Kein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen wegen einer Tumorerkrankung; Übersteigen der Fahrkosten
durch die zu leistenden Zuzahlungen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für Fahrten zu strahlentherapeutischen Behandlungen.
Der 2009 verstorbene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert gewesene K. (Versicherter) erhielt in der Zeit von März
2006 bis Juni 2006 wegen einer Tumorerkrankung Bestrahlungen. Er beantragte mündlich vor Beginn der Strahlentherapie bei der
Beklagten erfolglos, die entstehenden Fahrkosten zu übernehmen (mündlich vor März 2006 erteilter Bescheid). Er führte die
Fahrten zum Behandlungsort (47 Behandlungstermine, Entfernung vom Wohnort zum Behandlungsort 14,39 km) mit einem PKW durch,
den die mit dem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau, die Klägerin, steuerte. Einen nach der Behandlung
gestellten erneuten Antrag, die Fahrkosten zu erstatten, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 26.8.2008; Widerspruchsbescheid
vom 19.11.2008). Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 18.11.2011). Das LSG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen: Die gemäß §
60 Abs
1 S 3 iVm §
61 S 1
SGB V pro Fahrt zu leistende Zuzahlung überschreite den Erstattungsbetrag. Die Voraussetzungen des §
60 Abs
2 S 1 Nr
4 SGB V, dessen Formulierung auf eine Zuzahlungspflicht lediglich für die erste und die letzte Fahrt hindeute, lägen nicht vor. Bei
dem Versicherten sei eine stationäre Behandlung nicht erforderlich gewesen (Urteil vom 17.1.2013).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des §
60 SGB V und macht einen Verstoß gegen §
103 SGG geltend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2013 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 18. November 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19. November 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den mündlich erteilten Ablehnungsbescheid zurückzunehmen
und der Klägerin 260,72 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§
170 Abs
1 S 1
SGG). Das LSG hat zu Recht ihre Berufung gegen das SG-Urteil zurückgewiesen. Die Klägerin ist seit dem Tod des Versicherten als seine Sonderrechtsnachfolgerin, nicht aber als
Erbin prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Erstattungsanspruch des Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Sie
hat aber keinen Anspruch gegen die beklagte KK auf Erstattung von Fahrkosten. Die Beklagte hat es rechtmäßig abgelehnt, dem
Versicherten 260,72 Euro zu zahlen. Verfassungsrecht gebietet nicht die Übernahme der Fahrkosten (dazu 2.).
1. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten
Erstattungsanspruchs ist. Das folgt aus §
56 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu,
wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es bei der Klägerin.
Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten war fällig und auf laufende Geldleistungen gerichtet.
Zwar handelt es sich beim Krankentransport in der Regel um eine Naturalleistung, auch wenn §
60 SGB V selbst von der Übernahme von "Kosten" spricht (vgl BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 3 RdNr 10 mwN; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 10 mwN). Der Gesetzgeber hatte bei dieser Konstruktion allerdings offensichtlich solche Krankentransporte im Blick,
die ihrer Art nach eine KK als grundsätzlich dem Naturalleistungsprinzip unterliegender Leistungsträger (vgl §
2 Abs
2 S 1
SGB V) typischerweise als Sach- oder Dienstleistung erbringen (lassen) kann (zB Rettungsfahrten, Rettungsflüge, Fahrten mit speziellen
Krankenkraftwagen). Für Transporte demgegenüber, die einer KK bei wirklichkeitsnaher Betrachtung von vornherein nicht als
"eigene" bzw eigenorganisierte Naturalleistung zugerechnet werden können (zB Fahrten des Versicherten im privaten PKW oder
Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel), kann dies indessen nicht gleichermaßen gelten. In diesen Fällen ist der Anspruch
des Versicherten aus §
60 SGB V vielmehr auf die "Kosten" als Ausgleich der entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen selbst gerichtet. Zwar ist
auch insoweit ein Anspruch auf Vorab-Freistellung von Fahrkosten in Form von Naturalleistungen denkbar (zB bei Verschaffung
einer Fahrkarte oder deren Vorfinanzierung durch einen Fahrgutschein). Hat der Versicherte aber Kosten für eigeninitiierte
und durchgeführte Fahrten bereits aufgewandt, erschiene die Annahme einer gleichwohl dabei stattfindenden Naturalleistungsgewährung
der KK gekünstelt; der mit dem Sachleistungsprinzip ua verbundene Schutzgedanke, dass Versicherte aus Kostengründen nicht
von der Inanspruchnahme notwendiger Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgehalten werden sollen (vgl dazu
zB BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 31 mwN), ist hier nicht einschlägig. In derartigen Fällen ist daher schon der Anspruch aus §
60 SGB V selbst auf Erstattung der Kosten gerichtet und ein Rückgriff auf die Regelungen über die naturalleistungsersetzende Kostenerstattung
(§
13 Abs
3 SGB V) entbehrlich (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 16). Bestand ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten, war er mit seinem Entstehen fällig (§
41 SGB I).
Der Anspruch ist bei fortlaufenden Fahrten, die - wie hier - auf einer Grunderkrankung beruhen, die eine hohe Behandlungsfrequenz
aufweist, auch auf "laufende" Geldleistungen gerichtet. §
56 SGB I ist in diesem Sinne auszulegen. Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht,
definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum
SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu §
48) handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren
Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden
(eingehend BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 §
13 Nr
25, RdNr
11 ff zum Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 SGB V). Das kommt auch für die Erstattung von Fahrkosten nach §
60 SGB V in Betracht und wird dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in §
56 SGB I in besonderem Maße gerecht.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des mündlich erteilten Ablehnungsbescheides, Fahrkosten zu übernehmen (§
44 Abs 1 S 1 SGB X). Denn der Versicherte hatte nach §
60 SGB V keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten. Er konnte Fahrkosten weder nach §
60 Abs
1 S 3
SGB V (dazu a) noch nach §
60 Abs
2 S 1 Nr
4 SGB V (dazu b) noch aufgrund dessen erweiternder oder analogen Anwendung (dazu c) beanspruchen.
a) Im Rahmen des §
60 SGB V (in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung von Art 1 Nr 37 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 [GMG], BGBl I 2190), der Ansprüche
auf Fahrkosten abschließend regelt (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 9), kommt als Anspruchsgrundlage für die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten §
60 Abs
1 S 3
SGB V in Betracht. Danach "übernimmt" die KK die "Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung" unter Abzug des sich nach §
61 S 1
SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA)
in den Richtlinien (RL) nach §
92 Abs
1 S 2 Nr
12 SGB V festgelegt hat.
Bei dem Versicherten lag ein besonderer Ausnahmefall iS von §
60 Abs
1 S 3
SGB V vor. Nach §
8 Abs
2 der Richtlinien des GBA über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien,
in der Fassung vom 22.1.2004 - BAnz 2004 Nr 18 S 1342, zuletzt geändert am 21.12.2004 - BAnz 2005 Nr 41 S 2937 - mWv 2.3.2005)
liegt ein besonderer Ausnahmefall vor, wenn der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt
wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung
führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an
Leib und Leben unerlässlich ist. Die Anlage 2 Krankentransport-Richtlinien führt hierzu (nicht abschließend) Regelbeispiele
auf, zu denen auch die - hier vorliegende - onkologische Strahlentherapie zählt. Einer vertragsärztlichen Verordnung der Krankenbeförderungsleistung
bedurfte es nicht. Gemäß § 2 Abs 3, § 7 Abs 4 Krankentransport-Richtlinien ist bei Fahrten mit dem privaten Kraftfahrzeug
oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel eine Verordnung nicht erforderlich.
Der Anspruch scheitert nicht daran, dass es an einer vorherigen Genehmigung durch die KK fehlt. Der Versicherte hatte nach
den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) vor Beginn der Behandlung bei der Beklagten im Rahmen einer mündlichen Unterredung einen Antrag auf Übernahme der entstehenden
Fahrkosten gestellt, der mündlich abgelehnt worden ist. Beansprucht ein Versicherter von seiner KK vor Beginn der Behandlung
die Übernahme der Fahrkosten nach §
60 SGB V, darf ihm das Fehlen der vorherigen Genehmigung nicht entgegengehalten werden, soweit und solange die KK die Übernahme der
Kosten zu Unrecht ablehnt (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 22).
Ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten bestand aber nicht, weil schon die vom Versicherten zu leistenden Zuzahlungen die
Fahrkosten überstiegen. Die Übernahme der Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung erfolgt nach §
60 Abs
1 S 3
SGB V nur unter Abzug des sich nach §
61 S 1
SGB V ergebenden Zuzahlungsbetrags. Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen gemäß §
61 S 1
SGB V zehn vH des Abgabepreises, mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro. Bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs
richtet sich die den Zuzahlungen gegenüberzustellende Höhe der erstattungsfähigen Fahrkosten für jeden gefahrenen Kilometer
nach dem jeweils aufgrund des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch nach der Höhe der Kosten, die bei Inanspruchnahme
des nach §
60 Abs
3 Nr
1 bis
3 SGB V erforderlichen Transportmittels entstanden wären (§
60 Abs
3 Nr
4 SGB V). Gemäß § 5 Abs 1 S 2 BRKG beträgt die Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeugs
20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Für die Einzelfahrt (Hinfahrt zur und Rückfahrt von der ambulanten Strahlentherapie
jeweils eine Fahrt) sind danach erstattungsfähige Kosten in Höhe von 2,88 Euro entstanden (0,20 Euro x 14,39 km). Diese Kosten
unterschreiten die zu leistende Zuzahlung von fünf Euro. Dass der Versicherte die Belastungsgrenze (§
62 Abs
1 SGB V) vor der Strahlenbehandlung erreicht hatte, behauptet die Klägerin nicht. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte.
Bei mehrmals erforderlich werdenden ambulanten Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalls, zB bei einer ambulanten
Serienbehandlung, ist die Eigenbeteiligung der Versicherten nicht auf die erste und letzte Fahrt beschränkt. Zu Recht verweist
das LSG darauf, dass sich für eine solche Auslegung im Gesetz keine Stütze findet. Der Gesetzgeber wollte die Eigenbeteiligung
ausschließlich für Fälle der Ersetzung von Krankenhausbehandlung (§
60 Abs
2 S 1 Nr
4 SGB V) auf die erste und letzte Fahrt begrenzen. Die Gesetzesentwicklung bestätigt dies. Im Rahmen der Einfügung des §
60 Abs
2 Nr
4 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) wurde in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit die Ergänzung des §
60 Abs
2 Nr
4 SGB V des Entwurfswortlauts (BT-Drucks 12/3608 S 8) mit dem Halbsatz "wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung" vorgeschlagen
(BT-Drucks 12/3930 S 17). In der Begründung des Ausschussberichts (BT-Drucks 12/3937 S 12) wird dazu ausgeführt: "Durch die
Gleichstellung mit stationärer Krankenhausbehandlung wird klargestellt, daß bei mehrmals erforderlichen Behandlungsterminen
innerhalb eines Leistungsfalles (z.B. Serienbehandlung) die Eigenbeteiligung des Versicherten auf die erste und die letzte
Fahrt beschränkt ist. Für Leistungen, die grundsätzlich ambulant erbracht werden (z.B. Dialysebehandlungen), bringt diese
Vorschrift keine Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht, da bei solchen Behandlungen stationäre oder teilstationäre Krankenhauspflege
nicht erforderlich ist und damit auch nicht 'vermieden' werden kann."
Die Gleichstellung mit stationärer Krankenhausbehandlung gilt - wie schon die Begründung des Ausschussberichts zeigt - ausschließlich
für den in §
60 Abs
2 Nr
4 SGB V genannten Fall ambulanter Krankenbehandlung, nicht aber für Fahrten zu ambulanten Behandlungen in den vom GBA in den Richtlinien
festzulegenden Ausnahmefällen des §
60 Abs
1 S 3
SGB V. Denn bei den Sondertatbeständen des §
60 Abs
1 S 1 iVm Abs
2 SGB V und den Fahrten zu ambulanten Behandlungen nach GBA-RL (§
60 Abs
1 S 3
SGB V iVm den Krankentransport-Richtlinien) handelt es sich um zwei grundsätzlich verschieden geregelte Fallgruppen der Kostenübernahme
für Fahrkosten (vgl zum Regelungssystem BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 Juris RdNr 13; zum Prüfungsgang BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 17/11 R - RdNr 27). Sie enthalten jeweils eigenständige, abschließende Regelungen. Nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen, auch die
Rechtsfolgen für Transporte zur Vermeidung von Krankenhausbehandlung (§
60 Abs
2 Nr
4 SGB V) dürfen nicht in die Regelung für Fahrten zu ambulanten Behandlungen nach GBA-RL (§
60 Abs
1 S 3
SGB V) hineingelesen werden.
b) Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nach §
60 Abs
2 S 1 Nr
4 SGB V sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach übernimmt die KK die Fahrkosten in Höhe des sich nach §
61 S 1
SGB V ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie
zu einer Behandlung nach §
115a oder §
115b SGB V, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§
39 SGB V) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung. Vollstationäre
oder teilstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten war nämlich nach den nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen,
den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) nicht an sich geboten.
Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung ist im Rechtssinne "an sich geboten", wenn sie aus medizinischen
Gründen erforderlich ist. Erfasst werden sollen nur Ausnahmefälle, in denen eine aus allein medizinischer Sicht eigentlich
notwendige stationäre Behandlung aus besonderen Gründen ambulant vorgenommen wird (noch offengelassen in BSG SozR 3-2500 § 60 Nr 1 S 2). Der Begriff "geboten" entspricht nicht nur nach seinem Wortlaut dem Begriff "erforderlich" iS des §
39 Abs
1 S 2
SGB V (vgl dazu Großer Senat BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 §
39 Nr 10, RdNr 16). Dafür sprechen neben der bereits oben aufgezeigten Gesetzesentwicklung zudem auch Regelungssystem und -zweck.
Nach dem Regelungssystem geht es um Transporte für Krankenhausbehandlung ersetzende Behandlungen (vgl BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 13). Der Regelungszweck ist darauf gerichtet, die Fahrkosten für Versicherte zu übernehmen, die eigentlich aus
medizinischen Gründen Krankenhausbehandlung benötigen. Sie sollen dadurch, dass sie sich anstelle von notwendiger Krankenhausbehandlung
für ein kostengünstigeres "Minus" entscheiden, hinsichtlich der Fahrkostenübernahme nicht schlechter behandelt werden. Sie
werden dementsprechend bezüglich der Fahrkosten den Versicherten gleichgestellt, bei denen es um Transporte zwecks stationärer
Leistungen geht (vgl §
60 Abs
2 S 1 Nr
1 SGB V). So liegt es insbesondere, wenn Versicherte im Rahmen ihrer Patientenautonomie (vgl dazu Hauck, SGb 2014, 8 ff) entscheiden, nicht von der Möglichkeit voll- oder teilstationärer Krankenhausbehandlung zu Lasten der GKV Gebrauch zu
machen, sondern stattdessen ambulante Krankenbehandlung, vor- oder nachstationäre Behandlung (§
115a SGB V und dazu BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 2 und 4, beide auch für BSGE vorgesehen) oder ambulante Operationen oder stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (§
115b SGB V) in Anspruch zu nehmen.
Krankenhausbehandlung ist dementsprechend im Rechtssinne grundsätzlich nur dann erforderlich (§
39 Abs
1 S 2
SGB V), wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist (stRspr,
vgl zB BSG SozR 4-2500 § 2 Nr 4 RdNr 14 f mwN, auch für BSGE vorgesehen). Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung ist entgegen der
Auffassung der Klägerin dagegen nicht schon dann "an sich geboten", wenn eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig wäre,
falls die durchgeführte ambulante Behandlung unterbliebe. Ein solches Verständnis würde im Ergebnis die Regelung entgegen
Wortlaut, Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck auf alle Fälle ausdehnen, in denen es überhaupt ärztlicher Behandlung
bedarf.
Das LSG hat - ausgehend von einem zutreffenden Normverständnis - festgestellt, dass für die Strahlentherapie des Versicherten
voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung nicht an sich geboten iS von medizinisch erforderlich war. Es hat sich hierfür
auf den Befundbericht des behandelnden Strahlentherapeuten gestützt. Der erkennende Senat ist an diese getroffene Feststellung
gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht (vgl §
163 SGG). Soweit sie mit der Revision geltend macht, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§
103 SGG) unterlassen, diese Annahme zu überprüfen, hat sie iS von §
164 Abs
2 S 3
SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen (vgl §
164 Abs
2 S 3
SGG; näher BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN).
Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung
ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb
die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren
Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 28; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 69 mwN, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSG SozR Nr 40 zu §
103 SGG; BSG SozR Nr 7 zu §
103 SGG). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen (Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
164 RdNr 12a; Zeihe,
SGG, Stand 1.7.2014, §
164 SGG Anm 34d). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen
Ermittlungen geführt hätten (vgl BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 28; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 30).
Hieran fehlt es. Die Klägerin hat nicht die gebotenen Tatsachen aufgezeigt. Angesichts des Befundberichts des behandelnden
Strahlentherapeuten hatte das LSG keinen Anlass, ins Blaue hinein ein Gutachten nach Aktenlage zu der Frage einzuholen, ob
entgegen dem Inhalt des Befundberichts doch Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorlag. Die Klägerin hat auch selbst keinen
Anlass zu weiteren Ermittlungen dargelegt. Weder hat sie einen Beweisantrag gestellt noch die Aussage des Strahlentherapeuten
in seinem Befundbericht in Zweifel gezogen. Im Gegenteil, sie hat - möglicherweise in Verkennung der Anspruchsvoraussetzungen
- nach Einholen des Befundberichts sogar selbst darauf hingewiesen, dass durch den Befundbericht "klar gemacht" worden sei,
dass "ambulante Therapien in dieser Behandlungsform üblich sind". Soweit die Klägerin - wie sie vorträgt - Zweifel an der
Rechtsauffassung des LSG zur Auslegung des §
60 Abs
2 Nr
4 SGB V geäußert haben sollte, wäre dies - anders als sie meint - kein Grund dafür, dass das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung
hätte gedrängt fühlen müssen zu der Frage, "ob die beim Versicherten durchgeführte ambulante Behandlung eine stationäre Krankenhausbehandlung
vermieden oder verkürzt hat". Das Äußern einer vom LSG abweichenden Auffassung zum materiellen Recht löst keine Amtsermittlungspflicht
des LSG aus.
c) §
60 Abs
1 SGB V ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch keiner erweiterten Auslegung oder gar Analogie im Sinne einer entsprechenden
Heranziehung der Fahrkostenregelung für stationsersetzende Behandlung aufgrund einfachen oder ranghöheren Rechts zugänglich.
Er benennt vielmehr abschließend die Hauptleistungen, für die eine Beförderung des Versicherten aus zwingenden medizinischen
Gründen notwendig sein muss (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 13). Wie der Senat entschieden hat, sollte die Regelung die Möglichkeit für KKn ausschließen, Fahrkosten zur ambulanten
Behandlung generell in Härtefällen zu übernehmen (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 27). Dies ist von Gesetzes und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Denn die GKV stellt den Versicherten
Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung
(BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 12 ff; vgl auch BVerfGE 115, 25, 45 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 26). Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die GKV ihren Versicherten zu
leisten. Dazu gehört die Übernahme von Fahrkosten aus finanziellen Gründen gerade nicht (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 14).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.