Honorarverteilung in der vertragsärztlichen Versorgung, Festlegung von Vergleichspunktwerten, Angemessenheit der Vergütung
Gründe:
I. Der als fachärztlicher Internist an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger begehrt höheres Honorar für das
Quartal I/1999. Insbesondere beanstandet er unzumutbare Punktwertrückgänge in Relation zum Quartal IV/1998.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies seinen Widerspruch mit der Begründung zurück, für das Quartal I/1999 habe
ein Übergangshonorarverteilungsmaßstab (HVM) gegolten, weil die Verteilungsregelungen des bis zum vierten Quartal 1998 geltenden
HVM im Hinblick auf die Vorgaben des zum 1.1.1999 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz [GKV-SolG]) nicht hätten fortgeführt werden können. Die Bildung eines
Honorartopfs für die Leistungen aller nicht budgetierten Facharztgruppen, zu denen auch die fachärztlichen Internisten gehörten,
sei ebenso wenig zu beanstanden wie das auf die Abrechnungswerte des Quartals IV/1996 zurückgehende Volumen dieses Honorarkontingentes.
Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Das Landessozialgericht
(LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das sozialgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Bildung
eines Honorartopfs für die "sonstigen Leistungen" ua der nicht budgetierten Facharztgruppen gebilligt und auch nicht beanstandet,
dass die Aufteilung der Vergütungsanteile zwischen den verschiedenen Honorarfonds auf der Basis der Abrechnungswerte des Quartals
IV/1996 erfolgt ist. Das LSG hat den Vergleich mit den Punktwerten im streitbefangenen Quartal I/1999 mit denjenigen des Quartals
IV/1998 für nicht aussagekräftig gehalten, da in diesem Quartal besondere Honorarverteilungsregelungen (Regelleistungsvolumina)
gegolten hätten, die unter Geltung des GKV-SolG nicht hätten fortgeführt werden können. In der längerfristigen Perspektive
und unter Berücksichtigung der Nachzahlungen im Ersatzkassenbereich für das Quartal I/1999 habe sich der Punktwertrückgang
nur auf 16,8 % bei den Regional- und 7,8 % bei den Ersatzkassen belaufen. Derartige Rückgänge müssten zumindest für einen
kürzeren Zeitraum hingenommen werden. Im Übrigen sei die Beklagte jedenfalls im streitbefangenen Quartal nicht verpflichtet
gewesen, den Honorartopf im Hinblick auf die Erhöhung der Zahl der fachärztlichen Internisten in Relation zum Referenzquartal
IV/1996 zu erhöhen (Urteil vom 31.5.2006).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, das berufungsgerichtliche Urteil weiche
von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) ab (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG), und im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen der Abweichung des Berufungsurteils von der Entscheidung des BSG vom 7.2.1996
(6 RKa 83/95 = USK 9685) begehrt, ist die Beschwerde unzulässig. Sie entspricht insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG. Danach muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, die auf den Zulassungsgrund der Divergenz gestützt wird,
ein Rechtssatz des berufungsgerichtlichen Urteils bezeichnet werden, der von einer Rechtsaussage in einem höchstrichterlichen
Urteil abweicht, und dargelegt werden, dass die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Die Beschwerde bezeichnet indessen
keinen Rechtssatz des Berufungsurteils, den der Senat daraufhin prüfen könnte, ob er von dem Urteil vom 7.2.1996 abweicht.
Das Berufungsurteil bezieht sich bei der Wertung der Zunahme der Leistungsmenge zwischen dem Referenzquartal IV/1996 und dem
streitbefangenen Quartal I/1999 (S 19 des Urteils) ausdrücklich auf dieses Senatsurteil vom 7.2.1996. Unter Anführung der
in diesem Urteil zur Wesentlichkeit einer Steigerung des Leistungsbedarfs angenommenen Grenze von 10 % legt das Berufungsgericht
dar, weshalb es in der hier zu beurteilenden Situation nicht davon ausgeht, dass der Anstieg der Leistungsmenge auf einem
echten Mehrbedarf an fachärztlichen internistischen Behandlungen beruht. Ob dies zutreffend ist oder nicht, betrifft nur die
Tatsachenlage und kann nicht eine Abweichung divergenzgeeigneter Aussagen iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG begründen, die allein eine Revisionszulassung wegen Rechtsprechungsabweichung ermöglicht.
Soweit der Kläger die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen
erstrebt (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG), genügt die Beschwerde den Darlegungsanforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die angeführten Rechtsfragen sind nicht (mehr) entscheidungsbedürftig bzw haben keine
über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (mehr).
Der Kläger hält zunächst für klärungsbedürftig, ob die Zunahme der Arztzahlen zwischen dem Referenzquartal IV/1996 und dem
streitbefangenen Quartal I/1999 der Beklagten hätte Anlass geben müssen, das Kontingent für die Honorierung der Leistungen
ua der fachärztlichen Internisten zu erhöhen. Die Frage, wie eine KÄV im System der Honorarverteilung nach festen arztgruppenbezogenen
Honorarkontingenten auf den Anstieg der Zahl der Leistungserbringer zu reagieren hat, ist jedoch in der Rechtsprechung des
Senats hinreichend geklärt.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 20.10.2004 (B 6 KA 30/03 R, BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12) zu der Verpflichtung einer KÄV Stellung genommen, die Entwicklung von Honorartöpfen zu beobachten,
wenn sich Veränderungen im Leistungsbedarf bzw in der Leistungsanforderung der Vertragsärzte ergeben. In dem damals entschiedenen
Fall ging es um den Honorartopf für strahlentherapeutische Leistungen, also einen Honorartopf, dem nur eine geringe Zahl von
Leistungserbringern zugeordnet und der zudem in besonderem Maße von Leistungsausweitungen infolge des medizinisch-technischen
Fortschritts betroffen war. In einem solchen Sonderfall ist eine KÄV in besonderer Weise verpflichtet zu prüfen, ob eine mit
der Erhöhung der Arztzahl einhergehende Steigerung der Leistungsmenge einem gestiegenen Bedarf infolge medizinisch-technischen
Fortschritts und damit verbundener weiter entwickelter Strahlentherapie mit schonenderen und zugleich effektiveren Methoden
zuzurechnen ist, sodass die Verantwortung für die Steigerung der Leistungsmenge möglicherweise nicht den Strahlentherapeuten
selbst, sondern dem Gesamtsystem der GKV zuzuordnen ist (aaO, RdNr 32). Abgesehen davon, dass hier ein solcher Sonderfall
nicht gegeben ist, widerspräche es dem Ziel der Honorarverteilung auf der Grundlage fester, arztgruppenbezogener Honorarkontingente,
wenn eine Fachgruppe ihre Leistungsmenge zu Lasten der Honorarvolumina anderer Fachgruppen ausweiten könnte, wenn nämlich
die Erhöhung der Arztzahl dieser Fachgruppe unabhängig davon, ob damit eine bedarfsbedingte Ausweitung der Leistungsmenge
einhergeht, zwangsläufig eine Steigerung ihres Honorarvolumens zu Lasten anderer Arztgruppen nach sich zöge. Dies liefe auf
die Anerkennung angebotsinduzierter - sich je nach Arztzahl ändernder - Honorarvolumina hinaus bzw trüge in sich die Tendenz
zu einer auslastungsunabhängigen Alimentierung der Vertragsärzte. Dies stünde nicht mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
in Einklang (vgl Senatsbeschluss vom 22.6.2005 - B 6 KA 68/04 B -, in juris dokumentiert). Danach ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass eine KÄV auf die Erhöhung der Zahl der
ärztlichen Leistungserbringer, deren Leistungen aus einem bestimmten Honorartopf vergütet werden, grundsätzlich nicht mit
einer Erhöhung dieses Topfes reagieren muss, und andererseits, unter welchen näheren Voraussetzungen von diesem Grundsatz
Ausnahmen anzuerkennen sind.
In Bezug auf den hier betroffenen HVM, der von vornherein als Übergangsregelung gedacht war und dementsprechend auch nur für
das hier streitbefangene Quartal I/1999 galt, sodass das LSG auch die Maßstäbe für Anfangs- und Erprobungsregelungen herangezogen
hat (LSG-Urteil S 23), besteht kein Bedarf für eine Weiterentwicklung der Grundsätze der Rechtsprechung des Senats zur Anpassungsverpflichtung
der KÄV hinsichtlich der Größe der Honorarkontingente. Dies gilt umso mehr, als die Auffassung der Beschwerdebegründung, es
sei "rechtskräftig festgestellt", dass die Zunahme der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden fachärztlichen Internisten
zwischen dem Quartal IV/1996 und dem Quartal I/1999 auf einem besonderen Versorgungsbedarf beruht habe, nicht zutrifft. Das
LSG hat sich mit der Bedarfsfrage ausdrücklich auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb auf der Grundlage seiner Beurteilung
der vorliegenden statistischen Unterlagen nicht gefolgert werden könne, dass die Erhöhung der Zahl der fachärztlichen Internisten
einschließlich der ermächtigten Ärzte zwingend auf einen gestiegenen Bedarf zurückzuführen sei (LSG-Urteil S 19 f). Soweit
der Kläger demgegenüber einwendet, im Hinblick auf die für Bayern festgestellte Überversorgung mit fachärztlichen Internisten
von 117 % könne jede Erweiterung des Kreises der berechtigten Leistungserbringer nur auf bedarfsabhängigen Sonderbedarfszulassungen
oder Ermächtigungen beruht haben, belegt dies keinen tatsächlichen Mehrbedarf an internistischen Leistungen. Es ist nicht
festgestellt worden und liegt auch nicht auf der Hand, dass der Anstieg der Leistungsmenge bei den fachärztlichen Internisten
vor allem auf dem Abrechnungsverhalten der wegen Sonderbedarfs zugelassenen und/oder ermächtigten Ärzte beruhte.
Ebenfalls weder klärungsbedürftig noch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist die Frage, welcher Punktwert der Maßstab
für die Prüfung ist, ob die Bildung fester arztgruppenbezogener Honorarkontingente für einzelne Arztgruppen zu einem gravierenden
Punktwertabfall geführt hat. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der insoweit heranzuziehende Vergleichspunktwert
unter den Bedingungen der Praxisbudgets nicht unterschiedslos für budgetierte und nicht budgetierte Arztgruppen ermittelt
werden kann. Der Punktwert für diejenigen Arztgruppen, deren Honorar durch die Vorschriften über das Praxisbudget begrenzt
wurde, ist "künstlich erhöht" worden, weil die vergütungsfähigen Punktmengen unter Geltung der Praxisbudgets reduziert wurden
(BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, jeweils RdNr 27). Davon ist das Berufungsgericht ersichtlich ausgegangen. Im Übrigen hat es dargelegt,
dass auf der Grundlage seiner - für den Senat gemäß §
163 SGG grundsätzlich bindenden - Feststellungen der Punktwert für den Vergütungstopf der nicht budgetierten fachärztlichen Internisten,
bezogen auf Regional- und Ersatzkassen, die Grenze eines Abfalls um 15 % zu dem vom LSG für maßgeblich gehaltenen Vergleichspunktwert
jedenfalls nicht nachhaltig überschritten hat (LSG-Urteil S 21).
Nicht grundsätzlich klärungsbedürftig ist schließlich die Frage, inwieweit Honorarrückgänge infolge des Absinkens des Punktwertes
für die aus einem bestimmten Honorartopf zu vergütenden Leistungen durch vertragsärztliche Einnahmen aus Strukturverträgen
ausgeglichen werden können. Zum einen entzieht sich diese Frage grundsätzlicher Klärung, weil sie ersichtlich nicht für alle
Arztgruppen und für alle denkbaren Strukturverträge einheitlich beantwortet werden kann. Zum anderen liegt die Antwort auf
diese Frage zumindest teilweise auf der Hand. Sie ist dahin zu beantworten, dass die Einnahmen aus Strukturverträgen jedenfalls
dann, wenn diese Bestandteil der Gesamtvergütung sind und von der KÄV gezahlt werden, bei der Prüfung, ob die Vergütung der
vertragsärztlichen Leistungen in einem bestimmten Quartal insgesamt dem Gebot der Angemessenheit (§
72 Abs
2 SGB V) entsprochen hat, nicht nur einbezogen werden können, sondern einbezogen werden müssen. Der Senat hat in einem Verfahren,
das die angemessene Honorierung chirurgischer Leistungen zum Gegenstand hatte, näher dargelegt, dass insoweit sogar Einnahmen
aus der chirurgischen Tätigkeit im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens (D-Arzt, H-Arzt) heranzuziehen sind
(Beschluss vom 31.8.2005 - B 6 KA 22/05 B). Der hier zu beurteilende Rechtsstreit bietet keinen Anlass, die Frage der Berücksichtigung zusätzlicher Einnahmen - sei
es aus besonderen vertragsärztlichen Tätigkeiten, sei es aus anderen Tätigkeiten im Rahmen des Sozialversicherungssystems
- weiter zu entwickeln.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden und hier im Hinblick auf die Klageerhebung im Jahre 2000 noch anzuwendenden Fassung.