Nichterfüllung der Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Zeiten der Versicherung nach dem ALG
Berücksichtigung von Beitragszahlungen nach dem SGB VI
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte
hat.
Die 1952 geborene Klägerin erhielt von der Beklagten am 08.07.2015 folgende Rentenauskunft: Das Konto enthalte keine aufklärungsbedürftigen
Lücken, an Beitrags-, Kindererziehungs- und Ersatzzeiten seien 394 Monate anzurechnen, die Wartezeiten von 60 Monaten und
von 180 Monaten seien erfüllt. Ebenso sei mit 394 Monaten Beitragszeiten und 137 Monaten Anrechnungszeiten (= 531 Monate)
die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt. Für die Wartezeit von 45 Jahren, die für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte
gelte, seien davon jedoch nur 434 Monate zu berücksichtigen. Diese Wartezeit sei somit nicht erfüllt. Ebenso seien die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht gegeben. Eine Altersrente für langjährig Versicherte könne mit Abschlag
frühestens ab 01.08.2015 und ohne Abschlag ab 01.02.2018 bezogen werden.
Am 25.08.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Sie gab hierbei
an, gleichzeitig Altersgeld aus der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten
und Gartenbau (SVLFG) beantragt zu haben. Die Klägerin fügte eine Information zu Rentenansprüchen aus der LAK in der SVLFG
bei. Aus Beiträgen zur LAK sowie Zusplittungszeiten und alterskassenfremden Zeiten ergebe sich eine Summe maßgeblicher Zeiten
im Umfang von 48 Jahren.
Die Beklagte schrieb die Klägerin am 31.08.2015 an und verwies auf die im Juli übersandte Rentenauskunft. Danach könne die
notwendige Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht mehr erfüllt werden. Eine Altersrente
für langjährig Versicherte sei zum Rentenbeginn 01.08.2015 mit Abschlägen möglich. Es werde eine nicht rechtsverbindliche
Probeberechnung für diese Rente beigefügt. Die Klägerin solle mitteilen, ob sie eine Altersrente für langjährig Versicherte
ab dem 01.08.2015 wünsche. Auch sei der Rentenantrag nicht komplett zugesandt worden. Es würden einzelne Seiten fehlen. Dies
sei nachzuholen.
Am 28.09.2015 schrieb die Beklagte die Klägerin nochmals an und legte dar, welche Unterlagen zur Feststellung des Rentenanspruchs
noch benötigt würden. Mit Schreiben vom 27.10.2015 erfolgte schließlich eine Ablehnung des Antrags auf Zahlung der Altersrente
wegen fehlender Mitwirkung.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit einem auf den 04.11.2015 datierten Schreiben per Telefax am 09.11.2015 Widerspruch
ein. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 25.10.2016 bat die Klägerin, dass ihr noch einmal die fehlenden Angaben näher
erläutert würden und ihr dann ein ausdrücklicher Bescheid über die beantragte Altersrente für besonders langjährig Versicherte
erteilt werde.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2017 den Antrag der Klägerin auf Altersrente für besonders langjährig
Versicherte aus inhaltlichen Gründen ab. Die Klägerin habe die notwendige Mindestversicherungszeit für diese Rente nicht erfüllt.
Diese betrage 45 Jahre, wobei hierauf (nur) Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und Anrechnungszeiten
wegen des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, Leistungen bei Krankheit und Übergangsgeld, Berücksichtigungszeiten
wegen Kindererziehung oder wegen Pflege sowie Zeiten mit freiwilligen Beiträgen und Wartezeitmonate aus geringfügiger Beschäftigung
angerechnet werden könnten. Nicht anrechenbar seien: Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren
vor Rentenbeginn, freiwillige Beiträge in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn, wenn gleichzeitig eine Anrechnungszeit
wegen Arbeitslosigkeit vorliege, Zeiten des Bezuges von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II sowie Monate aus Versorgungsausgleich
oder Rentensplitting und Monate mit Pflichtbeiträgen in der SVLFG. Die Klägerin habe nur 434 Monate, die auf die Wartezeit
anrechenbar seien; die erforderlichen 540 Monate seien damit nicht erreicht.
Gleichzeitig stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid ebenfalls vom 21.02.2017 die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen
Daten für die Zeit bis 31.12.2010 verbindlich fest.
Mit Schreiben vom 05.03.2017 legte die Klägerin am 08.03.2017 Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.2017 ein, wobei aus
dem Kontext zu ersehen ist, dass sie sich gegen die Rentenablehnung wenden will. Sie brachte vor: Die Pflichtbeitragszeit
in der Landwirtschaftlichen Alterskasse entstehe kraft Sozialversicherungsgesetz für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau,
von dem sie sich auch nicht hätte befreien lassen können, und sei somit als "Pflichtbeitragszeit für eine versicherte Beschäftigung"
anzusehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2017 zurück. Voraussetzung für den Anspruch auf die Altersrente
für besonders langjährig Versicherte sei gemäß §
34 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) die Erfüllung der erforderlichen Mindestversicherungszeit (Wartezeit). Diese sei von der Klägerin nicht erfüllt. Beitragszeiten
im Sinne dieser Vorschrift seien Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge
wirksam zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden seien oder die nach besonderen Vorschriften den nach dem Bundesrecht
gezahlten Beiträgen gleichgestellt seien (§
55 Abs.
1 Satz 1
SGB VI, §
248, §
232 SGB VI). Unter der Bezeichnung Landwirtschaftliche Alterskasse nehme die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
die Aufgaben der Alterssicherung der Landwirte wahr. Sie sei kein Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern Teil
des Sondersystems der sozialen Sicherung der Landwirtschaft. Die zur Landwirtschaftlichen Alterskasse entrichteten Beiträge
würden somit nicht zu einer Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem
SGB VI führen.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.05.2017 per Telefax Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Ihr sei von der Beklagten zu
Unrecht eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte abgelehnt worden, weil die Pflichtzeiten bei der LAK nach der
willkürlichen Gesetzesinterpretation der Beklagten nicht anerkannt worden seien. Zur Begründung hat die Klägerin erneut vorgetragen,
dass die Versicherung bei der LAK eine Pflichtversicherung gewesen sei, gegen die sich die Klägerin nicht habe wehren können.
Die Beklagte erkenne die geleisteten Pflichtbeiträge nicht für die Berechnung einer Altersrente für langjährig Versicherte
an, obwohl es in der Anlage 2 zur Info Nr. 31/2014 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales folgendermaßen dargestellt
werde, dass "Zeiten der freiwilligen Versicherung, wenn mindestens 18 Jahre mit Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung oder aus
selbständiger Tätigkeit vorliegen" bei der Wartezeit mitgezählt werden. Das müsse dann erst recht gelten, wenn die Klägerin
verpflichtet gewesen sei, sowohl Zahlung an die Landwirtschaftliche Alterskasse als auch an die Beklagte zu zahlen. Die Klägerin
habe keine Chance gehabt, aus einem der Systeme der Rentenversicherungsträger auszutreten, obwohl sie mehrfach versucht habe,
in der Vergangenheit genau das zu erreichen. Zu beachten sei auch, dass unter den ausgeschlossenen Zeiten Pflichtbeiträge
von anderen Rentenversicherungsträgern nicht aufgeführt seien. Sofern es sich um Regelungslücken handele, die bislang noch
nicht geschlossen worden seien, könne es nicht sein, dass sich dies auf Kosten der Klägerin auswirke. Die Klägerin habe auch
keine Wahlmöglichkeit gehabt, so dass es ihr nicht anzulasten sei, dass die Beiträge nicht von beiden Rentenversicherungsträgern
für die Bestimmung der zu erfüllenden Wartezeit berücksichtigt werden könnten.
Die Beklagte hat entgegnet, dass eindeutig die Landwirtschaftliche Alterskasse kein Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung
sei und insofern zu der berufsständischen Altersvorsorge der Landwirte in Deutschland gehöre.
In einem Erörterungstermin vom 07.11.2017 hat das Sozialgericht die Beteiligten dazu angehört, dass es beabsichtige, durch
Gerichtsbescheid nach §
105 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu entscheiden.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.11.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Beitragszeiten
in der Landwirtschaftlichen Alterskasse nicht bei der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden können, weil es
sich hierbei nicht um einen Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern um einen Teil des Sondersystems der sozialen
Sicherung der Landwirtschaft handele. Zwar gebe es in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) eine Regelung, wonach Zeiten mit Pflichtbeiträgen nach dem
SGB VI bei der Wartezeiterfüllung bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse anzurechnen seien. Eine entsprechende Regelung im
SGB VI oder einem Spezialgesetz gebe es für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung aber nicht. Im Zuge eines Petitionsverfahrens
sei als Begründung, warum eine derartige Anrechnungsvorschrift im
SGB VI nicht vorgesehen sei, auf die Besonderheit der langen Wartezeit von 15 Jahren in der Landwirtschaftlichen Alterskasse für
die Altersrente hingewiesen worden und dass diese nur eine Teilsicherung für das Alter sein solle. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung
würden schon nach fünf Jahren Ansprüche auf eine Altersrente bestehen. Die Wartezeitregelungen dort seien ein spezieller Ausdruck
des Versicherungsprinzips. Beitragszeiten zur Landwirtschaftlichen Alterskasse seien auch nicht Beiträgen zur gesetzlichen
Rentenversicherung vergleichbar, weil sie nach Art und Höhe nicht mit denen nach dem
SGB VI vergleichbar seien. Zu verweisen sei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.02.2003 (Az. B 13 RJ 17/02 R - nach juris), wonach eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke nicht bestehe und eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ALG nicht in Betracht komme. Dies sei auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art.
3 Grundgesetz) nicht geboten. Zu verweisen sei ferner auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11.07.2011 (Az.
11 R 2569/10 - nach juris), der eine Gleichsetzung von Pflichtbeiträgen an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte abgelehnt hatte. Gegen
diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.12.2017 per Telefax Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Mit Beschluss vom 15.03.2018 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter übertragen.
Die Beklagte hat am 03.07.2018 mitgeteilt, dass der Klägerin mit Bescheid vom 29.06.2018 ab dem 01.10.2017 eine Altersrente
für langjährig Versicherte gewährt worden sei. Dieser Bescheid sei gemäß §
96 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des anhängigen Verfahrens. In dem Bescheid ist der Klägerin eine monatliche Rente in Höhe von 948,77 Euro mit
einem monatlichen Zahlbetrag von 845,83 Euro bewilligt worden.
In der mündlichen Verhandlung bringt die Klägerin vor, dass sich die Rechtsprechung aus dem Jahr 2003 nicht auf die später
geschaffenen Vorschriften der Rente für besonders langjährig Versicherte in der jetzt aktuellen Form beziehen könne. Auch
sei eine Vergleichbarkeit zu anderen berufsständischen Alterssicherungssystemen nicht gegeben, weil etwa das Versorgungswerk
der Rechtsanwälte nicht nach dem Prinzip des Generationenvertrages arbeite, sondern das Beitragsvermögen verwalte und aufbewahre.
Die Klägerin bringt weiter vor, dass in den Ausführungen bei der Einführung der Neuregelung der Altersrente für besonders
langjährig Versicherte in keiner Weise ein Ausschluss der Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse erwähnt worden seien.
Es sei davon auszugehen, dass diese einzubeziehen seien. Auch seien die Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse mittlerweile
so angestiegen, dass es sich nicht mehr um ein Teilsystem wie früher handele, sondern um eine Beitragshöhe, die wirtschaftlich
weitere Zahlungen an die Deutsche Rentenversicherung nicht möglich mache.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.11.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 25.08.2015
hin Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 01.08.2015 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.11.2017 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine
Altersrente für besonders langjährig Versicherte hat.
Nachdem der Rechtsstreit in erster Instanz durch Gerichtsbescheid (§
105 SGG) entschieden worden war, war die durch Beschluss vom 15.03.2018 vorgenommene Übertragung auf den Berichterstatter zulässig
(§
153 Abs.
5 SGG).
Streitgegenstand ist die Ablehnung der Rente für besonders langjährig Versicherte durch die Beklagte; die spätere Entscheidung
der Beklagten der Klägerin antragsgemäß ab Oktober 2017 eine Rente für langjährig Versicherte zu gewähren, ändert die angefochtene
Entscheidung nicht ab und ersetzt sie auch nicht. Somit ist der Bescheid vom 29.06.2018 entgegen den Ausführungen der Beklagten
nicht über §
96 SGG Gegenstand des laufenden Rechtsstreits geworden.
Nach §
38 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet
haben und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung zwar das 65. Lebensjahr
noch nicht vollendet gehabt, wäre aber im Gefolge der Übergangsregelung des §
236 b Abs.
1 iVm Abs.
2 Satz 1
SGB VI nach Überschreiten des 63. Lebensjahres möglicherweise zur Inanspruchnahme berechtigt gewesen.
Die Klägerin hat die erforderliche Wartezeit unstrittig durch die gegenüber dem Rentenversicherungsträger - Deutsche Rentenversicherung
Bund - gezahlten Beiträge jedoch nicht erfüllt. Der Auffassung der Klägerin, wonach zur Erfüllung der Wartezeit auch Zeiten
der Versicherung nach dem ALG heranzuziehen seien, ist die Beklagte zu Recht nicht gefolgt.
Nach §
51 Abs.
3 a SGB VI werden auf die Wartezeit von 45 Jahren folgende Zeiten angerechnet:
1. Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit,
2. Berücksichtigungszeiten,
3. Zeiten des Bezugs von
a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung,
b) Leistungen bei Krankheit und
c) Übergangsgeld,
soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren
vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine
Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt, und
4. freiwillige Beiträge,wenn mindestens 18 Jahre mit Zeiten nach Nummer 1 vorhanden sind; dabei werden Zeiten freiwilliger
Beitragszahlung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, wenn gleichzeitig Anrechnungszeiten wegen
Arbeitslosigkeit vorliegen.
Zu den Pflichtbeitragszeiten im Sinne der Nr. 1 dieser Vorschrift zählen jedoch nicht alle Beitragszahlungen, zu deren Zahlung
man auf Grund eines Bundesgesetzes verpflichtet ist, wie man nach dem Wortlaut vermuten könnte. Denn das wären etwa auch Zahlungen
zur Krankenversicherung, was offensichtlich unsinnig ist. Auch gehören hierzu nicht alle Zahlungen, die mit dem Ziel der Altersvorsorge
erfolgt sind. Vielmehr ist aus sämtlichen Auslegungsmerkmalen eine Beschränkung herzuleiten, wonach hier im Ergebnis nur Beitragszahlungen
erfasst sind, deren Zahlungspflicht sich aus dem
SGB VI ergibt.
Dies ist bereits aus der Systematik des Gesetzes zu ersehen. So bestimmt etwa §
197 Abs.
1 SGB VI: "Pflichtbeiträge sind wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist."
Der Begriff der Pflichtbeiträge ist für das
SGB VI in §
55 Abs.
1 SGB VI eingeführt. Die Vorschrift kann sich nur auf Beitragszahlungen innerhalb des
SGB VI beziehen, da keine Regelungsbefugnis für andere Bereiche damit verbunden ist und etwaige Ausnahmen deutlich angegeben hätten
sein müssen. Daraus ist zu ersehen, dass es sich bei den "nach Bundesrecht zu zahlenden Pflichtbeiträgen" um solche handeln
muss, die auf Grund einer Versicherung kraft Gesetzes (d.h. im Gefolge von §§
1 bis
4 SGB VI) zu zahlen gewesen waren.
Beiträge, die nach den Vorschriften des ALG gezahlt werden müssen, wären zwar - ebenso wie etwa die Krankenversicherungsbeiträge auch - unzweifelhaft Beiträge, für die
eine Zahlungspflicht nach Bundesrecht besteht; sie sind aber nach der Gesetzessystematik allesamt nicht von §
55 Abs.
1 Satz 1
SGB VI erfasst und damit eben gerade nicht bei der Wartezeitberechnung nach §
51 Abs.
3 a SGB VI mit zu berücksichtigen. Für die Krankenversicherung gibt es schon offensichtlich keinerlei Verknüpfung. Aber auch für ein
Verständnis der Regelung dergestalt, dass sich der Begriff von Pflichtbeiträgen mit Zahlungspflicht nach Bundesrecht erweiternd
allgemein auf Beiträge zu Alterssicherungssystemen - auch solchen außerhalb des
SGB VI - erstrecken solle und damit Beiträge nach dem ALG mitumfassen solle, gibt es keinen Anhaltspunkt. Die Grenzziehung ist vielmehr zutreffend so aufzufassen, dass nur Beitragszahlungen
nach dem
SGB VI zu berücksichtigen sind. Dies entspricht auch der einhelligen Auffassung der Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats vom 29.08.2014
- Az. L 19 R 376/14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.09.2003 - Az. L 2 RJ 3190/02; BSG, Urteile vom 06.02.2003 - Az. B 13 RJ 17/02 R - sowie vom 19.05.2004 - Az. B 13 RJ 4/04 R - jeweils zitiert nach juris). Die systematische Aussage der Gerichtsurteile aus dem Jahr 2003 erlaubt es auch diese Entscheidungen
auf Rechtsvorschriften gleichen oder ähnlichen Inhalts anzuwenden, die erst später eingeführt worden sind, solange dort nicht
ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist.
Eine abweichende Regelung ist im Zusammenhang mit der Neuregelung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht
geschaffen worden. Das Nichtansprechen der Landwirtschaftlichen Alterskasse in diesem Zusammenhang impliziert entgegen der
Ansicht der Klägerin auch nicht die Einbeziehung der dortigen Versicherungszeiten; im Gegenteil auf Grund der systematischen
Struktur wäre eine ausdrückliche Einbeziehung erforderlich gewesen, die aber vom Gesetzgeber nicht geschaffen worden ist.
Ergänzend kommt hinzu, dass die Gesetzesentstehung hat erkennen lassen, dass dem Gesetzgeber an einer restriktiven Handhabung
der Zugangsvoraussetzungen gelegen war.
Soweit man die Berücksichtigung von Beiträgen nach dem ALG als Pflichtbeitragszeiten aus §
55 Abs.
1 Satz 2
SGB VI herzuleiten versucht, trägt dies ebenfalls nicht. Dort wird bestimmt, dass Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten seien, für die
Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten würden. Zwar benennt die Kommentarliteratur eine Reihe von
Sachverhalten (z.B. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2010, §
55 SGB VI, Rn. 9), was aber nicht den Schluss zulässt, dass möglichst alle in Frage kommenden Zahlungen zur Alterssicherung von einer
derartigen Gleichstellung erfasst werden sollten. Das Gegenteil ist der Fall. Daraus, dass in einer Vielzahl von Konstellationen
ausdrückliche Verweisungen vorliegen, ergibt sich eindrücklich, dass die übrigen Fälle ohne solche Verweisungen gerade nicht
erfasst werden sollen. Im Fall des ALG existiert nur eine Verweisung, wonach Beiträge nach dem
SGB VI bei der Ermittlung von Zeiten beim ALG berücksichtigt werden (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ALG). Eine Verweisung, wonach Beiträge nach dem ALG als Pflichtbeiträge nach dem
SGB VI gelten, besteht dagegen eindeutig nicht. In Ermangelung einer besonderen Vorschrift, lässt sich die Berücksichtigung von
Zeiten nach dem ALG nicht aus §
55 Abs.
1 Satz 2
SGB VI herleiten.
Der Hinweis, dass die Alterssicherung der Landwirte auf Grund der Beitragshöhe nicht mehr als Teilsystem der Alterssicherung
bezeichnet werden könne, führt ebenfalls nicht weiter, weil dies eines der Argumente für die Schaffung der Verweisungsregelung
des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. ALG gewesen war und ein durch Änderung der Sachlage begründeter Wegfall dieser Regelung nichts zur Anerkennung des von der Klägerin
geltend gemachten Anspruchs nach dem
SGB VI beitragen würde.
Ebenso sind die Zahlungen an die LAK nicht als "freiwillige Beiträge" einzuordnen. Abgesehen davon, dass die Klägerin selbst
auf die Pflicht zur Zahlung an die LAK hingewiesen hat, fallen unter freiwillige Beiträge gemäß §
55 Abs.
1 Satz 1
SGB VI nur die im Rahmen des
SGB VI gezahlten Beiträge, was mit der Regelung bei den Pflichtbeiträgen übereinstimmt.
Die vorgenommene Gesetzesauslegung ist auch nicht verfassungswidrig. Durch die Aufteilung auf verschiedene Bereiche der Alterssicherung
etwa für Arbeitnehmer, Selbstständige, Landwirte, Künstler und Freiberufler mit berufsständischer Absicherung wird den Besonderheiten
des jeweiligen Bereichs Rechnung getragen. So hat etwa das BSG (Urt. v. 16.06.2005, Az. B 10 LW 1/03 R - zitiert nach juris) darauf hingewiesen, dass Landwirte typischerweise bei Eintritt in den Ruhestand über Hofübergabeverträge
und Verpachtungen freiere Gestaltungsmöglichkeiten und andere Absicherungsgrundlagen haben und nicht so auf die gesetzliche
Alterssicherung angewiesen sind wie Arbeitnehmer. Es kann auch nicht verlangt werden, dass zwischen den verschiedenen Bereichen
der Alterssicherung eine Kompatibilität und gegenseitige Anerkennung von eingebrachten Beitragszeiten zu erfolgen hat. Zwar
wäre eine Regelung, wonach für die Wartezeit die Beitragszeiten in den verschiedenen Systemen zusammengenommen werden, die
Zahlungshöhe dann aber nur innerhalb des Systems ermittelt wird, rechtlich grundsätzlich möglich; der Gesetzgeber hat aber
keine entsprechende Regelung getroffen und war hierzu auch nicht verpflichtet. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Alterssicherungssystem
seine Beiträge einsetzt - im Generationenvertrag oder im Kapitalstockverfahren.
Es liegt auch keine planwidrige Regelungslücke vor, wie die Diskussion bei Einführung von § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ALG gezeigt hat (vgl. BSG a.a.O.), sondern es geht um eine seinerzeit vom Gesetzgeber zwar zunächst erwogene, dann aber nicht eingeführte Gesetzesgestaltung.
Mit der - einseitigen - Regelung im ALG ist ein völliges "Durchrutschen" zwischen dem allgemeinen und dem landwirtschaftlichen Sicherungssystem - was insbesondere
bei Ehefrauen von Landwirten verhindert werden sollte - bereits ausgeschlossen, weil im Rahmen der landwirtschaftlichen Alterssicherung
auch die im allgemeinen System zurückgelegten Beitragszeiten für die Begründung eines Anspruchs herangezogen werden können.
Für eine Ausweitung auch in der umgekehrten Richtung, d.h. eine Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ALG im Rahmen des
SGB VI, besteht damit nicht mehr der gleiche Bedarf zur Abfederung eines Härtefalls.
Eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber einer vergleichbaren Personengruppe liegt nicht vor. Nachdem für die Klägerin
in der Vergangenheit auch die gesetzliche Möglichkeit zur parallelen Entrichtung von freiwilligen Beiträgen nach dem
SGB VI bestanden hatte, ist auch das Eigentumsrecht der Klägerin - was insbesondere im Hinblick auf die hier nicht streitgegenständliche
Anwartschaft auf eine Erwerbsminderungsrente bedeutsam sein könnte - nicht verletzt.
Der Senat schließt sich im Übrigen den Ausführungen des Sozialgerichts Nürnberg in dem angefochtenen Gerichtsbescheid an und
sieht gemäß §
153 Abs.
2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten entspricht dem geltenden Recht. Dementsprechend sind auch die Feststellungen der
erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.