Zulässigkeit der Ermächtigung sozialpädiatrischer Zentren in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl; Rechtmäßigkeit der Beschränkung
der Ermächtigung in Gestalt des sog. Facharztfilters
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch um die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ermächtigung des Klägers zu 1.
als Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) und um die Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Ermächtigung der Klägerin zu 2. als SPZ
hinsichtlich des Kreises der überweisungsberechtigten Fachärzte auf Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzte für Neurologie
und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiater (sog Facharztfilter).
Der Kläger zu 1. ist ein Verein in kirchlicher Trägerschaft, der ua ein Krankenhaus für Kinder und Jugendliche in A. betreibt.
Klägerin zu 2. ist eine Stiftung, die ua ein Förderzentrum für Kinder ebenfalls in A. betreibt. Die Anträge beider Kläger
auf Ermächtigung zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern nach §
119 SGB V lehnte der beklagte Berufungsausschuss in den Jahren 2006 (Kläger zu 1.) und 2007 (Klägerin zu 2.) unter Hinweis auf einen
fehlenden Bedarf ab. Im anschließenden Gerichtsverfahren wurde der den Kläger zu 1. betreffende Bescheid aufgehoben und der
Beklagte wurde zur Neubescheidung verurteilt (S 43 KA 413/07). In dem die Klägerin zu 2. betreffenden Verfahren verpflichtete sich der Beklagte vergleichsweise zu Neubescheidung (S 39 KA 1137/07). Mit Bescheiden vom 23.4.2009 (Beschlüssen vom 26.3.2009) lehnte der Beklagte die Ermächtigung des Klägers zu 1. ab und
erteilte der Klägerin zu 2. eine bis zum 30.3.2012 befristete Ermächtigung "auf Überweisung durch Vertragsärzte". Eine Beschränkung
des Kreises der überweisungsberechtigten Vertragsärzte erfolgte nicht. Der Kläger zu 1. erhob gegen die Ablehnung seiner beantragten
Ermächtigung (S 38 KA 480/09) sowie gegen die Ermächtigung der Klägerin zu 2. (S 38 KA 462/09) Klage. Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte die Bescheide vom 15.12.2011 (Beschlüsse vom 24.11.2011). Die Ermächtigung
des Klägers zu 1. lehnte er erneut mit der Begründung ab, dass in A. weiterhin kein Bedarf für ein zweites SPZ - neben dem
SPZ der Klägerin zu 2. - bestehe. Bereits im Jahr 2009 seien die umliegenden Versorgungsangebote und deren Erreichbarkeit
sowie deren Kapazitäten anhand von Wartezeiten und Einzugsbereichen geprüft worden. Zu versorgender Einzugsbereich eines SPZ
in A. sei die Stadt A., der Landkreis A. und der Landkreis -F.. Hinsichtlich der von einem SPZ zu versorgenden Einwohnerzahlen
nahm der Beklagte auf die Maßstäbe aus dem sog Altöttinger Papier Bezug.
Der Klägerin zu 2. erteilte der Beklagte mit Beschluss vom 24.11.2011/Bescheid vom 15.12.2011 - ausdrücklich unter Ersetzung
des Bescheids vom 23.4.2009 (Az 152/07) - eine bis zum 31.12.2015 befristete Ermächtigung nach §
119 SGB V, beschränkt auf Überweisung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder-
und Jugendpsychiater und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids an. Zur Begründung der Beschränkung der überweisungsberechtigten
Ärzte (Facharztfilter) nahm der Beklagte auf §
119 Abs
2 Satz 1
SGB V und die dazu ergangene Rechtsprechung Bezug, nach der SPZ die Versorgung derjenigen Kinder sicherstellen sollen, die wegen
Art, Schwere und Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen
behandelt werden können und die deshalb auf Leistungen eines SPZ angewiesen sind (sog dreistufiges Versorgungssystem Kinderärzte
- Frühförderstellen - SPZ). Da die Versorgung mit Kinderärzten im Einzugsbereich des SPZ bei einem Versorgungsgrad von 123
% in der Stadt A. und 119 % im Landkreis gut sei, seien keine Gründe erkennbar, die für eine Erweiterung des Kreises der Zuweiser
auf alle Vertragsärzte sprechen würden.
Nachdem die der Klägerin zu 2. erteilte befristete Ermächtigung - während des laufenden Revisionsverfahrens - zum 31.12.2015
endete, erteilte der Zulassungsausschuss ihr mit Bescheid vom 8.12.2015 (Beschluss vom 11.11.2015) erneut eine befristete
Ermächtigung nach §
119 SGB V, die wiederum auf Überweisung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie, Fachärzte
für Kinder- und Jugendpsychiatrie beschränkt war.
Gegen die im Bescheid vom 15.12.2011 erstmals vorgesehene Beschränkung des Kreises der Überweisungsberechtigten in der Ermächtigung
der Klägerin zu 2. haben sich auch die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) Bayern (S 38 KA 59/12) und die Klägerin zu 2. (S 38 KA 70/12) mit der Klage gewandt. Das SG hat dieses Verfahren mit den og Verfahren (S 38 KA 480/09, S 38 KA 462/09) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 38 KA 462/09 verbunden.
Das SG hat den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers zu 1. auf Erteilung einer Ermächtigung nach §
119 SGB V verurteilt. Die gegen die Ermächtigung der Klägerin zu 2. gerichtete Anfechtungsklage des Klägers zu 1. sowie die gegen die
Beschränkung des Überweiserkreises gerichteten Klagen hat das SG abgewiesen. Die Auswahlentscheidung des Beklagten zu Gunsten der Klägerin zu 2. sei frei von Rechtsfehlern. Der Beklagte
sei jedoch zur Neubescheidung zu verpflichten, weil er nicht ausreichend geprüft habe, ob auch ein Bedarf für ein zweites
SPZ in A. bestehe. Die Beschränkung der Ermächtigung der Klägerin zu 2. auf Überweisung durch bestimmte Facharztgruppen sei
rechtmäßig.
Auf die Berufung der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat das LSG das Urteil des SG insoweit aufgehoben, als das SG den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers zu 1. auf Erteilung einer Ermächtigung verurteilt hat und die Klage
des Klägers zu 1. auch insoweit abgewiesen. Die Berufung des Klägers zu 1., der die Erteilung einer Ermächtigung an sich und
die Aufhebung der Ermächtigung der Klägerin zu 2. geltend gemacht hat, hat das LSG zurückgewiesen. Die Auswahlentscheidung
des Beklagten zu Gunsten der Klägerin zu 2. sei frei von Rechtsfehlern. Dieser sei mit nachvollziehbaren Gründen davon ausgegangen,
dass in A. - Bedarf für nur ein SPZ bestehe. Soweit die Kläger zu 1. und zu 2. im Verwaltungsverfahren Einzugsbereiche mit
knapp 1 500 000 bzw 1 000 000 Einwohnern anstelle der von dem Beklagten zu Grunde gelegten 631 753 Einwohnern behauptet hätten,
hätten sie die bereits bestehenden umliegenden SPZ ua in M., Me. und U. unberücksichtigt gelassen. Die Bedarfsanalyse des
Beklagten werde durch die im Berufungsverfahren vorgetragenen Zahlen bestätigt.
Auch die Berufungen der zu 1. beigeladenen KÄV Bayern und der Klägerin zu 2., die sich gegen die Beschränkung ihrer Ermächtigung
auf Überweisung durch bestimmte Facharztgruppen richten, seien unbegründet. Der von dem Beklagten in seinem Bescheid vom 15.12.2011
(Beschluss vom 24.11.2011) vorgesehene Facharztfilter sei nicht zu beanstanden. Die Ermächtigung, auf die die Klägerin zu
2. gemäß §
119 Abs
1 Satz 2
SGB V einen Anspruch habe, dürfe nach § 32 Abs 1 SGB X mit dem Facharztfilter versehen werden, da diese Nebenbestimmung in § 31 Abs 7 Satz 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) durch Rechtsvorschrift zugelassen sei. Mit dem Überweisungsfilter werde sichergestellt, dass die sozialpädiatrische Behandlung
durch SPZ auf diejenigen Kinder ausgerichtet werde, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden
Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden könnten. Nach der zum Zeitpunkt
der Ermächtigung geltenden Weiterbildungsordnung (WBO) für die Ärzte Bayerns in der Fassung vom 17.10.2010 könnten in erster Linie Kinder- und Jugendärzte die Erforderlichkeit
einer sozialpädiatrischen Behandlung durch ein SPZ beurteilen, und darüber hinaus die Kinder- und Jugendpsychiater, die psychische,
psychosomatische, entwicklungsbedingte und neurologische Erkrankungen oder Störungen sowie psychische und soziale Verhaltensauffälligkeiten
unter Berücksichtigung des familiären und sozialen Lebensumfelds diagnostizierten und behandelten. Zudem habe der Beklagte
beurteilungsfehlerfrei Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie als geeignete Gebietsärzte im Sinne von §
119 Abs
2 Satz 1
SGB V angesehen. Der Beklagte habe seinen Beurteilungsspielraum auch insoweit nicht überschritten, als er eine Überweisung durch
Fachärzte für Allgemeinmedizin und praktische Ärzte ausgeschlossen habe. Das Gebiet der Allgemeinmedizin (Hausarzt) umfasse
weder als Weiterbildungsinhalt noch in den "weiteren Inhalten" den Bereich der Sozialpädiatrie.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts haben der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. Revision eingelegt. Der Kläger zu 1.
begehrt mit der Revision nur noch die Erteilung einer Ermächtigung nach §
119 SGB V. Die Aufhebung der Ermächtigung der Klägerin zu 2. macht er ausdrücklich nicht mehr geltend.
In formeller Hinsicht rügt der Kläger zu 1. einen Verstoß gegen Art
103 Abs
1 GG, §
202 SGG iVm §§
525,
139 Abs 2
ZPO. Bei der Entscheidung des Berufungsgerichts, der Berufung der Beigeladenen zu 2. stattzugeben und das Urteil des SG München
insoweit aufzuheben, als es den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers zu 1. verpflichtet habe, handele es sich
um eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Im Laufe der mündlichen Verhandlung habe der Senat und insbesondere der Vorsitzende
mehrfach deutlich zu erkennen gegeben, dass er die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers
zu 1. für zutreffend halte. In der Sache rügt der Kläger zu 1. einen Verstoß gegen §
119 Abs
1 SGB V. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte die Bedarfssituation frei von Beurteilungsfehlern ermittelt
und auf dieser Grundlage rechtmäßig einen Bedarf für ein zweites SPZ in A. verneint habe. Vielmehr liege ein Begründungsdefizit
und ein Ermittlungsdefizit vor. Der Beklagte habe den maßgeblichen Einzugsbereich für ein SPZ in A. nicht hinreichend ermittelt,
sich insbesondere nicht mit dem Vortrag beider Kläger zu einem deutlich weiteren Einzugsbereich auseinandergesetzt. Es fehle
an einer sachlichen Prüfung durch den Beklagten, ob die in Frage kommenden Landkreise um A. herum (D., -R., E., G., L., N.,
P., U.) von den umliegenden SPZ noch ausreichend versorgt würden. Dass vorliegend von einem Bedarf für ein zweites SPZ in
A. auszugehen sei, ergebe sich auch bei Anwendung der vom BSG im Urteil vom 29.6.2011 (B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1) aufgestellten Grundsätze, wonach nicht auf die Planungsbereiche abzustellen sei und daher vorliegend
nicht nur die Planungsbereiche A. -Stadt, A. -Land und -F., sondern auch die benachbarten Planungsbereiche einzubeziehen gewesen
seien, sodass ein Einzugsgebiet mit mindestens 1 000 000, eher aber 1 500 000 Einwohnern zu berücksichtigen sei. Der Beklagte
habe zumindest 20 % der Einwohner der umliegenden Landkreise hinzuzählen müssen, sodass ein Einzugsgebiet mit mehr als 800
000 Einwohnern und mithin ein Bedarf für ein zweites SPZ in A. vorliege. Der Beklagte habe auch nicht zunächst abwarten dürfen,
in welcher Weise die SPZ-Angebote angenommen würden. Darüber hinaus betrügen nach den Feststellungen des Beklagten die durchschnittlichen
Wartezeiten im SPZ Me. 4,5 Monate und in den beiden SPZ in M. 4,3 Monate, was nach der Rechtsprechung des BSG unzumutbar sei. Zudem habe sich das Berufungsgericht für die Bestimmung des Einzugsbereichs nicht auf die tatsächlichen Fallzahlen
der Klägerin zu 2. beziehen dürfen. Darüber hinaus seien, wenn es auf die tatsächlichen Fallzahlen der Klägerin zu 2. ankomme,
auch die Fallzahlen des Klägers zu 1. zu berücksichtigen. Diese zeigten, dass das SPZ der Klägerin zu 2. den tatsächlichen
Bedarf im Raum A. - nicht decken könne. Zudem zeigten die Unterschiede zwischen den Einrichtungen der beiden Kläger hinsichtlich
Leistungsspektrum, Altersschwerpunkt der Patienten sowie personeller und operativer Ausstattung, dass der tatsächliche Bedarf
in A. nicht allein durch das SPZ der Klägerin zu 2. gedeckt werden könne.
Der Kläger zu 1. beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 15. Oktober 2014 und das Urteil des SG München vom 24. Januar 2013 zu ändern, den ihm erteilten
Beschluss/Bescheid des Beklagten vom 24. November 2011/15. Dezember 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm
eine Ermächtigung zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern nach §
119 SGB V zu erteilen.
Die Klägerin zu 2. trägt vor, dass die Behauptung des Klägers zu 1., das Berufungsgericht habe mehrfach zu erkennen gegeben,
dass es der Rechtsauffassung des Klägers zu 1. folge, unrichtig sei. Bezogen auf den gegenüber dem Kläger zu 1. ergangenen
Bescheid liege auch kein Begründungs- oder Ermittlungsdefizit vor. Soweit der Kläger zu 1. auf eigene Behandlungszahlen Bezug
nehme, handele es sich um Leistungen, die in einem Akutversorgungskrankenhaus und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erbracht
worden seien und aus denen nicht auf einen Bedarf für ein weiteres SPZ geschlossen werden könne. Darüber hinaus sei sie (Klägerin
zu 2.) in der Startphase nicht einmal ausgelastet gewesen und habe in der Folgezeit entsprechend der steigenden Nachfrage
das Leistungsangebot des SPZ erweitert. Bezogen auf die ihr erteilte Ermächtigung rügt die Klägerin zu 2. eine Verletzung
des §
119 SGB V iVm § 32 Abs 1 SGB X. Der Überweiserkreis sei zu eng begrenzt worden. Die Überweisung müsse durch jeden Arzt möglich sein, der die Notwendigkeit
einer fachübergreifenden Behandlung durch ein SPZ erkenne. Besonders geeignet seien alle Ärzte, die eine Familie in ihrem
sozialen Kontext über viele Jahre begleiten und damit insbesondere die Hausärzte. Die Diagnose von Entwicklungsauffälligkeiten
bei Kindern und Jugendlichen sei Inhalt der Fort- und Weiterbildung von Hausärzten. Der angeordnete Facharztfilter widerspreche
auch dem Ziel einer frühzeitigen Diagnose, Therapieeinleitung und sozialen Eingliederung und schaffe ein nicht sachgerechtes
Zugangshindernis für Patienten, die eine zeitnahe Behandlung im SPZ benötigten. Der Grad der kinderärztlichen Versorgung sei
nicht im gesamten Einzugsbereich ausreichend. Die vom Berufungsgericht zu Grunde gelegten Zahlen seien aus der Akte nicht
nachvollziehbar; dies werde ausdrücklich als Verfahrensfehler gerügt, sodass das Revisionsgericht an diese Feststellungen
nicht gebunden sei.
Die Klägerin zu 2. beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 15. Oktober 2014 und das Urteil des SG München vom 24. Januar 2013 zu ändern und festzustellen,
dass der ihr erteilte Beschluss/Bescheid des Beklagten vom 24. November 2011/15. Dezember 2011 insoweit rechtswidrig war,
als die Ermächtigung zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern nach §
119 SGB V auf Überweisung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiater
beschränkt worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zu 1. zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Revision der Klägerin zu 2. stellt der Beklagte keinen Antrag. Zur Begründung seines Antrags auf Zurückweisung
der Revision des Klägers zu 1. trägt er vor, eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor. Der Kläger zu 1. habe zu den
Sach- und Rechtsfragen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt habe, Stellung nehmen können. Die Ablehnung
der Ermächtigung des Klägers zu 1. sei auch in der Sache rechtmäßig.
Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Das LSG habe keine Überraschungsentscheidung getroffen. Die Klägerin zu 2. stelle die sozialpädiatrische Versorgung im Einzugsbereich
angemessen sicher. Die Bezugnahme auf die Einwohnerzahlen nach dem Altöttinger Papier (450 000 Einwohner) und der BSG-Rechtsprechung (400 000 Einwohner) gehe zudem fehl, da diese allein für die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines SPZ maßgeblich
seien. Die vom Kläger zu 1. vorgetragene Unterversorgung mit SPZ rund um A. bestehe nicht. Der Beklagte habe seinen Beurteilungsspielraum
in Bezug auf die Erreichbarkeit der SPZ, die A. umgeben, nicht überschritten. Zur Begründung ihres Antrags auf Abweisung der
Revision der Klägerin zu 2. trägt die zu 2. beigeladene Krankenkasse vor, dass das Berufungsgericht die Beschränkung des Zuweiserkreises
zu Recht auf § 31 Abs 7 Ärzte-ZV gestützt habe, wonach eine Ermächtigung auch ihrem Umfang nach zu bestimmen sei. Insoweit sei es sachgerecht, die Ermächtigung
dahingehend zu beschränken, dass die spezialisierte, sozialpädiatrische Leistung erst nach Überweisung durch bestimmte, qualifizierte
Facharztgruppen, erbracht werden darf. Dies stelle einen geringeren Eingriff dar, als die ebenfalls denkbare Begrenzung des
Umfangs der Ermächtigung anhand von Erkrankungsbildern. Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 2. seien nicht alle Ärzte geeignet,
Kinder und Jugendliche in ein SPZ zu überweisen. Eine spezielle Qualifikation sei nur durch eine entsprechende Facharztausbildung
gewährleistet. Auch die von der Klägerin zu 2. hilfsweise begehrte Ausweitung des Überweiserkreises auf HNO-Ärzte/Phoniater
und Kinderorthopäden sei zurückzuweisen. Unzutreffend sei auch der Vortrag der Klägerin zu 2., wonach der Facharztfilter eine
frühzeitige Diagnostik und Therapie behindere. Kinder- und Jugendärzte würden die betroffenen Patienten von frühester Kindheit
an betreuen und zu einem weit überwiegenden Teil die Kinder- und Jugenduntersuchungen (U1 ff) durchführen. Der kinderärztliche
Versorgungsgrad sei im Bereich A. hoch. Der Gesetzgeber habe mit der Formulierung "... nicht von geeigneten Ärzten oder in
geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können" (§
119 Abs
2 S 1
SGB V) für den Bereich der Sozialpädiatrie den grundsätzlichen Vorrang der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Kassenärzte
(BT-Drucks 11/2237 S 203 zu § 128) bekräftigen wollen.
Die Beigeladene zu 1. stellt keine Anträge und trägt vor, dass die Revision des Klägers zu 1. unbegründet sei. Die Verfahrensrüge
einer sogenannten Überraschungsentscheidung greife nicht durch, da die streitgegenständliche Sach- und Rechtslage umfassend
erörtert worden sei. Das LSG sei in der Sache zutreffend davon ausgegangen, dass es keine Erkenntnisse gebe, die einen Bedarf
für ein zweites SPZ in A. belegen würden. Die Revision der Klägerin zu 2. sei dagegen begründet. Die Beschränkung des Überweiserkreises
sei nicht rechtmäßig. Fachärzte für Allgemeinmedizin und Innere Medizin, die eine Familie in ihrem sozialen Kontext über viele
Jahre begleiten, seien als Überweiser geeignet. Da der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Bedarf für SPZ gesehen, bedarfsrelevante
Vorgaben aber nicht geregelt habe, sei für eine Beschränkung des Überweiserkreises auf bestimmte Arztgruppen kein Raum.
Die Beigeladenen zu 3. bis 8. haben keine Anträge gestellt und sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
II
Weder die Revision des Klägers zu 1. noch die Revision der Klägerin zu 2. hat Erfolg. Die Entscheidung des Beklagten, die
Ermächtigung eines zweiten SPZ mangels eines entsprechenden Bedarfs abzulehnen, ist nicht zu beanstanden. Daher hat das LSG
das Urteil des SG zu Recht aufgehoben, soweit das SG den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers zu 1. auf Erteilung der Ermächtigung verurteilt hat. Ebenfalls nicht
zu beanstanden ist, dass der Beklagte der Klägerin zu 2. die Ermächtigung nur auf Überweisung durch Ärzte für Kinder- und
Jugendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiater erteilt hat (sog Facharztfilter).
Die Klägerin zu 2. hatte keinen Anspruch auf eine unbeschränkte Ermächtigung oder auf eine Erweiterung des Kreises der überweisungsberechtigten
Ärzte.
1. Der Bescheid vom 15.12.2011 (Beschluss vom 24.11.2011), mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers zu 1. auf Ermächtigung
für ein SPZ abgelehnt hat, ist nicht zu beanstanden. Dabei ist die getroffene Auswahlentscheidung aufgrund der ausdrücklichen
Beschränkung der Revision des Klägers zu 1. nicht mehr im Streit; die Ermächtigung der Klägerin zu 2. ist insoweit bestandskräftig
geworden. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist deshalb bezogen auf die Ermächtigung des Klägers zu 1. nur noch die
Frage, ob die Entscheidung des Beklagten insoweit rechtmäßig war, als er davon ausgegangen ist, dass der Bedarf bereits durch
die der Klägerin zu 2. erteilte Ermächtigung gedeckt ist und ein Bedarf für ein zweites SPZ mit Standort in der Stadt A. nicht
besteht.
a) Der während des Klageverfahrens ergangene Bescheid des Beklagten vom 15.12.2011 (Beschluss vom 24.11.2011) hat den - ebenfalls
ablehnenden - Bescheid des Beklagten vom 23.4.2009 (Beschluss vom 26.3.2009) ersetzt; er ist gemäß §
96 Abs
1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Streitgegenstand in Zulassungssachen ist (nur) der das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid des Berufungsausschusses
(s BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 6). Dessen vollständige Ablehnung des gestellten Antrags erledigt sich - anders als eine vom Berufungsausschuss befristet
erteilte Ermächtigung - nicht durch den (fiktiven) Ablauf des Zeitraums, auf den Ermächtigungen nach § 31 Abs 7 Ärzte-ZV üblicherweise befristet werden. Deshalb bedarf es hier insoweit keines Übergangs zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage
iS des §
131 Abs
1 Satz 3
SGG (BSG SozR 4-5520 § 31 Nr 3 RdNr 12).
b) Der vom Kläger zu 1. gerügte Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der geltend gemachte Umstand, dass er nach dem Verlauf der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG mit einem günstigeren Ausgang des Verfahrens (Zurückweisung der Berufung der zu 2. beigeladenen Krankenkasse)
gerechnet habe, nicht geeignet, das Vorliegen einer sog Überraschungsentscheidung zu begründen. Abgesehen davon, dass der
Verlauf der Verhandlung jedenfalls von der zu 1. beigeladenen KÄV und der Klägerin zu 2. anders wahrgenommen worden ist als
von dem Kläger zu 1., liegt eine Überraschungsentscheidung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; zuletzt BVerfG [Kammer], Beschluss vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09 - Juris RdNr 8) wie auch des BSG (SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17) nicht bereits vor, wenn einer der Beteiligten eine andere Entscheidung des Gerichts erwartet hat. Vorausgesetzt
wird vielmehr, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage
seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach
dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen
braucht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden,
die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - NZS 2004, 660, 661 unter Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN). Anhaltspunkte dafür, dass sich das LSG mit seiner Entscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt hat, mit dem der
Kläger zu 1. nicht rechnen konnte, sind nicht ersichtlich und dies wird auch nicht geltend gemacht. Allein dass der Kläger
zu 1. mit einer anderen, für ihn günstigeren Entscheidung des LSG gerechnet hat, begründet noch keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs.
Im Übrigen bezieht sich der Kläger zu 1. mit seinem Eindruck zum voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens nur allgemein auf
den Verlauf der Verhandlung vor dem LSG und insbesondere auf Äußerungen des Vorsitzenden. Soweit der Kläger angibt, dass die
Auffassung des Vorsitzenden zunächst "offenbar auch die der weiteren Berufsrichter und ehrenamtlichen Richter" gewesen sei,
handelt es sich nach der verwendeten Formulierung um eine Vermutung, deren Grundlage der Kläger zu 1. nicht bezeichnet. Da
bei einer Entscheidung, die aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht, der Sachverhalt maßgebend ist, wie er sich aufgrund der
mündlichen Verhandlung ergibt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
128 RdNr 5), und der Grundsatz des rechtlichen Gehörs die Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen
Verhandlung gebietet, konnte der anwaltlich vertretene Kläger zu 1. nicht davon ausgehen, dass der Prozess der Meinungsbildung
im Senat in der mündlichen Verhandlung bereits abgeschlossen gewesen wäre. Auf Äußerungen des Vorsitzenden oder einzelner
Senatsmitglieder darf sich ein rechtskundig vertretener Verfahrensbeteiligter schon deshalb nicht verlassen, weil im Berufungsverfahren
fünf Richter mit gleichem Stimmengewicht entscheiden und nicht feststeht, ob sich der Senat bei der abschließenden Beratung
mehrheitlich einer in der Verhandlung geäußerten Auffassung einzelner Senatsmitglieder anschließen wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 f). Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn der Senat den Beteiligten ausdrücklich Hinweise erteilt oder zB das
Ergebnis einer durchgeführten Zwischenberatung der Mitglieder des Senats bekanntgibt. Für das Vorliegen eines solchen Sachverhalts
gibt es hier indes weder nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift noch nach dem Vorbringen des Klägers zu 1. Anhaltspunkte.
Art
103 Abs
1 GG gebietet es auch nicht, dass das Gericht bereits vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist (BSG Beschluss vom 23.10.2013 - B 13 R 320/13 B - Juris RdNr 8; BVerfG Beschluss vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - Juris RdNr 26).
c) Das LSG hat die Entscheidung des SG, das den Beklagten zur Neubescheidung des Ermächtigungsantrags der Klägers zu 1. verurteilt hatte, zu Recht geändert und
die Klage auch insoweit abgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten, den Antrag des Klägers zu 1. auf Ermächtigung als SPZ
abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.
Nach §
119 Abs
1 SGB V können SPZ, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und
wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bieten, vom Zulassungsausschuss zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung
von Kindern ermächtigt werden. Ziel der Vorschrift ist es, Erkrankungen, Schädigungen oder Störungen bei Kindern durch eine
frühzeitige Diagnostik und Therapie zu verhindern, zu heilen oder zu verringern (vgl BT-Drucks 11/2237 S 202 zu § 128). Die
Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische Versorgung sicherzustellen.
Damit korrespondierend regelt §
43a SGB V den Anspruch versicherter Kinder auf nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen (vgl im Einzelnen BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 10).
aa) Für die Frage, ob eine Ermächtigung zu erteilen ist, weil eine ausreichende medizinische Versorgung nicht anderweitig
sichergestellt ist, kommt es grundsätzlich nicht auf die Versorgung mit Kinderärzten und Frühförderstellen an, sondern nur
auf die Frage, ob andere SPZ die Versorgung bereits in ausreichendem Maße gewährleisten, ohne dass es einer weiteren Ermächtigung
bedarf (BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 11; insoweit klarstellend gegenüber BSG SozR 3-2500 § 119 Nr 1). SPZ bieten in integrierter Form spezielle medizinische, psychologische, pädagogische und soziale Maßnahmen an (vgl
BT-Drucks 11/2237 S 202 zu §
128). Die Behandlung durch SPZ ist zwar nach §
119 Abs
2 Satz 1
SGB V auf diejenigen Kinder auszurichten, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit
nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können (sog dreistufiges Versorgungssystem
Kinderärzte - Frühförderstellen - SPZ). Die gesetzliche Formulierung darf jedoch - worauf der Beklagte zutreffend hinweist
- nicht dahin missverstanden werden, dass sich die Behandlung eines Kindes auf eine der drei genannten Stufen beschränken
würde und dass Kinder, die in SPZ behandelt werden, keiner Behandlung in Frühförderstellen oder durch Kinderärzte mehr bedürften.
Gemeint ist mit der Dreistufigkeit des Versorgungssystems lediglich, dass Kinder, deren Versorgung bereits durch die Angebote
von Kinderärzten und von Frühförderstellen ausreichend sichergestellt wird, keinen Anspruch auf die Behandlung in SPZ haben.
Das differenzierte und hochspezialisierte, aber bezogen auf den Versorgungsauftrag umfassende Leistungsangebot (vgl Palsherm/Clemens
in Orloswki/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, GKV-Komm, Stand November 2015,
SGB V, §
119 RdNr 3) dieser Zentren soll auf die Kinder- und Jugendlichen konzentriert werden, die gerade auf diese Leistungen angewiesen
sind. Dies folgt neben §
119 Abs
1 SGB V auch aus dem in §
70 Abs
1 SGB V für das Vierte Kapitel des
SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) geregelten Wirtschaftlichkeitsgebot. Dass die Leistungen der SPZ
die vertragsärztlichen Leistungen und die von Frühförderstellen erbrachten Leistungen keineswegs ersetzen, sondern ergänzen,
wird auch daran deutlich, dass §
119 Abs
2 Satz 2
SGB V die SPZ zur engen Zusammenarbeit mit Ärzten und Frühförderstellen verpflichtet. Damit übereinstimmend werden Arztpraxen,
Frühförderstellen und SPZ in der fachlich-medizinischen Diskussion als kooperative Elemente eines komplementären Versorgungssystems
bezeichnet (vgl Schlack, Kinderärztliche Praxis 1998, 278, 281). So können SPZ zB zur Durchführung einer aufwändigen Diagnostik
und zur Aufstellung eines Behandlungsplans in Anspruch genommen werden, der dann in koordiniertem Zusammenwirken mit Ärzten
und Frühförderstellen umgesetzt wird. Dies gilt - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - uneingeschränkt allerdings nur
für Kinder vor dem Schuleintritt, weil eine Behandlung in Frühförderstellen danach in aller Regel nicht mehr durchgeführt
wird (vgl §
30, §
55 Abs
2 Nr
2, §
56 Abs
2 SGB IX, § 1 Frühförderungsverordnung; für Bayern vgl § 5 Abs 1 Satz 1 Rahmenvertrag zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder in Interdisziplinären
Frühförderstellen in Bayern vom 19.5.2006 idF vom 1.7.2011). Für SPZ gilt diese Beschränkung auf das Vorschulalter ebenso
wenig wie für Kinderärzte, die Kinder und Jugendliche, nicht jedoch Erwachsene behandeln dürfen (vgl BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 11).
Im vorliegenden Verfahren hatte der Beklagte allerdings noch das rechtskräftige Urteil des SG München vom 6.5.2008 (S 43 KA 413/07) zu beachten, in dem er zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt worden war. Das SG
München hatte entschieden, dass die Bedarfslage nicht nur im Verhältnis zu anderen SPZ, sondern auch im Verhältnis zu Kinderärzten
und Frühförderstellen zu prüfen sei. Im Ergebnis hat sich dies auf die Entscheidung des Beklagten jedoch nicht ausgewirkt.
Vielmehr ist der Beklagte auf der Grundlage von Ermittlungen (ua Befragung von Kinderärzten und Frühförderstellen), die die
zu 1. Beigeladene zur Bedarfslage durchgeführt hat, zu der Auffassung gelangt, dass für A. - ein Bedarf für ein SPZ, nicht
jedoch für ein zweites SPZ besteht. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte entschieden, der Klägerin zu 2. eine Ermächtigung
zu erteilen und den Antrag des Klägers zu 1. abzulehnen.
bb) Die Annahme des Beklagten, nach der in A. Bedarf für zunächst nur ein, und nicht für ein zweites SPZ besteht, ist nicht
zu beanstanden. Der Beklagte hat seiner Beurteilung zur Bedarfslage einen richtig und vollständig ermittelten Sachverhalt
sowie zutreffende Beurteilungsmaßstäbe zu Grunde gelegt und er hat seine Entscheidung, die Erteilung der Ermächtigung des
Klägers zu 1. abzulehnen, auf dieser Grundlage nachvollziehbar begründet.
Da der Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung nach §
119 Abs
1 Satz 2
SGB V voraussetzt, dass diese notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische Versorgung sicherzustellen, kommt die Erteilung
einer Ermächtigung nicht in Betracht, wenn die sozialpädiatrische Behandlung bereits anderweitig sichergestellt ist. Wie der
Senat in seiner Entscheidung vom 29.6.2011 (B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 12 ff) dargelegt hat, hat sich die Prüfung nicht auf die für den Bereich der vertragsärztlichen
Versorgung geltenden Planungsbereiche zu beschränken. Für die Ermittlung des Bedarfs bezogen auf die Ermächtigung von SPZ
gibt es keine konkreten rechtlichen Vorgaben, wie sie insbesondere im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung oder der Versorgung
mit Krankenhäusern bestehen. Die für die ärztliche Bedarfsplanung maßgebenden Regelungen im
SGB V und in der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung
und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung" (Bedarfsplanungs-Richtlinie) sind auch nicht entsprechend auf SPZ anwendbar. Deshalb ist eine unmittelbare Übertragung der zur ärztliche Bedarfsplanung
ergangenen Rechtsprechung des Senats ausgeschlossen (vgl BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 13). Daraus folgt jedoch nicht, dass für die Bedarfsermittlung bei der Ermächtigung von SPZ keine Maßstäbe existieren
würden, an denen sich die Zulassungsgremien zu orientieren hätten. SPZ gab es in geringer Zahl bereits vor der Einführung
einer entsprechenden gesetzlichen Regelung (§
119 SGB V idF des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen - GRG - vom 20.12.1988, BGBl I 2477). Als Planungsgröße war zu dieser Zeit die Zahl von einem SPZ auf eine Million Einwohner formuliert
worden (Hollmann/Bode, Kinderärztliche Praxis 2007, 276, 277; Schlack, Kinderärztliche Praxis 1998, 278, 285). Diese Quote
wird heute in der Regel nicht mehr als ausreichend angesehen. Die tatsächlich erreichte Quote wurde im Jahr 2007 mit etwa
einem SPZ pro 450 000 Einwohner angegeben, wobei die regionalen Unterschiede erheblich waren. Unter den ermächtigten SPZ fanden
sich offenbar auch "Kleinstzentren", die die in Fachkreisen formulierten Anforderungen an die personelle Ausstattung (vgl
dazu nachfolgend) nicht erfüllten. Gleichwohl wird die Quote von einem SPZ auf 450 000 Einwohner als geeigneter Orientierungspunkt
für die künftige sozialpädiatrische Planung angesehen, wobei ein SPZ mit zwei Teams typischerweise für die Versorgung einer
solchen Einwohnerzahl ausreichend sein soll (vgl Hollmann/Bode, aaO S 278). Auch das im Verwaltungsverfahren von dem Beklagten
eingeholte Gutachten von Dr. M. orientiert sich an dieser Quote. In seiner Entscheidung vom 29.6.2011 (B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 22, 30) ist der Senat davon ausgegangen, dass ein SPZ mit der Versorgung von ca 400 000 Einwohnern
eines Kreises ausgelastet wäre. Dabei kann es sich allerdings nur um einen groben Anhaltspunkt handeln. Dies folgt bereits
aus dem Umstand, dass die Orientierung an Einwohnerzahlen weder berücksichtigt, wie hoch der Anteil der Kinder an der Einwohnerzahl
ist, noch zu welchem Anteil diese auf die speziellen Leistungen von SPZ angewiesen sind.
Die Besetzung eines SPZ mit zwei Teams mit jeweils fünf Vollzeitstellen gehört nach den in einschlägigen Fachkreisen anerkannten
Qualitätsstandards zur Mindestausstattung ("Gemeinsame Empfehlungen zur Ermächtigung von sozialpädiatrischen Zentren im Rahmen
der ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern nach § 119" vom 16.10.1989 und das von der Deutschen Gesellschaft
für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin ebenso wie von der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialpädiatrischer Zentren erstmals im
Jahr 2002 verabschiedete "Altöttinger Papier", Kinderärztliche Praxis 2002, 498, insoweit unverändert auch in der Fassung
aus dem Jahr 2014), weil nur so die Voraussetzungen für Vertretungsmöglichkeiten und vor allem für die aufgrund der komplexen
und speziellen Fragestellungen erforderliche fachliche Differenzierung geschaffen werden können (Hollmann/Bode, aaO S 278
f; Schlack, aaO S 284). Daraus folgt, dass auch eine darüber hinausgehende Personalausstattung mit mehr als zwei Teams unter
Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden ist, mit der Folge, dass auch mehr als 450 000 Einwohner
durch ein SPZ versorgt werden können. Bei einem Einzugsgebiet von weniger als 400 000 bis 500 000 Einwohnern ist dagegen -
wenn gleichwohl zwei Teams mit insgesamt zehn Vollzeitstellen bereitgestellt werden - die Wirtschaftlichkeit oder - bei einer
geringeren Personalausstattung - die Qualität des SPZ in Frage gestellt (vgl BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 11). Obergrenzen bezogen auf den Einzugsbereich ergeben sich dagegen in erster Linie im Hinblick auf die Erreichbarkeit
des SPZ für die Versicherten, auch wenn bei diesen Zentren - anders als etwa bei den Frühförderstellen - die Anforderungen
an die Wohnortnähe nicht im Vordergrund stehen können.
Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 29.6.2011 (B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 18; vgl auch BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 12/12 B - BeckRS 2012, 73681 RdNr 8) dargelegt hat, kommt den fachkundig besetzten Zulassungsgremien bei der Beurteilung der Zumutbarkeit
von Entfernungen, die Patienten zum nächsten SPZ zurückzulegen haben, ein Beurteilungsspielraum zu, in den einzugreifen den
Gerichten nur in engem Maße gestattet ist. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich - ebenso wie bei Entscheidungen der
Zulassungsgremien zu Sonderbedarfszulassungen (vgl BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3 RdNr 16; BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 1 S 4 f) oder Ermächtigungen von Krankenhausärzten (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 1 S 4 f; BSGE 70, 167, 175 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 17; BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 29 und BSG SozR 3-2500 § 97 Nr 2 S 6) - darauf, ob der Entscheidung des Berufungsausschusses ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde
liegt, ob die durch Auslegung der in § 119 Abs 1 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe (Gewähr für eine "leistungsfähige
und wirtschaftliche Behandlung", Notwendigkeit der Ermächtigung für eine "ausreichende sozialpädiatrische Behandlung") zu
ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht
wurden, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl Palsherm/Clemens in
Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, GKV-Komm, Stand November 2015,
SGB V, §
119 RdNr 4). Dem Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien unterfällt - angesichts fehlender gesetzlicher Vorgaben zu Planungsbereichen
(vgl RdNr 31) - auch die Frage, welchen Einzugsbereich ein zu ermächtigendes SPZ voraussichtlich versorgen wird.
Der Beklagte ist nach der Begründung des Bescheids vom 23.4.2009 (Beschluss vom 26.3.2009) von einem Einzugsgebiet eines SPZ
mit Sitz in A. ausgegangen, dass die Stadt A. mit (damals) 262 992 Einwohnern, den Landkreis A. mit 240 976 Einwohnern und
den Landkreis -F. mit 127 785 Einwohnern und damit insgesamt 631 753 Einwohner umfasst. Ferner ist der Beklagte bei seiner
Bedarfsschätzung in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass ein SPZ wirtschaftlich erst für 450 000 Einwohner
betrieben werden kann. Auf die Begründung dieses Bescheids hat der Beklagte in seinem - den Bescheid vom 23.4.2009 ersetzenden
- Bescheid vom 15.12.2011 (Beschluss vom 24.11.2011) insoweit Bezug genommen und daran festgehalten, dass nicht zwei SPZ parallel
zu ermächtigen seien, sondern dass sich jedenfalls zunächst ergeben müsse, in welcher Weise das mit der Ermächtigung der Klägerin
zu 2. neu eröffnete Angebot angenommen werde.
Mit der Annahme, dass ein SPZ, das seine Tätigkeit in der Stadt A. neu aufnimmt, jedenfalls zunächst schwerpunktmäßig nur
Kinder aus der Stadt A., und aus den beiden unmittelbar angrenzenden Landkreisen A. und -F., nicht jedoch aus weiter entfernten
Landkreisen betreut, hat der Beklagte den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Nach dem Ergebnis der
von der Beilgeladenen zu 1. im Jahr 2009 durchgeführten Ermittlungen (ua Befragung von Kinderärzten, Neuropädiatern, Neurologen,
Psychiatern, Ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und von Frühförderstellen) sind die Versicherten im Bereich A. zum damaligen
Zeitpunkt durch die umliegenden SPZ in M. -, Me. und U. mitversorgt worden. Von A. liegen diese SPZ 71 km (M. -), 76 km (U.)
und 120 km (Me.) entfernt. Für M. war zu diesem Zeitpunkt gerade ein zweites SPZ ermächtigt worden, das seinen Betrieb noch
nicht aufgenommen hatte. Die Annahme, dass ein neues SPZ in A. angesichts der etablierten Strukturen jedenfalls zunächst einen
begrenzten Einzugsbereich haben wird und dass die Landkreise, die etwa ebenso weit von A. wie von bereits existierenden SPZ
entfernt liegen, weiterhin von diesen versorgt werden, ist insbesondere bezogen auf die Landkreise in der Metropolregion M.
nachvollziehbar. Die Richtigkeit dieser Annahme wird im Übrigen durch die im Berufungsverfahren von der Klägerin zu 2. für
das Jahr 2013 mitgeteilten Daten bestätigt. Danach kamen über 90 % der von der Klägerin zu 2. versorgten Patienten aus der
Stadt A. und den beiden unmittelbar angrenzenden Landkreisen, die auch der Beklagte seiner Beurteilung zur Bedarfslage zu
Grunde gelegt hatte. Entgegen der Auffassung des Klägers zu 1. war die Bedarfsermittlung des Beklagten auch nicht deshalb
fehlerhaft, weil nicht einmal der geringe Anteil der Patienten aus weiter entfernten Landkreisen in die Bedarfsermittlung
eingeflossen ist, sondern ausschließlich die Einwohnerzahlen der Stadt A. und der beiden genannten Landkreise berücksichtigt
wurden. Abgesehen davon, dass die Zulassungsgremien im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums berechtigt sind, bei ihrer Prüfung
einen generalisierenden Maßstab zu Grunde zu legen (BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 12/12 B - BeckRS 2012, 73681 RdNr 10), liegt nahe, dass sich die geringe Zahl von Patienten aus entfernteren Wohnorten dadurch ausgleicht,
dass auf der anderen Seite ein geringer Anteil der Patienten aus A. und Umgebung weiterhin nicht in A., sondern in einem der
umliegenden SPZ zB in M. oder U. betreut wird.
Auch der Umstand, dass nach dem Ergebnis der im Jahr 2009 durchgeführten Ermittlungen bezogen auf die SPZ in M., Me. und U.
von Wartezeiten berichtet worden ist, die vier Monate überschreiten, musste den Beklagten nicht dazu veranlassen, in A. zeitgleich
ein zweites SPZ zu ermächtigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die bisher von den umliegenden SPZ mitversorgten Patienten
aus A. und den beiden angrenzenden Landkreisen künftig von der Klägerin zu 2. versorgt werden können. Im Übrigen war damals
für M. - gerade ein zweites SPZ ermächtigt worden, das seinen Betrieb noch nicht aufgenommen hatte. Hinweise darauf, dass
die Klägerin zu 2. nicht in der Lage sein würde, den Bedarf für die Stadt A. sowie die Landkreise A. und -F. mit seinen insgesamt
631 753 Einwohnern zu decken, gab es zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten über den Ermächtigungsantrag der Klägerin
zu 2. nicht und dafür sind auch weiterhin keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden,
dass der Beklagte jedenfalls zunächst nur die Ermächtigung für ein SPZ erteilt hat. Über die dabei getroffene Auswahlentscheidung
des Beklagten zwischen den beiden Klägern war aus den og Gründen nicht mehr zu entscheiden.
d) Die Ablehnung der Ermächtigung des Klägers zu 1. verstößt nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit. Art
12 Abs
1 GG schützt auch den Betrieb von SPZ (zu Krankenhäusern vgl BVerfGE 82, 209, 223; zu Pflegeeinrichtungen: BVerfGK 14, 187, 190; BVerfGK 12, 308, 327 = SozR 4-3300 §
9 Nr 3 RdNr 79; zu Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung iS des §
111 SGB V vgl BSGE 87, 14, 23 = SozR 3-2500 §
40 Nr 3 S 12 f; BSGE 89, 294, 300 = SozR 3-2500 § 111 Nr 3 S 21; BSGE 81, 189, 197 f = SozR 3-2500 § 111 Nr 1 S 10 f). Jede Einschränkung der Zulassung nach Bedarfsgesichtspunkten stellt einen Eingriff
in das durch Art
12 Abs
1 Satz 1
GG geschützte Recht der Berufsfreiheit dar (BSGE 87, 14, 23 = SozR 3-2500 § 40 Nr 3 S 12 f; BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 21). Art
12 Abs
1 Satz 2
GG erlaubt Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs
deutlich erkennen lässt. Dabei muss der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen, soweit sie gesetzlicher
Regelung zugänglich sind (BVerfGE 82, 209, 224, Juris RdNr 65; BVerfGE 73, 280, 295; BVerfGE 80, 1, 20). Für die Vorschriften über die Zulassungsbeschränkungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (§§
99 ff
SGB V), die als Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren sind, denen keine einer Berufswahl nahe kommende Bedeutung zukommt (vgl
BSGE 82, 41, 43 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 12 f), muss deshalb die Regelungstiefe im Gesetz selbst nicht besonders intensiv ausgeprägt
sein (BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 21). Zudem müssen sich die erforderlichen Vorgaben nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des
Gesetzes ergeben. Vielmehr genügt, dass sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere
aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte der Regelung (BVerfGE 19, 17, 30 f; BVerfGE 58, 257, 277; BVerfGE 62, 203, 210; BVerfGE 80, 1, 20 f; BVerfGE 82, 209, 224).
Auf die Frage, ob sich der Kläger zu 1. als karitative Einrichtung hier auf das Grundrecht aus Art
12 Abs
1 GG berufen kann (vgl BVerfG Beschluss vom 17.10.2007 - 2 BvR 1095/05 - SozR 4-3300 § 9 Nr 3 RdNr 78 ff mwN) kommt es nicht an. Obwohl die Maßstäbe für die Ermächtigung von SPZ nach §
119 SGB V dem Gesetz nicht annähernd so deutlich zu entnehmen sind, wie dies nach §§
99 ff
SGB V im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung der Fall ist und obwohl eine Konkretisierung der Vorgaben aus §
119 SGB V durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bisher nicht vorgesehen ist, wird den genannten Anforderungen an die
Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung noch entsprochen. Bei der Einführung und Fortentwicklung des §
119 SGB V hat der Gesetzgeber einen weitgehenden Konsens in der Wissenschaft und in den maßgebenden Fachkreisen vorgefunden, der ua
in dem (rechtlich nicht verbindlichen, vgl BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1, Juris RdNr 11) Altöttinger Papier aus dem Jahre 2002 Ausdruck gefunden hat. Unter Berücksichtigung der danach geltenden
fachlichen Vorgaben kann §
119 SGB V das an ein SPZ zu stellende Anforderungsprofil und die damit verbundene Mindestgröße entnommen werden. Daraus folgen auch
Vorgaben zum Einzugsbereich von SPZ, die die Zulassungsgremien bei ihrer Entscheidung über die Anträge auf Ermächtigung als
SPZ zu berücksichtigen haben. Weitere Einzelheiten können sachgerecht nur nach Maßgabe der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten
beurteilt werden (zur Krankenhausplanung vgl BVerfGE 82, 209, 225 ff). Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass dem Gesetz nur verhältnismäßig allgemeine Vorgaben zu entnehmen sind.
Eine Konkretisierung von Vorgaben zur Bedarfsprüfung bei der Ermächtigung von SPZ war bei Einführung des §
119 SGB V im Übrigen auch deshalb nicht naheliegend, weil zu diesem Zeitpunkt nur eine geringe Zahl von SPZ existierte, sodass es zunächst
um den Ausbau der Versorgung gehen musste, während Beschränkungen bei der Erteilung von Ermächtigungen nur von untergeordneter
Bedeutung waren. Insoweit haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren mit dem Aufbau eines immer dichteren Netzes
von SPZ verändert, sodass Konflikte um die Erteilung weiterer Ermächtigungen - auch angesichts der Finanzierung der Leistungen
außerhalb der ärztlichen Gesamtvergütung unmittelbar durch die Krankenkassen (vgl §
120 Abs
2 Satz 1
SGB V) - voraussichtlich Bedeutung gewinnen werden. Vorgaben zu dem von SPZ zu versorgenden Personenkreis, zu den personellen und
sachlichen Anforderungen an die Leistungserbringung und für eine Bedarfsermittlung zB in Form von Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses oder - wie zB bei den Geriatrischen Institutsambulanzen - durch Vereinbarungen (vgl §
118a Abs
2 SGB V) erscheinen vor diesem Hintergrund sinnvoll, um die Handhabung und Überprüfung der in §
119 SGB V verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe zu erleichtern und die Transparenz von Entscheidungen der Zulassungsgremien in diesem
Bereich zu erhöhen.
2. Auch die Revision der Klägerin zu 2. hat keinen Erfolg.
a) Die Klage der Klägerin zu 2. ist zulässig. Sie verfolgt ihr Begehren nach Auslaufen der streitigen, bis zum 31.12.2015
befristeten Ermächtigung zu Recht in der Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage iS des §
131 Abs
1 Satz 3
SGG weiter. Die der Klägerin zu 2. mit Bescheid vom 15.12.2011 erteilte Ermächtigung hat sich mit Ablauf des Zeitraums der Befristung
(31.12.2015) erledigt. Das gemäß §
131 Abs
1 Satz 3
SGG erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Der Zulassungsausschuss
hat die Klägerin zu 2. auch für die Zeit ab dem 1.1.2016 nicht unbeschränkt, sondern wiederum nur auf Überweisung durch Ärzte
für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie
ermächtigt. Der Übergang auf die Fortsetzungsfeststellungklage ist auch noch im Revisionsverfahren möglich (BSGE 90, 207, 208 f = SozR 3-1500 § 54 Nr 47 S 103; BSGE 74, 257, 258 = SozR 3-5540 § 5 Nr 1 S 2; BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 19 S 91 mwN).
Die Klägerin zu 2. begehrt mit dem Hauptantrag die Feststellung, dass der Bescheid vom 15.12.2011 (Beschluss vom 24.11.2011)
rechtswidrig war, soweit dieser den Kreis der überweisungsberechtigten Ärzte bei der Ermächtigung nach §
119 SGB V auf Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiater beschränkte.
Ein solches isoliertes Vorgehen gegen die belastende Beschränkung der Ermächtigung ist grundsätzlich zulässig. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats können Nebenbestimmungen von Zulassungsentscheidungen, die nach Maßgabe gesetzlicher Regelungen
erlassen werden, isoliert angefochten werden (BSGE 89, 134, 135 ff = SozR 3-5520 § 20 Nr 3 S 19 ff; BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 6; BSGE 107, 56 = SozR 4-5520 § 20 Nr 3, RdNr 13 mwN; zur Beschränkung des Kreises überweisungsberechtigter Ärzte vgl BSGE 59, 137, 143 = SozR 2200 § 368a Nr 13 S 38 f).
b) Die Revision der Klägerin zu 2. hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die Beschränkung des Kreises der überweisungsberechtigten
Ärzte, wie auch das LSG zutreffend angenommen hat, rechtlich nicht zu beanstanden ist.
aa) In dem Umstand, dass der Bescheid vom 15.12.2011 den Bescheid vom 23.4.2009 insofern zu Ungunsten der Klägerin zu 2. geändert
hat, als der Überweisungsvorbehalt eingeführt wurde, liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der reformatio in peius. Dies
folgt bereits aus dem Umstand, dass der Bescheid vom 23.4.2009 von dem Kläger zu 1. angegriffen worden ist. In Fällen der
Drittbetroffenheit darf die Verwaltung gegenüber dem Empfänger eines begünstigenden Verwaltungsakts auch eine "verbösernde"
Entscheidung treffen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 47 RdNr 24; BSGE 53, 284, 288 = SozR 5550 § 15 Nr 1 S 5; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 34). Im Übrigen bezieht sich das berechtigte Interesse (§
131 Abs
1 Satz 3
SGG) der Klägerin zu 2. hier nicht auf die Überprüfung eines Verstoßes gegen den Grundatz der reformatio in peius, weil insoweit
eine Wiederholungsgefahr weder behauptet noch ersichtlich ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 11 S 59).
bb) Die von der Klägerin zu 2. mit ihrer Revision gegen den sog Facharztfilter für Überweisungen angeführten Bedenken greifen
nicht durch.
(1) Auf die Erteilung einer Ermächtigung als Sozialpädiatrisches Zentrum besteht bei Erfüllung der in §
119 Abs
1 Satz 1
SGB V genannten Voraussetzungen gemäß §
119 Abs
1 Satz 2
SGB V ein Rechtsanspruch ("... ist zu erteilen ..."), soweit und solange die Ermächtigung notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische
Behandlung sicherzustellen (vgl BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 11). Deshalb darf die Ermächtigung gemäß § 32 Abs 1 SGB X mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen
soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Eine entsprechende Zulassung durch Rechtsvorschrift
enthält § 31 Abs 7 Satz 2 Ärzte-ZV.
Nach § 31 Abs 7 Satz 2 Ärzte-ZV ist in dem Ermächtigungsbeschluss auch auszusprechen, ob der ermächtigte Arzt unmittelbar oder auf Überweisung in Anspruch
genommen werden kann. Die Ermächtigung zu bestimmen, ob der ermächtigte Arzt nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden
darf, schließt Festlegungen zum Kreis der überweisungsberechtigten Ärzte ein. Die Vorschrift gilt entsprechend auch für die
Ermächtigung von SPZ nach §
119 SGB V. Dass § 31 Abs 7 Ärzte-ZV nicht nur für die Ermächtigung der in § 31 Abs 1 Ärzte-ZV genannten Personen und Einrichtungen gilt, sondern auch für Ermächtigungen, die auf der Grundlage bundesmantelvertraglicher
Regelungen nach § 31 Abs 2 Ärzte-ZV erteilt worden sind, hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 3-5540 § 5 Nr 4, Juris RdNr 24). Für die entsprechende Anwendbarkeit dieser Regelung auf die Ermächtigung von SPZ spricht insbesondere
der Umstand, dass diese - ebenso wie die Ermächtigung nach §
116 SGB V - nur zu erteilen ist, "soweit und solange" (s hierzu BSG SozR 4-1300 §
32 Nr 1, RdNr 20 zur Befristung einer Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach §
121a SGB V; grundlegend zur Befristung einer Ermächtigung: BSGE 70, 167, 170 f = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 12 f; BSGE 71, 280, 281 f = SozR 3-2500 § 116 Nr 3 S 21) sie notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzustellen.
Insofern unterscheidet sich die bedarfsabhängige Ermächtigung nach §
119 SGB V auch von der Ermächtigung nach §
117 SGB V (Hochschulambulanzen) und der Ermächtigung nach §
118 SGB V (Psychiatrische Institutsambulanzen) in der bis zum 22.7.2015 geltenden Fassung (vor Anfügung des § 118 Abs 4 durch Art 1
Nr 53a GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG - vom 16.7.2015, BGBl I 1211), für die der Senat entschieden hat, dass sie
von § 31 Abs 7 Ärzte-ZV nicht erfasst werden (BSG SozR 3-5540 § 5 Nr 4 S 17 f). Nur auf unabhängig von einer Bedarfsprüfung zu erteilende Ermächtigungen bezog sich auch die Wendung in der Entscheidung
des Senats vom 18.6.1997 (BSG SozR 3-5540 § 5 Nr 4 S 17), nach der § 31 Abs 7 Ärzte-ZV solche Ermächtigungen nicht erfasse, die "unmittelbar auf gesetzlichen Vorschriften im
SGB V beruhen". Von der Möglichkeit, die Ermächtigung eines SPZ mit einer Nebenbestimmung (Befristung) zu versehen, ist der Senat
im Übrigen bereits in der Entscheidung vom 29.6.2011 (B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 15) ausgegangen.
Der in § 31 Abs 7 Satz 2 Ärzte-ZV zugelassene Überweisungsvorbehalt trägt dazu bei, dass die Ressourcen der SPZ auf die Kinder konzentriert werden, die auf
deren besonderes Leistungsangebot angewiesen sind. Auch aus wirtschaftlichen Gründen sollen SPZ den von ihnen zu versorgenden
Personenkreis nicht selbst definieren können. Zwar haben die Zulassungsgremien auch die Möglichkeit, in Nebenbestimmungen
die Ermächtigung auf die Behandlung bestimmter Erkrankungen und Behinderungen zu beschränken. Gerade weil eine trennscharfe
Abgrenzung anhand von Diagnosen in der Praxis nur schwer zu treffen ist (vgl Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung,
Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, §
119 SGB V RdNr 3) und weil eine aufwändigere Diagnostik teilweise erst im SPZ durchgeführt wird, ist es nicht zu beanstanden, wenn
die Ermächtigung des SPZ (auch) durch einen Überweisungsvorbehalt beschränkt wird. Bezogen auf die Frage, wie der Regelung
Geltung verschafft wird, nach der die Behandlung durch SPZ auf Kinder auszurichten ist, bei denen die Behandlung durch Ärzte
und Frühförderstellen nicht ausreicht, kommt den Zulassungsgremien angesichts fehlender konkreter gesetzlicher Vorgaben ein
weiter Beurteilungsspielraum zu. Im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums haben die Zulassungsgremien auch zu entscheiden, welchen
Facharztgruppen eine Überweisung von Kindern an ein SPZ ermöglicht werden soll (ebenso: Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung,
Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, §
119 SGB V RdNr 10; Sonnhoff in Hauck/Noftz, Stand Januar 2016, §
119 SGB V RdNr 13).
Die Beschränkung der Überweisung auf bestimmte Fachärzte steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats (vgl
BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 6; BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 11; BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 12; vgl bereits BSGE 29, 65 = SozR Nr 32 zu § 368a
RVO), nach der die Ermächtigung eines Krankenhausarztes in Fällen eines quantitativ oder qualitativ unzureichenden Leistungsangebots
der niedergelassenen Vertragsärzte grundsätzlich nicht auf die Überweisung durch Fachkollegen beschränkt werden darf. Dieser
Rechtsprechung liegt der Gedanke zu Grunde, dass durch die Zwischenschaltung eines Gebietsarztes, der die Überweisung vornimmt,
nur Verzögerungen und Kosten entstehen würden, wenn von vornherein feststeht, dass dieser die erforderlichen Leistungen nicht
selbst erbringen kann. Dagegen ist es nach der Rechtsprechung des Senats zulässig und geboten, die Überweisungsbefugnis den
spezialisierten Gebietsärzten vorzubehalten, wenn das Leistungsangebot der zugelassenen Vertragsärzte weder unter quantitativen
noch unter qualitativen Gesichtspunkten Defizite aufweist und die Ermächtigung lediglich eine Einschaltung des Krankenhausarztes
in besonderen Problemfällen ermöglichen soll (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 11 S 60; BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 12 S 64). Eine damit insoweit vergleichbare Konstellation liegt bei der Ermächtigung eines SPZ vor. Der Anspruch auf deren
Ermächtigung hängt nicht davon ab, ob Defizite in der Versorgung mit Kinderärzten oder anderen geeigneten Gebietsärzten bestehen
(RdNr 28). Die Behandlung durch das SPZ tritt auch nicht an die Stelle der Behandlung durch geeignete Gebietsärzte oder Frühförderstellen,
sondern ergänzt diese in besonderen "Problemfällen", in denen die besonderen Leistungen des SPZ wegen der Art, Schwere oder
Dauer der (drohenden) Krankheit des Kindes erforderlich sind (RdNr 28). Schon aufgrund des umfassenden sozialpädiatrischen
Leistungsspektrums dieser Einrichtung sind nicht die Angehörigen aller Arztgruppen in gleicher Weise qualifiziert zu beurteilen,
ob die im Einzelfall erforderlichen Leistungen einschließlich nichtärztlicher sozialpädiatrischer Leistungen nur in einem
SPZ erbracht werden können oder ob zB die Inanspruchnahme eines sozialpädiatrisch qualifizierten Facharztes ausreicht. Die
Beurteilung hat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zu erfolgen. Dies setzt eine spezielle
sozialpädiatrische Qualifikation und in der Regel auch die Kenntnis der für den Patienten erreichbaren weiteren Behandlungsangebote
sowie unter Umständen auch nichtärztlicher Angebote zB aus dem Bereich der Jugendhilfe voraus.
(2) Mit der Beschränkung der Ermächtigung dahin, dass das SPZ nur auf Überweisung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin,
Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiater in Anspruch genommen werden darf, hat der Beklagte
seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 2. war der Beklagte nicht verpflichtet,
die Überweisungsbefugnis auf die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Hausärzte, auf Fachärzte für Orthopädie
und Unfallchirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderorthopädie, auf HNO-Ärzte, Ärzte für Phoniatrie und Pädaudiologie
oder auf Ärzte zu erstrecken, die über eine Genehmigung zur Teilnahme an der Frühförderung verfügen. Weil die Leistungen der
SPZ auf solche Kinder konzentriert werden sollen, die auf deren hochspezialisiertes Leistungsangebot angewiesen sind, ist
es sachgerecht, dass vor der Behandlung in SPZ gerade solche Ärzte in Anspruch genommen werden, die bereits über eine möglichst
umfassende Kompetenz bei der Erbringung sozialpädiatrischer Leistungen verfügen und die deshalb besonders gut beurteilen können,
ob die Patienten über die noch darüber hinausgehenden Möglichkeiten eines interdisziplinär arbeitenden SPZ angewiesen sind
(vgl Kremer/Wittmann in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand Mai 2015, § 119 RdNr C 119-13, die eine entsprechende Beschränkung
des Überweiserkreises darüber hinausgehend als zwingend geboten ansehen; zum Erfordernis einer Überweisung "möglichst durch
einen Kinderarzt" vgl auch "Gemeinsame Empfehlungen zur Ermächtigung von SPZ" der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der
Bundesverbände der Krankenkassen vom 16.10.1989 unter 6.). Zwar verfügen auch zB Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie
mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderorthopädie auf ihrem Gebiet über eine besondere Fachkunde bei der Behandlung von Kindern.
Der Beklagte durfte bei der Festlegung des Kreises der überweisungsberechtigten Ärzte aber der Kompetenz im Bereich der Sozialpädiatrie
besonderes Gewicht beimessen (bezogen auf die Frage der Einbeziehung von HNO-Ärzten vgl LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom
14.5.2014 - L 11 KA 91/12 - Juris RdNr 46; ablehnend gegenüber einem Ausschluss von Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung
Kinderorthopädie dagegen: Köhler-Hohmann, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, § 119 RdNr 40). Nach den Feststellungen im Urteil des LSG zum Inhalt der WBO für die Ärzte Bayerns kann bei Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderorthopädie
ebenso wie bei Ärzten für Phoniatrie und Pädaudiologie (Fachärzten für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen) eine besondere
Kompetenz im Bereich der Sozialpädiatrie nicht vorausgesetzt werden. Insofern gilt im Übrigen nichts Anders als für andere
von der Klägerin zu 2. in der Revisionsbegründung nicht genannte Zusatz-Weiterbildungen wie die Kinder-Gastroenterologie oder
die Kinder-Rheumatologie.
Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 2. kann aus dem Umstand, dass Ärzte für Allgemeinmedizin nach dem Inhalt der WBO Patienten "jeden Alters bei jeder Art der Gesundheitsstörung, unter Berücksichtigung der biologischen, psychischen und sozialen
Dimensionen" behandeln, nicht abgeleitet werden, dass der Überweisungsvorbehalt um diese Arztgruppe erweitert werden müsste.
Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 27.6.2001 (B 6 KA 39/00 R, Juris). In dieser Entscheidung, die eine Ermächtigung nach §
116 SGB V zum Gegenstand hat, hat der Senat dargelegt, dass dem Vorrang der niedergelassenen Ärzte gerade bei der Ermächtigung eines
Krankenhausarztes zur konsiliarischen Behandlung dadurch Rechnung getragen werden kann, dass der Krankenhausarzt nur auf Überweisung
von Ärzten der eigenen Fachgruppe ermächtigt wird. Auf die Ermächtigung eines SPZ übertragen spricht auch dies gegen eine
Überweisungsbefugnis von Ärzten für Allgemeinmedizin und für die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Beschränkung. Bereits
nach den "Gemeinsamen Empfehlungen zur Ermächtigung von sozialpädiatrischer Zentren im Rahmen der ambulanten sozialpädiatrischen
Behandlung von Kindern nach § 119" vom 16.10.1989 wird das SPZ in der Regel von einem Kinderarzt geleitet. Das Altöttinger
Papier (Stand 2014) geht noch darüber hinaus und verlangt ua eine Qualifikation des Ärztlichen Leiters als Facharzt für Kinder-
und Jugendmedizin mit Zusatzweiterbildung (Spezielle Sozialpädiatrie oder I. Neuropädiatrie, und II. Psychiatrie und Psychotherapie
des Kindes- und Jugendalters). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Ärztliche Leiter auch Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie
und -psychotherapie sein.
Für die Rechtmäßigkeit eines Überweisungsvorbehalts kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall auch Angehörige anderer Arztgruppen
wie zB Hausärzte tatsächlich über entsprechende Kenntnisse verfügen. Vielmehr dürfen die Zulassungsgremien zur Beurteilung
der Fachkunde typisierend auf den Inhalt der WBO und die auf deren Grundlage erbrachten formellen Qualifikationsnachweise abstellen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 5 RdNr 40 mwN). Wie bereits das LSG zutreffend dargelegt hat, ist nach dem Inhalt der WBO für die Ärzte Bayerns von einer besonderen Kompetenz der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin und - bei psychiatrischen
Krankheitsbildern - auch der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie der Kinder- und Jugendpsychiater bezogen auf die
sozialpädiatrische Behandlung von Kindern auszugehen.
Mit dem Ausschluss der Überweisung ua durch Ärzte für Allgemeinmedizin wird der Zugang von Kindern zu SPZ auch nicht unzumutbar
erschwert. Zwar werden Kinder und Jugendliche teilweise auch durch Ärzte für Allgemeinmedizin behandelt. Dies ist aber jedenfalls
in Regionen, in denen keine Unterversorgung mit Kinderärzten besteht, nicht der Regelfall und gilt erst Recht nicht, wenn
es um Kinder mit Erkrankungen oder Behinderungen geht, die wegen Art, Schwere oder Dauer die Behandlung in einem SPZ erforderlich
machen können. Nach den im Urteil des LSG getroffenen Feststellungen, die sich auf das Jahr 2011 beziehen, lag der Versorgungsgrad
mit Kinderärzten in dem vom Beklagten zu Grunde gelegten Einzugsbereich der Klägerin zu 2. (Stadt A. sowie die beiden angrenzenden
Landkreise) bei über 110 %.
Soweit die Klägerin zu 2. ohne nähere Begründung einen Verfahrensfehler rügt und geltend macht, dass die vom LSG zu Grunde
gelegten Zahlen nicht nachvollzogen werden könnten und veraltet seien, ist darauf hinzuweisen, dass die Daten zum Versorgungsgrad
im Internet auf den Seiten der zu 1. beigeladenen KÄV abrufbar sind. Danach besteht unter Berücksichtigung der seit 2013 geänderten
Bedarfsplanung bezogen auf die Fachgruppe der Kinderärzte für alle drei genannten Planungsbereiche Überversorgung, und zwar
in Höhe von inzwischen mindestens 140 % (Datenstand 2.2.2016). Unter diesen Umständen kann erwartet werden, dass Kinder und
Jugendliche zunächst die Behandlungsmöglichkeiten der in aller Regel ortsnäher erreichbaren, speziell auf die Behandlung dieses
Personenkreises ausgerichteten Ärzte in Anspruch nehmen, bevor sie an die typischerweise weiter entfernten, hochspezialisierten
Zentren überwiesen werden.
(3) Auch die im gerichtlichen Verfahren geäußerte Auffassung des Beklagten, nach der Folgeüberweisungen zum SPZ - abweichend
vom Inhalt des von ihm selbst erlassenen angefochtenen Bescheids - möglicherweise auch den Hausärzten ermöglicht werden sollten,
teilt der Senat nicht. Der Senat geht davon aus, dass einer Folgeüberweisung im Regelfall eine durch eine Untersuchung des
Kindes gestützte Feststellung des Kinderarztes zu Grunde liegt, nach der das Kind weiterhin der Behandlung im SPZ bedarf,
etwa weil die erwarteten Heilerfolge noch nicht eingetreten sind, aber bei Fortführung der Behandlung noch erwartet werden
können. Sachliche Gründe dafür, dass diese Feststellung von einer anderen Arztgruppe getroffen werden soll, als im Fall der
erstmaligen Inanspruchnahme eines SPZ, sind nicht ersichtlich. Soweit die Annahme des Beklagten zutreffen sollte, dass ein
Überweisungsvorbehalt möglicherweise in Fällen nicht sachgerecht ist, in denen von vornherein mit einer mehrere Quartale umfassenden
Behandlung zu rechnen sei, so könnte dieses Problem nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht dadurch gelöst werden, dass
der Kreis der Ärzte erweitert wird, die eine Überweisung vornehmen können. Vielmehr müssten dazu ggf die Regelungen zur Wirkungsdauer
von Erst- oder Folgeüberweisungen über ein Quartal hinaus etwa durch entsprechende Regelungen in den Bundesmantelverträgen
sachgerecht angepasst werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Danach haben die Kläger auch die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO). Die Anteile der von den beiden Klägern zu tragenden Kosten berücksichtigen die unterschiedliche Bedeutung, die das Verfahren
für sie hat (§
159 Satz 1
VwGO iVm §
100 Abs
2 ZPO). Dem Kläger zu 1. geht es um die Erteilung der Ermächtigung, der Klägerin zu 2. dagegen nur um den Inhalt der Nebenbestimmung
zu der ihr erteilten Ermächtigung. Da sich die beiden Kläger im Revisionsverfahren in erster Linie jeweils gegen den sie betreffenden
Bescheid des Beklagten gewandt haben, war eine Erstattung von Kosten zwischen den Klägern nach Auffassung des Senats nicht
gerechtfertigt.