Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
Verfassungskonforme Auslegung von Normen zum Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten für eine ambulante Hyperthermie-Behandlung
in der gesetzlichen Krankenversicherung
Gründe:
I
Die Klägerin war Ehefrau und ist Sonderrechtsnachfolgerin des am 30.1.2013 seinem Krebsleiden erlegenen, bei einem Träger
der schweizerischen obligatorischen Krankenpflegeversicherung versichert gewesenen D. J. (im Folgenden: Versicherter). Die
Leistungserbringung in Deutschland erfolgte durch die beklagte Krankenkasse. Der Versicherte litt an einem im November 2011
erkannten inoperablen Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs, das palliativ nach dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Erkenntnisse chemotherapeutisch behandelt wurde. Ergänzend dazu beantragte der Versicherte am 3.12.2011 bei
der Beklagten, die Kosten für eine ambulante Hyperthermie- und eine Thymuspräparate-Behandlung, später auch für eine Vitamin-C-Infusionsbehandlung
zu übernehmen. Die Beklagte lehnte die Anträge ab. Der Versicherte verschaffte sich die Behandlung bei Dr. Dr. R. ab 18.11.2011
und zeitweise ambulant in der F. (F.) auf eigene Kosten. Die Klägerin ist mit ihrer zuletzt auf Erstattung von 8108,89 Euro
Behandlungskosten gerichteten Klage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, ein Kostenerstattungsanspruch
scheitere schon daran, dass die drei Therapien - sowohl einzeln als auch in Kombination - weder allgemein noch nach den Grundsätzen
über das Systemversagen Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) seien. Die Hyperthermie
(ua Ganzkörperhyperthermie, Regionale Tiefenhyperthermie, Oberflächenhyperthermie, Hyperthermie in Kombination mit Radiatio
und/oder Chemotherapie) sei durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18.1.2005 (BAnz Nr 90 S 7485 vom 14.5.2005)
ausdrücklich aus dem GKV-Leistungskatalog ausgeschlossen worden. Thymuspräparate und Vitamin-C-Infusionen seien als nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel schon durch §
34 Abs
1 S 1
SGB V ausgeschlossen. Es bestehe auch weder nach den Grundsätzen der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts noch
nach §
2 Abs
1a SGB V ein Leistungsanspruch. Es fehle hinsichtlich der Therapien an einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht
auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es dürften zwar keine überspannten
Anforderungen an den entsprechenden Nachweis gestellt werden, auch seien die Anforderungen umso geringer je schwerwiegender
die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation sei. Aber auch nach diesen Maßstäben habe der Medizinische Dienst der Krankenversicherung
überzeugend das Fehlen jeglicher Wirksamkeitsindizien dargelegt (Urteil vom 27.7.2016).
Die Klägerin wendet sich mit Ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 S 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 S 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung.
1. Wer sich - wie hier die Klägerin - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beschwerdebegründung genügt dem nicht.
a) Die Klägerin formuliert folgende Rechtsfrage:
"Hat ein Versicherter der gesetzlichen Krankenkassen bei einer nachgewiesenen infausten Diagnose, die nachweislich zum zeitnahen
Tod führt, gemäß Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten mit einer nicht anerkannten Behandlungsmethode,
wie der Hyperthermie und/oder Thymus- und/oder Vitamin-C-Therapie, neben einer palliativ durchgeführten Standardmethode, wie
Chemotherapie, zur Linderung der schwerwiegenden Nebenwirkungen der Chemotherapie, zur Verbesserung seines Wohlbefindens und
zur Verlängerung seines Lebens, zulasten der gesetzlichen Krankenkassen im ambulanten Bereich, wenn die gesetzlichen Krankenkassen
die Kosten der Behandlung eines gesetzlich Versicherten im stationären Bereich mit Hyperthermie erstatten."
Die Klägerin formuliert bereits keine klare Rechtsfrage, indem sie die Reichweite des Anspruchs auf ambulante Behandlung mit
Thymuspräparaten und Vitamin-C-Infusionen in einen rechtlich relevanten Zusammenhang mit einem von ihr behaupteten Anspruch
auf stationäre Hyperthermiebehandlung bringt. Sie geht auf diese inkonsistente relationale Verknüpfung in ihrer Begründung
auch nicht ein.
Die Klägerin legt im Übrigen die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage nicht in der gebotenen Weise dar. Sie geht - wie das LSG
- nicht darauf ein, dass der Versicherte bei einem Träger der schweizerischen obligatorischen Krankenpflegeversicherung versichert
gewesen war, warum zunächst ihm und jetzt ihr als Sonderrechtsnachfolgerin ein Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 SGB V iVm zwischenstaatlichem Recht gegen die Beklagte zustehen könnte und welche Folgen sich daraus ergeben, dass der Schweizerische
Träger die Kostenerstattung abgelehnt hat (vgl Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 2.9.2001, BGBl II 810; Beschluss
Nr 1/2012 des Gemischten Ausschusses eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 31.3.2012 zur Ersetzung des Anhangs
II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl [EU] L 103 vom 13.4.2012, S 51; Fuchs
in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 6. Aufl 2013 Einführung RdNr 39 und Spiegel in Fuchs, aaO, Vorbem Art 1 VO (EG) 883/2004
RdNr 6, jeweils zum zeitlichen Anwendungsbereich von VO (EWG) 1408/71 und VO (EG) 883/2004 und 987/2009 im Verhältnis zur
Schweiz; Bieback in Fuchs, aaO, Art 17 VO (EG) 883/2004 RdNr 4 f mwN, zum Sachleistungsbegriff; ders, aaO, RdNr 14 f mwN zur
Sachleistungsaushilfe; BSGE 104, 1 = SozR 4-2500 § 13 Nr 23, RdNr 45 ff, zur verweigerten Sachleistungsaushilfe; Bieback, aaO, RdNr 25 ff mwN, zur verweigerten
Sachleistungsaushilfe). Die Klägerin setzt sich auch nicht damit auseinander, dass das LSG sowohl nach den Grundsätzen der
grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts als auch nach §
2 Abs
1a SGB V einen Anspruch verneint hat. Das LSG hat - von der Klägerin mit Verfahrensrügen nicht angegriffen - festgestellt, dass es
an einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung
auf den Krankheitsverlauf hinsichtlich der drei Behandlungsmethoden fehlt.
Ungeachtet dessen legt die Klägerin auch die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht dar. Das Bedürfnis für die Klärung
einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung
keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Die Klägerin legt nicht dar, wieso unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch Klärungsbedarf
verbleibt, welche Maßstäbe für die ambulante und die stationäre Versorgung nach der grundrechtsorientierten Auslegung des
Leistungsrechts und nach §
2 Abs
1a SGB V gelten (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 18 RdNr 57 f, auch für BSGE vorgesehen; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 15 und 27 f; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 §
13 Nr
29, RdNr
23 f, dort zum Qualitätsgebot des §
2 Abs
1 S 3
SGB V; s aber auch BSGE 120, 78 = SozR 4-2500 §
39 Nr 24 - Radiojodtherapie). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig
sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige
Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN; BSG Beschluss vom 27.1.2012 - B 1 KR 47/11 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 5.2.2013 - B 1 KR 72/12 B - RdNr 7), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 5). Wer sich - wie hier die Klägerin - sinngemäß auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung einer
Vorschrift beruft, darf sich zudem nicht auf die Benennung ansonsten angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken (vgl
BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 mit Hinweis auf BVerwG Buchholz 448.3 §
7 USG Nr 1). Er muss vielmehr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in
Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung
der konkreten Regelung des
GG dargelegt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 5.12.2012 - B 1 KR 14/12 B - NZS 2013, 318 RdNr 5 mwN). Die Klägerin führt insoweit nur aus, dass die Kosten der stationären Hyperthermiebehandlung von der GKV getragen
würden und es hier zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz komme, wenn ihr Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten
für die ambulante Hyperthermie-Behandlung des Versicherten verneint werde. Es fehlt jedoch schon an der Darlegung der Prämisse,
dass ein Anspruch auf eine stationäre Hyperthermiebehandlung selbst dann bestehe, wenn Indizien für eine nicht ganz fernliegende
Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht vorhanden seien. Soweit
die Klägerin eventuell andeuten will, dass die stationär durchgeführte Hyperthermiebehandlung des Versicherten vom 1.1. bis
10.2.2012 und vom 3.7. bis 11.7.2012 in der zur Versorgung GKV-Versicherter zugelassenen B. -Klinik (B. B.) von der Beklagten
tatsächlich als Sachleistung erbracht worden sei, ist dies ohne Relevanz.
b) Soweit die Klägerin ohne Bezugnahme auf eine stationäre Behandlung sinngemäß (auch) die Rechtsfrage stellen will, ob ein
Anspruch auf eine nicht dem Qualitätsgebot des §
2 Abs
1 S 3
SGB V entsprechende Behandlung auch dann besteht, wenn bei einer infausten Diagnose, für die eine dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse entsprechende palliative Standardtherapie existiert, deren Nebenwirkungen durch die nicht anerkannte
Behandlung lebensverlängernd reduziert werden können, fehlt es ebenfalls an hinreichendem Vorbringen zur Klärungsbedürftigkeit
und Entscheidungserheblichkeit (vgl II.1. a).
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.