Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Krankengeld
Grundsatzrüge
Gründe:
I
Das Thüringer LSG hat mit Urteil vom 29.11.2016 den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Krankengeld (Krg) ab dem 9.12.2013
bis 31.5.2015 verneint. Der Kläger war bis dahin bei der beklagten Krankenkasse auf Grund seiner selbstständigen Tätigkeit
freiwillig mit Anspruch auf Krg versichert (Wahlerklärung vom 25.3.2011 nach §
44 Abs
2 S 1 Nr
2 SGB V). Im Kalenderjahr 2011 erzielte er laut Einkommensteuerbescheid (vom 25.2.2013) aus seiner selbstständigen Tätigkeit lediglich
negative Einkünfte (- 1666 Euro) und geringe positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Bis 10.10.2013 hatte der Kläger
Krg bezogen. Die Beklagte setzte die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung ab
dem 11.10.2013 nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze ab 1.1.2013 für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige fest (Beitragsbescheid
vom 23.10.2013). Ab 28.10.2013 war der Kläger erneut arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bestätigte den Anspruch des Klägers
auf Krg ab dem 9.12.2013 dem Grunde nach, lehnte die Zahlung von Krg aber ab, weil der Berechnung negative Einkünfte aus selbstständiger
Tätigkeit zu Grunde zu legen waren. Ein Anspruch auf Mindest-Krg aus der Mindestbeitragsbemessungsgrenze (§
240 Abs
4 S 2
SGB V) bestehe nicht (Bescheid vom 20.11.2013, Widerspruchsbescheid vom 22.5.2014). Auch das Klage- und Berufungsverfahren blieben
erfolglos. Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt: Das Krg werde bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen nach dem
erzielten Arbeitseinkommen berechnet (§
47 Abs
4 S 2
SGB V) und nicht nach dem für die Beitragsbemessung maßgebenden Mindesteinkommen (Hinweis ua auf BSG Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 28/07 R - SozR 4-2500 § 47 Nr 10). Danach sei der Einkommensteuerbescheid für 2011 zu Grunde zu legen, der kein positives Arbeitseinkommen
ausweise, so dass auch keine Einnahmen entfielen, die durch Zahlung von Krg (teilweise) kompensiert werden müssten (ua Hinweis
auf BSG aaO). Dies sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich (Hinweis auf BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1). Das LSG hat dem Kläger Gerichtskosten iHv 225 Euro nach §
192 Abs
1 S 1 Nr
2 SGG auferlegt (Urteil vom 29.11.2016).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
1 und Nr
3 SGG) nicht formgerecht dargetan sind (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Beschwerde ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1, §
169 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen,
"ob vom Grundsatz, dass bei der Bemessung des Krankengeldes von hauptberuflich Selbstständigen auf das Einkommen in einem
abgelaufenen Kalenderjahr abzustellen ist, eine Ausnahme anzunehmen ist, wenn die Zeiten der Erwerbstätigkeit in dem maßgeblichen
Kalenderjahr zu kurz waren, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen wiederzugeben.
Ist das im Rahmen des gesetzlichen Krankenversicherungsrechtes geltende strikte Entgeltersatzprinzip aufgrund des Grundsatzes
der Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen im Sinne eines verfassungsmäßigen Kollektivs zumindest dann zu durchbrechen,
wenn der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte selbstständig Tätige auf Basis eines der Beitragsbemessung
zugrundeliegenden (fiktiven) Entgelts (Mindestbeitragsbemessungsgrenze) Beiträge leistet, weil der tatsächlich erzielte steuerliche
Gewinn unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt, in dem das Krankengeld nicht nach dem tatsächlich erzielten Arbeitseinkommen
sondern nach dem für die Beitragsbemessung maßgebenden Mindesteinkommen berechnet wird?
Gebietet die verfassungsgemäße, unterschiedliche beitragsrechtliche Behandlung von Selbstständigen und Pflichtversicherten
im Hinblick auf die Herstellung der Beitragsgerechtigkeit, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Falle der Bebeitragung
nach der Mindesteinkommensgrenze nicht am (unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegenden) steuerlichen Gewinn, sondern
nach der für die Bebeitragung zu Grunde liegenden (fiktiven) Einkünfte im Sinne der Mindesteinkommensgrenze zu bemessen?"
Es fehlt an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfragen. Diese ergibt sich nicht, weil der Kläger
die exakt wortgleichen Fragen nun bereits zum zweiten Mal stellt und der Senat zu diesen im Verwerfungsbeschluss der Nichtzulassungsbeschwerde
vom 22.2.2017 (B 3 KR 47/16 B) wegen des geltend gemachten Anspruchs auf Krg in der Zeit vom 14.4.2012 bis 10.10.2013 ausführlich Stellung genommen hat
(vgl BSG aaO RdNr 10 bis 16).
Insofern ist hier lediglich ergänzend auf den Gesichtspunkt hinzuweisen, dass eine Rechtsfrage selbst dann als höchstrichterlich
geklärt gilt, wenn das Revisionsgericht darüber zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, aber schon eine oder mehrere
höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als
grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage ergeben (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 mwN). Dies berücksichtigt der Kläger in seiner Beschwerdebegründung erneut nicht hinreichend.
Wie der Senat bereits im Beschluss vom 22.2.2017 (B 3 KR 47/16 B - RdNr 12 ff) ausgeführt hat, ist die hier vorliegende Art der Bemessung des Krg grundsätzlich nicht anhand des der Beitragsberechnung
zu Grunde liegenden Mindestarbeitseinkommens, sondern - aufgrund der Entgeltersatzfunktion des Krg - anhand des aus dem Einkommensteuerbescheid
ersichtlichen Arbeitseinkommens (§
15 SGB IV) vorzunehmen. Soweit sich der Kläger im Hinblick auf die erste Frage auf den Beschluss des 1. Senats vom 10.5.2010 (B 1 KR 144/09 B - RdNr 7) beruft, fehlt es an nachvollziehbarer Darlegung, weshalb sich aus den dortigen Erwägungen eine Berechnung des Krg
nach dem der Beitragsberechnung zu Grunde liegenden Mindestarbeitseinkommen ergeben sollte bzw wie eine vom Kläger geforderte
Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Bemessung des Krg auf das Einkommen des abgelaufenen Kalenderjahres abzustellen ist,
sich hier im Ergebnis begünstigend auswirken könnte. Insofern fehlt es auch an ausreichenden Darlegungen der Klärungsfähigkeit
der aufgeworfenen Frage. Im Übrigen setzt sich der Kläger nicht hinreichend damit auseinander, dass die Entgeltersatzfunktion
des Krg auch bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen gewahrt bleiben muss (vgl BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1, RdNr 6 ff). Auch das BVerfG hat bereits entschieden, dass ein Versicherter durch die Berechnung
von Lohnersatzleistungen nicht besser gestellt werden darf, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalls stünde (BVerfGE 92,
53, 72 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21 f). Dies kann vorliegend auch bedeuten, dass trotz Beitragszahlung ein Anspruch auf Krg
ausscheidet; auch hierin hat das BSG keinen Verfassungsverstoß gesehen (vgl Senatsbeschluss vom 22.2.2017 aaO RdNr 12 mwN). Neue rechtliche Aspekte zu dieser
Problematik hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht vorgetragen; anstelle dessen wiederholt er seine im vorangegangenen
Beschwerdeverfahren nicht hinreichend substantiierten Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen. Daher
kann im Übrigen auf die dem Kläger bekannten Ausführungen im Senatsbeschluss vom 22.2.2017 (BSG aaO) Bezug genommen werden.
2. Der Kläger hat auch einen Verfahrensmangel nicht hinreichend aufgezeigt.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Aus der Auferlegung von sogenannten "Missbrauchsgebühren" nach §
192 Abs
1 S 1 Nr
2 SGG lässt sich kein Verfahrensfehler ableiten. Hierzu trägt der Kläger vor, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr anwaltlich
vertreten gewesen zu sein, weil sein Prozessbevollmächtigter kurz zuvor das Mandat niedergelegt habe. Auch unter dem Gesichtspunkt
des rechtlichen Gehörs (§
62 SGG) bzw des Grundsatzes des fairen Verfahrens ergibt sich aus diesen Darlegungen kein Verfahrensfehler. Der Kläger führt weiter
aus, sich selbst "in einem außergewöhnlich hohem Maß mit der seinem Anliegen zugrundeliegenden Problematik beschäftigt" zu
haben. Daher bleibt offen, welcher Nachteil ihn aus der fehlenden anwaltlichen Vertretung getroffen haben könnte. Jedenfalls
macht er nicht geltend, dass er sich im Hinblick auf den gerichtlichen Hinweis der möglichen Verhängung von Missbrauchsgebühren
nicht adäquat äußern konnte. Soweit der Kläger auch eine grundsätzliche Bedeutsamkeit in der Auferlegung einer solchen Gebühr
sieht, ist nicht erkennbar, dass das Urteil des LSG Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) aufwirft, die im vorliegenden Rechtsstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig sein könnten. Die beanstandete Auferlegung
einer Missbrauchsgebühr ist Bestandteil der Kostenentscheidung, die ihrerseits grundsätzlich weder mit der Berufung noch mit
der Beschwerde anfechtbar ist (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 192 Nr 1 RdNr 14; vgl auch BSG Beschlüsse vom 20.3.2017 - B 14 AS 329/16 B -, vom 10.7.2016 - B 11 AL 30/16 B -, beide in Juris).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.