Zulässigkeit der Verhängung von Ordnungsgeld im sozialgerichtlichen Verfahren bei Ausbleiben trotz Anordnung des persönlichen
Erscheinens
Gründe:
I. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) begehrt die Berücksichtigung ihres 13. und 14. Monatseinkommens bei der Festlegung
des für die Berechnung des Elterngeldes maßgeblichen (Netto-)Einkommens. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 28. Mai
2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2009 ab.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth verfolgt die Bf. diesen Anspruch weiter. Das Sozialgericht hat auf die höchstrichterliche
Rechtsprechung zu der Problematik hingewiesen und den Rechtsstreit zur Sitzung am 19. Juli 2010 geladen. Es hat das persönliche
Erscheinen der Bf., die von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird, angeordnet. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Bf.
am 15. Juli 2010 erklärt, die Ladung erhalten zu haben. Zur Sitzung ist sie nicht persönlich erschienen; anwesend war hingegen
der Prozessbevollmächtigte. Dieser hat angegeben, den Grund für das Nichterscheinen der Bf. nicht zu kennen. Sie habe ihm
jedoch vorab mitgeteilt, dass sie den Termin wegen ihrer drei Kinder nicht wahrnehmen könne. Es möge deshalb das persönliche
Erscheinen der Bf. aufgehoben werden.
Die Kammer hat nach geheimer Beratung der Bf. mit Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 EUR und die durch das Ausbleiben
verursachten Kosten auferlegt, weil diese trotz erneuter Belehrung am 15. Juli 2010 und ihrer eigenen Ankündigung der Anordnung
ihres persönlichen Erscheinens ohne ausreichende Gründe nicht Folge geleistet habe. Eine Abschrift des Beschlusses wurde den
Prozessbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 22. Juli 2010 zugestellt.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Bf. ausgeführt, dass der Ordnungsgeldbeschluss bereits deshalb
rechtswidrig sei, weil er als begründende Rechtsnormen die §§
118 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
380 Zivilprozessordnung (
ZPO) bezeichne, die allerdings lediglich die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen nicht erschienenen Zeugen regelten.
Ferner sei die Entscheidung ohne vorhergehende Entscheidung über den Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen ergangen.
In diesem Zusammenhang habe das Sozialgericht auch die Regelung des §
141 Abs.
3 S. 2
ZPO nicht berücksichtigt. Das persönliche Erscheinen sei nicht notwendig gewesen, da lediglich eine Rechtsfrage zu diskutieren
gewesen sei.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 SGG), insbesondere ist sie fristgerecht gemäß §
173 SGG eingelegt worden, so dass der Senat offen lassen kann, ob die Zustellung allein an den Prozessbevollmächtigten ausreichend
ist.
Die Beschwerde ist auch begründet. Voraussetzung für die Auferlegung von Ordnungsgeld ist gemäß §
111 SGG i.V.m. §§
141 Abs.
3,
380, 381
ZPO eine ordnungsgemäße Ladung sowie das unentschuldigte Nichterscheinen des Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet
war.
Nach §§
111,
202 SGG i.V.m. §
141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung
nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob das Gericht
eine Anordnung nach §
111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Nach §
141 Abs.
1 S. 1
ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts
geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weiter. Die Anordnung des persönlichen
Erscheinens der Bf. ist insofern ermessensfehlerfrei, zumal Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens auch die Herbeiführung
einer vergleichsweisen Erledigung sein kann (so z.B. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
111 Rdnr. 2).
Zu Recht weist die Bf. jedoch darauf hin, dass die Voraussetzungen des §
141 Abs.
3 S. 2
ZPO in Verbindung mit §
202 SGG gegeben sind. Danach kann die Partei auch bei Anordnung des persönlichen Erscheinens einen voll informierten, zur Abgabe
aller nötigen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss bevollmächtigten Vertreter entsenden, der zur Aufklärung
des Tatbestandes in der Lage ist. In der Regel hat die Verhängung von Ordnungsgeld zu unterbleiben, wenn eine das Verfahren
abschließende Entscheidung trotz Ausbleibens des Klägers ergehen kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
111 Rdnr. 6 a). Dabei sind vorliegend vor dem Hintergrund der Rechtsprechung inhaltlich Rechtsfragen zu entscheiden, zu deren
Klärung die Anwesenheit der Bf. nicht erforderlich war. Der Senat vermag nicht zu erkennen, weswegen das persönliche Erscheinen
der Bf. im Termin zur Sachaufklärung erforderlich gewesen wäre, so dass er die Voraussetzungen für die Festsetzung von Ordnungsgeld
gemäß §
111 SGG i.V.m. §
141 Abs.
3 S. 2
ZPO nicht für gegeben ansieht.
Der Beschluss war deshalb bereits aus diesem Grund aufzuheben. Ergänzend ist auch der Ausspruch, der Bf. die Kosten wegen
des versäumten Termins aufzuerlegen, aufzuheben, weil §
141 Abs.
3 S. 1
ZPO nur die Verhängung von Ordnungsgeld, nicht jedoch die Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten vorsieht (BayLSG
v. 01.02.2010, Az.: L 2 KA 26/09 B).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.