Anspruch auf Arbeitslosengeld II; verfassungskonforme Auslegung bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses zum Versicherungsbeitrag
zur privaten Krankenversicherung
Gründe:
Die gemäß §§
172,
173 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat im Umfang des Beschlussausspruchs Erfolg.
Vorliegend wendet sich der Antragsteller in einem Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die Höhe der ihm gewährten Beitragszuschüsse zu seiner privaten Krankenversicherung und begehrt nunmehr im Beschwerdeverfahren,
dass die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zum einen die Beitragsrückstände im Zeitraum vom 1. Juli
bis 31. Oktober 2010, zum anderen die tatsächlichen Kosten seiner privaten Krankenversicherung bis zur Hälfte des Basistarifes
bis zum 30. November 2010, dem Ende des letzten Bewilligungsabschnitts, übernimmt.
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in §
86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs.
1 aaO., für Vornahmesachen in Abs.
2 aaO. Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 aaO. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO.). Die Anträge nach §
86b Abs.
1 und
2 SGG sind bereits vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 aaO.).
Vorliegend kommt, wie vom Sozialgericht (SG) Karlsruhe zutreffend erkannt, nur eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs
voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch
und dem Anordnungsgrund (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf mithin
nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht
des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Denn die Regelungsanordnung
dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung
aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 28. März 2007
- L 7 AS 121/07 ER-B - [juris] und vom 17. April 2009 - L 7 AS 68/09 ER -). Es ist nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes, Angelegenheiten, die nicht dringlich sind, einer Regelung,
die ohnehin nur vorläufig sein kann, zuzuführen; in derartigen Fällen ist dem Antragsteller vielmehr ein Abwarten bis zur
Entscheidung in der Hauptsache zumutbar (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2009 - L 7 AS 2040/09 ER-B -; ferner Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg vom 4. Juni 2009 - L 34 AS 815/09 B ER - [juris]; zum Ganzen ferner Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage, Rdnrn. 259, 297 f.). Die Anordnungsvoraussetzungen,
nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung;
vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - [juris] unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
[BVerfG]; z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art.
1 Abs.
1 des Grundgesetzes (
GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf
effektiven Rechtsschutz (vgl. Art.
19 Abs.
4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und
Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung
der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober
2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - [beide juris] im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG; z.B. Kammerbeschlüsse vom 12. Mai 2005 aaO. und vom 29.
November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen
Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 aaO. und vom 17. August 2005
aaO.).
Der beim SG Karlsruhe gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG erweist sich als zulässig, insbesondere als statthaft. An der Statthaftigkeit dieses Antrages vermag die Tatsache nichts
zu ändern, dass der Bewilligungsbescheid vom 28. April 2010 - ebenso wie alle anderen seit dem 1. Juni 2009 ergangenen Bewilligungsbescheide
- mangels hiergegen eingelegten Widerspruchs bestandskräftig geworden ist (vgl. §
77 SGG). Mit dem Bewilligungsbescheid vom 28. April 2010 wurde dem Antragsteller im hier streitigen Zeitraum vom 1. Juli bis 30.
November 2010 ein monatlicher Beitragszuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung i.H.v. 126,05 € gewährt. Die Bestandskraft
dieses Bescheides führt auch nicht dazu, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung etwa mangels streitigen
Rechtsverhältnisses oder mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig angesehen werden müsste. Mit Rücksicht auf die eingetretene
Bestandskraft steht zwar zwischen den Beteiligten bindend fest, dass dem Antragsteller kein höherer monatlicher Beitragszuschuss
zu seiner privaten Krankenversicherung zusteht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er sich nicht mit Erfolg auf ein der vorläufigen
Regelung fähiges Recht berufen könnte. Es darf hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller zugleich mit seinem
Antrag auf Überprüfung aller Leistungsbescheide seit 1. Juni 2009 beim SG Karlsruhe einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gestellt hat. Durch die Einlegung des - noch nicht entschiedenen - Widerspruchs gegen den eine Rücknahme der Leistungsbescheide
ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. August 2010 hat der Antragsteller überdies deutlich gemacht, dass er sein
Begehren, die Bestandskraft der Leistungsbescheide nach § 44 SGB X durchbrechen zu wollen, weiterhin verfolgt. Auch im Rahmen der hier vom Antragsteller begehrten Überprüfung bestandskräftiger
Bescheide nach § 44 SGB X ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes möglich (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Mai 2000 - L 10 LW 1258/00 ER - ; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 11. April 2006 - L 7 AS 83/04 ER - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 472/07 ER - ; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2008 - L 2 B 96/07 AS ER - ; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2009 - L 25 AS 770/09 B ER - ; Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. Januar 2010 - L 11 AS 796/09 B ER - [alle juris]; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
86b Rdnr. 29c).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist der für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Anordnungsanspruch
in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gegeben. Die Antragsgegnerin hat mit dem Bewilligungsbescheid vom 28. April 2010
dem Antragsteller im hier streitigen Zeitraum zu Unrecht lediglich Beitragszuschüsse zu seiner privaten Krankenversicherung
i.H.v. 126,05 € monatlich gewährt. Richtigerweise hätte sie die monatlichen Beiträge des Antragstellers zu seiner privaten
Krankenversicherung im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. August 2010 i.H.v. 176,66 € und für den Zeitraum vom 1. September bis
30. November 2010 i.H.v. 295,02 € übernehmen müssen. Der Bewilligungsbescheid vom 28. April 2010 erweist sich somit - ebenso
wie alle übrigen seit dem 1. Juni 2009 ergangenen Bewilligungsbescheide - als (teilweise) rechtswidrig und ist daher aller
Voraussicht nach - ungeachtet seiner Bestandskraft - im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X von der Antragsgegnerin zurückzunehmen.
Nach der gesetzlichen Konzeption des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) sollen Bezieher von Leistungen nach dem SGB
II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne mit Beiträgen belastet zu sein. Demgemäß sind nach §
5 Abs.
1 Nr.
2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II nicht nur darlehensweise beziehen und auch nicht familienversichert
sind, versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihnen stehen die Leistungen nach dem
SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen, da gemäß §
251 Abs.
4 SGB V deren Beiträge der Bund trägt. Die Versicherungspflicht gilt allerdings nach dem seit dem 1. Januar 2009 geltenden §
5 Abs.
5a Satz 1
SGB V, eingefügt durch das GKV - Wettbewerbsstärkungsgesetz [GKV-WSG] vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) nicht, wenn der Leistungsbezieher unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert oder weder
gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu dem Personenkreis des §
5 Abs.
5 SGB V oder den in §
6 Abs.
1 oder Abs.
2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Zu diesem in §
5 Abs.
5a Satz 1
SGB V genannten Personenkreis gehört der Antragsteller, der vor dem am 1. Juni 2009 begonnenen Bezug von Arbeitslosengeld II privat
krankenversichert war. Die Ausnahmeregelung des §
5 Abs.
5a Satz 2
SGB V findet in seinem Fall keine Anwendung, da er auch am 31. Dezember 2008 nicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V versicherungspflichtig war.
Für den von §
5 Abs.
5a Satz 1
SGB V umfassten Personenkreis enthält § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (neu gefasst durch das GKV-WSG) eine Regelung zur Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung dergestalt, dass § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) gilt.
Die Sätze 5 und 6 des zum 1. Januar 2009 durch das GKV-WSG eingefügten § 12 Abs. 1c VAG haben folgenden Wortlaut:
Besteht auch bei einem nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch,
beteiligt sich der zuständige Träger nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf Antrag des Versicherten im erforderlichen
Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit
nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, gilt Satz 4 entsprechend; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der
auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller, bei dem unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach
dem SGB II besteht, in Anwendung des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG den Betrag als Zuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung
gezahlt, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Als beitragspflichtige
Einnahme der gesetzlichen Krankenversicherung gilt für Hilfebezieher nach dem SGB II gemäß §
232a Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB V der 30. Teil des 0,345-fachen der monatlichen Bezugsgröße im Sinne des § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuches,
die sich für das Jahr 2010 auf 2.555,00 € monatlich belief (vgl. § 2 der Verordnung über die Bezugsgrößen in der Sozialversicherung
für das Jahr 2010 [BGBl. I 2009 S. 3846]). Unter Zugrundelegung einer sich hieraus ergebenden beitragspflichtigen Einnahme
in Höhe von 881,48 € monatlich ergibt sich bei einem seit dem 1. Juli 2009 maßgeblichen Beitragssatz von 14,3% (§
146 SGB V i.V.m. §
243 SGB V und §
2 der GKV-Beitragssatzverordnung vom 02.03.2009 [BGBl. I S. 416]) für das Jahr 2010 ein Zuschuss zur privaten Krankenversicherung
des Antragstellers von monatlich 126,05 €, der ihm von der Antragsgegnerin auch gewährt wurde.
Allerdings führt die hier von der Antragsgegnerin vorgenommene wortgetreue Anwendung der seit dem 1. Januar 2009 geltenden
Regelung zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten systemwidrigen Belastung des Antragstellers. Denn ohne dass der Antragsteller
dies wollte, müsste er einen Teil seines Krankenversicherungsbeitrags selbst tragen. Bei Krankenversicherungsbeiträgen bis
August 2010 in Höhe von 177,32 € monatlich (einschließlich eines Beitrags zur Auslandskrankenversicherung [ARKV] in Höhe von
0,66 € monatlich) und ab dem 1. September 2010 in Höhe von 295,02 € monatlich (hälftiger Basistarif, vgl. www.pkv.de) besteht
unter Berücksichtigung des gewährten monatlichen Zuschusses vom 126,05 € eine Deckungslücke von monatlich rund 51,00 € bzw.
169,00 €, die vom Antragsteller als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II auf Dauer nicht zu schließen ist. Nach der Begründung
des Gesetzgebers zum GKV-WSG handelt es sich bei der zum 1. Januar 2009 eingefügten Regelung des §
5 Abs.
5a Satz 1
SGB V um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Da die privaten
Krankenversicherungen künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung
für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert sind oder sein können, erscheine es nicht länger erforderlich,
diese Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen (BT-Drucks.
16/3100 S. 94 f. - zu §
5 SGB V). Der Gesetzesbegründung ist indes kein Hinweis darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe - abweichend von der bis zum 31.
Dezember 2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II nun gegen ihren Willen mit
einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen
finanziell nicht überfordert werden (BT-Drucks. 16/3100 S. 207 - zu § 12 VAG). Dies erschien dem Gesetzgeber offenbar in der
Annahme der "Bezahlbarkeit des Basistarifs" (BT-Drucks. aaO.) gewährleistet. Der in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 SGB II neu geregelten
Verweisung auf § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG maß der Gesetzgeber anscheinend keine materiell-begrenzende, sondern nur eine
formal-technische Bedeutung bei. Denn er rechtfertigte sie allein mit "Gründen der Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit"
(BT-Drucks. 16/4247 S. 60 - zu § 26 SGB II; vgl. hierzu SG Karlsruhe, Urteil vom 10. August 2009 - S 5 AS 2121/09 - [juris]). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die aufgezeigte Beitragslücke als Problem jedenfalls bereits gesehen und auch
angesprochen hat (vgl. BT-Drucks. 16/12355 mit BT-Plenarprotokoll 16/213, ferner BT-Drucks. 16/13965). Auch die neue Bundesregierung
hat bekräftigt, dem Gesetzgeber zeitnah einen Vorschlag zur Lösung des bekannten Problems der sogenannten Beitragslücke vorlegen
zu wollen; die genaue Ausgestaltung der gesetzlichen Änderung werde derzeit noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt
(vgl. BT-Drucks. 17/1342, S. 42). In ihrer Antwort auf eine Anfrage eines Abgeordneten der Fraktion DIE LINKEN teilte die
Bundesregierung am 24. Juni 2010 mit, sie sehe hinsichtlich des Problems der Deckungslücke Handlungsbedarf und beabsichtige,
so zügig wie möglich einen entsprechenden Lösungsvorschlag vorzulegen (vgl. BT-Drucks. 17/2284, S. 3). Auch liegt der von
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der Benachteiligung von privat versicherten
Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II vom 27. Januar 2010 (vgl. BT-Drucks. 17/548) vor, der nach parlamentarischer
Beratung an den federführenden Ausschuss für Gesundheit überwiesen wurde (BT-Plenarprotokoll 17/24 S.2069C bis 2070C). Eine
abschließende gesetzgeberische Lösung der Problematik der Beitragslücke ist jedoch noch nicht erreicht worden.
Ohne eine gesetzgeberische Regelung ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, aus der sich ein Anspruch des Antragstellers auf
Schließung der Deckungslücke ergeben könnte. Ansprüche gegen den Sozialhilfeträger nach § 32 Abs. 5 Satz 1 des Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB XII) scheiden ebenso wie ein auf § 73 Satz 1 SGB XII gestützter Anspruch aus (vgl. SG Karlsruhe, aaO.;
LSG für das Saarland, Urteil vom 13. April 2010 - L 9 AS 15/09 - [juris]). Auch hat der Antragsteller keine zumutbare Möglichkeit, die Deckungslücke selbst zu schließen. Mit seinem monatlichen
Beitrag zur Krankenversicherung bis August 2010 - bei einem Selbstbehalt von 2.000,00 € - lag er deutlich unter der Hälfte
des Basistarifs. Seit 1. September 2010 hat er lediglich den "halben" Basistarif zu zahlen. Eine weitere Reduzierung seines
Krankenversicherungsbeitrags ist nicht möglich. Auch war es ihm nicht möglich, den ungedeckten Teil seines Beitrags zur privaten
Krankenversicherung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom Einkommen abzusetzen, da er seit Beginn seiner Arbeitslosigkeit
im Juni 2009 über kein Einkommen mehr verfügt. Auch ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Differenz zwischen der Höhe
seines Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses der Antragsgegnerin aus der ihm bewilligten Regelleistung zu begleichen
(vgl. SG Karlsruhe, aaO.; LSG für das Saarland, aaO.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.September 2009 - L 3 AS 2934/09 ER-B [juris]). Auch ein Verzicht des Antragstellers auf seinen Krankenversicherungsschutz kommt nicht in Betracht, da zum
einen eine ausreichende medizinische Versorgung Teil des von Art.1 Abs.1 und Art.20 Abs. 1
GG geschützten Existenzminimums ist (Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 Rdnr. 31), zum anderen der Antragsteller gemäß § 193 Abs.3 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) verpflichtet ist, eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten (vgl. SG Karlsruhe und LSG für
das Saarland, jeweils aaO.).
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Antragsteller für die Differenz zwischen Beitragszuschuss und seinem Beitrag zur privaten
Krankenversicherung selbst aufkommen muss. Dieses Ergebnis erscheint insbesondere vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des
Art.
3 Abs.1
GG verfassungsrechtlich bedenklich. In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird zum Teil eine Ungleichbehandlung gegenüber
denjenigen Hilfebedürftigen gesehen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind und auf die deshalb
die Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II anzuwenden ist. Dort ist eine betragsmäßige Begrenzung der Beitragsübernahme
anders als in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht - jedenfalls nicht in der hier dargestellten Weise - vorgesehen (vgl.
SG Karlsruhe, aaO.; Brünner in LPK-SGB II, 3. Auflage, § 26 Rdnr.23). Zum Teil wird eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen
Hilfebedürftigen gesehen, die allein aufgrund ihres privaten Krankenversicherungsbeitrages hilfebedürftig sind, also ohne
diesen nicht hilfebedürftig wären. Denn dort sieht das Gesetz eine Beitragsbeteiligung des Grundsicherungsträgers "im erforderlichen
Umfang" vor, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs. 1c Satz 5 VAG). Eine betragsmäßige Begrenzung der
Beitragsübernahme wie in § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG ist also nicht vorgesehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.
September 2009, aaO.). Auch bestehen verfassungsrechtliche Bedenken insoweit, als verfassungsrechtlich die Deckung des gesamten
bestehenden Bedarfs gefordert ist, die hier jedoch nicht gewährleistet ist (vgl. Brünner, aaO., § 20 Rdnr.30 ff. m.w.N.).
Ob diese - gewichtigen - verfassungsrechtlichen Bedenken letztendlich durchgreifen, kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
nicht entschieden werden und bedarf der abschließenden Klärung in einem eventuellen Hauptsacheverfahren. Vor diesem Hintergrund
besteht jedoch gerade im vorläufigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Notwendigkeit zur Korrektur dieser möglicherweise
verfassungswidrigen Regelung und zur - jedenfalls vorläufigen - Schließung der aufgezeigten Deckungslücke, um wesentliche
Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden. In der Rechtsprechung wird hierbei eine Korrekturmöglichkeit teilweise in einer
verfassungskonformen Auslegung des § 26 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SGB II in Zusammenschau mit § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr.2 Halbsatz 1 SGB
II (so LSG für das Saarland, aaO.), teilweise aus Art.
1 Abs.
1 i.V.m. Art.20 Abs.
1 GG im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a.) gesehen (so SG Bremen, Urteil vom 20. April 2010 - S 21 AS 1521/09 - [juris]).
Dem Senat hingegen erscheint eine Lösung der aufgezeigten Problematik durch eine analoge Anwendung des §
26 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 Halbsatz 1
SGB I angebracht (so auch SG Karlsruhe, aaO.). Wie oben dargestellt, widerspricht die maßgebende Regelung des § 26 Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG dem Willen des Gesetzgebers, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II umfassenden
Krankenversicherungsschutz genießen sollen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein. Es handelt sich somit
um eine planwidrige Regelungslücke, die durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand vorgesehenen Rechtsfolge im Wege
der Analogie zu schließen ist (BSGE 82, 68, 71 f.). Hierbei bietet sich eine Analogie zu § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1. Halbsatz SGB II an, da die Interessenlage von privat
krankenversicherten und freiwillig gesetzlich krankenversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II identisch ist. Beide Personengruppen
müssen mangels Versicherungspflicht oder Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung selbst für den Fall
der Krankheit vorsorgen. Angesichts dessen erscheint es möglich und geboten, die nach ihrem Wortlaut auf freiwillig Versicherte
der gesetzlichen Krankenversicherung zugeschnittene Vorschrift des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1. Halbsatz SGB II analog auf
den hier in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II geregelten Fall anzuwenden, um die bestehende planwidrige Regelungslücke zu schließen
(so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. September 2009, aaO.; SG Karlsruhe, aaO.; SG Bremen, aaO.). Die gegenteilige
Auffassung des 13. Senats des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 22. März 2010 - L 13 AS 919/ER-B - [juris]), eine planwidrige
Regelungslücke liege nicht vor, überzeugt nicht, da - wie oben dargelegt - die getroffene Regelung dem gesetzgeberischen Willen
widerspricht, dies vom Gesetzgeber erkannt wurde und der Gesetzgeber auch eine entsprechende Korrektur vornehmen möchte.
Nach telefonischer Auskunft des für den Antragsteller zuständigen Ansprechpartners der u... Krankenversicherung a.G. vom 5.
Oktober 2010 betrug der monatliche Krankenversicherungsbeitrag vom 1. April bis 31. August 2010 177,32 € einschließlich eines
Beitragszuschlages in Höhe von 0,66 € für die dort bestehende ARKV. Seit 1. September 2010 beträgt der monatliche Krankenversicherungsbeitrag
295,02 € (hälftiger Basistarif) ohne Beitragszuschlag zu einer ARKV. Nach schriftlicher Mitteilung der u.... Krankenversicherung
a.G. vom 6. Oktober 2010 sind die Beiträge in der Krankenversicherung bis zum 30. Juni 2010 vollständig und für Juli 2010
bis auf einen Rest in Höhe von 45,09 € bezahlt. Eine Bezahlung der bereits fällig gewordenen Beiträge für August, September
und Oktober 2010 ist - wie aus den beigefügten Unterlagen ersichtlich - bislang nicht erfolgt. Insgesamt besteht somit nach
Mitteilung der u..... Krankenversicherung a.G. ein Beitragsrückstand in der privaten Krankenversicherung von 812,45 €. Ausgehend
von der Verpflichtung der Antragsgegnerin, Beiträge des Antragstellers zu seiner privaten Krankenversicherung in vollem Umfang
zu übernehmen, wäre es zu diesem Beitragsrückstand nicht gekommen. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass im Beitrag
für Juli und August 2010 ein Beitragszuschlag für die ARKV in Höhe von 0,66 € monatlich enthalten ist, der von der Antragsgegnerin
nicht zu übernehmen ist. Eine ARKV ist nicht Bestandteil der zwingend nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG abzuschließenden Krankheitskostenversicherung und damit nicht zur Gewährleistung des Existenzminimums erforderlich. Die von
der Antragsgegnerin zu übernehmenden Beitragsrückstände reduzieren sich somit auf 811,13 €. Für den November 2010 hat der
Kläger Anspruch auf einen weiteren Zuschuss in Höhe von 168,97 €, der sich aus der Differenz zwischen dem von ihm zu tragenden
Monatsbeitrag von 295,02 € und dem von der Antragsgegnerin gewährten Zuschuss in Höhe von 126,05 € errechnet. Ein Anspruch
auf Gewährung dieses Zuschusses besteht nur (noch) für den November 2010, da im Rahmen des zugrunde liegenden Zugunstenverfahrens
nach § 44 SGB X lediglich die Rechtmäßigkeit der bis zum 30. November 2010 getroffenen Entscheidung der Antragsgegnerin zu prüfen ist. Entsprechend
hat der Antragsteller auch seinen Antrag begrenzt.
Auch der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund liegt vor. Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG reicht es dabei aus, wenn die einstweilige Anordnung zur Abwendung "wesentlicher Nachteile" nötig erscheint; schwere und
unzumutbare Nachteile werden nicht vorausgesetzt. Einstweiliger Rechtsschutz ist im Falle des §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zu gewähren, wenn dem Antragsteller ein Aufrechterhalten des bisherigen Zustands - hier die "gedeckelte" Zahlung eines Zuschusses
zur privaten Krankenversicherung - bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist. Dabei sind die Interessen des
Antragstellers einerseits und die öffentlichen Interessen andererseits zu berücksichtigen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
stellen dabei ein bewegliches System dar. Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen
an den Anordnungsgrund geringer sein und umgekehrt (Senatsbeschluss vom 22. Juli 2010 - L 7 SO 3067/10 - [unveröffentlicht];
LSG Niedersachsen-Bremen SGb 2004, 44). Hierbei sind in Fällen, in denen ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines Zugunstenverfahrens
nach § 44 SGB X gestellt worden ist, besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen. Soll ein bestandskräftig
gewordener Bescheid in einem Verfahren nach § 44 SGB X zurückgenommen werden, ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und gegebenenfalls
in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG ist regelmäßig auf die Bewilligung von Leistungen nicht für die Vergangenheit, sondern für die Gegenwart und Zukunft gerichtet
(LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. September 2007, a.aO.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2008, a.ao.).
Auch unter diesen strengen Voraussetzungen ist hier ein Anordnungsgrund gegeben.
Es ist dem Antragsteller nicht zumutbar, weiterhin mit einem erheblichen Beitragsrückstand belastet zu werden, der allein
auf die "gedeckelte", nicht vollständige Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung durch die Antragsgegnerin
zurückzuführen ist. Auch ist es ihm nicht zuzumuten, dass auch im November 2010 die Antragsgegnerin seinen Beitrag zur privaten
Krankenversicherung nicht in voller Höhe übernimmt.
Soweit in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, die nur anteilige Übernahme der Beiträge zur privaten
Krankenversicherung begründe für den Hilfebedürftigen keinen unzumutbaren, nicht wiedergutzumachenden Nachteil, der aufgrund
der weitreichenden Schutzvorschriften in § 193 Abs. 6 Sätze 5 und 6 VVG auch bei Nichtzahlung der Versicherungsbeiträge seine Versorgung mit Krankenversicherungsleistungen weiter gewährleistet
sei (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. März 2010, aaO.; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März
2010 - L 25 AS 43/10 B ER -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 29. Januar 2010 - L 16 AS 27/10 B ER - [alle juris]), folgt der Senat dem nicht. Zwar ist gemäß § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die - wie hier -eine Pflicht nach § 193 Abs.3 Satz 1 VVG erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen. Dies gilt auch für den Fall des Zahlungsverzugs, in dem unter den in § 193 Abs. 6 Sätze 1 und 2 VVG näher bestimmten Voraussetzungen das Ruhen des Leistungsanspruchs vom Versicherer festgestellt wird. Während der Ruhenszeit
haftet der Versicherer weiter, jedoch gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG ausschließlich für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und
Mutterschaft erforderlich sind (Notversorgungspflicht). Das Ruhen endet nach § 193 Abs. 6 Satz 4 VVG, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer
oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wird. Nach Sinn und Zweck
der Vorschrift spricht vieles dafür, diese so auszulegen, dass nicht nur ein bereits eingetretenes Ruhen bei Eintritt von
Hilfebedürftigkeit endet, sondern ein Ruhen bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit gar nicht erst eintreten kann (so LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - L 15 AS 1048/09 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. Oktober 2009 - L 20 B 56/09 SO ER -, vom 23. Oktober 2009 - L 19 B 300/09 AS ER - und vom 5. Mai 2010 - L 7 B 379/09 AS ER - [alle juris]; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. März 2010, aaO.). Allerdings ist der Gesetzeswortlaut nicht
entsprechend formuliert. Die Verwendung des Wortes "wird" scheint darauf hinzudeuten, dass § 193 Abs. 6 Satz 4 VVG (möglicherweise) nur gilt, wenn jemand, der bisher nicht hilfebedürftig war, Beitragsrückstände in der privaten Krankenversicherung
hat und nunmehr erstmalig anspruchsberechtigt nach dem SGB II wird. Hierauf hat insbesondere der Bundesrat hingewiesen (vgl.
"Unterrichtung durch die Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
und Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung", BT-Drucks.16/12256, abgedruckt bei BT-Drucks.16/12677,
S. 17). Diese Auslegungsfrage ist bislang ungeklärt. Dem Antragsteller ist es jedoch nicht zuzumuten, gegebenenfalls gegen
seine Krankenversicherung im Zivilrechtswege vorzugehen, um die Auslegung des § 193 Abs. 6 Satz 4 2. Alternative VVG feststellen zu lassen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. September 2009, aaO.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss
vom 3. Dezember 2009 - L 15 AS 1048/09 B ER - ZfSH/SGb 2010, 107). Hinzu kommt, dass die u.... Krankenversicherung a.G. mit Schreiben vom 23. Juni 2010 das Ruhen
der Versicherungsleistung bereits festgestellt hat. Aufgrund durchgehend bestehender Beitragsrückstände besteht diese Feststellung
nach wie vor unverändert fort, sodass der Antragsteller weiterhin nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und
Schmerzzustände hat. Anders als in den beispielsweise vom LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 22. März 2010, aaO.) und vom
LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 5. Mai 2010, aaO.) entschiedenen Fällen hat sich hier die Gefahr, dass das private
Krankenversicherungsunternehmen Leistungen tatsächlich zum Ruhen bringt, bereits realisiert. Aufgrund des Ruhens seiner Versicherungsleistungen
hat der Antragsteller daher nicht nur derzeit, sondern auch künftig nur einen "eingeschränkten" Krankenversicherungsschutz,
bezogen auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Durch das festgestellte Ruhen seiner Leistungen ist er
von sämtlichen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sowie von der Behandlung chronischer Erkrankungen ohne Schmerzzustände
ausgeschlossen. Da eine ausreichende medizinische Versorgung Teil des von Art.
1 Abs.
1 und Art.
20 Abs.
1 GG geschützten Existenzminimums ist, begründet die hier nicht mehr gewährleistete ausreichende Gesundheitsversorgung einen hinreichend
gewichtigen Nachteil (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2010 - L 34 AS 2001/09 B ER - [juris]). Der "eingeschränkte" Krankenversicherungsschutz des Antragstellers besteht hierbei nicht nur zum gegenwärtigen
Zeitpunkt, sondern auch zukünftig, möglicherweise für einen nicht absehbaren Zeitraum. Die nur anteilige Zahlung von Beiträgen
zur privaten Krankenversicherung führt dazu, dass während des Bezugs von Arbeitslosengeld II weitere Beitragsrückstände aufgebaut
werden. Scheidet der Antragsteller aus dem Hilfebezug aus, weil er etwa eine selbständige Tätigkeit aufnimmt, so führen diese
Beitragsrückstände spätestens ab diesem Zeitpunkt dazu, dass der Krankenversicherungsschutz "ruht" bzw. auf eine Notversorgung
begrenzt ist. Der besondere Schutz bei Hilfebedürftigkeit nach § 193 Abs. Satz 4 2. Alternative VVG würde dann in keinem Fall mehr eingreifen. Das Ruhen würde in diesem Falle nur dann enden, wenn alle rückständigen und die
auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind (§ 193 Abs. 6 Satz 4 1. Alternative VVG). Je nach Höhe der Beitragsschuld kann dies zu einer dauerhaften oder zumindest lange währenden Einschränkung des Versicherungsschutzes
führen. Dies ist nach Überzeugung des Senats nicht zumutbar. Weiter ist zu berücksichtigen, dass für den Antragsteller eine
gesetzliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung seiner privaten Krankenversicherung zu gesetzlich festgelegten Beiträgen besteht
(LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO.). Entgegen der Auffassung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss
vom 22. März 2010, aaO.) wird diese Rechtspflicht zur Zahlung auch nicht dadurch zur bloßen moralischen Verpflichtung herabgestuft,
dass sie - im Hinblick auf den Krankenversicherungsschutz während des laufenden Hilfebezugs - möglicherweise folgenlos bleibt.
Der Antragsteller kann nach Ansicht des Senats nicht darauf verwiesen werden, sich rechtsuntreu zu verhalten und gegen seine
letztendlich auf einer gesetzlichen Pflicht (vgl. § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG) beruhende Beitragspflicht zu verstoßen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO.). Zudem hat
der Senat bereits mit Beschluss vom 8. Juli 2009 (L 7 SO 2463/09 ER-B -; ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juni
2009 - L 2 SO 2529/09 ER-B - [beide juris]) darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 12 Abs.1c Satz 6 VAG eine politische Konzession darstellt, um das GKV-WSG mit der erforderlichen Stimmenmehrheit beschließen und in Kraft setzen zu können. Bereits im Gesetzgebungsverfahren war allerdings
erkannt worden, dass mit der jetzigen Formulierung des Gesetzestextes die Gefahr von Finanzierungslücken für Hilfebedürftige
im Sinne des SGB XII - und damit auch für Hilfebedürftige im Sinne des SGB II - im Hinblick auf ihren Krankenversicherungsschutz
besteht. Auf die deshalb ausgesprochene Bitte des Bundesrates, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens durch geeignete Regelungen
diese Gefahr zu beseitigen, hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu diesem Punkt darauf hingewiesen, dass derzeit
geprüft werde, wie dem bestehenden Problem abgeholfen werden könne (vgl. BT-Drucks. 16/12677 S.17, 23). Eine abschließende
Lösung dieser Problematik ist - wie oben dargestellt - bislang jedoch noch nicht erreicht worden. Vor diesem Hintergrund ist
es dem Antragsteller nicht zumutbar, den politischen Konflikt auf seinem Rücken als schwächstem Glied in der Kette auszutragen
und ihm gegebenenfalls zuzumuten, Ansprüche gegen seine Krankenversicherung im kostenpflichtigen Zivilrechtsweg, ggf. unter
Beantragung von Prozesskostenhilfe durchzusetzen.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kommt eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für zurückliegende Zeiträume vor Eingang
des Rechtsschutzantrages (hier am 16. August 2010) nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn eine Nicht- oder Minderleistung
in der Vergangenheit noch andauernde Auswirkungen für Gegenwart und Zukunft begründet. Wie bereits dargestellt, endet nach
§ 193 Abs. 6 Satz 4 1. Alternative VVG das hier von der u...... Krankenversicherung a.G. bereits festgestellte Ruhen der Versicherungsleistungen erst dann, wenn
alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind. Um sowohl zum jetzigen Zeitpunkt
als auch bis zum 30. November 2010 wieder einen "vollwertigen" Krankenversicherungsschutz erlangen zu können, bedarf der Antragsteller
daher zum einen der Übernahme rückständiger Beiträge durch die Antragsgegnerin, zum anderen der Übernahme des vollen Krankenversicherungsbeitrages
für November 2010.
Soweit der Antragsteller nunmehr in seinem Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen
Übernahme der tatsächlichen Kosten seiner privaten Krankenversicherung bis zur Höhe des hälftigen Basistarifes vom 1. August
bis zum 30. November 2010 begehrt, übersieht er, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung für August, September
und Oktober 2010 bereits fällig geworden sind und in dem von der u....... Krankenversicherung a.G. mitgeteilten Beitragsrückstand
enthalten sind. Eine nochmalige Übernahme der vollständigen Beiträge der privaten Krankenversicherung für August bis Oktober
2010 scheidet damit aus. Wie oben dargelegt, ist der Antragsgegner überdies lediglich verpflichtet, einen Beitragsrückstand
in Höhe von 811,13 € zu übernehmen. Das weitergehende Begehren des Antragstellers konnte somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG (vgl. BSGSozR 3-1500 § 1923 Nr. 6); dabei hat der Senat dem überwiegenden Obsiegen des Antragstellers bei der Kostenquotelung angemessen Rechnung getragen.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).