Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren, Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Partnern
nichtehelicher Lebensgemeinschaften aus der Familienversicherung
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene, der mit der Klägerin in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt,
über diese als Stammversicherte bei der beklagten Krankenkasse beitragsfrei familienversichert ist. Die Beklagte stellte fest,
dass die Voraussetzungen des §
10 Abs
1 SGB V nicht vorlägen, weil der Beigeladene mit der Klägerin nicht verheiratet sei. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne
Erfolg. In seinem Urteil vom 8.3.2007 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz ua ausgeführt, dass es insbesondere
am Maßstab des Art
3 Abs
1 GG nicht geboten sei, den Beigeladenen als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Ehepartnern und Lebenspartnern
iS des Lebenspartnerschaftsgesetzes gleichzustellen und §
10 Abs
1 SGB V deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil des LSG.
II. Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Klägerin beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR
3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen,
inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt
darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a
Nr 31). Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer verfassungsrechtlichen Frage gilt nichts anderes. Die Begründung
darf sich auch insofern nicht auf eine bloße Berufung auf Normen des
GG beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten
Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). - Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung
nicht.
Die Klägerin hat die Frage formuliert,
"ob §
10 Abs
1 SGB V dahingehend verfassungsgemäß ausgelegt werden muss, dass auch für den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ein Anspruch
auf Familienversicherung besteht".
Sie hält diese Frage für (erneut) klärungsbedürftig, weil das Urteil des BSG vom 10.5.1990 (12/3 RK 23/88, BSGE 67, 46 = SozR 3-2200 § 205 Nr 1) infolge einer Änderung der Sach- und Rechtslage "überholt" sei. Zum einen hätten sich in tatsächlicher
Hinsicht nichteheliche Lebensgemeinschaften weiterentwickelt und verbreitet und würden in der Gesellschaft mittlerweile uneingeschränkt
akzeptiert. Zum anderen ergebe sich mit dem Inkrafttreten des SGB II zum 1.1.2005 rechtlich eine andere Situation. Danach
werde erwerbsfähigen Arbeitslosen einerseits aufgrund der Anrechnung des Einkommens eines Partners, mit dem eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft besteht, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II versagt, andererseits würden sie in den Krankenversicherungsschutz
ihres Partners nicht einbezogen. Weil sie die finanziellen Mittel für eine eigenständige Krankenversicherung nicht aufbringen
könnten, seien sie dadurch gänzlich ohne Krankenversicherungsschutz. Ein Ausschluss von Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften
aus der beitragsfreien Familienversicherung verstoße gegen Art
3 Abs
1 GG und das Sozialstaatsprinzip.
Der Sache nach behauptet die Klägerin mit diesem Vorbringen eine Regelungslücke und meint, dass diese verfassungskonform durch
Einbeziehung von Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften in den nach §
10 Abs
1 SGB V versicherten Personenkreis zu schließen sei. Wird eine von Verfassungs wegen bzw im Wege der Analogie zu schließende Regelungslücke
behauptet, so sind gesteigerte Anforderungen zu erfüllen. Insoweit gilt die Rechtsprechung, dass zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht ausreiche, sondern dargetan sein müsse, welche Norm des
GG verletzt sei und aus welchen Gründen, entsprechend (vgl etwa BSG SozR 1500 § 160a Nr 47). Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt.
Zwar hat sie sich in ihrer Beschwerdebegründung dem vom LSG zitierten Urteil des Senats vom 10.5.1990 zugewandt, in dem der
Senat das Bestehen eines Anspruchs auf Familienhilfe nach der
Reichsversicherungsordnung für einen nicht verheirateten Partner abgelehnt und dieses für verfassungsgemäß gehalten hatte. Jedoch hat sie sich mit diesem
Urteil nicht umfassend auseinandergesetzt. So hat der Senat bereits seinerzeit darauf hingewiesen, dass eine Analogie zu Vorschriften
aus anderen Rechtsgebieten, die eine Gleichstellung von Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Ehepartnern vorsehen,
im Krankenversicherungsrecht nicht (zwingend) zu bilden ist. Warum im Hinblick hierauf gerade die Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft
im SGB II zu einer solchen Analogie veranlassen sollen, hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat sich darüber hinaus nicht
mit späteren Entscheidungen des Senats befasst, in denen dieser - im Rahmen verfassungsrechtlicher Erwägungen zu §
10 Abs
3 SGB V - die Einbeziehung von Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften in die beitragsfreie Familienversicherung weiterhin für
nicht verfassungsgeboten gehalten hat (vgl etwa Urteile vom 25.1.2001, B 12 KR 12/00 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 20, und B 12 KR 5/00 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 22). Auch auf das Urteil des BVerfG vom 12.2.2003 (1 BvR 624/01, SozR 4-2500 § 10 Nr 1) ist sie nicht eingegangen.
Vor diesem Hintergrund reicht der bloße Hinweis auf einen angeblichen Verstoß des Ausschlusses von Partnern nichtehelicher
Lebensgemeinschaften aus der Familienversicherung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ohne ein weiteres Eingehen auf Art
6 Abs
1 GG und seine Implikationen nicht aus. Zur Begründung, dass eine Lückenhaftigkeit des §
10 Abs
1 SGB V ernsthaft in Betracht kommt, hätte sich die Klägerin außerdem damit auseinandersetzen müssen, welche Bedeutung dem Umstand
zukommt, dass der Gesetzgeber bei der Bemessung von Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung auch die Interessen
der in ihr zusammengefassten Beitragszahler und die Mehraufwendungen berücksichtigen darf, die den Krankenkassen durch eine
Ausdehnung der Familienversicherung nach §
10 Abs
1 SGB V auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft entstünden (vgl hierzu Urteil vom 25.1.2001, B 12 KR 12/00 R, aaO). Sie hätte auch darlegen müssen, warum eine Überschreitung des Wortlauts des §
10 Abs
1 SGB V trotz dieses Umstands möglich erscheint. Schließlich hätte sich die Klägerin damit befassen müssen, ob das BSG berechtigt
wäre, den von dem Beigeladenen repräsentierten Personenkreis von Verfassungs wegen bzw im Wege der Analogie in den versicherten
Personenkreis nach §
10 Abs
1 SGB V einzubeziehen, oder eine solche Entscheidung nicht vielmehr dem BVerfG - im Anschluss an eine Vorlage nach Art
100 Abs
1 GG - vorbehalten wäre. Insoweit hätte sie auch darlegen müssen, wie eine solche Vorlage vom Senat zu begründen gewesen wäre.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.