Begründung der Abweichung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Gründe:
I
Die 1941 geborene, im August 2003 verstorbene, bei der beklagten Ersatzkasse versichert gewesene Ehefrau des Klägers (Versicherte)
litt an einem Nierenzellcarzinom. Sie wurde deshalb seit 1992 mehrfach stationär behandelt. Am 19. Juni 2001 beantragte sie
bei der Beklagten, die Kosten einer "dentristischen Zell-Vakzierungstherapie" zu übernehmen, die ihr von dem sie behandelnden
Arzt Prof. Dr. Dr. A. empfohlen worden und von Prof. Dr. M. vom Städtischen Klinikum Solingen nach Herstellung
eines Impfstoffes vorzunehmen sei. Sie legte ein "Angebot" des "Immunbiologischen Labors H. " vor, in dem der Versicherten
für pauschal 15.180,18 DM das "Individual-Rezepturarzneimittel BIOVac(r) DC durch Aufarbeitung einer Tumorgewebeprobe, Herstellung
und Kryokonservierung des Impfstoffs aus dentristischen Zellen" angeboten wurde. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme ab,
weil der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter des Labors kein Vertragsarzt sei und aus den eingereichten Unterlagen
ein Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht sei (Bescheid vom 6. Juli 2001, Widerspruchsbescheid vom 27. März 2002). Die Versicherte
ließ die Zell-Vakzierungen ab dem 18. Dezember 2001 durchführen. Während des sozialgerichtlichen Verfahrens verstarb sie.
Ihr Ehemann als Sonderrechtsnachfolger beantragte zuletzt Erstattung der Laborkosten in Höhe von 19.429,23 DM. Das Sozialgericht
(SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, der Kostenerstattungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil eine unmittelbare vertragliche Vereinbarung
zwischen dem Patienten und dem Lieferanten des Impfstoffs gegen die Apothekenpflicht verstoße; eine unmittelbar Lieferung
von Tumorvakzinen vom Hersteller an den Patienten stelle eine Ordnungswidrigkeit dar und stehe einer Zahlungspflicht des Patienten
entgegen. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass das Rezepturarzneimittel vorliegend vom herstellenden Labor nicht an die
Versicherte, sondern an Prof. Dr. Dr. A. ausgeliefert worden sei. Im Übrigen fehle es an einer Empfehlung des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen zur streitigen Therapie. Ein Systemversagen liege nicht vor, weil die Methode selbst nach Aussage
von Prof. Dr. Dr. A. noch wenig evaluiert gewesen sei und dem Bundesausschuss ein Antrag nicht vorgelegen habe.
Nichts weise auf eine Unmöglichkeit eines Wirksamkeitsnachweises oder darauf hin, dass die Methode im Jahr 2001 verbreitet
gewesen sei. Nichts anderes ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 437/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5), wonach zu prüfen sei, ob durch das Mittel eine Besserung nach ärztlichem, an dem jeweiligen Erkenntnisstand
orientierten Ermessen zwar nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, aber doch mit einer nicht nur ganz geringen Erfolgsausicht
möglich erschien. Das LSG führt weiter aus:
"Als Prüfungsmethode, ob eine nicht ganz entfernte Erfolgsaussicht anzunehmen ist, empfiehlt das BVerfG nun erneut, die Hinzuziehung
sachverständiger Hilfe. Nun war ja wohl die ablehnende Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu der
vom BVerfG aaO behandelten Bioresonanztherapie aufgrund der sachverständigen Kompetenz des Gremiums unter Auswertung umfangreicher
anderweitiger medizinischer Erkenntnisse schon "sachverständigst" erfolgt (in der Anlage 2 zu den damaligen NUB-RL mit Wirkung
vom 9.7.1995 - BAnz Nr 126 v. 8.5.95 - Nr. 17 "Bioresonanzdiagnostik, Bioresonanztherapie, Mora-Therapie und vergleichbare
Verfahren"). Daraus muß man schließen, das solcherart Prüfung dem BVerfG nicht ausreichend erscheint. Dem erkennenden Senat
erschließt sich nicht, welche Ermittlungen hier, käme es entscheidend darauf an, sinnvoll noch angestellt werden können. Es
helfen insoweit auch nicht die weiteren Hinweise des BVerfG aaO. So hat man zB schon früher erwogen, der Entwicklung im Einzelfall
eine Bedeutung beizumessen. Man hat das verworfen, weil der Eintritt einer Besserung und das Ausbleiben einer Verschlimmerung
im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung der neuen Behandlungsmethode bei einer Krankheit, deren Ursache
und Wirkmechanismen unbekannt sind, auch nicht ursächlich auf die Behandlung zurückgeführt werden können, und zwar auch nicht
als Regelsatz eines Beweises des ersten Anscheins. Das wird im vorliegenden Fall besonders deutlich: Die Versicherte ist nämlich
nicht allein mit der streitigen neuen Behandlungsmethode behandelt worden, sondern zugleich mit Interleukin-2 und/oder Alpha-Interferon
(nach Prof. Dr. Dr. A. als hier zugelassenes Mittel - nach dem MDK gleichfalls nicht schulmedizinisch). Wie sollte
da unterschieden werden, für welches Mittel daraus der Schluß abzuleiten wäre, daß es vor seinem Einsatz mutmaßlich eine nicht
ganz entfernt liegende Aussicht auf Wirksamkeit bot? Diese Fragen stellen sich im vorliegenden Fall aber letztlich schon deshalb
nicht, weil man hier, wäre auf den Gesundheitszustand der Versicherten, den zeitlichen Zusammenhang und Erfolge abzustellen,
schließen müsste, dass der Tod der Versicherten unter Einwirkung der neuen Behandlungsmethode womöglich früher eingetreten
ist. Für den Senat steht danach fest, daß nicht erweislich ist, daß die Behandlung der Versicherten mit der dendritischen
Zell-Vakzinierungstherapie im Jahr 2001 eine Behandlungsmöglichkeit war, die mehr als eine ganz entfernt liegende Aussicht
auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bot. Die Nichterweislichkeit geht nach den Grundsätzen der
objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers, der Rechte aus der nichterweislichen Tatsache herzuleiten sucht."
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, das
LSG sei vom Urteil des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 437/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5), abgewichen.
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG).
Die auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) gestützte Beschwerde behauptet, das Urteil des LSG weiche vom Urteil des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 437/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5) ab. Das BVerfG habe entschieden:
"Es verstößt danach gegen Art.
2 Abs.
1 GG und gegen das Sozialstaatsprinzip, einen Patienten einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu
unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung
gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung
leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode
durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung
zu verweisen."
Das LSG habe in Kenntnis dieser Entscheidung die beantragte Kostenübernahme abgelehnt, weil hinreichende Erkenntnisse über
die Wirksamkeit der Behandlung der bei der Versicherten vorliegenden Erkrankung fehlen würden und nicht erkennbar sei, dass
die streitgegenständliche Therapie mehr als eine ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf
geboten habe. Diese Entscheidung sei fehlerhaft.
Die Beschwerde legt mit diesem Vorbringen den Zulassungsgrund der Divergenz nicht in der gebotenen Weise dar. Die Revision
ist nach §
160 Abs
2 Nr
2 SGG zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder
des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Abweichung (Divergenz) iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde
gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz gebildet und eine Rechtsfrage
in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in §
160 Abs
2 Nr
2 SGG genannten Gerichte aufgestellt hat. In der Beschwerdebegründung muss die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht,
bezeichnet werden (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Beschwerdebegründung muss nach der Rechtsprechung des BSG insoweit erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz im
herangezogenen höchstrichterlichen Urteil enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch
steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Hieran fehlt es. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde einen oder mehrere
im genannten Urteil des BVerfG angeblich enthaltene abstrakte Rechtssätze formuliert hat. Jedenfalls hat sie nicht aufgezeigt,
dass und ggf welchen hiervon abweichenden Rechtssatz das LSG aufgestellt hat.
Zur Darlegung einer Abweichung iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG genügt es nicht zu behaupten, dass das LSG Tatsachen anders beurteilt hat, als dies in der von der Beschwerde genannten Entscheidung
des BVerfG geschehen ist. Eine Abweichung liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien
entspricht, die das BVerfG aufgestellt hat. Vielmehr muss das LSG diesen Kriterien selbst widersprochen haben, dh andere Maßstäbe
entwickelt haben. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall (was im Rahmen der Beschwerde nicht zu beurteilen
ist), sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (BSG SozR
1500 § 160a Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Eine Divergenz in diesem Sinne ist vorliegend nicht dargetan.
Ist ein Urteil - wie vorliegend - zu dem nebeneinander auf mehrere selbstständige Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde
nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und
formgerecht gerügt wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 38; BSG, Beschluss vom 16. Juli 1998 -B 1 KR 5/98 B; Hennig,
SGG §
160a RdNr 207 mwN). Hieran fehlt es, weil sich die Beschwerde mit dem LSG-Urteil nicht auseinandersetzt, soweit dieses unter Hinweis
auf den Beschaffungsweg des Rezepturarzneimittels und das Urteil des BSG vom 28. März 2000 (BSGE 86, 66 = SozR 3-2500 § 13 Nr 21) einen wirksamen Vergütungsanspruch des Labors verneint hat. Damit seien der Versicherten keine
Kosten entstanden, die einen Erstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 SGB V hätten begründen können.
Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von §
160a Abs
4 Satz 3 Halbsatz 2
SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.