Kein Anspruch auf Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für eine zukünftige Präimplantationsdiagnostik (PID)
bei In-Vitro-Fertilisation (IVF) aufgrund der Erbkrankheit CADASIL
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Verschaffung von In-Vitro-Fertilisations(IVF)-Behandlungszyklen mit präimplantativer genetischer
Diagnostik (Präimplantationsdiagnostik - PID) sowie über deren Kostenerstattung.
Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1976 geborene Kläger leidet an einem Gendefekt auf dem Chromosom 19.
Dieser verursacht beim Kläger eine vererbliche zerebrovaskuläre, mikroangiopathische Krankheit, die schon dann zum Ausbruch
kommen kann, wenn nur ein Allel den Defekt aufweist (zerebrale autosomal dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten
und Leukoenzephalopathie [CADASIL]). Die Krankheit weist schwere Verläufe, insbesondere neuropsychologische Auffälligkeiten
bis hin zur Demenz bei großer Variabilität der Ausprägung einzelner Symptome auf. Der Kläger leidet an keiner Fertilitätsstörung.
Er und seine 1982 geborene Ehefrau wollen bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches vermeiden, dass das gemeinsame Kind
Träger des CADASIL-Gendefekts wird. Deswegen entschlossen sie sich, mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI)
befruchtete, vom Gendefekt betroffene Eizellen vom Embryonentransfer durch die PID auszuschließen. Sie veranlassten hierfür
zunächst in Deutschland auf eigene Kosten vorbereitende medizinische Maßnahmen (Spermiogramm am 28.6.2011, Beratungsgespräche
am 29.6.2011, Infektionsdiagnostik am 30.8. und 19.9.2011, Voruntersuchung am 8.9.2011; insgesamt 478,96 Euro). Die Beklagte
lehnte den Antrag des Klägers (21.9.2011) ab, ihm einen Zuschuss zu PID-IVF-Behandlungszyklen in Brüssel zu gewähren (Bescheid
vom 28.9.2011, Widerspruchsbescheid vom 21.12.2011). Zwei in der Klinik der Universität Brüssel durchgeführte Behandlungszyklen
(25.2.2012, 18.6.2012) blieben erfolglos. Die zuletzt auf Erstattung von 21 578,73 Euro Behandlungskosten und die Übernahme
der Kosten für einen dritten und einen vierten Behandlungszyklus gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 19.9.2012). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Dem Kläger stünden für die Finanzierung
der bereits durchgeführten und der noch beabsichtigten PID-IVF-Versuche keine Ansprüche gegen die Beklagte zu, weil es sich
dabei weder um eine Krankenbehandlung des Klägers nach §
27 SGB V handele noch die Voraussetzungen für den Anspruch auf künstliche Befruchtung nach §
27a SGB V vorlägen. Die Grundsätze über das Systemversagen kämen mangels einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen
nicht zum Tragen. Der Leistungsausschluss verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Kläger habe im Übrigen
keinen Anspruch auf Erstattung von 478,96 Euro, weil er die ärztlichen Leistungen, die nicht unaufschiebbar gewesen seien,
in Anspruch genommen habe, ohne zuvor eine Entscheidung der Beklagen abzuwarten (Urteil vom 19.7.2013).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des §
27 SGB V. Das LSG habe den Begriff der Krankheit verkannt. Er sei an CADASIL erkrankt und habe Anspruch auf Behandlung dieser Krankheit.
Teil dieser Krankheit sei die gestörte Funktion, Nachkommen ohne Gendefekt zu zeugen. Diese Fehlfunktion kompensiere die PID.
Sie sei keine neue Untersuchungsmethode. Anderenfalls läge ein Systemversagen vor. Ein Ausschluss der PID aus dem Leistungskatalog
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verstieße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Verweis auf die fehlende Entscheidung
der Beklagten sei bloße "Förmelei".
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Juli 2013 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September
2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 21 578,31 Euro zu erstatten und ihm weitere zwei In-Vitro-Fertilisations-Behandlungszyklen
mit vorausgehender Präimplantationsdiagnostik als Sachleistung zu gewähren, hilfsweise ihn von den Kosten freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende SG-Urteil zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere zwei noch durchzuführende PID-IVF-Behandlungszyklen. Weder
besteht ein Sachleistungs- noch ein Kostenübernahmeanspruch. Die PID - allein oder in Kombination mit IVF - unterfällt nicht
dem GKV-Leistungskatalog (dazu 1.). Der Kläger hat deswegen auch keinen Anspruch auf Zahlung von 21 099,35 Euro Kosten der
zwei bereits durchgeführten PID-IVF-Behandlungszyklen (dazu 2.). Die beklagte KK lehnte es zudem rechtmäßig ab, dem Kläger
478,96 Euro Kosten für vorbereitende medizinische Maßnahmen für PID-IVF-Behandlungszyklen zu erstatten (dazu 3.). Dem Kläger
steht schließlich kein Anspruch auf Gewährung von IVF unter Ausschluss einer PID zu (dazu 4.).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf zwei weitere PID-IVF-Behandlungszyklen in der Zukunft, und sei es zumindest mangels
hinreichender Ausgestaltung des Leistungserbringungsrechts in Gestalt eines Freistellungsanspruchs (vgl dazu zB BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 3/13 R - RdNr 11 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 28 Nr 8 vorgesehen). Es kann offenbleiben, ob der Kläger die
Voraussetzungen des die Ausnahme vom grundsätzlichen PID-Verbot regelnden Tatbestands nach § 3a Abs 2 und 3 Embryonenschutzgesetz (ESchG) erfüllt, insbesondere, ob eine zustimmende Bewertung der Ethikkommission vorliegt (dazu a). Der Kläger erfüllt jedenfalls
auch im Übrigen weder die Anspruchsvoraussetzungen einer Krankenbehandlung noch medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung
einer Schwangerschaft im Wege der künstlichen Befruchtung (dazu b). Die Nichteinbeziehung der PID in den GKV-Leistungskatalog
verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu c).
a) Grundvoraussetzung des Anspruch des Klägers auf zwei weitere PID-IVF-Behandlungszyklen ist, dass er nicht dem Verbot des
§ 3a Abs 1 ESchG unterfällt, sondern kraft des Ausnahmetatbestands nach § 3a Abs 2 und 3 ESchG sei es als Selbstzahler, sei es als Versicherter überhaupt zur Inanspruchnahme einer PID-IVF-Behandlung befugt ist.
Die PID ist nach § 3a ESchG (idF durch Art 1 Nr 1 Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik [Präimplantationsdiagnostikgesetz - PräimpG] vom 21.11.2011, BGBl
I 2228, am 8.12.2011 nach Art
2 PräimpG iVm Art
82 Abs
2 S 2
GG ohne Übergangsregelung in Kraft getreten; zum Ausschluss der PID aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen [Gendiagnostikgesetz - GenDG] vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks 16/10532 S 19 f - Zu § 2; s ferner Kern in ders, GenDG, 2012, § 2 RdNr 6; Schillhorn/Heidemann, GenDG, 2011, § 2 RdNr 7) in strafbewehrter Weise grundsätzlich verboten (vgl zum ESchG als strafrechtliches Nebengesetz vgl Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl 2014, Juristische Grundlagen B.III RdNr 17 ff), sofern nicht der dort geregelte Ausnahmetatbestand eingreift: Wer
Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft (Abs 1). Besteht auf Grund der genetischen Disposition der
Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das
hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit
schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft
und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht
(Abs 2 S 1). Eine PID nach Abs 2 darf nur erfolgen (1.) nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und
sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der
Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat, (2.) nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen
Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Abs 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung
abgegeben hat, und muss (3.) durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die PID zugelassenen Zentren, die über die für
die Durchführung der Maßnahmen der PID notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen, vorgenommen
werden (Abs 3 S 1). Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere (1.) zu
der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die PID durchgeführt werden darf, einschließlich
der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung, (2.) zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise
und Finanzierung der Ethikkommissionen für PID, (3.) zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation
von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen obliegt, (4.) zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten
Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation (Abs 3 S 3). Ordnungswidrig handelt, wer entgegen
Abs 3 S 1 eine PID vornimmt (Abs 4 S 1).
Danach ermöglicht erst die Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik ([Präimplantationsdiagnostikverordnung -
PIDV] vom 21.2.2013, BGBl I 2013, 323, nach § 10 PIDV in Kraft getreten am 1.2.2014) den rechtlichen Vollzug der in § 3a Abs 3 S 1 Nr 2 und 3 ESchG aufgestellten Anforderungen (dazu und zu deren Entstehungsgeschichte vgl Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl 2014, § 3a RdNr 12 ff). § 3a Abs 3 S 1 ESchG erlaubt die PID nur unter den dort genannten Voraussetzungen. Das sich daraus spiegelbildlich ergebende objektiv-rechtliche
Verbot der PID im Übrigen richtet sich nicht nur an den Arzt (zum Arztvorbehalt vgl § 9 ESchG) oder den inländischen Leistungserbringer (zugelassenes Zentrum für PID). Es erfasst nach dem sich auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte
stützenden Regelungszweck, verbotene PID-Maßnahmen umfassend zu verhindern, unter Beachtung der Einheit der Rechtsordnung
auch das Kostenträgerrecht und damit alle Stellen, die im Geltungsbereich des ESchG in die Verschaffung von ärztlichen Leistungen eingebunden sind. Eine von der Rechtsordnung verbotene Behandlung kann nicht
Teil des GKV-Leistungskatalogs sein. Behandlungen, die rechtlich nicht zulässig sind, dürfen von der KK nicht gewährt oder
bezahlt werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 27a Nr 4 S 39 mwN, dort zur IVF einer Eizelle, die einer anderen Frau implantiert werden soll). Auf die Frage der Strafbarkeit
oder der Bußgeldbewehrung der PID (vgl dazu zB BGHSt 55, 206 zur Rechtslage vor Inkrafttreten des PräimpG und BT-Drucks 17/6400 S 5 zu den Gründen der für notwendig erachteten Reaktion
des Gesetzgebers auf die frühere Rechtslage; zur Folgezeit vgl zB Frister/Lehmann, JZ 2012, 659, 666) kommt es dabei nicht an. Sind aber verbotene medizinische Behandlungen bußgeld- oder strafbewehrt, greift der Leistungsausschluss
erst recht ein.
Das PID-Verbot gilt insbesondere bei Nichterfüllung der Voraussetzung, dass eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission
an den zugelassenen PID-Zentren die Einhaltung der Voraussetzungen des § 3a Abs 2 ESchG geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben haben muss, damit der Arzt eine PID-IVF ausführen darf (vgl auch die Begründung
des Gesetzentwurfs der dort namentlich aufgeführten Abgeordneten zum Entwurf eines PräimpG, BT-Drucks 17/5451 S 7). Denn der
Gesetzgeber wollte nur unter diesen Voraussetzungen in einem gestuften Verfahren bei "Abwägung zwischen den Ängsten und Nöten
der Betroffenen und ethischen Bedenken wegen der Nichtimplantation eines schwer geschädigten Embryos" die PID in einer "eng
begrenzten Anwendung" zulassen (BT-Drucks 17/5451 S 7). "Das Gesetz verzichtet bewusst auf eine Auflistung von Krankheiten
als Indikation für eine PID. Die Entscheidung, in welchen eng definierten Fällen eine PID durchgeführt werden kann, obliegt
dem verantwortlich handelnden Arzt und dem Votum der Ethik-Kommission. Über jeden Fall wird einzeln entschieden" (BT-Drucks
17/5451 S 7).
Seit Inkrafttreten der PIDV am 1.2.2014 ist es dem Kläger - anders noch im Jahre 2011 und 2012 (vgl II.2.) - rechtlich möglich,
die zustimmende Bewertung einer Ethikkommission herbeizuführen und das grundsätzliche Verbot der PID zu überwinden. Es ist
auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Ethikkommission eine zustimmende Bewertung abgeben wird oder sogar zwischenzeitlich
abgegeben hat. Ungeachtet dessen scheitert der Anspruch des Klägers bereits daran, dass die PID nicht Bestandteil des GKV-Leistungskatalogs
ist.
b) Rechtsgrundlage eines Anspruchs gegen die Beklagte auf zukünftige Versorgung mit IVF einschließlich PID im Rahmen der Krankenbehandlung
als Naturalleistung ist §
27 Abs
1 S 1 und S 2 Nr
1 SGB V sowie S 4. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen,
zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua ärztliche
Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Zur Krankenbehandlung gehören
auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch
Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. "Krankheit" im Rechtssinne erfordert
einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung
bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 24 RdNr 9; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4 alle mwN).
Der Kläger ist danach zwar krank. Er leidet an CADASIL. Die PID-IVF ist aber keine hierauf gerichtete Krankenbehandlung. Durch
die PID-IVF-Behandlung soll beim Kläger keine Funktionsbeeinträchtigung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung
verhütet werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 24 - Vitiligo). Die PID-IVF-Behandlung bezweckt, befruchtete Eizellen zu untersuchen und sie ggf absterben zu lassen,
wenn sie nach ärztlicher Erkenntnis den CADASIL verursachenden Gendefekt auf dem Chromosom 19 aufweisen. Die künstliche Erzeugung
eines Embryos (vgl § 8 Abs 1 ESchG zur Legaldefinition des Embryos) und dessen Bewertung nach medizinischen Kriterien, um bei ihm und seiner Nachkommenschaft
dem Ausbruch schwerwiegender Erbkrankheiten entgegenzuwirken, dient der Vermeidung zukünftigen Leidens eines eigenständigen
Lebewesens, nicht aber der Behandlung eines vorhandenen Leidens bei den die PID-IVF-Behandlung begehrenden Eltern - hier beim
Kläger - (vgl allgemein zum durch das ESchG nicht ausgeschlossenen aktiven Verwerfen eines Embryos Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl 2014, Juristische Grundlagen B.III. RdNr 20 f, wonach das zentrale Regelungsanliegen des ESchG nicht im Schutz des Embryos, sondern in der Verhinderung von Missbräuchen im Bereich der Reproduktionsmedizin und der Humangenetik
bestehe; vgl auch § 1 Abs 1 Nr 3 ESchG). Die PID-IVF-Behandlung gehört ebenfalls nicht zu den Leistungen zur Herstellung der Zeugungsfähigkeit. Derartiger Leistungen
bedarf der Kläger nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen im Übrigen auch nicht. Er leidet an keiner Fertilitätsstörung. Aus strukturell gleichen Gründen kommt ein
Anspruch des Klägers auf Früherkennungsuntersuchung (§§
25 und
26 SGB V) nicht in Betracht: Die PID bezweckt nicht, den Kläger zu untersuchen, sondern befruchtete Eizellen.
Der Gedanke an ein Systemversagen (vgl dazu zB BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29 mwN) verbietet sich nach alledem schon im Ausgangspunkt. Gleiches gilt für einen Anspruch nach §
2 Abs
1a SGB V.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die PID-IVF-Behandlung als Gegenstand der künstlichen Befruchtung, die in §
27a SGB V als Leistung der GKV abschließend geregelt ist. §
27a SGB V setzt als Grund für einen Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nur die Unfruchtbarkeit des Ehepaares voraus.
Die vorgesehenen Maßnahmen müssen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung
Erfolg versprechend sein. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen
Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder
zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (stRspr, vgl
BSGE 88, 62, 64 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3; BVerfGE 117, 316, 325 f = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 34; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 5 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 7 RdNr 14; Hauck SGb 2009, 321, 322 mwN).
Die PID-IVF-Behandlung ist zur Herbeiführung einer gewünschten Schwangerschaft weder erforderlich noch nach ärztlicher Einschätzung
Erfolg versprechend. Sie ist vom Anspruch aus §
27a SGB V nicht umfasst. Ihr Zweck liegt - wie dargelegt - darin, befruchtete Eizellen zu untersuchen und sie ggf absterben zu lassen,
wenn sie nach ärztlicher Erkenntnis den CADASIL verursachenden Gendefekt auf dem Chromosom 19 aufweisen, nicht aber in der
Herbeiführung einer Schwangerschaft. Für den Anspruch auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist
es unerheblich, dass die PID auf den Gesamtvorgang der künstlichen Befruchtung angewiesen ist. Eine PID ohne beabsichtigte
IVF ist medizinisch sinnlos und rechtlich verboten. Denn nur wer zum Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft Zellen
des Embryos vor dem intrauterinen Transfer untersucht, handelt nach § 3a Abs 2 ESchG unter Erfüllung der weiteren dort genannten Voraussetzungen nicht rechtswidrig. Demgegenüber sind Maßnahmen der künstlichen
Befruchtung wie IVF oder ICSI nicht auf PID angewiesen.
c) Die Leistungseingrenzung des §
27a SGB V allein auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Art
3 Abs
1 GG gebietet es nicht, dass die Gerichte die Behebung einer Fertilitätsstörung mit der Embryonen-Vorauswahl zur Vermeidung erbkranken
Nachwuchses bei bestehender Fertilität gleichsetzen (vgl BVerfG [Kammer] Nichtannahmebeschluss vom 30.11.2001 - 1 BvR 1764/01 - Juris RdNr 2).
Der Verweis des Klägers darauf, dass eine PID gegenüber einer grundsätzlich möglichen, zum GKV-Leistungskatalog gehörenden
späteren Abtreibung (vgl §
24b SGB V) rechtsethisch vorzugswürdig sei, vermag daran nichts zu ändern und keinen Anspruch auf PID-Leistungen zu begründen. Der
Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, jede nicht verbotene Form der "medizinisch unterstützten Erzeugung menschlichen Lebens"
(so die Formulierung des Kompetenztitels in Art
74 Abs
1 Nr
26 GG) in den GKV-Leistungskatalog einzubeziehen. §
27a SGB V regelt keinen Kernbereich der Leistungen der GKV, sondern begründet einen eigenständigen Versicherungsfall, vor dem Maßnahmen
der Krankenbehandlung Vorrang haben. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen
für die Gewährung von Leistungen der GKV näher zu bestimmen, auch - wie hier - in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und
solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der
GKV nicht von vornherein veranlasst ist (vgl BVerfGE 117, 316, 326 = SozR 4-2500 § 27a Nr 11 RdNr 35).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 21 099,35 Euro Kosten der zwei bereits in Brüssel durchgeführten IVF-Behandlungszyklen
mit PID.
Das
SGB V umfasst keinen Naturalleistungsanspruch auf PID-IVF-Behandlungen und auch keinen an dessen Stelle tretenden Freistellungsanspruch
(vgl II.1.). Dies schließt auch einen Kostenerstattungsanspruch für eine im Ausland selbst beschaffte PID-IVF-Behandlung aus.
Ein Kostenerstattungsanspruch zur Zeit der Behandlung in Brüssel im Jahre 2012 bestand auch deshalb nicht, weil die Beklagte
dem Kläger eine PID-IVF-Leistung ohne Verstoß gegen § 3a ESchG nicht verschaffen konnte. Es war der Beklagten - ohne Rücksicht auf die krankenversicherungsrechtliche Rechtslage im Übrigen
- bis zum Inkrafttreten der PIDV am 1.2.2014 untersagt, ihren Versicherten - hier dem Kläger - PID-IVF-Leistungen zu verschaffen.
Das gilt auch dann, wenn eine solche Behandlung - wie hier - im Ausland durchgeführt wird, wo sie nicht verboten ist (vgl
BSG SozR 3-2500 § 27a Nr 4 S 39, dort zur IVF einer Eizelle, die einer anderen Frau implantiert werden soll; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 2 - Organkauf).
Das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die das primäre Gemeinschaftsrecht umsetzenden Regelungen des
SGB V sehen für den Kläger keine weitergehenden Leistungsansprüche vor, die von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3a ESchG und der §§
27,
27a SGB V entbinden (dazu a - c). Das Erfordernis der zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission ist auch ansonsten gemeinschaftsrechtskonform
(dazu d).
Für den vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die zwei durchgeführten PID-IVF-Behandlungen
kommen nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des erkennenden Senats Rechtsgrundlagen des europäischen Koordinationsrechts
und des deutschen Rechts in Betracht, die europäisches Primärrecht umsetzen (vgl grundlegend zum Ganzen bzgl der Rechtslage
vor Inkrafttreten der EGV Nr 883/2004 bereits BSGE 104, 1 = SozR 4-2500 § 13 Nr 23, RdNr 13): Das EG-Sekundärrecht (dazu a und b) ergänzt das deutsche Recht. Eine Modifizierung der nationalen - deutschen
- Rechtsordnung erfolgt durch Vorschriften des supranationalen Rechts in Gestalt des EG-Primärrechts (dazu c). Es ist allen
genannten Regelungen gemeinsam, dass sie die Übernahme von Kosten für Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft und Vaterschaft
Versicherter im Ausland innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWiR) auf dasjenige begrenzen, was von dem
in Betracht kommenden inländischen Leistungsträger - hier der Beklagten - nach den für ihn geltenden Regelungen der Leistungen
bei Krankheit, Mutterschaft und Vaterschaft - hier des
SGB V - verlangt werden könnte. Dies gilt - soweit hier von Interesse - ua für Art 20 EGV 883/2004 (Verordnung [EG] Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme
der sozialen Sicherheit [EGV 883/2004] ABl [EU] L 166/1 vom 30.4.2004, berichtigt in ABl [EU] 2004 L 200/1 vom 7.6.2004; EGV 883/2004, hier idF durch Verordnung [EU] Nr 1244/2010 der Kommission vom 9.12.2010 zur Änderung der Verordnung [EG] Nr 883/2004
des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung [EG] Nr
987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung [EG]
Nr 883/2004, ABl [EU] 2010 L 338/35 vom 22.12.2010, und die Verordnung [EG] Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung
der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung [EG] Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit,
ABl [EU] 2009 L 284/1 vom 30.10.2009, EGV 987/2009, hier idF durch Verordnung [EU] Nr 1244/2010, ABl [EU] 2010 L 338/35 vom 22.12.2010, vgl dazu a), für Art 7 Abs 1 Patientenrichtlinie (Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 9.3.2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, ABl [EU] 2011 L 88/45 vom 4.4.2011; dazu b) und für die EU-Primärrecht umsetzenden Regelungen des §
13 Abs
4,
5 SGB V (dazu c).
a) Art 20 EGV 883/2004 (Reisen zur Inanspruchnahme von Sachleistungen) begrenzt den sekundärrechtlich begründeten Leistungsanspruch für
nach dem
SGB V Versicherte wie den Kläger auf die im GKV-Leistungskatalog enthaltenen Leistungen. Die Regelung lautet: Sofern in dieser
Verordnung nichts anderes bestimmt ist, muss ein Versicherter, der sich zur Inanspruchnahme von Sachleistungen in einen anderen
Mitgliedstaat begibt, die Genehmigung des zuständigen Trägers einholen (Abs 1). Ein Versicherter, der vom zuständigen Träger
die Genehmigung erhalten hat, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um eine seinem Zustand angemessene Behandlung
zu erhalten, erhält Sachleistungen, die vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung
des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob er nach diesen Rechtsvorschriften versichert wäre. Die Genehmigung wird erteilt,
wenn die betreffende Behandlung Teil der Leistungen ist, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der betreffenden
Person vorgesehen sind, und ihr diese Behandlung nicht innerhalb eines in Anbetracht ihres derzeitigen Gesundheitszustands
und des voraussichtlichen Verlaufs ihrer Krankheit medizinisch vertretbaren Zeitraums gewährt werden kann (Abs 2).
Der Kläger kann nichts für sich daraus ableiten, dass nach der Rechtsprechung das Fehlen einer nach Art 20 EGV 883/2004 erforderlichen Genehmigung in besonderen Fällen einem Erstattungsanspruch nicht entgegensteht. Die Begrenzung der
sekundärrechtlich begründeten Leistungsansprüche für nach dem
SGB V Versicherte wie den Kläger auf die im GKV-Leistungskatalog enthaltenen Leistungen wird dadurch nicht überspielt. Die Rechtsprechung
besagt bloß, dass trotz der in Art 20 EGV 883/2004 allein geregelten Sachleistungsaushilfe Versicherten bei rechtswidriger Versagung Kostenerstattungsansprüche erwachsen
können. Der EuGH (EuGHE I 2001, 5363 RdNr 34 = SozR 3-6050 Art 22 Nr 2 S 10 - Vanbraekel ua) hat zur Anwendung der Vorgängerreglung (Art 22 Abs 1 Buchst c Verordnung
[EWG] Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien,
die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl L 149/2 vom 5.7.1971, in der durch die Verordnung [EG] Nr 118/97 des
Rates vom 2.12.1996, ABl 1997, L 28/1 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung [EG] Nr 1992/2006
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006, ABl L 392/1) entschieden, dass, sofern ein Versicherter einen entsprechenden
Antrag auf Genehmigung gestellt hat, dieser Antrag vom zuständigen Träger abgelehnt worden ist und die Unbegründetheit dieser
Ablehnung später entweder vom zuständigen Träger selbst oder durch gerichtliche Entscheidung festgestellt wird, dieser Versicherte
gegen den zuständigen Träger einen unmittelbaren Anspruch auf Erstattung in der Höhe hat, wie sie normalerweise zu erbringen
gewesen wäre, wenn die Genehmigung von Anfang an ordnungsgemäß erteilt worden wäre. In Einklang mit der Rechtsprechung des
erkennenden Senats (vgl BSGE 104, 1 = SozR 4-2500 § 13 Nr 23) hat der EuGH in einer späteren Entscheidung hieraus abgeleitet, dass die Regelung eines Mitgliedstaats
die Übernahme der Kosten für eine ohne vorherige Genehmigung in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte Krankenhausbehandlung
nicht in allen Fällen ausschließen darf (vgl EuGHE I 2010, 8889, Juris RdNr 49 = ZESAR 2011, 482, 488 - Elchinov). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherte wegen der Dringlichkeit
der Behandlung daran gehindert war, die Genehmigung zu beantragen, oder die Antwort des zuständigen Trägers nicht abwarten
konnte (vgl EuGHE I 2010, 8889, Juris RdNr 42 bis 46 = ZESAR 2011, 482, 487 f - Elchinov; ebenso bereits BSGE 104, 1 = SozR 4-2500 § 13 Nr 23).
b) Auch Art 7 Abs 1 Patientenrichtlinie begrenzt den sekundärrechtlich begründeten Leistungsanspruch für nach dem
SGB V Versicherte wie den Kläger auf die im GKV-Leistungskatalog enthaltenen Leistungen. Er regelt als einen allgemeinen Grundsatz
für die Kostenerstattung: Der Versicherungsmitgliedstaat stellt unbeschadet EGV 883/2004 und vorbehaltlich der Art 8 und 9 sicher, dass die Kosten, die einem Versicherten im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung entstanden
sind, erstattet werden, sofern die betreffende Gesundheitsdienstleistung zu den Leistungen gehört, auf die der Versicherte
im Versicherungsmitgliedstaat Anspruch hat. Ungeachtet der Frage, ob und in welchem Umfang die Patientenrichtlinie geeignet
ist, individuelle Rechte der Patienten zu begründen (vgl Bieback in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 6. Aufl 2013, Teil 4:
Richtlinie 2011/24/EU Vorbem RdNr 15 ff), und ungeachtet des Umstandes, dass ihre Vorgaben nach Art 21 Abs 1 Richtlinie 2011/24/EU
erst zum 25.10.2013 in innerstaatliches Recht umzusetzen waren, weicht ihr Inhalt von den zu Art 20 EGV 883/2004 aufgezeigten gemeinschaftsrechtlichen Grundlinien nicht ab.
c) Auch die Regelungen des deutschen Rechts, die in Umsetzung des EU-Primärrechts (vgl grundlegend zur europarechtskonformen
Auslegung BSGE 104, 1 = SozR 4-2500 § 13 Nr 23) einen Kostenerstattungsanspruch bei grenzüberschreitender Leistungserbringung eröffnen, beschränken
die Ansprüche auf die Gegenstände des GKV-Leistungskatalogs. Einschlägig sind §
13 Abs
4 und
5 SGB V (idF durch Art 4 Nr 3 Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, BGBl
I 1202, mWv 29.6.2011). Versicherte sind nach §
13 Abs
4 SGB V berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des
Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung
in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages
zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche
Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand
einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates
zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die
die KK bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln.
Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen
vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die KK die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz
übernehmen. Gemäß §
13 Abs
5 SGB V können abweichend von Abs
4 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWiR oder der Schweiz
Krankenhausleistungen nach §
39 SGB V nur nach vorheriger Zustimmung durch die KKn in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die
gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende
Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der KK im Inland erlangt werden kann.
Die Regelung eröffnet Kostenerstattungsansprüche ohne sachliche Leistungsausweitung im Umfang des deutschen Leistungsrechts
der GKV (vgl E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung
SGB V, 19. Aufl, Stand: 1.7.2014, §
13 RdNr 328). Dies ergibt sich schon aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" in §
13 Abs
4 S 1
SGB V. Sie entspricht unter diesem Aspekt den Bestimmungen über gewillkürte und sachleistungsersetzende Kostenerstattung wegen
Systemversagens (§
13 Abs
2 und
3 SGB V, vgl dazu stRspr, zB zuletzt BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 11/13 R - RdNr 8 mwN, für BSGE und SozR vorgesehen) und entpflichtet nicht von der Beachtung des nationalen Leistungsrechts des
SGB V im Übrigen (vgl zB BSG SozR 4-2500 §
13 Nr 3 RdNr 14; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung
SGB V, 19. Aufl, Stand: 1.7.2014, §
13 RdNr 333).
Hiernach hat der Kläger mangels Sachleistungs- oder Freistellungsanspruchs nach
SGB V (vgl II.1.), weder nach sekundärem Gemeinschaftsrecht noch nach §
13 Abs
4 und
5 SGB V Anspruch auf Kostenerstattung.
d) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die diskriminierungsfreie Anforderung der Einschaltung einer Ethikkommission
in Einklang mit EU-Gemeinschaftsrecht steht. Es nimmt es hin, dass Leistungsvoraussetzungen und Begrenzungen des Leistungsumfangs,
die im nationalen Recht angelegt sind, uneingeschränkt gelten, wenn und solange sie für die Betroffenen nicht in europarechtswidriger
Weise diskriminierend wirken (vgl zB EuGHE I 2003, 4509, RdNr 106 = SozR 4-6030 Art 59 Nr 1 RdNr 137 - Müller-Fauré/van Riet; BSG SozR 4-2500 §
13 Nr 3 RdNr 13 ff; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung
SGB V, 19. Aufl, Stand: 1.7.2014, §
13 RdNr 334 mwN).
3. Das LSG hat mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von 478,96 Euro Kosten für vorbereitende
medizinische Maßnahmen für IVF-Behandlungszyklen mit PID in Deutschland verneint. Ein Anspruch aus §
13 Abs
2 SGB V ist ausgeschlossen, da der Kläger nicht Kostenerstattung wählte. Auch ein Anspruch aus §
13 Abs
3 S 1
SGB V (idF durch Art 1 Nr 5 Buchst b Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung [Gesundheitsstrukturgesetz] vom 21.12.1992, BGBl I 2266) scheidet aus. Die Rechtsnorm bestimmt: Konnte die KK eine unaufschiebbare
Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die
selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung
notwendig war.
Ein Anspruch aus §
13 Abs
3 S 1 Fall 1
SGB V ist nicht gegeben, weil keine unaufschiebbare Leistung betroffen war, die die Beklagte nicht rechtzeitig erbringen konnte.
Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG war dem Kläger ein Zuwarten auf die Entscheidung der Beklagten zumutbar (vgl dazu BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 18).
Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §
13 Abs
3 S 1 Fall 2
SGB V sind nicht erfüllt. Dem Kläger entstanden keine der 478,96 Euro Kosten gerade dadurch, dass die Beklagte die beantragte Leistung
ablehnte. Stattdessen besorgte sich der Kläger die zugrunde liegende Leistung, ohne die Beklagte vorab einzuschalten und ihre
Entscheidung abzuwarten. Die gesetzliche Obliegenheit Versicherter, vor Selbstverschaffung einer vermeintlich von der KK geschuldeten,
aber als Sachleistung nicht erhältlichen Behandlung eine Entscheidung der KK herbeizuführen, liegt im eigenen Interesse der
Versicherten. Sie entlastet sie von dem Risiko, die Behandlungskosten ggf selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht
führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (stRspr des Senats; vgl nur BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10 und 12 mwN).
4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung ohne PID. Nach den unangegriffenen, den Senat
bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG besteht keine Unfähigkeit beim Kläger und seiner Ehefrau, auf natürlichem Wege gemeinsame Kinder
zu zeugen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.