Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; Vermeidung überlappender Bedarfsgemeinschaften
beim Zusammenleben eines nicht erwerbsfähigen Elternteils mit dem unter 25jährigem unverheirateten Kind und dessen Kind oder
Partner
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009.
Die 1952 geborene Klägerin lebte im streitigen Zeitraum gemeinsam mit ihrer 1990 geborenen Tochter S. in einer Wohnung. In
der Zeit vom 3. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2008 lebte dort ebenfalls der Freund der Tochter. Am 11. September 2008 wurde
K., die Tochter von S. und ihrem Freund geboren, die ebenfalls in der Wohnung lebte. Die Klägerin bezog bis 30. August 2008
von der Beklagten die Regelleistung - zunächst in Bedarfsgemeinschaft mit der Tochter und ab 1. Dezember 2007 allein (Bewilligungsbescheid
vom 29. April 2008 für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2008, Aufhebungsbescheid vom 28. Juli 2008 für die Zeit vom 1.
September bis 30. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 8. September 2008 - bestandskräftig). Mit Bescheid
vom 18. September 2008 wurde der Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd Rente wegen voller Erwerbsminderung
auf Zeit für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. Juli 2010 in Höhe von 146,17 € monatlich bewilligt. Über weiteres Einkommen
oder verwertbares Vermögen verfügte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht.
Anträge an den Landkreis auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom 29. April 2008
und 7. August 2008 wurden mit Bescheiden vom 8. September 2008 und 7. Oktober 2008 bestandskräftig abgelehnt.
Den Antrag der Klägerin vom 28. Oktober 2008 auf Fortzahlung der Leistungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. November
2008 ab, weil die Klägerin nicht erwerbsfähig sei. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 28. November 2008 zurück (Absendevermerk vom 1. Dezember 2008).
Am 25. November 2008 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ihren Widerspruch einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht
Karlsruhe (SG), welches die Beklagte mit Beschluss vom 19. Dezember 2008 verpflichtete, vorläufig Leistungen ab 1. Dezember 2008 zu erbringen
(S 15 AS 5061/08 ER). Im Beschwerdeverfahren begrenzte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Verpflichtung der Beklagten auf
den Zeitraum bis 31. Mai 2009 und wies die Beschwerde der Beklagten im Übrigen zurück (Beschluss vom 24. März 2009 - L 13 AS 499/09 ER-B -).
Nachdem die Beklagte unter Hinweis auf die Versäumung der Klagefrist die Leistungen ab Februar 2009 eingestellt hatte, beantragte
die Klägerin erneut einstweiligen Rechtsschutz beim SG (S 15 AS 389/09 ER) und machte geltend, sie habe den Widerspruchsbescheid nicht erhalten. Die Beklagte übersandte daraufhin Anfang Februar
2009 eine Abschrift des Widerspruchsbescheids.
Am 12. Februar 2009 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, der Widerspruchsbescheid vom 28. November 2008 sei ihr erst am 7. Februar 2009 zugegangen.
Außer einer Rente wegen Erwerbsminderung habe sie kein Einkommen. Am 11. März 2009 hat die Klägerin für den Zeitraum ab 1.
Juni 2009 erneut Leistungen bei der Beklagten beantragt.
Mit Urteil vom 26. Januar 2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November
2008 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 Sozialgeld in Höhe von 80 v.H. der Regelleistung
zu gewähren. Im Übrigen (für die Zeit vom 28. Oktober bis 30. November 2008) hat es die Klage unter Hinweis auf die bestandskräftige
Aufhebung der Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei fristgerecht erhoben worden, da die Beklagte den Nachweis, dass der Klägerin der Widerspruchsbescheid
vor dem 7. Februar 2009 zugegangen sei, nicht geführt habe (unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. März
2009 - L 13 AS 499/09 ER-B -). Die Klägerin habe vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 28 SGB II unter Anrechnung
ihrer Rente wegen Erwerbsminderung. Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft
lebten, erhielten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII hätten (§ 28
Abs. 1 Satz 1 SGB II). Diese Voraussetzungen lägen vor. Die Klägerin sei wegen Krankheit auf absehbare Zeit außerstande, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein und damit gemäß
§ 8 SGB II nicht erwerbsfähig. Deswegen beziehe die Klägerin von der gesetzlichen Rentenversicherung eine bis 31. Juli 2010
befristete volle Erwerbsminderungsrente. Da sie nur vorübergehend voll erwerbsgemindert sei, bestehe kein - vorrangiger -
Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die Klägerin
sei hilfebedürftig nach § 28 Abs. 2 i.V.m. §§ 19 Satz 3, 9 SGB II, weil sie ihren Lebensunterhalt mit ihrer Rente nicht bestreiten
könne.
Es bestehe auch eine anspruchsbegründende Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit der im gleichen Haushalt lebenden unter 25jährigen
hilfebedürftigen Tochter nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II, obwohl dem Haushalt - und damit nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bzw. §
7 Abs. 3 SGB II auch der Bedarfsgemeinschaft - ebenfalls die Enkelin bzw. bis 6. Dezember 2008 der in nichtehelicher Lebensgemeinschaft
mit der Tochter lebende Freund angehört habe. Dass sich dies unmittelbar aus dem Wortlaut ergebe, bestreite die Beklagte nicht.
Die von ihr für erforderlich gehaltene einschränkende Auslegung der Norm dahin, dass - zur Vermeidung einer 3-Generationen-Bedarfsgemeinschaft
- die Eltern oder ein Elternteil eines unter 25-jährigen Kindes nur dann zu dessen Bedarfsgemeinschaft gehöre, wenn dieses
nicht bereits eine Bedarfsgemeinschaft mit einem eigenen Kind oder Lebenspartner bilde, weil sonst die Zusammensetzung der
Bedarfsgemeinschaft davon abhänge, wer von mehreren möglichen Personen als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger für sich und die
Haushaltsangehörigen den Antrag stelle, halte das Gericht nicht für angezeigt. Anhaltspunkte für das behauptete gesetzgeberische
Versehen seien nicht erkennbar. Der Umstand, dass die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft möglicherweise davon abhänge,
wer im Haushalt erwerbsfähig sei, begründe keine Notwendigkeit, vom Gesetzeswortlaut abzuweichen, denn dies sei die Konsequenz
der gesetzgeberischen Entscheidung, bei der Bildung der Bedarfsgemeinschaft vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auszugehen.
Auch die Einwendung der Beklagten, die Tochter der Klägerin können nicht gleichzeitig zwei Bedarfsgemeinschaften - einerseits
mit ihrer Tochter, andererseits mit der Klägerin - angehören, trage nicht. Eine Bedarfsgemeinschaft könne sich mit einer anderen
"überlappen", wenn auch der Gesetzgeber die Folgen z.B. hinsichtlich des Einkommens- und Vermögenseinsatzes oder der Vertretung
nach außen nicht geregelt habe. Für das Bestehen des Anspruchs der Klägerin genüge, dass sie sich gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB
II an eine Bedarfsgemeinschaft "anhängen" könne.
Für die Zeit zwischen Antragstellung am 28. Oktober und 30. November 2008 bestehe kein Anspruch der Klägerin, weil die Aufhebung
der Bewilligung von Leistungen für diesen Zeitraum mit Änderungsbescheid vom 28. Juli 2008 und Widerspruchsbescheid vom 8.
September 2008 bestandskräftig geworden sei. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Beiladung und Verurteilung des Landkreises
Karlsruhe sei ebenfalls erfolglos. Der Landkreis sei zwar zuständig für die Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung,
diese seien aber nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide vom 7. und 28. November 2008.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 24. Februar 2010 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie verweist darauf, dass die
Klägerin als Alleinstehende mangels Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II keine Leistungen nach dem SGB II erhalten könne.
Dies könne sie nur über § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II, wenn sie der Bedarfsgemeinschaft ihrer unter 25-jährigen Tochter zugeordnet
werden könnte. Die Beklagte sei der Auffassung, wie sich auch in ihren internen Handlungsanweisungen widerspiegele, dass eine
Einbeziehung der Klägerin weder in der Konstellation "Tochter mit Partner" noch in der Konstellation "Tochter mit eigenem
Kind" erfolgen könne. Die sich aus überlappenden Bedarfsgemeinschaften ergebenden Folgen hinsichtlich Einkommens- und Vermögensanrechnung
seien nicht nur gesetzlich nicht geregelt, sie seien auch gesetzgeberisch nicht gewollt. Schon die maßgebliche Regelleistung
der Tochter könnte gar nicht festgelegt werden, wenn diese einerseits mit ihrem Partner, andererseits mit der Klägerin eine
Bedarfsgemeinschaft bilden könnte. Das Gesetz spreche von der Bedarfsgemeinschaft des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, nicht
den Bedarfsgemeinschaften. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger mehrere Bedarfsgemeinschaften
bilden könne, die Konsequenzen für die Berechnung der Leistungen aller Betroffenen wären auch praktisch nicht lösbar. Seit
dem Auszug des Partners könne die Bedarfsgemeinschaft nur von der Person der Tochter aus gebildet werden. Seien aber mehrere
Personen des Haushalts erwerbsfähig, hinge die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft - und damit die Leistungsansprüche
der Mitglieder dem Grunde und der Höhe nach - nach dem Gesetzeswortlaut davon ab, wer von ihnen als der erwerbsfähige Hilfebedürftige
i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II auftrete. Wäre seinerzeit nicht die Tochter, sondern deren Partner als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger
aufgetreten, hätte die Klägerin wohl unstreitig keine Ansprüche nach dem SGB II, denn einer Bedarfsgemeinschaft des Partners
hätte sie nicht zugeordnet werden können. Intention des Gesetzgebers sei jedoch gewesen, mit der Gesamtregelung des § 7 Abs.
3 SGB II abschließend festzulegen, welche Personen in einer Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden könnten. § 7 Abs. 3
Nr. 2 SGB II solle sicherstellen, dass anstelle eines erwerbsfähigen Elternteils auch dessen unverheiratetes erwerbsfähiges
Kind als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger auftreten könne und seine Eltern mit eigenen Kindern in die Bedarfsgemeinschaft einbeziehen
könne; mit anderen Worten, dass eine der Nr. 4 entsprechende Regelung geschaffen worden sei, die gewährleiste, dass dieselben
Personen zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören, gleich von wem aus diese gebildet werde. Dass im Hinblick auf eine 3-Generationen-Bedarfsgemeinschaft,
die nach Nr. 4 ausgeschlossen, nach dem reinen Wortlaut von Nr. 2 aber möglich wäre, eine andere, gerade entgegen gesetzte
Intention zugrunde gelegen haben solle, sei nicht nachvollziehbar. Es spreche doch einiges für ein gesetzgeberisches Versehen.
Auch die Gesetzgebungsgeschichte dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Ursprünglich hätten nur minderjährige unverheiratete
Kinder zur Bedarfsgemeinschaft gehört bzw. konnten nur minderjährige unverheiratete Kinder ihre Eltern in die Bedarfsgemeinschaft
einbeziehen. Dass ein minderjähriges Kind einerseits noch im Haushalt der Eltern lebe, andererseits aber ein eigenes Kind
habe und/oder auch der Partner im Haushalt lebe, komme zwar vor, sei aber eher die Ausnahme. Sei dies der Fall, seien bei
Minderjährigen aber trotz Partner wohl regelmäßig stärkere emotionale Bindungen und Abhängigkeiten gegenüber den Eltern vorhanden,
die eine Zuordnung zu deren Bedarfsgemeinschaft rechtfertigten. Für den Fall, dass ein minderjähriges Kind bereits verheiratet
war, sei die Unterstellung einer solchen Bindung nicht mehr als lebensnah empfunden worden. Nach der Erweiterung der Regelung
gehörten Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zur elterlichen Bedarfsgemeinschaft. In diesem Alter lebten junge
Erwachsene aber auch ohne verheiratet zu sein, sehr häufig bereits in einer gefestigten Partnerschaft und hätten eigene Kinder;
Bindungen zu den Eltern träten demgegenüber in den Hintergrund. Die Äußerungen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem SG sprächen gerade im Sinne der obigen Überlegungen gegen die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft. Die Klägerin habe angegeben,
dass sie schon lange habe ausziehen wollen, ihre Bemühungen wegen zu hoher Mieten aber erfolglos geblieben seien. Einen gemeinsamen
Haushalt mit der Tochter führe sie nicht. Der Richter habe diesen Vortrag mit dem Hinweis unterbrochen, er müsse die Klägerin
am weitersprechen hindern, da ihre Einlassung gegen einen Leistungsanspruch sprechen würde. Bestehe gar keine Haushaltsgemeinschaft,
könne auch keine Bedarfsgemeinschaft vorliegen, gleich nach welcher Rechtsauffassung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2010 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft (§
143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € übersteigt (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG). Die Berufung ist auch begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Sozialgeld i.H.v. 80 v.H. für
den Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009.
Streitgegenstand ist im Berufungsverfahren allein, ob die Beklagte der Klägerin Sozialgeld i.H.v. 80 v.H. der Regelleistung
(ohne Kosten der Unterkunft und Heizung und unter Anrechnung des Renteneinkommens) im Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 31. Mai
2009 zu erbringen hat, denn die Klägerin hat das Urteil nicht angefochten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nur Leistungsansprüche
der Klägerin nach dem SGB II zu prüfen wären, denn auch wenn festgestellt werden könnte, dass die Beklagte vorläufig verpflichtet
gewesen wäre, weitere Leistungen zu gewähren, für die eigentlich der Sozialhilfeträger zuständig ist, hätte ihr Rechtsmittel
nur teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat keine Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II. Sie gehört nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis
der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, denn sie ist nicht erwerbsfähig. Sie kann wegen Krankheit
auf absehbare Zeit nicht mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig
sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Dies ergibt sich sowohl aus dem Rentenbescheid der Klägerin vom 18. September 2008 wie auch aus
den Gutachten des ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 4. März 2008 und 23. April 2009 und ist zwischen den Beteiligten auch
nicht umstritten.
Die Klägerin hätte nur dann einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, wenn sie mit ihrer Tochter S. in Bedarfsgemeinschaft
leben würde, denn nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
in Bedarfsgemeinschaft leben. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel
des SGB XII haben. Vorrangige Ansprüche nach dem Vierten Kapitel des SGB XII stehen hier nicht im Raum, denn die Klägerin
hat weder die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht, noch ist sie im streitigen Zeitraum dauerhaft voll erwerbsgemindert
i.S.v. § 41 Abs. 1 SGB XII, sie erhält die Rente wegen voller Erwerbsminderung lediglich auf Zeit (§ 102 Abs. 2 Sozialgesetzbuch
Sechstes Buch). Die Klägerin lebte im streitigen Zeitraum entgegen der Auffassung des SG indes nicht mit ihrer Tochter S. in Bedarfsgemeinschaft.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende
Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt
lebende Partner dieses Elternteils. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift wäre die Klägerin in die Bedarfsgemeinschaft mit S.
einzubeziehen, wenn ein gemeinsamer Haushalt geführt worden wäre. Ob letzteres der Fall war, kann hier indes dahin stehen,
denn der Senat ist der Auffassung, dass der Wortlaut der Vorschrift in den Fällen einschränkend auszulegen ist, in denen das
erwerbsfähige unter 25-jährige Kind wie hier mit einem eigenen Kind oder/und Partner i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II im Haushalt
zusammen lebt (ebenso SG Aachen, Urteil vom 31. März 2008 - S 14 (23) AS 51/06 - [juris]; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, Stand Januar 2011, § 7 Rdnr. 87; Peters in Estelmann, SGB II, Stand Dezember
2010, § 9 Rdnr. 35; a.A. Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 43). Der Senat teilt insoweit die Auffassung der
Beklagten, dass der Gesetzgeber nach dem Wortlaut mögliche überlappende Bedarfsgemeinschaften jedenfalls nicht gewollt hat.
Die Bedarfsgemeinschaft ist zentraler Anknüpfungspunkt für die Frage der Einkommens- und Vermögensanrechnung (§ 9 Abs. 2 SGB
II). Die Frage, wie bei überlappenden Bedarfsgemeinschaften aus der Klägerin und S. einerseits sowie S. und deren Partner
bzw. K. andererseits die Einkommensanrechnung erfolgen sollte, ist völlig unklar, das Gesetz sieht hierfür keine Regelung
vor. Soweit hierfür in der Literatur ein Rückgriff auf die Verteilungsregelungen der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht
vorgeschlagen wird, die für Mangelfälle entwickelt wurde (so Brühl/Schoch in LPK-SGB II, aaO.), erscheint zweifelhaft, ob
damit immer eine Lösung für die denkbaren Konstellationen gefunden werden kann, insbesondere da häufig zwischen den Mitgliedern
überlappender Bedarfsgemeinschaften überhaupt keine bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten bestehen (etwa zwischen dem
Partner von S. und der Klägerin).
Auch systematische Gründe sprechen gegen überlappende bzw. 3-Generationen-Bedarfsgemeinschaften. So sieht § 7 Abs. 3 Nr. 4
SGB II vor, dass die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn
sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zur Bedarfsgemeinschaft gehören, soweit sie die Leistungen zur Sicherung
ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Ist ein unter 25-jähriges Kind über §
7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in eine Bedarfsgemeinschaft einbezogen, kann dessen Kind nicht ebenfalls Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft
werden, da Nr. 4 nur auf die in Nummern 1 bis 3 genannten Personen verweist. In dieser Konstellation ist somit eine 3-Generationen-Bedarfsgemeinschaft
nicht möglich. Schließlich spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte, wie von der Beklagten ausführlich dargelegt, für die
hier vertretene Auslegung. Nach alledem kann die Klägerin nicht über ihre Tochter S. nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in das Bezugssystem
des SGB II vermittelt werden, da S. mit ihrer Tochter K. eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildet.
Die Klägerin kann für den streitigen Zeitraum gegenüber der Beklagten keinen Anspruch (mehr) auf vorläufige Leistungen nach
§
43 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren
Umfang er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern
streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist (Satz 1 der Vorschrift). Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn
der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang
des Antrags (aaO. Satz 2).
Ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht, wenn er entstanden und fällig geworden ist und ihm keine Einwendungen oder Einreden
entgegenstehen (vgl. Rolfs in Hauck/Noftz,
SGB I, §
43 Rdnr. 5). Insoweit müssen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen gegeben sein, mit Ausnahme der Frage, welcher Leistungsträger
zuständig ist (Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht,
SGB I §
43 Rdnr. 7). Hier besteht indes die Besonderheit, dass mögliche Ansprüche der Klägerin gegen den Sozialhilfeträger (Landkreis
Karlsruhe) nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für den streitigen Zeitraum von diesem bereits mit bestandskräftigem Bescheid
vom 8. September 2008 abgelehnt worden sind. Damit kann eine vorläufige Leistung nicht mehr erbracht werden, denn durch diese
soll nur eine ansonsten vorläufig eintretende Lücke überbrückt werden, wofür kein Raum mehr besteht, wenn sich der endgültig
verpflichtete Träger mit der Sache befasst und eine Entscheidung getroffen hat. Insoweit kommt eine nachträgliche Erbringung
der vorläufigen Leistung auch deshalb nicht in Betracht, weil es nicht Aufgabe des vorleistenden Trägers ist, durch die vorläufige
Leistung die ablehnende Entscheidung des an sich zuständigen Leistungsträgers zu korrigieren (vgl. Kater in Kasseler Kommentar,
aaO., SGB X § 102 Rdnr. 20).
Diese Betrachtungsweise steht auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zu §
75 Abs.
5 SGG, wonach ein Beigeladener dann nicht zur Leistung verurteilt werden kann, wenn ein von diesem erlassener bestandskräftiger
Verwaltungsakt entgegen steht (vgl. BSG SozR 1500 § 75 Nr. 38). Entsprechend hätte der Sozialhilfeträger im Klageverfahren
auch als Beigeladener nicht zur Leistung verurteilt werden können. Dann wäre es jedoch ein Wertungswiderspruch, im Rahmen
einer vorläufigen Leistungserbringung durch einen eigentlich unzuständigen Sozialhilfeträger den Aspekt entgegenstehender
Bestandskraft von Ablehnungsentscheidungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers außer Betracht zu lassen. Soweit das
BSG den o.g. Grundsatz unter Hinweis auf die Besonderheit von Rehabilitationsleistungen in Fällen des §
14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) nicht anwenden will (vgl. BSG SozR 4-3500 §
54 Nr. 6), ergibt sich für die hier vorliegende Konstellation daraus keine andere Beurteilung. Der Klägerin steht insoweit die
Möglichkeit noch offen, beim Sozialhilfeträger einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).