Sachgebiete: Ausbildungsförderung - Aktualisierungsantrag, Einkommensminderung, Glaubhaftmachung, Mitwirkungspflicht
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung für den Besuch der SRH Fachhochschule Heidelberg im Studiengang Betriebswirtschaftslehre
ab Oktober 2003.
Die Klägerin beantragte am 07.08.2003 Ausbildungsförderung. Zum Nachweis eigenen Vermögens legte sie Bescheinigungen einer
Sparkasse und einer Bausparbank vor. Danach betrugen die Guthaben auf ihren Giro- und Sparkonten am Tag der Antragstellung
4.384,77 Euro und das Guthaben auf dem Bausparkonto 3.357,66 Euro mit Stand vom 31.12.2002. Mit Bescheid vom 27.11.2003 lehnte
der Beklagte den Antrag für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis August 2004 (regelmäßiges Ende des Sommersemesters)
mit der Begründung ab, das monatlich anzurechnende Einkommen und Vermögen übersteige den Gesamtbedarf von 466 Euro/Monat.
Der Bescheid ging von 200,60 Euro/Monat anrechenbarem Vermögen der Klägerin sowie anrechenbaren Einkommen ihres Vaters von
298,09 Euro/Monat und ihrer Mutter von 172,11 Euro/Monat aus. Das anrechenbare Einkommen des als Rechtsanwalt selbständig
erwerbstätigen Vaters wurde aus dem in seinem Steuerbescheid für das Jahr 2001 festgesetzten Betrag der Einkünfte aus selbständiger
Arbeit von 138.610 DM (= 70.870,17 Euro) berechnet.
Gegen den Ablehnungsbescheid erhob der Vater als Bevollmächtigter der Klägerin Widerspruch. Seine Tochter habe die Guthaben
auf ihren Giro- und Sparkonten im August und September 2003 für ihren Lebensbedarf, Anschaffungen, Fahrtkosten und zur Zimmersuche
ausgegeben. Das Bausparguthaben diene der Sicherung ihres Studiums, insbesondere der Studiengebühren von 500 Euro/Monat. Insoweit
habe er mit seiner Tochter einen Darlehensvertrag geschlossen. Die Studiengebühren müssten auch bei der Berechnung des Bedarfs
berücksichtigt werden. Sein eigenes Einkommen habe sich in den Jahren 2002 und 2003 gravierend verringert. Er werde den Steuerbescheid
für 2002 in Kürze vorlegen. Für 2003 könne er ein weiteres Absinken in Form einer betriebswirtschaftlichen Auswertung glaubhaft
machen und bitte um Mitteilung, ob das gewünscht sei. Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 02.02.2004, die formlosen Angaben
zur Einkommensminderung könnten nicht berücksichtigt werden; insoweit werde auf die Möglichkeit eines Aktualisierungsantrages
nach §
24 Abs.
3 BAföG hingewiesen, dem Schreiben war ein entsprechendes amtliches Formblatt mit vorgedrucktem Hinweis auf §§
60,
66 SGB I beigefügt.
Mit Schreiben vom 13.02.2004 legte der Vater einen von ihm am 24.08.2003 und von der Klägerin am 10.02.2004 unterzeichneten
Vertrag vor, wonach er der Klägerin für die Studiengebühren ein Darlehen von 20.000 Euro gewährt und die Klägerin ihm den
Auszahlungsanspruch aus dem Bausparvertrag abtritt. Ferner legte er seinen Steuerbescheid für 2002 sowie einen Vorauszahlungsbescheid
des Finanzamtes für 2004 vor, der für Einkünfte aus selbständiger Arbeit 59.507 Euro zugrunde legt. Er erklärte, die im amtlichen
Formblatt des Aktualisierungsantrags verlangte Prognose für 2004 könne er beim besten Willen nicht abgeben; sie sei derzeit
extrem negativ, es ließen sich keine verlässlichen Aussichten für das selbständige Einkommen prognostizieren. Am 17.02.2004
ging das von der Klägerin und ihrem Vater ausgefüllte Formblatt des Aktualisierungsantrages ein. In der vom Vater unter dem
12.02.2004 ausgefüllten "Erklärung des Einkommensbeziehers" auf dem Formblatt werden als Gründe der Einkommensminderung angegeben:
"Konjunkturflaute, Forderungsausfälle, Kostensteigerungen, BG Auflösung". In der Rubrik "Zur Glaubhaftmachung der Einkommensminderung
füge ich folgende Belege bei" hat der Vater ausgefüllt: "mit Schreiben v. 14.2.04 = RA xxxxxx vorgelegt." Auf der Rückseite
hat der Vater zur voraussichtlichen Höhe seines Jahreseinkommens im Bewilligungszeitraum nur die Spalte für das Jahr 2003
ausgefüllt und Beträge angegeben; die Spalte für das Jahr 2004 hat er nicht ausgefüllt.
Mit Bescheid vom 18.02.2004 lehnte der Beklagte den Aktualisierungsantrag ab. Es seien keine konkreten Zahlen zum voraussichtlichen
Einkommen im Jahr 2004 angegeben worden, so dass eine Vergleichsberechnung mit dem Jahr 2001 unmöglich sei. Am 18.03.2004
erhob die Klägerin auch gegen diesen Bescheid Widerspruch, zu dessen Begründung ihr Vater als Bevollmächtigter darlegte: Die
mit Schreiben vom 13.02.2004 vorgelegten Bescheide des Finanzamtes wiesen nach, dass seine Einkünfte massiv gesunken seien.
Mit Bescheid vom 04.06.2004, zugestellt am 08.06.2004, wies der Beklagte beide Widersprüche zurück.
Am 07.07.2004 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung
seiner Bescheide zu verpflichten, ihr Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2003 bis August 2004 zu bewilligen. Die
Studiengebühren seien auf Grund des Darlehensvertrages mit ihrem Vater jedenfalls als Schulden zu berücksichtigen. Der bei
der Berechnung des anrechenbaren Einkommens ihres Vaters berücksichtigte monatliche Freibetrag von 870 Euro für andere Kinder
und Unterhaltsberechtigte sei zu gering, da außer ihr noch ihre Mutter sowie vier andere Kinder gegenüber dem Vater unterhaltsberechtigt
seien und einen wesentlich höheren Bedarf hätten; insoweit werde auf eine beigefügte eidesstattliche Versicherung des Vaters
verwiesen. Die Glaubhaftmachung der Einkommensminderung dürfe nicht von der Einhaltung des §
46 Abs.
3 BAföG abhängig gemacht werden. Vielmehr kämen alle in §
294 Abs.
1 ZPO, § 26 Abs. 2 VwVfG genannten Beweismittel sowie sonstige amtliche Auskünfte, Bestätigungen, Bescheinigungen sowie gegebenenfalls auch schlichte
Erklärungen des Betroffenen in Betracht. Selbständige könnten ihre Einkommensentwicklung nur auf Grund von Vergleichen mit
betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Vorjahre prognostizieren. Diese Prognose habe ihr Vater angestellt und durch Vorlage
entsprechender Steuerunterlagen glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der aktuellen Verhältnisse werde ebenfalls auf die eidesstattliche
Versicherung des Vaters verwiesen. Höchst vorsorglich werde nochmals das amtliche Formblatt mit aktuellen Daten vorgelegt.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 08.06.2005 hat das Verwaltungsgericht den Ablehnungsbescheid vom 18.02.2004 und den Widerspruchsbescheid vom
04.06.2004, soweit er den Widerspruch gegen diesen Ablehnungsbescheid zurückweist, aufgehoben und die Klage im übrigen abgewiesen.
Die Ablehnung von Ausbildungsförderung im Bescheid vom 27.11.2003 sei rechtmäßig. Die Anrechnung eigenen Vermögens der Klägerin
begegne keinen Bedenken. Da die Wertverhältnisse am Tag der Antragstellung maßgebend seien, könnten nachträgliche Änderungen,
wie der geltend gemachte Verbrauch der Sparguthaben zwischen Antragstellung und Aufnahme des Studiums, im vorliegenden Bewilligungszeitraum
nicht berücksichtigt werden. Eine Abtretung des Bausparguthabens am Tag der Antragstellung sei nicht glaubhaft gemacht. Nach
den vorgelegten Unterlagen sei die Klägerin Forderungsinhaberin des Bausparguthabens. Schulden aus dem Darlehensvertrag seien
schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die Vertragsurkunde erst deutlich nach Antragstellung unterzeichnet worden sei;
dass bereits zuvor ein Darlehen mündlich vereinbart worden sei, sei nicht glaubhaft gemacht. Inwieweit Vermögen der Klägerin
anzurechnen sei, könne aber letztlich dahinstehen. Selbst wenn kein Vermögen anzurechnen wäre, hätte sie keinen Förderungsanspruch,
da ihr Bedarf durch das anrechenbare Einkommen ihrer Eltern in dem nach §
24 Abs.
1 BAföG maßgeblichen Jahr 2001 voll gedeckt wäre. Der Beklagte habe den Bedarf zutreffend ermittelt. Studiengebühren seien nicht
zu berücksichtigen. Der Ablehnungsbescheid vom 18.02.2004 sei jedoch rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten.
Diese Entscheidung sei damit begründet worden, dass im Antrag keine vollständigen Zahlenangaben zum voraussichtlichen Einkommen
im Kalenderjahr 2004 gemacht worden seien. Der Aktualisierungsantrag sei somit der Sache nach wegen Verletzung einer nach
§
60 Abs.
1 Nr.
1 SGB I bestehenden Mitwirkungspflicht der Klägerin gemäß §
66 Abs.
1 SGB I abgelehnt worden, auch wenn der Bescheid nicht ausdrücklich auf diese Vorschriften Bezug nehme. Das folge auch aus dem vorangehenden
Schriftwechsel. In dem von der Behörde übersandten Antragsvordruck sei ein formularmäßiger Hinweis auf §§
60,
66 SGB I enthalten. Hätte der Beklagte den Aktualisierungsantrag wegen Unerweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen ablehnen wollen,
wären vorher weitere Ermittlungen zum Einkommen des Vaters im Jahr 2004 erforderlich gewesen. Eine Ablehnung der Aktualisierung
wegen Verletzung einer Mitwirkungspflicht sei zwar zulässig, weil zum voraussichtlichen Einkommen des Vaters im Jahr 2004
entgegen der zwingenden Verpflichtung nach §
46 Abs.
3 BAföG auf dem amtlichen Vordruck nichts angegeben worden sei. Gleichwohl seien die Voraussetzungen nach §
66 SGB I nicht erfüllt, weil der Beklagte der Klägerin entgegen §
66 Abs.
3 SGB I vor der Ablehnung keine angemessene Frist zur Vornahme der Mitwirkungshandlung gesetzt habe. Das sei auch nicht wegen der
Angaben ihres Vaters entbehrlich gewesen, weil die Glaubhaftmachung der Klägerin obliege. Es sei nicht von vornherein auszuschließen,
dass sie bei ordnungsgemäßer Fristsetzung keine Angaben gemacht hätte. Ob die Behörde ihr Ermessen nach §
66 SGB I fehlerfrei ausgeübt habe, könne demzufolge dahinstehen.
Auf Antrag des Beklagten hat der Senat die Berufung zugelassen. Mit der Berufungsbegründung legt der Beklagte dar: Entgegen
der Ansicht des Verwaltungsgerichts lehne der Bescheid vom 18.02.2004 die beantragte Sozialleistung nicht wegen mangelnder
Mitwirkung im Sinne des §
66 SGB I, sondern wegen Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen in der Sache ab. Der Vater der Klägerin habe Angaben gemacht
und Unterlagen eingereicht, sich aber nicht in der Lage gesehen, eine Prognose für das Jahr 2004 anzugeben. Damit habe es
an der erforderlichen materiell-rechtlichen Glaubhaftmachung gefehlt. Weitere Ermittlungen wären nicht möglich gewesen. Eine
Aktualisierung nach §
24 Abs.
3 BAföG komme nur auf Grund einer Prognose des Einkommensbeziehers auf dem dafür vorgesehenen Formblatt in Betracht und könne nicht
etwa durch eine Erklärung des Finanzamtes ersetzt werden. Selbst unter Zugrundelegung der im Vorauszahlungsbescheid für das
Jahr 2004 zugrunde gelegten Einkünfte aus selbständiger Arbeit ergäbe sich kein Förderungsanspruch.
Der Beklagte beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08.06.2005 - 10 K 1821/04 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Beklagte habe das fehlende Ausfüllen des amtlichen Formulars unstreitig angemahnt
und auf Grund dessen letztlich auch abgelehnt. Es käme einer Umgehung der Gesetzessystematik gleich, wenn er einerseits Mitwirkungspflichten
anmahne, sich seine Entscheidung dann aber andererseits nicht an den dafür vorgegebenen Normen orientiere. Ihr Vater habe
hinsichtlich der Aktualisierung seines Einkommens immer auf die steuerlichen Daten, insbesondere im Vorauszahlungsbescheid
für das Jahr 2004, Bezug genommen. In dem zwischenzeitlich vorliegenden endgültigen Steuerbescheid vom 15.02.2006 für das
Jahr 2004 würden sogar nur noch 43.826 Euro Einkünfte aus selbständiger Arbeit festgesetzt.
Der Beklagte erwidert: Zwar ergäbe sich unter Berücksichtigung des im Steuerbescheid vom 15.02.2006 ausgewiesenen Betrages
der Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Jahr 2004 ein Förderungsanspruch von 52 Euro/Monat. Das sei jedoch unerheblich,
weil die Klägerin diese Voraussetzungen nicht im Bewilligungszeitraum glaubhaft gemacht und demzufolge für diesen Zeitraum
auch keinen Anspruch auf eine Förderung nach §
24 Abs.
3 BAföG habe.
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf
sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§
125 Abs.
1 i. V. m. §
101 Abs.
2 VwGO).
Gegenstand der Berufung und Nachprüfung durch den Senat (vgl. §
128 Satz 1
VwGO) ist nur der mit dem Aktualisierungsantrag geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung unter Vorbehalt
der Rückforderung nach den Einkommensverhältnissen des Vaters der Klägerin im Bewilligungszeitraum (§
24 Abs.
3 Satz 3
BAföG), nicht aber der im angefochtenen Urteil mit der Klageabweisung im Übrigen versagte - bei sachdienlicher Auslegung des Klagebegehrens
allerdings wohl nur hilfsweise verfolgte - Anspruch auf vorbehaltlose Bewilligung von Ausbildungsförderung nach den gemäß
§
24 Abs.
1 BAföG maßgeblichen Einkommensverhältnissen für denselben Zeitraum. Denn die Klägerin hat gegen die Abweisung ihrer Klage im Übrigen
kein (Anschluss-)Rechtsmittel (§
127 VwGO) eingelegt.
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere wurde die Berufungsbegründung
form- und fristgerecht vorgelegt. Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie sich gegen
die Ablehnung des Aktualisierungsantrages im Bescheid vom 18.02.2004 richtet, zu Unrecht als Anfechtungsbegehren ausgelegt
und diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids isoliert aufgehoben. Die Klage ist auch insoweit nur als Verpflichtungsbegehren
auszulegen und zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).
1. Streitgegenstand der Klage, soweit sie sich gegen den Bescheid vom 18.02.2004 richtet, ist bei sachdienlicher Auslegung
nur der Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung gemäß dem Aktualisierungsantrag
der Klägerin, nicht aber - stattdessen oder zusätzlich - das Begehren, den Bescheid vom 18.02.2004 isoliert aufzuheben. Die
Klägerin hat nicht ausdrücklich geltend gemacht, dass dieser Bescheid sie selbständig beschwere, etwa weil er als Sanktion
im Sinne des §
66 Abs.
1 SGB I anzusehen sei. Aber auch eine entsprechende sinngemäße Auslegung ihres Begehrens scheidet mangels Sachdienlichkeit (§§
86 Abs.
3,
88 VwGO) aus. Zwar käme das in Betracht, wenn der Bescheid vom 18.02.2004 den mit dem Aktualisierungsantrag geltend gemachten Sozialleistungsanspruch
wegen Verstoßes gegen eine Mitwirkungspflicht nach den §§
60 bis
62,
65 SGB I gemäß §
66 Abs.
1 SGB I versagte (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.1985 - 5 C 133/81 - BVerwGE 71, 8; Urt. des Senats v. 09.12.1996 - 7 S 1308/95 - juris; siehe ferner Urt. des Senats v. 29.10.1982 - 7 S 842/82 -ESVGH 33, 56). Das ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aber nicht der Fall. Die Ablehnung einer Sozialleistung
kann wegen der spezifischen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des §
66 SGB I nur dann als Sanktion im Sinne dieser Vorschrift verstanden werden, wenn die Behörde zur Begründung ausdrücklich darauf Bezug
nimmt oder wenn ihre Entscheidung nach dem Empfängerhorizont (§
133 BGB entspr.) auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles der Sache nach nur als eine solche Sanktion verstanden werden kann.
Der Beklagte hat die Ablehnung des Aktualisierungsantrages im Bescheid vom 18.02.2004 indes nicht auf §
66 Abs.
1 SGB I, sondern darauf gestützt, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Ausbildungsförderung unter Vorbehalt der Rückforderung
nach §
24 Abs.
3 BAföG mangels ausreichender Angaben zum voraussichtlichen Einkommen des Vaters der Klägerin im Bewilligungszeitraum nicht im Sinne
des §
24 Abs.
3 Satz 2
BAföG glaubhaft gemacht seien. In der Begründung des Bescheids wird ausdrücklich weder §
66 Abs.
1 SGB I noch der Verstoß gegen eine bestimmte Mitwirkungspflicht nach §§
60 bis
62,
65 SGB I erwähnt. Es gibt auch keine besonderen Umstände, auf Grund derer der Ablehnungsbescheid nach dem Empfängerhorizont der Sache
nach nur als Sanktion im Sinne dieser Vorschrift verstanden werden könnte. Das kann bei der Ablehnung eines Aktualisierungsantrages
etwa der Fall sein, wenn die Behörde nach der Antragstellung in einem Schriftwechsel mit dem Antragsteller unter formularmäßigem
Hinweis auf die Sanktionsmöglichkeit nach §
66 Abs.
1 SGB I die Vorlage von Nachweisen zu den im Antrag angegebenen Beträgen des voraussichtlichen Einkommens im Bewilligungszeitraum
anmahnt und den Antrag anschließend mit der Begründung ablehnt, die angegebenen Zahlen seien nicht ausreichend durch Nachweise
glaubhaft gemacht worden (Senatsurteil vom 09.12.1996 - 7 S 1308/95 - juris). Einen derartigen Schriftwechsel nach Stellung des Aktualisierungsantrages hat es hier aber nicht gegeben. Allein
der vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Umstand, dass der Beklagte der Klägerin vor Stellung des Aktualisierungsantrages
ein entsprechendes amtliches Antragsformular mit vorgedrucktem Hinweis auf §§
60,
66 SGB I übersandt hat, ist kein hinreichendes Indiz dafür, dass die auf unzureichende Tatsachenangaben, nicht aber auf §§
60,
66 SGB I gestützte spätere Ablehnung des Antrages der Sache nach nur als Sanktion im Sinne dieser Vorschriften gemeint sein kann.
Der Bescheid vom 18.02.2004 lehnt den mit dem Aktualisierungsantrag geltend gemachten Sozialleistungsanspruch vielmehr in
der Sache ab. Dagegen ist nur die Verpflichtungsklage statthaft und auch sonst zulässig.
2. Die Klage ist insoweit aber nicht begründet. Die Ablehnung von Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung
nach §
24 Abs.
3 Satz 3
BAföG für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2003 bis August 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen entsprechenden Förderungsanspruch.
Nach §
24 Abs.
3 Satz 1 Halbsatz 1
BAföG ist auf besonderen Antrag des Auszubildenden (Aktualisierungsantrag) bei der Anrechnung des Einkommens der Eltern und des
Ehegatten des Auszubildenden von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen, wenn das Einkommen in diesem
Zeitraum voraussichtlich wesentlich niedriger ist als in dem nach §
24 Abs.
1 BAföG grundsätzlich maßgeblichen Zeitraum des vorletzten Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums. Nach Ende des Bewilligungszeitraums
gestellte Aktualisierungsanträge werden nicht berücksichtigt (§
24 Abs.
3 Satz 1 Halbsatz 2
BAföG). "Wesentlich" niedriger ist ein Einkommen, wenn sich unter seiner Berücksichtigung bei einer Vergleichsberechnung mit dem
nach §
24 Abs.
1 BAföG grundsätzlich maßgeblichen Einkommen des Vorvorjahres entweder der Förderungsbetrag um mindestens den in §
51 Abs.
4 BAföG genannten Betrag von 10 Euro erhöht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.08.1991 - 5 B 18.90 - FamRZ 1992, 733 und Nr. 24.3.1 BAföGVwV 1991) oder sich überhaupt erst ein Förderungsbetrag von mindestens 10 Euro ergibt. Insoweit wird
Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet (§
24 Abs.
3 Satz 3
BAföG). Der Auszubildende hat das Vorliegen der Voraussetzungen glaubhaft zu machen (§
24 Abs.
3 Satz 2
BAföG). Die Tatsachen sind zwingend auf den Formblättern anzugeben, welche die Bundesregierung durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift
mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt hat (§
46 Abs.
3 BAföG;
BAföG-FormblattVwV 2004). Die Erklärungen im Antrag sind allerdings auslegungsfähig. Die Feststellung eines Anspruchs auf Ausbildungsförderung
scheitert nicht daran, dass die erforderlichen Tatsachen zwar nicht zu den vorgedruckten Fragen, aber gleichwohl an anderer
Stelle auf den Formblättern angegeben worden sind (BVerwG, Beschluss vom 04.06.1987 - 5 B 106/86 - Buchholz 436.36 §
46 BAföG Nr. 9). Da die für die Beurteilung der "Wesentlichkeit" der Einkommensminderung erforderliche Vergleichsberechnung mit dem
nach §
24 Abs.
1 BAföG grundsätzlich maßgeblichen Einkommen des Vorvorjahres ohne Angabe konkreter Beträge nicht möglich ist, muss das voraussichtliche
Einkommen im Bewilligungszeitraum im Aktualisierungsantrag betragsmäßig konkretisiert werden. Das kann auch auf Grund einer
anhand von Vergleichs- oder Erfahrungswerten nachvollziehbaren Schätzung oder Hochrechnung geschehen. Mit diesen Anforderungen
sowie der Notwendigkeit, den Aktualisierungsantrag vor Ablauf des Bewilligungszeitraums zu stellen (§
24 Abs.
3 Satz 1 Halbsatz 2
BAföG), wird dem Auszubildenden nichts rechtlich oder tatsächlich Unmögliches abverlangt, etwa ein Nachweis einer ungünstigen Änderung
der Einkommensverhältnisse der Eltern noch vor dem Vorliegen eines abschließenden Steuerbescheides oder des Ergebnisses einer
Betriebsprüfung. Denn §
24 Abs.
3 Satz 1
BAföG knüpft nur an das "voraussichtliche" Einkommen an und auch das Erfordernis der Glaubhaftmachung nach §
24 Abs.
3 Satz 2
BAföG bezieht sich nur darauf, nicht aber auf das erst später feststellbare (endgültige) Einkommen. Da der Auszubildende nicht
selbst der Bezieher des anzurechnenden Einkommens ist, muss er sich an seine Eltern bzw. seinen Ehegatten wenden und von ihnen
eine Glaubhaftmachung verlangen, dass die Einkommensentwicklung "voraussichtlich", d. h. nach den vorliegenden Erkenntnissen,
im Bewilligungszeitraum gegenüber dem Vorvorjahr (§
24 Abs.
1 BAföG) rückläufig ist. Die Obliegenheit, von Eltern oder Ehegatten eine solche Erklärung zu verlangen, welche einen aktuellen Erkenntnisstand
wiedergibt, verlangt dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern oder Ehegatten keinen nach dem Entwicklungsstand unmöglichen Nachweis
ab; denn eine "endgültige" Feststellung des Einkommens wird nach §
24 Abs.
3 Satz 4
BAföG erst für die abschließende Entscheidung über die gemäß §
24 Abs.
3 Satz 3
BAföG unter Vorbehalt der Rückforderung geleistete Ausbildungsförderung verlangt. Das Amt für Ausbildungsförderung ist daher bei
einem Aktualisierungsantrag gehalten, auf vorläufiger Grundlage eine vorläufige Entscheidung zu treffen und dabei einer vorliegenden
tatsächlichen Ungewissheit Rechnung zu tragen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 08.07.2004, a. a. O.).
Gemessen daran hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung unter Vorbehalt der Rückforderung nach §
24 Abs.
3 Satz 3
BAföG, weil sie das Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen nach §
24 Abs.
3 Satz 1 Halbsatz 1
BAföG nicht glaubhaft gemacht hat. Allerdings ist zweifelhaft, ob das - wie der Beklagte meint - schon daraus folgt, dass ihr Vater
in seiner Erklärung vom 12.02.2004 auf der Rückseite des amtlichen Formulars des Aktualisierungsantrages nur das voraussichtliche
Einkommen im Jahr 2003, nicht aber im Jahr 2004 betragsmäßig konkretisiert hat. Denn möglicherweise konnte den weiteren Erklärungen
des Vaters im amtlichen Formular im Zusammenhang mit der kurz zuvor erfolgten Vorlage des Vorauszahlungsbescheides des Finanzamtes
für das Jahr 2004 bei der gebotenen Auslegung entsprechend §
133 BGB entnommen werden, dass er sich zumindest die in diesem Bescheid ausgewiesenen Beträge der Einkünfte aus selbständiger Arbeit
und der Steuervorauszahlungen zu eigen machen wollte. Darauf kommt es aber nicht an, weil die Klägerin auch unter Berücksichtigung
dieser Beträge und der vom Vater im Formular des Aktualisierungsantrages angegebenen Zahlen zu seinem voraussichtlichen Einkommen
im Kalenderjahr 2003 jedenfalls keine "wesentliche" Einkommensminderung glaubhaft gemacht hat (a)). Die erst nach Ablauf des
Bewilligungszeitraums angegebenen Tatsachen zu den Einkommensverhältnissen des Vaters im Bewilligungszeitraum, insbesondere
der im Berufungsverfahren vorgelegte endgültige Steuerbescheid für das Jahr 2004, werden im Übrigen nach §
24 Abs.
3 Satz 1 Halbsatz 2
BAföG nicht berücksichtigt (b)).
a) Wie sich aus der vom Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnung vom 07.02.2006 ergibt, betrüge das gemäß §
24 Abs.
4 Satz 2
BAföG anrechenbare Einkommen des Vaters in dem elfmonatigen Bewilligungszeitraum unter Berücksichtigung der von ihm im Formular
des Aktualisierungsantrages für das Jahr 2003 angegebenen und der im Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes für das Jahr 2004
ausgewiesenen Beträge 4.745,12 Euro/Monat. Davon sind die auf den Bewilligungszeitraum aufzuteilenden Steuervorauszahlungen
von 375 Euro/Monat (§
21 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 BAföG), der maximale Abgeltungsbetrag für Aufwendungen zur sozialen Sicherung von 1.375 Euro/Monat (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr.
4 i. V. m. Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 BAföG), der Freibetrag für den Vater als Einkommensbezieher von 960 Euro/Monat (§
25 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 BAföG), zwei Freibeträge von jeweils 435 Euro/Monat für nach bürgerlichem Recht unterhaltsberechtigte und nicht in einer förderungsfähigen
Ausbildung stehende Personen (§
25 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 BAföG) und ein Zusatzfreibetrag für den Vater von 699,08 Euro/Monat (§
25 Abs.
4 BAföG) anrechnungsfrei. Da das danach verbleibende anrechenbare Einkommen von 466,04 Euro/Monat außer auf den Bedarf der Klägerin
noch auf drei andere in einer förderungsfähigen Ausbildung stehende Kinder des Vaters anzurechnen ist, ist es bei der Klägerin
nur zu einem Viertel, also in Höhe von 155,34 Euro/Monat anrechenbar (§
11 Abs.
4 BAföG). Unter Berücksichtigung des anrechenbaren Einkommens der Mutter der Klägerin von 172,11 Euro/Monat sowie des anrechenbaren
Vermögens der Klägerin von 200,60 Euro/Monat übersteigt das danach insgesamt anrechenbare Einkommen und Vermögen von 528,05
Euro/Monat nach wie vor den Gesamtbedarf von 466 Euro/Monat. Soweit die Klägerin einwendet, der Anrechnungsbetrag von 870
Euro/Monat für nach bürgerlichem Recht unterhaltsberechtigte Personen sei zu gering, da die ihrem Vater gegenüber unterhaltsberechtigten
Personen einen wesentlich höheren Bedarf hätten, übersieht sie, dass es sich um Freibeträge nur für zwei nicht in einer förderungsfähigen
Ausbildung stehende unterhaltsberechtigte Personen handelt (§
25 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 BAföG) und dass der Unterhaltspflicht gegenüber den anderen in einer förderungsfähigen Ausbildung stehenden Personen durch die
Aufteilung des verbleibenden anrechenbaren Einkommens nach §
11 Abs.
4 BAföG Rechnung getragen wird. Die übrigen Einwendungen der Klägerin gegen die Berechnung ihres Bedarfs und die Anrechnung eigenen
Vermögens hat das Verwaltungsgericht im Übrigen mit zutreffender, wenn auch nicht entscheidungstragender Begründung zurückgewiesen.
Zwar bezieht sich diese Begründung auf die nicht angefochtene Abweisung der Klage im übrigen. Sie trifft für die Berechnung
des Förderungsanspruchs gemäß dem Aktualisierungsantrag nach §
24 Abs.
3 Satz 3
BAföG aber gleichermaßen zu, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug nimmt.
b) Die erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums im Laufe des Verfahrens angegebenen Tatsachen zu den Einkommensverhältnissen
des Vaters im Bewilligungszeitraum, insbesondere der erst am 15.02.2006 ergangene endgültige Steuerbescheid für das Jahr 2004,
werden nach §
24 Abs.
3 Satz 1 Halbsatz 2
BAföG nicht berücksichtigt. Der Wortlaut dieser Vorschrift beruht auf der Neufassung durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 22.05.1990 (BGBl. I S. 936). Anders als §
24 Abs.
3 Satz 1
BAföG a.F. (Fassung der Bekanntmachung vom 06.06.1983, BGBl. I S. 645) ordnet er nunmehr eindeutig an, dass nach Ende des Bewilligungszeitraums gestellte Aktualisierungsanträge "nicht berücksichtigt"
werden. Die zu §
24 Abs.
3 Satz 1
BAföG a.F. ergangene abweichende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 12.07.1979 - 5 C 7.78 - BVerwGE 58, 200) ist durch diese Neufassung überholt, ohne dass Art.
3 Abs.
1 GG eine verfassungskonforme andere Auslegung gebietet (BVerwG, Urt. v. 08.07.2004, a. a. O.). Ist ein nach Ende des Bewilligungszeitraums
gestellter Aktualisierungsantrag nicht zu berücksichtigten, gilt das für die nach §
24 Abs.
3 Satz 2
BAföG erforderliche Glaubhaftmachung der anspruchsbegründenden Tatsachen erst Recht. Denn andernfalls würde der Zweck dieser zeitlichen
Begrenzung unterlaufen, zu verhindern, dass durch eine Ausnahmeregelung (§
24 Abs.
3 BAföG) öffentliche Mittel für einen bereits abgelaufenen Zeitraum zufließen (BT-Drs. 11/5961 S. 23).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
1 VwGO, §
188 Satz 2
VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO erfüllt ist.