Keine Sozialversicherungspflicht des Arztes eines Universitätsklinikums als Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH im Rahmen
einer Zuweisung als Beamter
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen iHv 85.134,69
EUR für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer und ärztlicher Leiter im Rahmen einer Betriebsprüfung für
den Zeitraum 2005 bis 2008.
Die Klägerin (Handelsregister das Amtsgerichts Stuttgart - HRB 382634) ist ein Gemeinschaftsunternehmen der DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg - Hessen gGmbH und des Universitätsklinikums
T. AöR. Sie ist durch Einbringung der Blutbank des Universitätsklinikums T. gegründet worden mit dem Zweck, die Sicherstellung
der Blutversorgung des Universitätsklinikums T. zu gewährleisten.
Der Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum Beamter des Landes Baden-Württemberg und Professor beim Universitätsklinikum
T. Vor der Gründung der Klägerin war er Abteilungsleiter Transfusionsmedizin mit Blutbank und Labor. Ab Gründung bis Dezember
2015 war er medizinischer Geschäftsführer und ärztlicher Leiter der Klägerin. Diese schloss mit dem Beigeladenen zu 1) am
04.01.2005 einen Anstellungsvertrag als Geschäftsführer sowie einen Dienstvertrag/Arbeitsvertrag als ärztlicher Leiter. Der
Beigeladene zu 1) erklärte in den Verhandlungen vorab, unbedingt Beamter bleiben zu wollen.
Der Anstellungsvertrag als Geschäftsführer lautet auszugsweise wie folgt:
" § 1 Herr Prof. Dr. N. wird ab 01.01.2005 als Geschäftsführer der "Zentrum für klinische Transfusiosmedizin T. gGmbH" angestellt.
[ ] Dieser Anstellungsvertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Versorgungsvertrag mit dem Universitätsklinikum
T. in Kraft tritt. Er endet zu dem gleichen Zeitpunkt, zu dem der Versorgungsvertrag mit dem Universitätsklinikum T. beendet
wird.
§ 2 Herr Prof. Dr. N. untersteht als Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung der "Zentrum für klinische Transfusionsmedizin
T. gGmbH". Solange Herr Prof. Dr. N. zum Geschäftsführer bestellt ist, findet § 4 Absatz ein S. 1 des Arbeitsvertrages vom
04.01.2005 keine Anwendung.
§ 3 Herr Prof. Dr. N. führt die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der beigefügten
Geschäftsordnung für die Geschäftsführung sowie der von der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.
§ 5 (1) Herr Prof. Dr. N. erhält als Vergütung für seine Tätigkeit als Geschäftsführer zusätzlich zu seiner Vergütung nach
dem Arbeitsvertrag vom 22.12.2004 einen Betrag von EUR 36.000 p.a. brutto, der in zwölf gleichen monatlichen Raten von EUR
3000 gezahlt wird. Zusätzlich erhält Herr Prof. Dr. N. eine ergebnisabhängige Leistungszulage in Höhe von EUR 6.000 p.a. pro
jeweils erreichten Prozentpunkt der Umsatzrendite (Jahresüberschuss bezogen auf die Umsatzerlöse), maximal jedoch EUR 24.000
p.a., zahlbar jeweils sechs Monate nach Ablauf eines Geschäftsjahres, erstmals zum 01.07.2006. Für die Jahre 2005 und 2006
wird Herrn Prof. Dr. N. eine Leistungszulage in Höhe von EUR 12.000 p.a. garantiert. (2) [ ]
§ 6 Der Vertrag wird zunächst für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2007 fest abgeschlossen. Er verlängert sich jeweils
um ein weiteres Jahr, wenn er nicht mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt wird, erstmals zum 31.12.2007."
Der Arbeitsvertrag als ärztlicher Leiter lautet auszugsweise wie folgt:
" § 1 Ab 01.01.2005 übernimmt Herr Professor Dr. N. die Stelle des ärztlichen Leiters des Zentrums für klinische Transfusionsmedizin
T. gGmbH, einem Gemeinschaftsunternehmen des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg - Hessen und des Universitätsklinikums
T. AöR. Die Ausübung dieser Tätigkeit erfolgt im Nebenamt zu dessen Ausübung das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die
Universität T., sein Einverständnis erklärt hat.
§ 2 Herr Professor Dr. N. erhält seine Besoldung nach der Besoldungsgruppe C 3 nach den gesetzlichen Vorschriften als Beamter
des Landes Baden-Württemberg unmittelbar vom Land Baden-Württemberg. Eine darüber hinausgehende Vergütungspflicht der Gesellschaft
besteht unbeschadet der Regelungen in § 9 dieses Vertrages sowie der Ergänzung zu diesem Dienstvertrag nicht.
§ 3 Die Altersversorgung von Herrn Professor Dr. N. erfolgt im Rahmen seines Beamtenverhältnisses nach dem beamtenrechtlichen
Regelungen des Landes Baden-Württemberg. Eine zusätzliche Altersversorgung durch die Gesellschaft erfolgt nicht.
§ 4 Herr Professor Dr. N. untersteht der Geschäftsführung der Gesellschaft. Im Bereich von Forschung und Lehre ist er im Rahmen
seiner Hochschullehrertätigkeit nicht an Weisungen gebunden. Bei seiner Forschungstätigkeit richtet er sich nach dem Rahmen
der vorgegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Seine Aufgaben als ärztlicher Leiter sind in der beigefügten Stellenbeschreibung
geregelt.
§ 5 Das Dienstverhältnis richtet sich im Übrigen, soweit nichts anderes vereinbart ist, nach den jeweiligen beamtenrechtlichen
Regelungen des Landes Baden-Württemberg.
[ ]
§ 10 Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und ist nur aus wichtigem Grund kündbar. Er endet, ohne dass es
einer Kündigung bedarf, wenn Herr Prof. Dr. N. aus dem Dienstverhältnis als C3-Professor der Universität T. ausscheidet, spätestens
jedoch zu dem Zeitpunkt, in dem Prof. N. die Regelaltersrente (z.Zt. ab dem 65. Lebensjahr) beziehen kann, oder wenn der Versorgungsvertrag
mit dem Universitätsklinikum T. beendet wird."
Aufgrund einer am 22.01.2009 begonnenen Betriebsprüfung hörte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich einer beabsichtigten
Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 89.774,37 EUR für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2008 an. Zur
Begründung führte sie aus, dass für den gegen Entgelt beschäftigten Beamten (Beigeladener zu 1) keine Beiträge zur Renten-
und Arbeitslosenversicherung entrichtet worden seien. Ein Gewährleistungsbescheid über die Versorgung, welche sich auch auf
diese Beschäftigung erstrecke, habe zum Zeitpunkt der Prüfung nicht vorgelegen. Zudem nehme die Klägerin am Ausgleichsverfahren
der Arbeitgeberaufwendungen für Mutterschaftsleistungen (U2) und bei Arbeitsunfähigkeit (U1) teil. Beiträge hierfür seien
nicht abgeführt worden und deshalb nachzuerheben.
Mit Bescheid vom 09.07.2009 forderte die Beklagte von der Klägerin aus den in der Anhörung mitgeteilten Gründen insgesamt
88.252,29 EUR nach. Dabei wurden u.a. für den Beigeladenen zu 1) Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nachgefordert.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.11.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und gleichzeitig beantragt, die Vollziehung
des Bescheides bis zur Entscheidung über die Klage auszusetzen. Das Sozialgericht Karlsruhe hat sowohl die Klage wie auch
den einstweiligen Rechtsschutzantrag an das zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwiesen. Die Klägerin hat nachfolgend den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückgenommen.
Mit Urteil vom 19.05.2014 hat das SG den Bescheid vom 09.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass die Klägerin nicht zur Zahlung der Umlage U1 heranzuziehen sei. Die Klägerin habe in der Regel über 30 Beschäftigte und
unterliege deshalb gemäß § 1 Abs 1 AAG nicht der Umlagepflicht. Zudem sei sie nicht zur Nachentrichtung von Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für den
Beigeladenen zu 1) verpflichtet. Für die Tätigkeit des Beigeladenen als ärztlicher Direktor und Geschäftsführer bestehe Versicherungsfreiheit
nach §
5 Abs
1 Nr
1 SGB VI. Der Beigeladene sei Beamter und Professor und unterfalle damit dem Tatbestand der Versicherungsfreiheit. In der Eigenschaft
als Beamter übe er bei der Klägerin die Tätigkeit als Geschäftsführer und ärztlicher Leiter aus. Zu berücksichtigen sei in
diesem Zusammenhang insbesondere, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen durch die Ausgliederung der Blutbank des Universitätsklinikums
T. bei der Rechtsnachfolgerin, der Klägerin, nicht wesentlich geändert habe. Der Beigeladene sei vor der Gründung der Klägerin
Leiter der Blutbank des Universitätsklinikums T. gewesen. Nach Ausgründung der Blutbank in die Klägerin als Gemeinschaftsunternehmen
habe er die gleichen Aufgaben fortgeführt. Die Leitung der Blutbank bzw die spätere Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin
seien somit untrennbar miteinander verbunden und würden sich gegenseitig bedingen. Als Leiter der ehemaligen Blutbank habe
der Beigeladene in etwa die gleichen Befugnisse wie als medizinischer Geschäftsführer der Klägerin gehabt. Die nunmehr erstmalige
Bestellung als medizinische Geschäftsführer (neben einem weiteren Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich) habe somit
nicht die Aufnahme einer zusätzlichen Tätigkeit oder Aufgabe zur Folge gehabt, sondern resultiere allein aus der gesellschaftsrechtlichen
Notwendigkeit der Bestellung eines medizinischen Geschäftsführers als Organ für die gewählte Gesellschaftsform der Klägerin
allgemein als gemeinnützige GmbH. Die hierfür gezahlte Abgeltung iHv 36.000 EUR sei daher nicht als Ausgleich für eine zusätzlich
übernommene Tätigkeit anzusehen, sondern als Ausgleich für die gesellschaftsrechtlich notwendige Organstellung und der damit
zusammenhängenden Haftung.
Gegen das der Beklagten am 16.07.2014 zugestellte Urteil hat diese am 14.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg
eingelegt und mit Schreiben vom 02.12.2014 hinsichtlich der Nachforderung von Umlagen (U1 und U2 - 3.117,60 EUR) wieder zurückgenommen.
Der Senat hat das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg, die betroffene Einzugsstelle sowie die Bundesagentur
für Arbeit zum Verfahren beigeladen. Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 25.10.2016 ausführlich
erörtert.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Rentenversicherungsfreiheit nach §
5 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI betreffend den Beigeladenen zu 1) sich nur auf die Tätigkeit als Professor am Universitätsklinikum T., in der er den unbestrittenen
Angaben zufolge Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, beziehe. Eine neben einem Dienstverhältnis als Beamter ausgeübte
Beschäftigung sei regelmäßig rentenversicherungspflichtig. Um für Beschäftigungen bei privaten Arbeitgebern Versicherungsfreiheit
bewirken zu können, bedürfe es aufgrund der ausdrücklichen Regelung des §
5 Abs
1 S 1 zweiter Halbsatz
SGB VI einer Gewährleistungserstreckungsentscheidung. Eine solche sei trotz mehrfacher Aufforderung bisher nicht vorgelegt worden.
Beamte, die einer anderen öffentlichen oder privaten Einrichtung zugewiesen würden, seien auch in der zugewiesenen Beschäftigung
rentenversicherungsfrei, da die Rechtsstellung des Beamten von der Zuweisung gemäß § 20 Abs 3 BeamtStG unberührt bleibe. Im vorliegenden Fall spreche zwar der Inhalt des Dienstvertrages über die Tätigkeit als ärztlicher Leiter
vom 04.01.2005 in nicht unerheblichem Umfang dafür, dass der Beigeladene die Tätigkeit als ärztlicher Leiter bei der Klägerin
im Rahmen einer Zuweisung ausübe. Nachweise lägen jedoch nicht vor. Bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen als Geschäftsführer
der Klägerin könne nach dem Inhalt der vorliegenden Vereinbarung eine Zuweisung ausgeschlossen werden. Deshalb bedürfe es
hierfür zwingend einer Gewährleistungserstreckungsentscheidung. Eine untrennbare Verbindung der Tätigkeiten als ärztlicher
Leiter und als Geschäftsführer sei nicht zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.05.2014 aufzuheben, soweit dieses den Bescheid vom 09.07.2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2010 aufgehoben hat, als er sich auf die Renten- und Arbeitslosenversicherung des Beigeladenen
zu 1) und somit auf eine Beitragsnachforderung in Höhe von 85.134,69 EUR bezieht.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Sachanträge gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und damit zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat
das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 09.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2010 aufgehoben.
Denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Nachforderung von Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung
für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2008, nachdem die Beklagte
mit Schreiben vom 02.12.2014 die Berufung hinsichtlich der für diesen Zeitraum geforderten Umlagen U1 sind U2 (3.117,60 EUR)
zurückgenommen hat.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p
SGB IV. Nach § 28p Abs 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen
erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der
Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die
Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im
Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten
§
28h Abs
2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs 5 SGB X nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß §
28h Abs
2 Satz 1 Halbsatz 1
SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.
Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur eine Kontrollfunktion.
Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der
Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Die Entscheidung stellt sich
vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsnachentrichtung
oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung
gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht
vom Statusfeststellungsverfahren nach §
7a Abs
1 Satz 1
SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt (§§ 28g Satz 1 und
2, 28e Abs 1 Satz 1
SGB IV).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich ua in der Renten- und Arbeitslosenversicherung
der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI, §
25 Abs
1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Für den Senat steht ohne Zweifel fest, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und ärztlicher Leiter
bei der Klägerin gemäß §
7 Abs
1 S. 1
SGB IV abhängig beschäftigt ist. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten und ergibt sich insbesondere eindeutig
aus den vorgelegten Dienstverträgen. Auch steht fest, dass der Beigeladene zu 1) im hier streitgegenständlichen Zeitraum Beamter
des Landes Baden-Württemberg und Professor beim Universitätsklinikum T. in Besoldungsgruppe C 3 war. Bis 31.12.2004 war er
Abteilungsleiter Transfusionsmedizin mit Blutbank und Labor im Universitätsklinikum T ... Ab 01.01.2005 übernahm er die Aufgaben
des ärztlichen Leiters und des medizinischen Geschäftsführers der Klägerin.
Zu Recht hat die Beklagte keine Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung nachgefordert. Beamte sind gemäß §
6 Abs
1 Nr
2 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei. Dies gilt gemäß §
6 Abs.
3 SGB V auch für anderweitige Beschäftigungen bei einem privaten Arbeitgeber, die außerhalb des Dienstverhältnisses ausgeübt werden.
Im Übrigen wäre, stellt man sich auf den ursprünglichen Standpunkt der Beklagten, dass auch die Tätigkeit als ärztlicher Leiter
vom Beigeladenen zu 1) nicht als Beamter wahrgenommen wurde, die Jahresarbeitsentgeltgrenze bei weitem überschritten (§
6 Abs
1 Nr
1 SGB V). Die Versicherungsfreiheit in der sozialen Pflegeversicherung folgt der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung
(§
20 Abs
1 S 1
SGB XI).
Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum auch versicherungsfrei in
der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Gem. §
27 Abs
1 Nr
1 SGB III sind in der Arbeitslosenversicherung Personen in einer Beschäftigung als Beamter versicherungsfrei. Gem. §
5 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI sind in der Rentenversicherung Beamte versicherungsfrei in dieser Beschäftigung und in weiteren Beschäftigungen, auf die
die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft erstreckt wird.
Für den Senat steht fest, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als ärztlicher Leiter und Geschäftsführer
der Klägerin um eine einheitliche Tätigkeit handelt (1.), die der Beigeladene zu 1) als Beamter im Wege einer Zuweisung (2.)
ausgeübt hat.
1. Nicht zuletzt ergibt sich aus den schlüssigen und glaubwürdigen Aussagen des Beigeladenen zu 1) im Erörterungstermin vom
25.10.2016, dass sich durch die Auslagerung der Blutbank des Universitätsklinikums T. in die Klägerin am Aufgabenspektrum
nichts geändert hat. Vor dem 01.01.2005 hat der Beigeladene zu 1) diese Tätigkeit offensichtlich als Beamter ausgeübt. Der
Senat teilt deshalb die Auffassung des SG, dass die Bestellung als Geschäftsführer in diesem konkreten Einzelfall nicht die Aufnahme einer zusätzlichen Tätigkeit oder
Aufgabe zur Folge hatte, sondern allein aus der gesellschaftsrechtlichen Notwendigkeit der Bestellung eines Geschäftsführers
als Organ für die gewählte Gesellschaftsform der Klägerin als gemeinnützige GmbH resultiert. Die hierfür gezahlte Vergütung
iHv 36.000 EUR zuzüglich der ergebnisabhängigen Leistungszulage ist in dieser besonderen Konstellation kein Ausgleich für
eine zusätzlich übernommene Tätigkeit, sondern für die Organstellung und die damit zusammenhängende Haftung verbunden mit
der Verantwortung für das Wohlergehen der Gesellschaft. In der hier zu beurteilenden besonderen Einzelfallkonstellation muss
berücksichtigt werden, dass die beiden Dienstverträge vom 04.01.2005 konkret ineinandergreifen und letztlich auch vom Tätigkeitsinhalt
eine Einheit bilden. Denn zusätzlich zu einem ärztlichen Leiter hat die Klägerin zwingend eines Geschäftsführers als Vertretungsorgan
bedurft. Der Beigeladene zu 1) hat vor dem 01.01.2005 als Abteilungsleiter Transfusionsmedizin auch geschäftsführende Aufgaben
wahrgenommen. Dass diese im Universitätsklinikum als Anstalt öffentlichen Rechts anders strukturiert sind als in einer gGmbH,
ist offensichtlich.
2. Der Beigeladene zu 1) hat seine Tätigkeit als ärztlicher Leiter und als Geschäftsführer der Klägerin als Beamter ausgeübt.
Für den Senat steht fest, dass die Tätigkeit im Rahmen einer Zuweisung gemäß § 123a BRRG (ab 01.04.2009: § 20 BeamtStG) erfolgt ist. Hiernach kann Beamtinnen und Beamten mit ihrer Zustimmung vorübergehend ganz oder teilweise eine ihrem Amt
entsprechende Tätigkeit zugewiesen werden bei einer öffentlichen Einrichtung ohne Dienstherrneigenschaft oder bei einer öffentlich-rechtlichen
Religionsgemeinschaft im dienstlichen oder öffentlichen Interesse oder bei einer anderen Einrichtung, wenn öffentliche Interessen
es erfordern. Die Rechtsstellung der Beamtinnen und Beamten bleibt unberührt (§ 20 Abs 3 BeamtStG).
Die Zuweisung stellt das Gegenstück zur Abordnung und Versetzung dar, wenn die Einrichtung, bei der die Aufgabe erfüllt werden
soll, keine Dienstherrnfähigkeit besitzt. Die Rechtsstellung des Zugewiesenen bleibt dabei unberührt, so dass die Rechte und
Pflichten aus dem Beamtenverhältnis zu seinem Dienstherrn fortbestehen; der Beamte erhält von diesem auch weiterhin seine
Bezüge. Mangels Dienstherrnfähigkeit stehen der Einrichtung auch keine Dienstherrenbefugnisse zu, derartiges ist nur durch
eine zusätzliche Beleihung möglich. Die Tätigkeit des zugewiesenen Beamten wird aber für den Träger der Zuweisungseinrichtung
erbracht. Der Beamte muss daher auch in den Betrieb der Einrichtung integriert werden, unterliegt also "vor Ort" dem fachlichen
Direktions- und Weisungsrecht dieser Einrichtung (BT-Drs 11/6835 S 56; BVerwG 27.11.2014, 2 C 24/13, BVerwGE 150, 366).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach Ansicht des Senats regelt der Dienstvertrag/Arbeitsvertrag vom 04.01.2005 die Modalitäten
der Zuweisung. Dies ergibt sich schon aus § 1, wonach die Ausübung der Tätigkeit im Nebenamt ausgeübt wird. Dies setzt schon
begrifflich eine Tätigkeit als Beamter voraus. Auch enthält § 5 eine Verweisung auf die beamtenrechtlichen Regelungen des
Landes Baden-Württemberg. Auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) seine Besoldung als Beamter unmittelbar vom Land Baden-Württemberg
erhielt und sich die Altersversorgung nach den beamtenrechtlichen Regelungen richtet, spricht für eine Tätigkeit als Beamter
im Wege einer Zuweisung. Unschädlich ist im hier zu beurteilenden Einzelfall, dass kein formelles Zuweisungsschreiben des
Dienstherrn ergangen ist. Die Zustimmung des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch die Universität T., zu der hier gewählten
Vertragsgestaltung liegt vor (§ 1 des Dienstvertrages/Arbeitsvertrages).
Das Vorliegens einer Zuweisung in die Tätigkeit als ärztlicher Leiter hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung
auch nicht mehr bestritten. Die Zuweisung umfasst nach Ansicht des Senats aber auch die mit der Tätigkeit des ärztlichen Leiters
verbundene Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin. Denn wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich hier um eine einheitliche
Tätigkeit. Zudem kann die Tätigkeit eines Geschäftsführers in gewissen Konstellationen dem Hauptamt eines Beamten zugerechnet
werden. Was zum Hauptamt gehört, ergibt sich nicht nur aus den gesetzlichen Vorschriften, sondern auch aus den Organisationsregelungen
des Dienstherrn (BVerwG 23.09.1975, 2 C 19.71, BVerwGE 49, 184; BVerwG 23.04.1998, 2 C 19/97). Zum gleichen Ergebnis kommt die Dienstanweisung der Beklagten zu §
5 SGB VI in R8. Dort wird ausgeführt, dass es im Ausnahmefall unabhängig von einer Gewährleistungserstreckungsentscheidung für vertretbar
erachtet wird, auch in der Nebenbeschäftigung von Rentenversicherungsfreiheit auszugehen, wenn das Nebenamt als sogenanntes
akzessorisches Nebenamt für den Dienstherrn des Hauptamtes ausgeübt wird.
Für eine Zuweisung in eine einheitliche Tätigkeit spricht auch, dass sowohl der Bestand des Dienstvertrages als Geschäftsführer
als auch der des Arbeitsvertrages als ärztlicher Leiter an den Bestand des Versorgungsvertrages zwischen der Klägerin und
dem Universitätsklinikum geknüpft war. Damit war sichergestellt, dass der Beigeladene zu 1) im Interesse der Universität als
ursprünglicher Dienstherr tätig wird.
Im Ergebnis liegt deshalb nach Auffassung des Senats bezüglich der Tätigkeit als Geschäftsführer und als ärztlicher Leiter
eine einheitliche Tätigkeit als Beamter mit zusätzlichen Bezügen von der Gesellschaft vor. Auf den Erlass einer Gewährleistungserstreckungsentscheidung
gem §
5 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI kommt es deshalb nicht an. Eine solche hat bei einer Tätigkeit, die als Beamter im Rahmen einer Zuweisung ausgeübt wird,
nicht zu ergehen.
Aufgrund der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) in der Renten- und Arbeitslosenversicherung kommt eine Beitragsnacherhebung
diesbezüglich nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs
1 VwGO. Die Beigeladenen tragen gemäß §
197a Abs
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
162 Abs
3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der Beklagten als
unterliegende Beteiligte aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig
ua, aaO, § 197a RdNr 29 mwN).
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach §
197a SGG i.V.m. §§ 47 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 53 Abs 2 Nr 4 Gerichtskostengesetz und entspricht der im Berufungsverfahren ursprünglich streitigen Nachforderung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG).