Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von 15.265,57 Euro wegen der Zahlung von Krankengeld (Krg) an den Beigeladenen
in der Zeit vom 13. März 2002 bis 21. Mai 2003.
Der Beigeladene bezog von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) vom 10. April 2001 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 12.
März 2002. Erst am 19. April 2002 beantragte er die Bewilligung von Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi). Die Beklagte lehnte
die Leistung ab, weil der Beigeladene von der Klägerin seit 13. März 2002 wegen Arbeitsunfähigkeit Krg bezog (bestandskräftiger
Bescheid vom 19. April 2002). Dem Begehren der Klägerin auf Erstattung des gezahlten Krg kam die Beklagte nicht nach.
Die auf Erstattung gerichtete Klage blieb erst- und zweitinstanzlich erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts >SG< vom
31. März 2005; Urteil des Landessozialgerichts >LSG< vom 21. Februar 2006). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG
ausgeführt, die Klägerin habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung nach § 104 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), weil sie nicht nachrangig gegenüber der Beklagten zur Zahlung von Krg verpflichtet gewesen sei. Der Alg-Anspruch des Beigeladenen
sei erloschen gewesen; die Bewilligung von Alhi habe die Beklagte bestandskräftig abgelehnt. Außerdem lägen weder die Voraussetzungen
des §
126 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III) über die sechswöchige Fortzahlung von Alg bzw Alhi bei Arbeitsunfähigkeit noch die des §
125 SGB III (sogenannte Nahtlosigkeitsregelung bei mehr als sechsmonatiger Minderung der Leistungsfähigkeit bis zur Feststellung der
verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung) vor.
Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Sie trägt vor, die Entscheidung
des LSG beruhe auf der Rechtsfrage, ob ein Anspruch aus §§
125,
126 SGB III entfalle, wenn der Anspruch auf Alhi nach Erschöpfung des Alg gegenüber dem Versicherten bindend abgelehnt worden sei. Die
Rechtsfrage sei klärungsbedürftig, weil sie weder vom Bundessozialgericht (BSG) noch von den Tatsachengerichten der Sozialgerichtsbarkeit
entschieden worden sei. Die Rechtsfrage habe auch eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Bei ihr
und bei anderen Krankenkassen sei noch eine Vielzahl vergleichbarer Fällen anhängig. Die Rechtsfrage sei schließlich im anschließenden
Revisionsverfahren auch klärungsfähig, weil sie im konkreten Rechtsstreit entscheidungserheblich sei.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt ist (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
- ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, dass eine
Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte
Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um
seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der
von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen.
Vorliegend hat die Klägerin ausschließlich die Rechtsfrage aufgeworfen, ob ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs 1 SGB X entfällt, wenn die Beklagte bereits bindend einen Alhi-Anspruch des beigeladenen Versicherten gemäß §
125 SGB III oder §
126 SGB III abgelehnt hat. Nur mit dieser Rechtsfrage hat sich der Senat im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zu befassen.
Dabei ist bereits zweifelhaft, ob es für die Zulässigkeit einer Beschwerde genügt, dass die Klägerin wahrheitswidrig (vgl
etwa Kater in Kasseler Kommentar, § 103 RdNr 54 ff, mwN, Stand Juni 2005; Roos in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl 2005, Vor § 102 RdNr 6; Senatsurteil vom 12. Mai 1999 - B 7 AL 74/98 R -, BSGE 84, 80 ff = SozR 3-1300 § 104 Nr 15) behauptet, die aufgeworfene Rechtsfrage sei bisher vom BSG nicht entschieden. Jedenfalls fehlt
es an der Darlegung der Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden
Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also
- in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit konkret-individuell sachlich - entscheiden können (BSG SozR 1500 § 160a Nr 39 und
53 und § 160a Nr 31; BVerwG Buchholz 310 §
75 VwGO Nr 11). Dies erfordert, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der
Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich
bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Es genügt mithin nicht, dass die Klärungsfähigkeit
lediglich mit einem Satz behauptet wird. Die Klägerin hätte also aufzeigen müssen, dass bei Ablehnung einer Bindungswirkung
(der Alhi-Ablehnung) ein Anspruch auf Alhi (oder Alg) nach §
125 SGB III oder §
126 SGB III bestanden hätte.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das BSG bereits mit Urteil vom 21. September 1995 zu § 105b Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der Vorgängervorschrift des §
126 SGB III, entschieden hat, dass, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs von Alg eintritt, nicht einmal nach Erlöschen des
Alg-Anspruchs bis zum Ende des sechswöchigen Fortzahlungszeitraums Anschluss-Alhi zu zahlen ist (BSG SozR 3-4100 § 105b Nr 2). Soweit es das Verhältnis von §
126 SGB III zu §
125 SGB III und die angebliche Nachrangigkeit des Krg-Anspruchs betrifft, hätte sich die Klägerin außerdem mit der Entscheidung des 11.
Senats vom 3. Juni 2004 (BSGE 93, 59 ff = SozR 4-4300 § 125 Nr 1) auseinander setzen müssen, auf die das LSG in seiner Entscheidung ausdrücklich hingewiesen hat.
Hat das LSG seine Entscheidung - wie hier - mehrfach begründet, ist sogar für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund
geltend zu machen (vgl nur Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, IX. Kap RdNr 51 mwN).
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 63 Abs 2, 52 Abs 3, 47 Abs 3 Gerichtskostengesetz idF vom 5. Mai 2004 (vgl § 72 Nr 1 GKG).