Anspruch auf höheres Elterngeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der Kläger macht in der Hauptsache einen Anspruch auf höheres Elterngeld ab dem 7. Lebensmonat des am 28.6.2013 geborenen
Kindes vom 28.12.2013 bis zum 27.8.2014 geltend, weil der Beklagte bei der Elterngeldbewilligung zu Unrecht den letzten abgeschlossenen
steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes als Bemessungszeitraum und damit das im Kalenderjahr 2012 erzielte
Einkommen aus seiner nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit und seiner im Einkommensteuerbescheid für 2012 als selbstständige
Tätigkeit ausgewiesenen ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr mit einem steuerbaren Einkommen in Höhe von
1051 Euro zugrunde gelegt habe. Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 16.12.2021 verneint, weil sich aus dem maßgeblichen
Einkommensteuerbescheid ergebe, dass die Aufwandsentschädigungen von der Freiwilligen Feuerwehr Einkommen aus selbstständiger
Tätigkeit seien. Damit handele es sich auch elterngeldrechtlich um Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Denn bei der Ermittlung
der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte seien die entsprechenden im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen
Gewinne anzusetzen. Bei Einkommen sowohl aus selbstständiger als auch aus nichtselbstständiger Tätigkeit sei der Bemessungszeitraum
der Gewinnermittlungszeitraum, der dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes
zugrunde liege, hier also das Jahr 2012.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und das Vorliegen eines Verfahrensmangels in Gestalt der
Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die noch innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist (§
160a Abs
2 Satz 2
SGG) am 6.4.2022 beim BSG eingegangene Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) noch der behauptete Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts
einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts
und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums angeben, welche Fragen sich stellen,
dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung
des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht
zu genügen, muss er eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit)
und die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 21.9.2020 - B 10 EG 1/20 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.4.2018 - B 9 V 58/17 B - juris RdNr 4, jeweils mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
"Sind die zur Entscheidung über einen sozialrechtlichen Leistungsanspruch Berufenen an die rechtliche Bewertung der für die
begehrte Sozialleistung maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen durch den unanfechtbaren Bescheid einer Behörde, welche
diese rechtliche Bewertung ausschließlich auf Normen eines anderen Rechtsgebietes außerhalb des Sozialrechts stützt, auch
dann gebunden, wenn der Bescheid dieser Behörde insoweit inhaltlich falsch, mangels Beschwer des die Sozialleistung Begehrenden
auf dem anderen Rechtsgebiet jedoch nicht anfechtbar ist, oder sind die zur Entscheidung über den sozialrechtlichen Leistungsanspruch
Berufenen verpflichtet - zumindest aber berechtigt - eine eigene rechtliche Bewertung der für die begehrte Sozialleistung
maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen vorzunehmen und zwar auch dann, wenn diese Bewertung derjenigen auf dem anderen
Rechtsgebiet widerspricht?"
"Sind die Kindergeldstellen (gemeint: Elterngeldstellen) - und im Streitfall die Sozialgerichte - an die Bewertung der Einkünfte
und der Einkommensarten in einem mangels Beschwer nicht abänderbaren Einkommensteuerbescheid eines Finanzamtes gebunden und
müssen diesem Tatbestandwirkung für die Einkommensanrechnung im Elterngeldbezug beimessen, oder müssen - oder können - sie
auf entsprechende Rüge des die Leistung Begehrenden eine eigenständige rechtliche Bewertung des Einkommens und der Einkommensarten
vornehmen?"
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG bezeichnet hat. Denn er hat - die Qualität als Rechtsfragen unterstellt - schon deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend
dargelegt.
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist
und die Antwort nicht von vornherein außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz
ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit in gebotener Weise darzulegen, muss sich ein Beschwerdeführer daher mit Wortlaut, Systematik,
Sinn und Zweck des Gesetzes, wie er sich aus dessen Entstehungsgeschichte ergibt, sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen
(vgl BSG Beschluss vom 21.9.2020 - B 10 EG 1/20 B - juris RdNr 7 mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger trägt selbst vor, dass "in der Rechtsprechung bislang mit dem Gesetzeswortlaut einhellig (an)erkannt" sei, dass
"der Einkommensteuerbescheid maßgeblich für die Elterngeldberechnung" sei. Er versäumt es jedoch bereits, sich mit den hier
einschlägigen Bestimmungen des BEEG (ua § 2b Abs 2 Satz 1, § 2d Abs 2 Satz 1 BEEG) auseinanderzusetzen. Soweit er unter Bezugnahme auf § 2d Abs 2 Satz 2 BEEG ausführt, dass die Elterngeldbehörden danach eigene steuerrechtliche Erwägungen treffen müssten, setzt die Bestimmung aber
gerade voraus, dass kein Einkommensteuerbescheid zu erstellen ist. Darüber hinaus prüft der Kläger nicht, ob sich der mit
den Fragen aufgeworfene Problemkreis bereits mithilfe der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Reichweite der Bindungswirkung von Steuerbescheiden im steuerakzessorischen Elterngeldrecht beantworten lässt (vgl BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 3/19 R - BSGE 130, 237 = SozR 4-7837 § 2c Nr 7; BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 2/19 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 8; BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 1/19 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 9; BSG Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2; BSG Beschluss vom 27.12.2018 - B 10 EG 20/17 B - juris RdNr 11). Diese Prüfung ist aber im Rahmen der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit notwendig. Denn als höchstrichterlich geklärt ist
eine Rechtsfrage bereits dann anzusehen, wenn schon eine oder mehrere Entscheidungen des BSG ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten
Rechtsfrage geben (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 6.8.2018 - B 10 EG 5/18 B - juris RdNr 6 mwN). Einen Klärungsbedarf bezogen auf die bezeichneten Fragestellungen legt er schließlich auch nicht in Auseinandersetzung mit
dem Schrifttum dar (vgl zur Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids Schnell in Tilmanns/Mutschler in
MuSchG, BEEG, 3. Aufl 2021, § 2d BEEG RdNr 11; Röhl in BeckOK Arbeitsrecht, 65. Edition, Stand: 1.3.2022, § 2d BEEG RdNr 8; Brose in Brose/Weth/Volk,
MuSchG, BEEG, 9. Aufl 2020, § 2d BEEG RdNr 6 auch mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drucks 17/9841 S 23 und mwN). Allein die Darstellung der eigenen anderslautenden Rechtsansicht reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit im Rahmen
einer Grundsatzrüge nicht.
2. Soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) rügt, hat er diesen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Ein solcher Verstoß liegt nur dann vor, wenn das Gericht
seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen
ist oder seine Entscheidung auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können
(vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 2.2.2021 - B 10 EG 8/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 2.12.2015 - B 9 V 12/15 B - juris RdNr 20; BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 323/16 B - juris RdNr 14, jeweils mwN). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichenden Darlegungen.
Auch der Umstand, dass das LSG dem Vortrag des Klägers nicht gefolgt ist, dass es sich bei seinen Einkünften aus der Dozententätigkeit
bei der Freiwilligen Feuerwehr um Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit gehandelt habe und deshalb ein anderer Bemessungszeitraum
der Elterngeldberechnung zugrunde gelegt hätte werden müssen, begründet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Der Anspruch
auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte
werden durch Art
103 Abs
1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - juris RdNr 6 mwN). Dass der Kläger das Urteil des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 21.7.2020 - B 13 R 57/19 B - juris RdNr 5 mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.