schularten. Das sind die allgemein bildenden Schulen (Abs. 1 Nr.
1), die berufsbildenden Schulen (Abs. 1 Nr. 2) und die Schulen des zweiten Bildungsweges (Abs. 2 Nr. 3). Zu den allgemein
bildenden Schulen gehört neben der Grundschule, der allgemein bildenden Förderschule und der Mittelschule das Gymnasium (Abs.
1 Nr. 1 Buchst. d). Nach § 7 Abs. 1 SchulG vermittelt das Gymnasium Schülern mit entsprechenden Begabungen und Bildungsabsichten eine vertiefte allgemeine Bildung,
die für ein Hochschulstudium vorausgesetzt wird; es schafft auch Voraussetzungen für eine berufliche Ausbildung außerhalb
der Hochschule. Zur Förderung besonders begabter Schüler werden an ausgewählten Gymnasien besondere Bildungswege angeboten
(§ 7 Abs. 4 SchulG). Gymnasien mit vertiefter Ausbildung als besonderem Bildungsweg gemäß § 7 Abs. 4 SchulG sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SOGY solche mit vertiefter musischer, mathematisch-naturwissenschaftlicher, sportlicher oder sprachlicher Ausbildung.
Das Sportgymnasium Leipzig, dessen Träger der Freistaat Sachsen ist, ist ein Gymnasium mit vertiefter sportlicher Ausbildung.
Dazu gehört in der Oberstufe der obligatorische Sport-Leistungskurs, der zusätzlich zu zwei anderen Leistungskursen zu belegen
ist (§ 9 Abs. 3 Nr. 3 der Oberstufen- und Abiturprüfungsverordnung - OAVO -).
Bei dieser Rechtslage ist es offensichtlich, dass die Gymnasien mit vertiefter Ausbildung nicht den anderen Gymnasien entsprechen.
Zwar ist das Bildungsziel aller - allgemein bildenden - Gymnasien die Allgemeine Hochschulreife (§ 7 Abs. 2 SchulG). Lehrstoff und Bildungsgang unterscheiden sich aber. Dies wird bereits aus § 4 SOGY deutlich und manifestiert sich in der Ausbildung in einem dritten, zum Bereich der vertieften Ausbildung gehörenden,
Leistungskursfach. Gerade die Absolvierung eines besonderen Bildungsweges, in dem besonders begabte Schüler speziell gefördert
werden können, wird mit dem Angebot von Gymnasien mit vertiefter Ausbildung bezweckt. Die gegenläufige Argumentation des Beklagten
liegt neben der Sache.
Auch der Hinweis auf die Förderrichtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Gewährung einer Zuwendung
für Internatsschüler allgemein bildender Schulen vom 28.2.2003 - Az. 35-6411.50/1102 - (MBl.SMK 2003, S. 111) ist nicht geeignet,
eine Gleichstellung der Gymnasien mit vertiefter Ausbildung mit den übrigen allgemein bildenden Gymnasien zu begründen. Nach
dieser Richtlinie gewährt der Freistaat Sachsen - ohne Rechtsanspruch und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel - Zuwendungen
zu den Kosten notwendiger auswärtiger Unterbringung und Verpflegung für Schüler u.a. von Gymnasien in Landesträgerschaft und
Gymnasien mit vertiefter Ausbildung (Ziffer 1 und 2). Gymnasien in Landesträgerschaft sind neben dem Sportgymnasium Leipzig
noch das Carl-Maria-von-Weber-Gymnasium Dresden und das Landesgymnasium St. Afra zu Meißen. Bereits die Landesträgerschaft
belegt die Sonderstellung und den fachlichen Anspruch des Sportgymnasiums Leipzig. Nach der Auffassung des Beklagten wäre
die genannte Richtlinie jedoch entbehrlich, wenn die Gymnasien mit vertiefter Ausbildung den normalen Gymnasien nicht entsprächen,
da Schüler der Gymnasien mit vertiefter Ausbildung dann in der Regel bereits eine Förderung nach
BAföG erhielten. Dieses Argument greift nicht. Dem Freistaat Sachsen ist die Gewährung von Zuwendungen aus dem Landeshaushalt an
besonders begabte Schüler nicht verwehrt. Zudem belegt gerade die Existenz der Richtlinie, die eine zusätzliche finanzielle
Förderung besonders begabter Schüler ermöglicht, dass sich die - teilweise in Landesträgerschaft stehenden - Gymnasien mit
vertiefter Ausbildung von den anderen allgemein bildenden Gymnasien unterscheiden.
Der nachdrückliche Hinweis des Beklagten auf den außerhalb der Ausbildungsstätte beim HC Leipzig betriebenen Leistungssport
der Klägerin steht einer Sonderstellung des Sportgymnasiums Leipzig ebenfalls nicht entgegen. Als sog. Sportbetonte Schule
bietet das Sportgymnasium Leipzig die Voraussetzung, die schulische Ausbildung mit der gleichzeitigen Förderung besonderer
sportlicher Begabungen zu verbinden. Inhalte der leistungssportlichen Ausbildung und Organisation der schulischen Abläufe
sind auf die systematische Talentförderung abzustimmen (vgl. Ziffer 1 des Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums für
Kultus - Schulrechtliche und schulorganisatorische Regelungen für die Arbeit der "Sportbetonten Schulen" im Freistaat Sachsen
vom 13.2.2003 [MBl.SMK 2003, 94], geändert durch Erlass vom 30.11.2005 mit Wirkung vom 1.8.2004 [MBl.SMK 2005, S. 514]). Auch
aus diesen Vorgaben, die zudem der gesellschaftlichen Bedeutung des Leistungssports gerecht werden, ergeben sich Unterschiede
zu anderen Gymnasien in Lehrstoff und Bildungsgang.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus §
188 Satz 2
VwGO.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).