Aufhebung eines Beiladungsbeschlusses
Notwendige und einfache Beiladung
Keine Beiladung bei einer Statusfeststellung
Gründe
I.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 25.11.2014 und der gegenüber der Klägerin ergangene
Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014. Mit diesen Bescheiden - und gleichlautend mit dem an den Beigeladenen zu 1 gerichteten
Bescheid vom 25.11.2014 - entschied die Beklagte, dass der Beigeladene zu 1 bei seinem Einsatz für die Klägerin vom 28.09.2009
bis 30.09.2010 als "ETL-Entwickler für D. S." beim Endkunden Deutsche Rentenversicherung K.versicherungspflichtig in der Gesetzlichen
Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, nicht aber - und insoweit ist der Bescheid von der
Klägerin nicht angefochten - in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit Beschluss vom 01.02.2016 hat das Sozialgericht neben dem Beigeladenen zu 1 die A, R/H und die Bundesagentur für Arbeit
als für den Beigeladenen zu 1 zuständige Versicherungsträger gemäß §
75 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) beigeladen; eine Beiladung des für den Beigeladenen zu 1 zuständigen Rentenversicherungsträgers ist unterblieben, weil die
Beklagte selbst zuständig ist. Gegen das der Klage stattgebende Urteil vom 22.06.2018 wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
Die Beigeladenen zu 2 und 3 haben zur Frage der Aufhebung ihrer Beiladung übereinstimmend mitgeteilt, sie sähen ihre Interessen
durch die Beklagte bestens gewahrt. II.
Der Beschluss des Sozialgerichts ist aufzuheben, weil kein Fall der notwendigen Beiladung vorliegt (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Auflage, §
75 Rdnr. 16c). Für eine einfache Beiladung sieht der Senat keinen Anlass.
Nach §
75 Abs.
1 Satz 1
SGG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden,
beiladen. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur
einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen, §
75 Abs.
2 erste Alternative
SGG.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt kein Fall der notwendigen Beiladung vor. Dies würde erfordern, dass die -
vom Gericht zu treffende - Entscheidung (hier über Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung)
in die Rechtssphäre eines Dritten, hier der Beigeladenen zu 2 und 3, unmittelbar eingreift (Schmidt, a.a.O., Rdnr. 10 m.w.N.).
Dies ist nicht der Fall. In Bezug auf die Beigeladene zu 2 folgt dies schon daraus, dass Versicherungspflicht in der Krankenversicherung
nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist, weil die Entscheidung der Beklagten der Klägerin günstig war und von ihr bereits im
Widerspruchsverfahren nicht angefochten wurde. Aber auch in Bezug auf die Beigeladene zu 3 verneint der Senat angesichts höchstrichterlicher
Entscheidungspraxis die Notwendigkeit einer Beiladung.
Nur für Klagen des Arbeitgebers gegen Beitragsbescheide der Rentenversicherungsträger auf Grund von Betriebsprüfungen bei
den Arbeitgebern nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) hat das Bundessozialgericht die Beiladung der von der Beitragsforderung mitbegünstigten Fremdversicherungsträger der jeweiligen
Versicherungszweige für notwendig erachtet (BSG, Urteil vom 16.12.2015, B 12 R 1/14 R, u.a. in juris, dort Rdnr. 14, m.w.N.; die Beiladung der Einzugsstelle reicht insoweit nicht, BSG, Urteil vom 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, u.a. in juris, dort Rdnr. 21; anders jetzt Urteil vom 05.12.2017, B 12 R 10/15 R, in juris, Rdnr. 10: keine notwendige Beiladung der Fremdversicherungsträger beim Beitragsbescheid nach Betriebsprüfung).
Dabei stellt das Bundessozialgericht maßgeblich darauf ab, ob Beitragsforderungen für den jeweiligen Versicherungszweig erhoben
werden, die jeweiligen Versicherungsträger hierdurch, also durch die Beitragserhebung, begünstigt werden. Ähnlich hält es
das Bundessozialgericht bei Klagen gegen Entscheidungen der Einzugsstellen über die Versicherungs- und Beitragspflicht für
erforderlich, die betroffenen Versicherungsträger beizuladen (vgl. Urteil vom 01.07.1999, B 12 KR 2/99 R, u.a. in juris). Dabei sind die Einzugsstellen - so §
28h Abs.
1 SGB IV - zur Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages berufen. Bei ihren Entscheidungen geht es somit, auch wenn sie zugleich
über die Versicherungspflicht entscheiden (§
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV), zugleich immer um den Einzug von Beiträgen.
Dies ist indessen bei der vorliegend streitigen Statusfeststellung nach §
7a SGB IV gerade nicht der Fall. Danach können die Beteiligten (des Auftragsverhältnisses, also Auftraggeber und Auftragnehmer, vgl.
BSG, Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 12/17 R, u.a. in juris, Rdnr. 32) die Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
eine Entscheidung über die Versicherungspflicht in allen Versicherungszweigen erfordert (BSG, Urteil vom 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, u.a. in juris).
Es wird somit dem Grunde nach über Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszweigen entschieden, ohne dass zugleich
eine Beitragsforderung erhoben wird. Somit resultieren aus einer solchen Entscheidung weder konkrete Beitragsansprüche noch
sind die Versicherungsträger in der Lage, aus der Entscheidung konkrete Beitragsansprüche abzuleiten oder gar festzusetzen;
dies obliegt nach Abschluss des Verfahrens der Statusfeststellung (erst dann werden die Ansprüche fällig, §
7a Abs.
6 Satz 2
SGB IV) allein der Einzugsstelle, in erster Linie unter Mitwirkung des Arbeitgebers (§
28h Abs.
1 SGB IV).
Für ein vergleichbares Verfahren nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG), wo die Künstlersozialkasse ebenfalls über die Feststellung von Versicherungspflicht entscheidet (§ 8 KSVG), hat das Bundessozialgericht eine notwendige Beiladung der anderen Versicherungsträger ausdrücklich und unter Aufgabe früherer
Rechtsprechung abgelehnt (Urteil vom 28.01.1999, B 3 KR 2/98 R, u.a. in juris) und dargelegt, dass im Verfahren nach dem KSVG eine Beteiligung der anderen Versicherungsträger nicht vorgesehen sei, ihnen keine Entscheidungskompetenz eingeräumt werde
und sich die Stellung der Künstlersozialkasse wesentlich von derjenigen der Einzugsstelle unterscheide. Insoweit hat es maßgebend
darauf hingewiesen, dass - anders als im Einzugsstellenverfahren, vgl. § 28o Abs. 2
SGB IV - gerade keine Auskunftspflichten des Künstlers gegenüber den anderen Versicherungsträgern bestünden (a.a.O. Rdnr. 15).
So liegt der Fall auch beim Verfahren der Statusfeststellung nach §
7a SGB IV. Eine Entscheidungskompetenz wird den anderen Versicherungsträgern in diesem Verfahren nicht eingeräumt, vielmehr entscheidet
allein die Deutsche Rentenversicherung Bund (§
7a Abs.
2 SGB IV). Auch bei der Statusfeststellung wird das gesamte Verfahren - wie nach dem KSVG, worauf das Bundessozialgericht in der erwähnten Entscheidung abgestellt hat - nur zwischen der Deutschen Rentenversicherung
Bund und den Beteiligten (des Auftragsverhältnisses) abgewickelt, woraus das Bundessozialgericht für das KSVG geschlossen hat, dass eine Beteiligung der anderen Versicherungsträger - auch unter dem Gesichtspunkt rechtlichen Gehörs
(a.a.O. Rdnr. 16) - nicht vorgesehen sei, was somit auch hier gilt. Darüber hinaus regelt §
7a Abs.
4 SGB IV sogar ausdrücklich, dass eine vorherige Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung nur in Bezug auf die Beteiligten (des Auftragsverhältnisses,
s.o.) zu erfolgen hat, was die Auffassung bestätigt, wonach die anderen Versicherungsträger nicht beteiligt sind. Schließlich
ist in §
7a SGB IV auch keine Auskunftspflicht des Beschäftigten oder des Arbeitgebers gegenüber den anderen Versicherungsträgern vorgesehen.
Nur gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund sind die Beteiligten (des Auftragsverhältnisses, s.o.) auskunftspflichtig
(§
7a Abs.
3 SGB IV).
Entsprechend hat das Bundessozialgericht eine Beiladung der Versicherungsträger bei Statusfeststellungen gerade nicht gefordert,
vielmehr Entscheidungen der Landessozialgerichte ohne eine solche Beiladung insoweit nicht beanstandet (vgl. z.B. Urteil vom
04.09.2009, B 12 R 6/08 R; Urteil vom 04.06.2009, B 12 KR 31/07 R), obwohl die unterlassene notwendige Beiladung als ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel
angesehen wird (BSG, Urteil vom16.12.2015, a.a.O.).
Soweit sich die Beigeladene zu 3 für ihre gegenteilige Auffassung auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beruft, ist
diese nicht einschlägig: In dem von der Beigeladenen zu 3 anfangs zitierten Urteil vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R (in juris), finden sich die behaupteten Ausführungen nicht; die Beigeladene zu 3 hat an diesem Zitat auch nicht festgehalten.
Soweit sie zuletzt auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.05.2017, B 12 KR 9/16 R (in juris), verweist, ist dort gerade keine Statusfeststellung Gegenstand des Rechtsstreits gewesen, sondern die Erstattung
von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Die angeführte Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.01.2018,
L 7 R 850/17 (in juris), wiederum beruht nicht auf der dargelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die der erkennende Senat aber
seiner Entscheidung zu Grunde legt.
Zwar wäre das Fortbestehen der Beiladung der Beigeladenen zu 2 und 3 als einfache Beiladung nach §
75 Abs.
1 Satz 1
SGG grundsätzlich möglich (vgl. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 14c, 16c). Indessen sieht der Senat auch für eine einfache Beiladung im
vorliegenden Fall keinen Anlass. Einen diesbezüglichen Antrag haben die Beigeladenen zu 2 und 3 nicht gestellt, sondern sie
haben zu erkennen gegeben, am Fortgang und Ausgang des Rechtsstreits kein besonderes Interesse zu haben. Deshalb besteht auch
kein Anlass, die Beiladung von Amts wegen als einfache Beiladung fortbestehen zu lassen. Nach Lage des Falles ist insbesondere
nicht zu erwarten, dass die Beigeladenen zu 2 oder 3 sachdienlich an der Aufklärung des Sachverhaltes oder der Klärung sonstiger
Fragen mitwirken müssten oder würden. Angesichts der im vorliegenden Fall von der Beklagten verlangten Offenlegung seitens
der Klägerin als vertraulich eingestufter Tatsachen besteht eher Anlass, die Zahl der Beteiligten gering zu halten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).