Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Vergütung eines bestimmten Kontingents radiologischer Leistungen mit festen Punktwerten
und eine Abstaffelung der Vergütung der darüber hinausgehenden Leistungen; Unzulässigkeit des Wechsels einer Verteilungsregelung
durch die Partner des Honorarverteilungsvertrags
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Honorarabrechnung für das Quartal III/2004.
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft, deren Gesellschafter im Bezirk der Beklagten als Fachärzte für Radiologie
zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Der Honorarfestsetzung für das Quartal III/2004 legte die Beklagte die als Honorarverteilungsmaßstab (HVM) bezeichnete Vereinbarung
der Beklagten mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen idF vom 25.9.2003 zugrunde. Danach
wurde die fachärztliche Gesamtvergütung in arzt- und kassengruppenspezifische Honorarkontingente unterteilt. Diese entsprachen
dem jeweiligen Anteil der Arztgruppe an der fachärztlichen Gesamtvergütung für die aus dem Kontingent zu finanzierenden Leistungen
in den Vergleichsquartalen III/2002 bis II/2003 (§ 13 Abs 2 HVM). Das vom einzelnen Arzt in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen
wurde nur innerhalb der Grenzen des praxisbezogenen Regelversorgungsvolumens (pRVV) vergütet. Grundlage des pRVV war der anerkannte
Leistungsbedarf der Praxis in Punkten des jeweiligen Vergleichsquartals aus dem Zeitraum Quartal III/2002 bis II/2003. Der
Leistungsbedarf wurde "korreliert" mit der Veränderungsrate, die sich aus der Relation des arzt- und kassengruppenspezifischen
Gesamtpunktzahlvolumens im Abrechnungsquartal zu dem aus dem Gruppenkontingent zu finanzierenden anerkannten Leistungsbedarf
des Vergleichsquartals ergab (Nr 2 Anlage B zum HVM). Die Vergütung der Leistungen von Radiologen und Nuklearmedizinern bestimmte
sich vom Quartal III/2003 bis einschließlich dem Quartal II/2004 nach einem Regelwerk, das bis zu einer bestimmten Punktmenge
feste Punktwerte vorsah. § 13 Abs 3 Satz 4 Buchst a des HVM vom 14.12.1995 idF vom 12.6.2003 iVm Anlage J bestimmte, dass
das Honorarkontingent der Radiologen und Nuklearmediziner in ein Kontingent für computer- und kernspintomografische Leistungen
sowie ein Kontingent für die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner unterteilt wurde und Leistungen aus diesen
Teilkontingenten bis zu einer Punktgrenze mit einem festen Punktwert vergütet wurden. Für computer- und kernspintomografische
Leistungen wurden je Arzt 1 200 000 Punkte zu einem Punktwert von 4,65 Cent vergütet. Die danach verbleibenden Beträge wurden
gleichmäßig auf die noch nicht bewerteten Punktzahlen verteilt. Für die übrigen Leistungen wurden Praxen, die auch Vergütungen
aus dem Teilkontingent für computer- und kernspintomografische Leistungen erhielten, bis zu 750 000 Punkte je Arzt mit einem
Punktwert von 4,65 Cent vergütet. Weitere 450 000 Punkte wurden je Arzt mit einem Punktwert von 2 Cent vergütet. Ausschließlich
in diesem Teilkontingent tätige Praxen erhielten je Arzt 1 050 000 Punkte mit 4,65 Cent vergütet, weitere 150 000 Punkte mit
2 Cent. Die verbleibenden Beträge wurden gleichmäßig auf die noch nicht bewerteten Punktzahlen verteilt, höchstens mit einem
Punktwert von 2,5 Cent. Diese Regelung, die auch der HVM idF vom 25.9.2003 fortgeführt hatte, wurde mit Wirkung ab dem Quartal
III/2004 zugunsten einer Regelung abgeschafft, die sich allein am Umfang des Honorarkontingents und der Zahl der abgerechneten
Punkte orientierte (§ 2 Nr 4 HVM III/2004). Die Regelung wurde gemäß § 2 der Honorarverteilungsvereinbarung für das Quartal
IV/2004 sowie gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 der Honorarverteilungsvereinbarung für das Quartal I/2005 fortgeführt.
Mit Bescheid vom 23.2.2005 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin für das Quartal III/2004 in Höhe von 311 312,38 Euro
fest. Ausweislich der praxisbezogenen Informationen war gegenüber dem Vorjahresquartal der Umsatz um 37,8 % gesunken, der
Fallwert um 39,1 %, der Leistungsbedarf in Punkten um 0,8 % und der durchschnittliche arztindividuelle Punktwert von 3,46
Cent um 37,3 % auf 2,17 Cent. Die Fallzahl war um 2,1 % gestiegen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.4.2009 zurück. Die dagegen erhobene Klage hat
das SG mit Urteil vom 21.8.2013 abgewiesen. Das LSG hat mit Urteil vom 19.8.2015 die Berufung zurückgewiesen. Der HVM sei nicht
wegen eines Verstoßes gegen §
85 Abs
4 SGB V in der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung nichtig iS des §
134 BGB gewesen. Es sei den Partnern der Honorarverteilungsverträge bereits objektiv nicht möglich gewesen, im Einklang mit den gesetzlichen
Vorgaben aus §
85 Abs
4 Satz 7 und 8
SGB V aF zu handeln, weil die hierfür zwingend erforderlichen Vorgaben des Bewertungsausschusses für die vertragsärztliche Versorgung
(BewA) gemäß §
84 Abs
4a SGB V aF nicht vorgelegen hätten. Die dem BewA in §
85 Abs
4a SGB V aF (GMG) eingeräumte Regelungsbefugnis entfalte insoweit eine Sperrwirkung gegenüber den Partnern der einzelnen Honorarverteilungsverträge.
Einer rückwirkenden Honorarfestsetzung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Voraussetzungen für ein gesetzeskonformes
Handeln stehe dem Zweck der Neuregelung - Kalkulationssicherheit und Verhaltenssteuerung - entgegen. Die Annahme der Klägerin,
§
85 Abs
4 Satz 8
SGB V idF des GMG habe zwingend Abstaffelungsregelungen vorgeschrieben, widerspreche aus denselben Gründen der gesetzlichen Konzeption
wie eine Eröffnung regionaler Sonderwege zur Einführung von Regelleistungsvolumina (RLV). Indem der Gesetzgeber dem BewA die Bestimmung des Inhalts der nach §
85 Abs
4 Satz 8
SGB V aF (GMG) zu treffenden Regelungen übertragen habe, habe er auch in diesem Punkt die Kompatibilität der Regelungen auf Bundesebene
und auf "Bezirksebene" sicherstellen wollen. Das stark auf Vereinheitlichung angelegte Regelungskonstrukt in Gestalt des Zusammenspiels
von §
85 Abs
4a Satz 1 letzter Halbsatz
SGB V aF mit §
85 Abs
4 Satz 7 und 8
SGB V aF lasse sich nicht so auslegen, dass es im Ergebnis - und sei es auch nur übergangsweise - zu einer noch weniger einheitlichen
Rechtsanwendung geführt hätte. Die Schaffung von Abstaffelungsregelungen habe nach §
85 Abs
4 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung im Ermessen der Vertragspartner gestanden. Im Hinblick auf die zu erwartende
Umsetzung des §
85 Abs
4 SGB V aF hätten die Vertragspartner eine kurzlebige Übergangsvorschrift schaffen dürfen.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, die Vertragspartner der Honorarverteilungsvereinbarung seien nicht berechtigt
gewesen, jedwede bereits vorhandene Vorgabe zur Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung einer Arztpraxis mit der Folge frei
floatender Punktwerte entfallen zu lassen. Eine ab dem 1.7.2004 geltende Honorarverteilungsregelung könne nur mit höherrangigem
Recht in Einklang stehen, wenn zumindest die für die Quartale I/2004 und II/2004 vorgesehenen Vorgaben eingehalten worden
seien. Die Auffassung des LSG, dass die Vertragspartner der HVM nicht zu einer geltungserhaltenden Reduktion verpflichtet
gewesen seien, stehe nicht mit der Regelung in §
85 Abs
4 Satz 6
SGB V aF in Einklang. Die Beklagte habe nach Maßgabe des §
85 Abs
4 SGB V aF zwar die Möglichkeit gehabt, die Instrumente zur Verhütung der Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit im HVM zu verändern,
nicht aber, sie ersatzlos abzuschaffen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 19.8.2015 und des Sozialgerichts Hamburg vom 21.8.2013 sowie den Honorarbescheid
vom 23.2.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.4.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über ihren
Honoraranspruch für das Quartal III/2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Unstreitig habe der HVM nicht den Anforderungen des §
85 Abs
4 Satz 6, 7 und 8
SGB V aF genügt. Die Honorarverteilungsregelungen könnten sich jedoch auf die wirksamen Übergangsregelungen des BewA stützen. Anders
als ab dem 1.4.2005 habe der BewA den regionalen Partnern keine einschränkenden Bedingungen - etwa die Fortführung bereits
vorhandener Steuerungselemente - vorgegeben, sondern einzig auf die Anwendung der "gültigen" HVM abgestellt. Dabei sei dieses
Tatbestandsmerkmal dahingehend auszulegen, dass die Anwendung solcher Regelungen empfohlen worden sei, die seinerzeit dem
höherrangigen Recht entsprochen habe. Daraus folge, dass einzelne Änderungen in der Honorarverteilung nicht ausgeschlossen
seien, soweit sie seinerzeit rechtmäßig gewesen seien.
II
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Die Abschaffung der Regelung zur Honorarverteilung in den Teilkontingenten der Radiologen
und Nuklearmediziner in der Anlage J zum HVM idF vom 12.6.2003 war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten.
Der im Quartal III/2004 geltende HVM, auf dessen Grundlage die Beklagte über den Honoraranspruch der Klägerin entschieden
hat, entsprach weder den Vorgaben des §
85 Abs
4 SGB V aF (in der seinerzeit maßgeblichen, vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der
gesetzlichen Krankenversicherung [GMG] vom 14.11.2003, BGBl I 2190) noch der Empfehlung des BewA in seinem Beschluss vom 29.1.2004
(DÄ 2004, A 1357).
1. Die Regelungen des im Quartal III/2004 geltenden HVM stimmten nicht mit den Vorgaben des §
85 Abs
4 Satz 7
SGB V aF überein. Nach dieser Bestimmung waren in der Honorarverteilung "insbesondere (...) arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen,
bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)".
Nach §
85 Abs
4 Satz 8
SGB V aF waren für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen. Der Senat hat mehrfach betont,
dass von den beiden Vorgaben - arztgruppenspezifische Grenzwerte und feste Punktwerte sowie für die darüber hinausgehenden
Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte - den festen Punktwerten besonderes Gewicht zukommt (stRspr seit BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 14 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 18 f und Nr 70 RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 16 f; BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 37 f; BSG Urteil vom 19.2.2014 - B 6 KA 16/13 R - Juris RdNr 39 f; zuletzt BSG Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 28/14 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 84 RdNr 13).
Wie das LSG in seinem Urteil vom 5.11.2014 (L 5 KA 28/11, Juris), auf das es im angefochtenen Urteil verwiesen hat, ausgeführt hat, enthielten die Honorarverteilungsregelungen der
Beklagten für das Quartal III/2004 keine arztgruppeneinheitliche Festlegung von Fallpunktzahlen. An diese durch das LSG in
Bezug genommene Auslegung des HVM III/2004 ist der Senat gebunden, da erhebliche Rechtsfehler nicht erkennbar sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 65 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27 mwN). Bezogen auf die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten für die Quartale II/2005 bis IV/2005 (Verteilungsmaßstab
für den Zeitraum vom 1.4.2005 bis 31.12.2005, den das Schiedsamt am 11.8.2005 mit Wirkung zum 1.4.2005 festgesetzt hatte)
hat der Senat entschieden (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 22 ff), dass es an den in §
85 Abs
4 Satz 7 und 8
SGB V aF vorgegebenen Elementen - arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte - fehlte. Die in jenem Verfahren maßgeblichen
Regelungen stimmten in den entscheidenden Punkten der Honorarverteilung mit den generellen Regelungen des im Quartal III/2004
geltenden HVM überein (vgl zum System der pRVV auch Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 6 KA 46/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Auch die Vergütung der Radiologen entsprach im Quartal III/2004 nicht den gesetzlichen Vorgaben. Sie erfolgte nach § 2 Nr
4 HVM iVm der Anlage J zum HVM ohne Mengenbegrenzung mit einem Punktwert, der sich aus der Division des für diese Leistungen
gebildeten Honorarkontingents durch die Summe der abgerechneten und nach sachlich-rechnerischer Prüfung festgestellten Punktzahlen
ergab. Die Sonderregelung für die Honorarverteilung in den Teilkontingenten der Radiologen und Nuklearmediziner sah mithin
ebenfalls keine arztgruppenspezifischen Grenzwerte und festen Punktwerte vor.
2. Die Honorarverteilungsregelungen hinsichtlich der radiologischen Leistungen konnten auch nicht auf die Empfehlung des BewA
zur weiteren Anwendung des bisherigen HVM gestützt werden. Diese Regelung ist zwar ermächtigungskonform (vgl hierzu das Urteil
des Senats vom heutigen Tag - B 6 KA 46/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die von der Beklagten für die Fachgruppe der Radiologen und Nuklearmediziner
im Quartal III/2004 zugrunde gelegten Honorarverteilungsregelungen entsprachen aber nicht der Empfehlung des BewA in Teil
B Abs 4 des Beschlusses vom 29.1.2004 (88. Sitzung, DÄ 2004, A 1357 f). Wörtlich heißt es dort: "Sie (die Mitglieder des BewA)
empfehlen deshalb den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene für den Zeitraum
vom 1. Juli 2004 bis 30. September 2004 den derzeit gültigen Honorarverteilungsmaßstab als auf ein Quartal befristete Übergangslösung
fortzuführen."
a) Bezogen auf die Vergütung der Leistungen der Fachärzte für Radiologie und Nuklearmediziner erfolgte keine Fortführung der
Honorarverteilungsregelungen. Von der in § 2 des HVM für das Quartal III/2004 enthaltenen Übergangsregelung, wonach für den
Zeitraum vom 1.7.2004 bis zum 30.9.2004 der am 30.6.2004 gültige HVM vom 14.12.1995 idF vom 25.9.2003 zur Anwendung kommen
sollte, war die Honorierung der Radiologen und Nuklearmediziner nicht erfasst. Für sie galt vielmehr eine der in § 2 Nr 1
bis 4 des HVM III/2004 aufgeführten Ausnahmen. Neben Änderungen bezogen auf die Vergütung der antrags- und genehmigungspflichtigen
psychotherapeutischen Leistungen (Nr 1) sowie weiteren kleineren, teils redaktionellen Änderungen (Nr 2 und 3), erhielt die
Anlage J (Honorarverteilung in den Teilkontingenten der Radiologen und Nuklearmediziner) durch Nr 4 eine grundlegend neue
Fassung folgenden Wortlauts (Anlage J nF):
"Zur Honorarverteilung werden die Anteile der Radiologen und Nuklearmediziner an den kassengruppenbezogenen Gesamtvergütungen
zusammengefasst. Die computer- und kernspintomographischen Leistungen werden aus dem entsprechenden Teilkontingent nach §
13 Abs. 3 Buchstabe a) mit dem Punktwert bewertet, der sich aus der Division des für diese Leistungen gebildeten Honorarkontingentes
durch die Summe der abgerechneten und nach sachlich - rechnerischer Prüfung festgestellten Punktzahlen ergibt.
Gleichermaßen werden die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner aus dem entsprechenden Teilkontingent nach
§ 13 Abs. 3 Buchstabe a) mit dem Punktwert bewertet, der sich aus der Division des für diese Leistungen gebildeten Honorarkontingentes
durch die Summe der abgerechneten und nach sachlich - rechnerischer Prüfung festgestellten Punktzahlen ergibt."
Damit wurde die bis zum Quartal II/2004 geltende Regelung für diese Leistungen grundlegend geändert. Die Anlage J idF vom
12.6.2003 (Anlage J aF) sah Folgendes vor:
"Zur Honorarverteilung werden die Anteile der Radiologen und Nuklearmediziner an den kassengruppenbezogenen Gesamtvergütungen
zusammengefasst:
a) Aus dem Teilkontingent für computer- und kernspintomographische Leistungen werden je Arzt bis zu 1.200.000 Punkte zu einem
Punktwert von 4,65 Euro-Cent vergütet. Darüber hinaus werden bis zu weiteren 1.200.000 Punkten je Arzt mit einem Punktwert
von 2 Euro-Cent vergütet. Die nach Bewertung mit diesen Punktwerten verbleibenden Beträge werden gleichmäßig auf die noch
nicht bewerteten Punktzahlen verteilt, höchstens mit einem Punktwert von 2 Euro-Cent. Eventuell nicht verteilte Beträge werden
einem für dieses Kontingent zu bildenden Honorarausgleichsfonds zugeführt.
b) Aus dem Teilkontingent für die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner werden Praxen, die auch Vergütungen
aus dem Teilkontingent für computer- und kernspintomographische Leistungen erhalten, bis zu 750.000 Punkte je Arzt mit einem
Punktwert von 4,65 Euro-Cent vergütet. Darüber hinaus werden diesen Praxen bis zu 450.000 Punkte je Arzt mit einem Punktwert
von 2 Euro-Cent vergütet. Ist eine Praxis ausschließlich im Bereich dieses Teilkontingentes tätig, werden je Arzt bis zu 1.050.000
Punkte mit 4,65 Euro-Cent vergütet. Darüber hinaus werden diesen Praxen weitere 150.000 Punkte je Arzt mit 2 Euro-Cent vergütet.
Die nach Bewertung mit diesen Punktwerten verbleibenden Beträge werden gleichmäßig auf die noch nicht bewerteten Punktzahlen
verteilt, höchstens mit einem Punktwert von 2,5 Euro-Cent. Eventuell nicht verteilte Beträge werden einem für dieses Kontingent
zu bildenden Honorarausgleichsfonds zugeführt.
..."
Zum Begriff des "Fortführens" der vorhandenen Steuerungselemente in Teil III Nr 2.2 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004
hat der Senat ausgeführt, dass einzelne Änderungen des HVM der Annahme einer "Fortführung" nicht entgegenstehen, sofern die
wesentlichen Grundzüge des Steuerungsinstruments unverändert bleiben (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 70 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 84 RdNr 14). Dies lässt sich auf den Begriff des Fortführens in der hier streitbefangenen Empfehlung des BewA übertragen.
Mangels zügiger Umsetzbarkeit von RLV durften ausnahmsweise die bisherigen Regelungen weiter angewendet werden. Dies kann jedoch nur mit der Einschränkung hingenommen
werden, dass das bisherige System fortgeschrieben und kein Wechsel vollzogen wurde. Erst recht unzulässig war ein Wechsel,
der die Honorarverteilung weiter vom gesetzlich vorgesehenen System der RLV entfernte. Dies war hier jedoch der Fall.
Eine Honorarverteilung mit einem garantierten festen Punktwert bis zu einer bestimmten Punktmenge und einer abgestaffelten
Vergütung für darüber hinausgehende Punktmengen unterscheidet sich strukturell wesentlich von einer Honorarverteilung ohne
Mengenbegrenzung und einem floatenden Punktwert. Für die Arztgruppe der Klägerin bedeutete dies eine deutliche Abkehr von
dem bis zum 30.6.2004 geltenden System der Honorierung. Soweit das LSG die vorgenommenen Änderungen damit rechtfertigt, dass
die Regelungen über die Bildung des Honorarkontingents für Radiologen und Nuklearmediziner sowie der Unterkontingente für
Großgeräteleistungen und übrige Leistungen unverändert geblieben seien und gerade angesichts der Überweisungsgebundenheit
der fraglichen Leistungen eine gewisse Mindestgarantiefunktion erfüllten, ist dem nicht zu folgen. Zum einen ist die Kontingentbildung
nur ein Teil des Steuerungsinstruments. Größere Bedeutung kommt dem System der Verteilung der Vergütung innerhalb des Kontingents
zu. Dies zeigt sich deutlich im Fall der Klägerin, die bei einem nur unwesentlichen Rückgang der Fallzahl einen Umsatzrückgang
in Höhe von 37,8 % im Vergleich zum Vorjahresquartal hinzunehmen hatte. Zum anderen gewährleistet die Bindung an einen Überweisungsauftrag,
wie nicht zuletzt die Entwicklung im streitbefangenen Quartal zeigt, eine Mengenbegrenzung nicht (vgl dazu zuletzt Urteile
des Senats vom 16.12.2015 - ua B 6 KA 39/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 29 mwN). Eine Vergleichbarkeit der im streitbefangenen Quartal geltenden
Regelung mit der zuvor bestehenden vermögen diese Elemente nicht zu begründen.
Die Abkehr von der im Vorquartal geltenden Regelung rechtfertigt sich auch nicht daraus, dass in der als Übergangsregelung
zu qualifizierenden Empfehlung des BewA vom "derzeit gültigen Honorarverteilungsmaßstab" die Rede ist und der BewA - so die
Auffassung der Beklagten - mit der Formulierung "gültig" die Fortgeltung nur der Honorarverteilungsregelungen angeordnet ("empfohlen")
habe, die seinerzeit dem höherrangigen Recht entsprachen. Die Anlage J aF sah eine "gültige" Honorarverteilungsregelung im
Sinne der Empfehlung vor. Ein Verstoß der Anlage J aF gegen §
85 Abs
4 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 (vom 22.12.1999 [BGBl I 2626]) ist nicht ersichtlich. Die Beklagte war nach Satz
6 dieser Vorschrift dazu befugt ("soll"), sicherzustellen, dass eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes
verhütet wurde. Hierzu war die bis zum 30.6.2004 geltende Regelung grundsätzlich geeignet. Soweit nach dem Vortrag der Beklagten
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anlage J aF insbesondere aufgrund des Fehlens einer Härtefallklausel nach
summarischer Prüfung vom SG für rechtswidrig gehalten wurde und im Wege von Vergleichen eine Honorierung ohne Anwendung der Abstaffelungsregelungen der
damaligen Anlage J erfolgte, führt dies bereits deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung, weil das Fehlen einer ausdrücklichen
Härtefallregelung nach der Rechtsprechung des Senats nicht die Rechtswidrigkeit der Honorarverteilungsregelung zur Folge hat
(vgl BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 42 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 28).
b) Mit der Abschaffung der Abstaffelungsregelung entfernten sich die Vertragspartner des HVM von der gesetzlichen Konzeption
des §
85 Abs
4 SGB V aF. Zwar entsprach auch die Abstaffelungsregelung für die Vergütung radiologischer Leistungen nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Die fehlende Übereinstimmung der maßgeblichen HVM-Regelungen mit der gesetzlich vorgegebenen Systematik konnte übergangsweise
wegen der Verzögerung bei der Beschlussfassung des BewA über die Vorgaben zur Ausgestaltung des RLV-Systems aber nur dazu führen, dass ausnahmsweise die bisherigen Regelungen für einen begrenzten Übergangszeitraum fortgeführt
wurden. Nicht berechtigt waren die Partner des HVM, statt der gesetzlich vorgegebenen Umstellung der Honorarverteilung auf
ein System von RLV die Verteilung nach einem Prinzip vorzunehmen, das sich noch weiter von dem Gedanken der RLV entfernte als das zuletzt bei der Honorarverteilung angewandte System. Dies ist aber mit dem Wechsel der Kombination von
Punktwertgarantie für ein bestimmtes Punktzahlvolumen und der Abstaffelung des Wertes der darüber hinausgehenden Punktmenge
zu einem System floatender Punktwerte geschehen. Die Abstaffelungsregelung in Anlage J aF war - wenn sie von ihrer Konzeption
her auch nicht den RLV entsprach - letztlich näher an den Vorgaben des §
85 Abs
4 Satz 6 bis 8
SGB V aF (GMG) als die Anlage J nF. Durch den garantierten festen Punktwert für eine bestimmte Leistungsmenge sowie die Abstaffelungsregelung
für die darüber hinausgehende Leistungsmenge kam die Regelung in Anlage J aF einem wichtigen Kernpunkt der Vorgaben des §
85 Abs
4 Satz 6 bis 8
SGB V aF (GMG), nämlich dem festen Punktwert für eine vorgegebene Punktmenge (stRspr seit BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 14; zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 18 und Nr 70 RdNr 15; BSG Urteil vom 19.2.2014 - B 6 KA 16/13 R - Juris RdNr 39; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 16; BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 37; zuletzt BSG Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 28/14 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 84 RdNr 13), zumindest für die Arztgruppe der Klägerin nahe. Durch die Änderung der Anlage J aF zugunsten
einer Regelung, die zu frei floatenden Punktwerten führte, entfernte sich die Regelung von den Vorgaben des §
85 Abs
4 Satz 6 bis 8
SGB V aF (GMG). Das Entfallen jeglicher Mengensteuerung in diesem Bereich führte nach dem Vortrag der Beklagten im sozialgerichtlichen
Verfahren zu einer Mengenausweitung von 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal und zu einem entsprechenden Punktwertverfall.
c) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Partner des HVM aufgrund von
Hinweisen des SG in Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz von der Rechtswidrigkeit der Anlage J aF ausgingen und aufgrund der zu erwartenden
Vorgaben durch den BewA hinsichtlich der Anlage J nF nur mit einer "kurzlebigen Übergangsregelung" rechneten. Auch ein kurzfristiges
Entfernen von den Vorgaben des §
85 Abs
4 Satz 6 bis 8
SGB V aF war nicht vom Gestaltungsspielraum des BewA und auch nicht von dem der Partner der HVM gedeckt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §§
154 ff
VwGO.