Schulrecht - Antrag auf Überweisung eines behinderten Schülers an eine Regelschule, verfassungsrechtliches Verbot der Benachteilung
Behinderter, gesetzliche Voraussetzungen eines integrativen Unterrichts, Feststellung der "aktiven Teilnahmefähigkeit", Ausschluss
einer sonderpädagogischen Einzelbetreuung im integrativen Unterricht, innerschulisches Aufgabenfeld eines Integrationshelfers
nach Sozialhilferecht, Funktionsbereich der Mobilen Sozialpädagogischen Dienste (MSD)
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, ihn vorläufig an eine
Regelschule zu überweisen.
Der am 11. November 1995 geborene Antragsteller, der am sog. Down-Syndrom leidet, besuchte ab dem Schuljahr 2002/2003 die
E******* -Schule in A*****, ein privates Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Nachdem dort ab dem
Schuljahr 2005/2006 die bisherige Kooperation mit einer Klasse der Regelgrundschule eingeschränkt werden sollte, beantragten
die Eltern des Antragstellers, ihn an die sprengelmäßig zuständige Regelvolksschule (Grundschule und Teilhauptschule I) in
A***** zu überweisen.
Die Regierung von Schwaben lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Januar 2006 ab und verwies zur Begründung auf zwischenzeitlich
eingeholte Gutachten, wonach dem Antragsteller eine aktive Teilnahme am Unterricht der Regelvolksschule nicht möglich sei.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Antragstellers wurde mit Bescheid vom 21.Juni 2006 zurückgewiesen.
Der Antragsteller ließ daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben, über die noch nicht entschieden worden ist.
Zugleich ließ er beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zumindest probeweise die Teilnahme
am Unterricht der Grundschule E***** in A***** zu gestatten.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Mit Beschluss vom 3. August 2006 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag ab. Der Antragsteller besitze nicht die
nach Artikel 41 Abs. 8 Satz 1, Absatz 1 BayEUG geforderte Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am gemeinsamen Unterricht in der allgemeinen Schule; dies ergebe sich aus den
vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen. Am Fehlen der aktiven Teilnahmefähigkeit bestünden keine Zweifel, so dass auch
eine probeweise Überweisung gemäß § 21 Abs. 6 Satz 2 VSO-F nicht in Betracht komme. Art. 41 Abs. 1 BayEUG stehe im Übrigen mit der Verfassung in Einklang; der Antragsteller könne sich auch nicht auf einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention
berufen.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt. Der angegriffenen Entscheidung liege
ein zu enges Verständnis des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayEUG zugrunde. Sie übersehe insbesondere die Möglichkeit, während des Unterrichts auf die Unterstützung eines im Rahmen der Eingliederungshilfe
nach §§ 53, 54 SGB XII zu finanzierenden Integrationshelfers zurückzugreifen. Bereits in der Vergangenheit sei dem Antragsteller
einmal zu Unrecht die "aktive Teilnahmefähigkeit" abgesprochen worden. Da in Bayern derzeit 119 Kinder mit Down-Syndrom erfolgreich
eine Volksschule besuchten, liege zumindest ein Zweifelsfall im Sinne von § 21 Abs. 6 Satz 1 VSO-F vor. Die gegenteilige Entscheidung
verletze den Antragsteller in seinen Grundrechten aus Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG und Art.
118a BV, da ihm allein aufgrund einer behinderungsbedingten Eigenschaft der Zugang zur Grundschule verwehrt werde. In Anbetracht
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse die auf die aktive Beteiligungsfähigkeit abstellende Vorschrift des
Art. 41 Abs. 1 BayEUG als grundrechtswidrig angesehen werden.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde des Antragstellers entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren
beschränkt (§
146 Abs.
4 Satz 6
VwGO), können nicht zur Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führen. Die für die beantragte Überweisung an die
Volksschule maßgeblichen schulrechtlichen Normen sind aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden; auch gegen ihre
Anwendung im vorliegenden Fall bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
Schülerinnen und Schüler einer Förderschule können nach Art. 41 Abs. 8 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i.V.m. § 21 Abs. 5 Satz 1 der Schulordnung für die Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung (Volksschulordnung - F, VSO-F) die Überweisung
an eine Volksschule beantragen, wenn zu erwarten ist, dass sie am dortigen Unterricht "mit Erfolg" teilnehmen können. Die
Anforderungen, die an eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der Regelschule gestellt werden, lassen sich im Umkehrschluss
aus Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayEUG entnehmen. Danach haben Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine für sie geeignete Förderschule zu besuchen,
wenn sie am gemeinsamen Unterricht in der allgemeinen Schule nicht aktiv teilnehmen können oder wenn ihr sonderpädagogischer
Förderbedarf an der allgemeinen Schule auch mit Unterstützungsmaßnahmen der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste (MSD) nach
Art. 21 Abs. 3 BayEUG nicht oder nicht hinreichend erfüllt werden kann. Wann ein Schüler im Sinne der erstgenannten Alternative als fähig gilt,
"aktiv am Unterricht der allgemeinen Schule teilnehmen", wird in Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG näher definiert. Von den dort aufgezählten (sich teilweise überschneidenden) persönlichen Voraussetzungen, die für eine Überweisung
an die allgemeine Schule kumulativ vorliegen müssen, fehlt dem Antragsteller nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts jedenfalls
die Fähigkeit, "den verschiedenen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule folgen" zu können. Die hiergegen im Beschwerdeverfahren
vorgetragenen Einwände können nicht überzeugen.
a) An der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Mindestanforderung einer "aktiven Teilnahmefähigkeit" bestehen bei sachgerechter
Auslegung keine ernstlichen Zweifel. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 8. Oktober 1997
ausgeführt hat, wäre nach dem gegenwärtigen pädagogischen Erkenntnisstand zwar ein genereller Ausschluss der Möglichkeit einer
gemeinsamen Erziehung und Unterrichtung von behinderten Schülern mit Nichtbehinderten verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen
(B. vom 8. 10. 1997 BVerfGE 96,288/304). Der Gesetzgeber darf aber im Rahmen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums,
der ihm bei der Schaffung eines möglichst behindertengerechten Schulsystems zukommt, von der Einführung solcher Integrationsformen
absehen, deren Verwirklichung ihm aus pädagogischen, aber auch aus organisatorischen, personellen und finanziellen Gründen
nicht vertretbar erscheint, sofern die verbleibenden Möglichkeiten einer integrativen Erziehung und Unterrichtung den Belangen
behinderter Kinder und Jugendlicher ausreichend Rechnung tragen (BVerfG, a.a.O., 307). In der Normierung pädagogisch begründeter
individueller Zugangsvoraussetzungen und dem damit verbundenen Ausschluss eines Wahlrechts zwischen Förder- und Regelschule
liegt daher, sofern die konkrete Abwägungsentscheidung in verfahrensmäßig adäquater Form unter substanzieller Beteiligung
der Eltern erfolgt (Osterloh in: Sachs,
GG, 2. Aufl., RdNr. 317 zu Art.
3), allein noch keine verbotene Benachteiligung im Sinne des Art.
3 Absatz
3 Satz 2
GG bzw. des sachlich gleichlautenden Art.
118a Satz 1 BV (vgl. Caspar, EuGRZ 2000, 135/138). Von einer solchen Benachteiligung kann vielmehr erst gesprochen werden, wenn
im Einzelfall eine Förderschulüberweisung erfolgt, obgleich der Besuch der allgemeinen Schule durch einen vertretbaren Einsatz
von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden könnte (BVerfG, a.a.O.).
Die zum 1. August 2003 in Kraft getretene Änderung des Art. 41 Abs. 1 BayEUG (G. vom 24. 3. 2003, GVBl S. 262) wird diesen grundrechtlichen Vorgaben gerecht. Die Neuregelung soll nach dem Willen des
Gesetzgebers eine über den bisherigen Umfang hinausgehende integrative Beschulung ermöglichen (LT-Drs 14/9152 S. 1; StMin
Hohlmeier, BayLT Plenarprotokoll 14/86 S. 6179; Thätter, BayLT Plenarprotokoll 14/112 S. 8216). Sie rückt zu diesem Zweck
bewusst von dem bisher geltenden Grundsatz der Lernzielgleichheit ab (vgl. Kiesl/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Bd. 1, Anm.
1 zu Art. 41 BayEUG; Dirnaichner/Karl, Förderschulen in Bayern, Kz. 11.30 Erl. 2). Während Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf früher
an allgemeinen Schulen nur unterrichtet werden konnten, wenn ein den dortigen Anforderungen entsprechender Lernerfolg zu erwarten
war (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayEUG a.F.), genügt nach heutigem Recht bereits die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am gemeinsamen Unterricht. Um dieses Aufnahmekriterium
zu erfüllen, müssen die behinderten Schüler - gegebenenfalls unterstützt durch Maßnahmen der MSD nach Art. 21 Abs. 3 BayEUG - vor allem in der Lage sein, den wesentlichen Teilen des planmäßigen Unterrichts der allgemeinen Schule aus eigener Kraft
zu folgen (LT-Drs 14/9152 S. 23, Begründung zu § 1 Nr. 20 des Änderungsgesetzes). Ist hiernach eine Mitarbeit in der Klassengemeinschaft
nicht möglich und kann nur mit zusätzlichen Hilfskräften mit dem betreffenden Kind pädagogisch gearbeitet werden, so erweist
sich die integrative Beschulung nach der Einschätzung des Gesetzgebers als nicht mehr sinnvoll; die räumliche Anwesenheit
allein stellt aus seiner Sicht noch keine wirkliche Integration in die Regelschule dar (vgl. Thätter, BayLT Plenarprotokoll
14/112 S. 8216).
Das in diesem Sinne zu verstehende Erfordernis der aktiven Teilnahmefähigkeit hat entgegen der Auffassung des Antragstellers
nicht zur Folge, dass damit eine ganze Gruppe von Schülern aufgrund einer behinderungsbedingten Eigenschaft "generell und
alternativlos" ohne die gebotene Einzelfallprüfung von einer integrativen Erziehung und Unterrichtung ausgeschlossen würde.
Die Anmeldung an einer Förderschule und die mögliche Überweisung von dort an eine allgemeine Schule erfolgen in einem mehrstufigen
Verfahren, in dem der individuelle Förderbedarf des behinderten Schülers durch unabhängige Gutachter sorgfältig ermittelt
und mit den Erziehungsberechtigten erörtert wird (Art. 41 Abs. 3, Abs. 8 Satz 3 BayEUG). Es richtet sich demgemäß nach dem aktuellen Entwicklungsstand, insbesondere dem Kommunikations- und Konzentrationsvermögen
des einzelnen Schülers, ob er den in der betreffenden Jahrgangsklasse der allgemeinen Schule üblicherweise verwendeten Unterrichtsformen
(z. B. Unterrichtsgespräch, Frontal-, Gruppen-, Einzelunterricht, Projektarbeit) - auch unterstützt durch Maßnahmen nach Art.
21 Abs. 3 BayEUG - so weit folgen kann, dass er auf Dauer schulische Fortschritte zu erzielen vermag.
b) Der Antragsgegner hat in Anwendung der vorgenannten schulrechtlichen Bestimmungen und unter Beachtung der verfassungsrechtlichen
Abwägungsdirektiven die beantragte Überweisung des Antragstellers an die Regelschule im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Wie das
Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss zutreffend darlegt, fehlt dem Antragsteller die aktive Teilnahmefähigkeit im
Sinne von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG jedenfalls insoweit, als er überwiegend auf Einzelmaßnahmen und Einzelzuwendungen angewiesen wäre, um mit den methodischen
Unterrichtsformen der allgemeinen Schule zurechtzukommen. Diese Schlussfolgerung, die sich auf die von den Schulbehörden eingeholten
Fachgutachten stützt, wird durch das Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Verwaltungsgericht das in Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG enthaltene Merkmal "den verschiedenen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule folgen können" anknüpfend an die Bekanntmachung
des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 19. März 2003 (Nr. IV.9-5 S 8600-4.27 498) dahingehend ausgelegt
hat, dass der betreffende Schüler, "ohne überwiegend auf Einzelmaßnahmen und -zuwendungen angewiesen zu sein, mit den methodischen
Unterrichtsformen der allgemeinen Schule zurechtkommen" muss. In dieser Formulierung liegt keine sachliche Änderung bzw. Verschärfung
des gesetzlichen Zugangskriteriums, zu der weder die Schulverwaltung noch das Gericht befugt wäre, sondern lediglich eine
dem Gesetzeswortlaut und Regelungszweck entsprechende begriffliche Konkretisierung, wie sie jeder Rechtsanwendung immanent
ist. Dass von einer aktiven Teilnahmefähigkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG nicht mehr gesprochen werden kann, wenn der Schüler wesentlichen Teilen des regulären Unterrichts nur aufgrund einer Einzelbetreuung
(durch pädagogische Integrationshelfer oder Zweitlehrer) zu folgen vermag, kommt im Übrigen bereits in den Gesetzesmaterialien
deutlich zum Ausdruck (LT-Drs 14/9152 S. 23, Begründung zu § 1 Nr. 20 des Änderungsgesetzes).
Der von den Gutachtern übereinstimmend festgestellte Bedarf an sonderpädagogischen Einzelmaßnahmen und -zuwendungen muss hier
bei der Prüfung der aktiven Teilnahmefähigkeit nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil dem Antragsteller gemäß §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO ein Anspruch auf "Hilfe zu einer angemessenen
Schulbildung" in Gestalt eines Integrationshelfers zusteht. Bei dieser vom Träger der Sozialhilfe zu erbringenden Leistung
kann es, wie auch der Antragsteller grundsätzlich einräumt, im schulischen Bereich nur um eine vorrangig pflegerische, heilpädagogische
oder lebenspraktische Unterstützung gehen, etwa in Fällen behinderungsbedingter Kommunikationshemmnisse (BayVGH vom 25. 10.
2001 Az. 12 CE 01.1734, vom 6. 10. 2004 VGH n.F. 57, 152) oder feinmotorischer Einschränkungen (BayVGH vom 6. 6. 2005 Az. 12 BV 03.3176). Bedarf es dagegen unterrichtsbegleitend
einer spezifisch sonderpädagogischen Einzelbetreuung, so sind dafür nach Art. 21 BayEUG allein die Mitarbeiter der MSD als speziell ausgebildete schulische Fachkräfte zuständig. Ein ergänzendes Tätigwerden der
allgemeinen Integrationshelfer muss hier - ungeachtet der Frage einer ausreichenden Qualifikation - schon deshalb ausscheiden,
weil das für die integrative Beschulung in Art. 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayEUG vorausgesetzte Mindestmaß an "aktiver" Teilnahmefähigkeit eine pädagogische Einzelbetreuung während des Unterrichts nur in
der Form und im Umfang des Art. 21 Abs. 3 BayEUG zulässt (Dirnaichner/Karl, Förderschulen in Bayern, Kz. 11.30 Erl. 3). An diese Grundsatzentscheidung des Schulgesetzgebers
und die darauf beruhenden Zuweisungsentscheidungen bezüglich der förderbedürftigen Schüler sind die Sozialhilfeträger bei
der Gewährung von Eingliederungshilfe gebunden (vgl. BVerwG vom 16. 1. 1986 NDV 1986, 291; BayVGH vom 6. 6. 2005 Az. 12 BV 03.3176). Mit dem Hinweis auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII lassen sich daher keine Ansprüche
gegen den Schulträger auf integrative Beschulung begründen (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, RdNr. 22 zu § 54 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall kann entgegen dem Beschwerdevortrag nicht angenommen werden, dass bei Aufnahme in die Regelschule nur
ein geringfügiger, von den MSD voll abzudeckender sozialpädagogischer Hilfebedarf entstünde. Der Antragsteller wäre bei kooperativer
Beschulung nicht lediglich auf gesonderte Lernmaterialien angewiesen; es müssten vielmehr, wie der angegriffene Bescheid vom
19. Januar 2006 zutreffend darlegt, auch spezifisch auf seine Person zugeschnittene Unterrichtsformen zum Einsatz kommen,
für die es sonderpädagogisch ausgebildeter Fachkräfte bedürfte. In dieser Feststellung liegt der gemeinsame Tenor der vom
Antragsgegner im Vorfeld der Entscheidung eingeholten fachlichen Stellungnahmen. So wird im Gutachten des privaten Förderzentrums
mit Schwerpunkt geistige Entwicklung vom 1. August 2005 ausführlich dargelegt, dass eine erfolgreiche Bewältigung der kognitiven
Anforderungen der Regelschule vom Antragsteller ohne fortlaufende individualisierende Hilfeleistungen nicht zu erwarten sei;
der extrem hohe sonderpädagogische Förderbedarf sei auch unter Einbeziehung der MSD nicht zu leisten (S. 4). Diese Einschätzung
wird bestätigt durch die Stellungnahme der an der kooperativen Außenklasse beteiligten Grundschule Friedberg vom 1. August
2005, in der vor allem die bei Frontalunterricht und in Unterrichtsgesprächen zu beobachtende mangelnde Fähigkeit zur planvollen
und andauernden Mitarbeit angesprochen wird (S. 2). Die im Rahmen des Überprüfungsverfahrens beteiligte Schulpsychologin legt
in ihrem sonderpädagogischen Gutachten vom 16. Dezember 2005 ebenfalls dar, dass der Antragsteller bei den (bereits speziell
auf die Teilnahme behinderter Kinder zugeschnittenen) Unterrichtsgesprächen in der kooperativen Außenklasse weitgehend unbeteiligt
gewirkt und sich nach Aufrufen durch die Lehrkraft wenig passend geäußert habe (S. 4); die methodischen Unterrichtsformen
der Grundschule (3. Klasse) seien für ihn ohne stark individualisierende Maßnahmen nicht einmal ansatzweise zu bearbeiten
(S. 6).
Inhaltliche oder methodische Bedenken gegen die Richtigkeit dieser übereinstimmenden fachlichen Bewertungen sind nicht ersichtlich;
demzufolge liegt hinsichtlich des gefundenen Ergebnisses auch kein Zweifelsfall im Sinne des § 21 Abs. 6 Satz 1 VSO-F vor,
bei dem eine probeweise befristete Überweisung an die Volksschule in Frage käme. Aus dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren,
wonach der Antragsteller in den zurückliegenden Schuljahren als Teilnehmer einer kooperativen Außenklasse den dort praktizierten
Unterrichtsformen habe folgen können und dabei Lernfortschritte erzielt habe, folgt nichts Gegenteiliges. Der zeitweise gemeinsam
von Lehrkräften der Grund- und Förderschule gestaltete kooperative Unterricht, bei dem auf gängige Formen der Grundschuldidaktik
wie Frontalunterricht, Arbeit mit Lehrbüchern und Texten, Erstellen von Hefteinträgen und Abfragen bewusst verzichtet wurde
(Stellungnahme der Grundschule Friedberg vom 1. 8. 2005, S. 1), fand unter gänzlich anderen Bedingungen statt als ein regulärer
Grundschulunterricht, so dass die damaligen Erfahrungen nicht unverändert auf einen integrativen Vollzeitunterricht in der
Regelschule übertragen werden können. Die vom Antragsgegner bestellten Gutachter haben das im kooperativen Unterricht gezeigte
Beteiligungsverhalten des Antragstellers im Übrigen durchaus anerkannt und berücksichtigt; sie sind aber hinsichtlich der
beantragten Zuweisung in die dritte oder vierte Grundschulklasse aus sachlich nachvollziehbaren Erwägungen dennoch zu einer
negativen Prognose gelangt.
Der vom Antragsteller erwähnte Umstand, dass im Schuljahr 2005/2006 in Bayern insgesamt 119 Kinder mit Down-Syndrom mit Erfolg
Grundschulen besucht haben, vermag ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der seine Person betreffenden Eignungsprognose
zu begründen. In Anbetracht der auch bei gleichartiger Behinderung bestehenden Bandbreite individueller Begabungen und Entwicklungsmöglichkeiten
kann nicht unbesehen davon ausgegangen werden, dass in allen diesen Fällen eine vergleichbare aktive Teilnahmefähigkeit bzw.
ein gleich hoher sonderpädagogischer Förderungsbedarf festzustellen sein müsste. In der genannten Zahl kann daher allenfalls
ein Indiz dafür gesehen werden, dass das gegenwärtig praktizierte System der persönlichen Begutachtung im Hinblick auf die
aktive Teilnahmefähigkeit auch Schüler mit Down-Syndrom nicht von vornherein vom Besuch einer Regelschule ausschließt.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
154 Abs.
2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.