Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Formgerechte Bezeichnung einer Abweichung
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe einer Divergenz
und eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, nicht in der gebotenen Weise bezeichnet hat
(§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG, §
169 SGG).
1. Eine Abweichung (Divergenz) iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen
Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Dabei kann nicht die - behauptete
- Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen die Zulassung
wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 §
160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, Stand 4.5.2020, §
160 RdNr 119). Zudem ist darzulegen, dass die Entscheidung des LSG auf der aufgezeigten Abweichung beruhen kann (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, Stand 4.5.2020, §
160a RdNr 130 ff, mwN).
Die Beschwerdebegründung wird diesen Darlegungsanforderungen nicht gerecht. Der Kläger lebt mit seiner erwerbsfähigen Ehefrau
zusammen, bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer und begehrt in der Sache von dem Beklagten Sozialgeld
nach dem SGB II für Modernisierungsmaßnahmen am eigenen Haus. Mit seiner Beschwerde macht er geltend, die Entscheidung des LSG beruhe auf
dem mit rechtlichen Aussagen des BSG in Widerspruch stehenden Rechtssatz, dass der Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer nur ein Leistungsanspruch
nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben könne und (auch als Bedarfsgemeinschaftsmitglied) von der Gewährung von Sozialgeld nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Dieser Rechtssatz weiche von einer Entscheidung des BSG ab, in der dieses den Rechtssatz aufgestellt habe, auch derjenige, der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer
beziehe und deshalb dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sei, könne als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft einen Anspruch auf Sozialgeld nach dem SGB II haben (Hinweis auf BSG vom 28.11.2018 - B 4 AS 46/17 R - SozR 4-4200 § 5 Nr 5).
Indessen zeigt die Beschwerde nicht schlüssig auf, dass die Entscheidung des LSG auf der aufgezeigten Abweichung beruhen,
im vorliegenden Rechtsstreit also entscheidungserheblich sein kann. Denn in dem vom BSG entschiedenen Fall bestand eine Leistungsberechtigung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII allein dem Grunde nach, weil ein Zahlungsanspruch aufgrund des vorhandenen Einkommens wegen fehlender Bedürftigkeit ausgeschlossen
war; nur für diesen Fall hat das BSG, was in dem aufgezeigten Rechtssatz auch zum Ausdruck kommt, trotz § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II und § 5 Abs 2 SGB II einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestätigt (vgl BSG vom 28.11.2018 - B 4 AS 46/17 R - SozR 4-4200 § 5 Nr 5 RdNr 21 f). Demgegenüber liegt hier der Fall so, dass nach dem Vortrag des Klägers offen ist, ob eigenes Einkommen oder Vermögen einer
Bedürftigkeit - auch nach dem SGB XII - überhaupt entgegensteht. Vielmehr macht er geltend, seine Rente reiche nicht einmal aus, um den Regelbedarf zu decken.
Um eine tragende Abweichung aufzuzeigen hätte jedoch dargelegt werden müssen, dass auch hier eine Leistungsberechtigung des
Klägers nach dem Vierten Kapitel des SGB XII allein dem Grunde nach besteht und ein Zahlungsanspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII ausgeschlossen ist. Daran fehlt es.
2. Auch ein Verfahrensmangel ist nicht hinreichend bezeichnet. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig
darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; s bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 §
160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel
beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung der Gerichtsentscheidung besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Die Beschwerdebegründung des Klägers wird auch diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Sie rügt in der Sache eine Verletzung
seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das LSG durch Beschluss nach §
153 Abs
4 SGG entschieden habe, obwohl es im Rahmen des in §
153 Abs
4 Satz 2
SGG gesondert geregelten Anhörungsgebots seine Rechtsauffassung nicht ansatzweise dargelegt habe. Gemäß §
153 Abs
4 Satz 1
SGG kann das LSG, außer in den Fällen des §
105 Abs
2 Satz 1
SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für
erforderlich hält. Nach §
153 Abs
4 Satz 2
SGG sind die Beteiligten vorher zu hören. Die Mitteilung der Gründe dafür, warum das Berufungsgericht die Berufung für unbegründet
hält, ist im Rahmen der Anhörung nur dann zwingend, wenn ansonsten eine Überraschungsentscheidung droht (ausführlich dazu Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, Stand 7.9.2020, §
153 RdNr 106 ff mwN). Vorliegend ist nach dem Vorbringen des Klägers eine Anhörung zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG erfolgt. Besondere Umstände, wonach in der Anhörung auf die beabsichtigte Begründung der Entscheidung hätte hingewiesen werden
müssen, weil diese überraschend sein konnte, lassen sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Zwar ist das LSG von der
- sehr knappen - Begründung des SG abgewichen, hat sich andererseits aber auf die schon im Widerspruchsbescheid genannten Gründe gestützt, die Gegenstand des
Klageverfahrens waren. Hiervon konnte der Kläger nicht überrascht sein, zudem er im Berufungsverfahren keine Berufungsbegründung
vorgelegt, sich mithin mit den Gründen des SG auch nicht auseinandergesetzt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.