Berufskrankheit Nr. 4302
Obstruktive Atemwegserkrankung
Chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist im vorliegenden Teil des Verfahrens streitig, ob beim Kläger die Berufskrankheit (BK) Nr. 4302 der
Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) vorliegt und damit eine Berufskrankheit (BK) im Sinne des §
9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) gegeben ist. Die ursprünglich auch Gegenstand des Rechtsstreits bildende Frage, ob die BK Nr. 4301 vorliegt, hat der Senat
mit Beschluss vom 28.06.2016 vom vorliegenden Verfahren abgetrennt.
Die BK 4301 erfasst durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschl. Rhinopathie), die
zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der
Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die BK 4302 ist definiert als durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen,
die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Der 1955 geborene Kläger war von September 1970 bis September 2005 im Metall verarbeitenden Gewerbe tätig. Insbesondere arbeitete
er vom 05.10.1981 bis zum 31.03.1986 als Metallschleifer und Maschineneinsteller bei der Firma K. & C. in N-Stadt im Bereich
der Heckenscheren-Schleiferei. Vom 02.06.1986 bis zum 11.05.1990 war er bei der Firma K. im Werk N. als CNC-Dreher tätig.
Von September 1990 bis August 1991 arbeitete der Kläger als Automateneinsteller in der Kondensatorenfertigung bei der Firma
H. in Z-Stadt. Von September 1991 bis zum 30.09.2005 war der Kläger bei der Firma S. H. in W-Stadt beschäftigt.
Ab Oktober 2005 war der Kläger arbeitslos, seit Februar 2008 bezieht er Erwerbsminderungsrente.
Seit 1985 litt der Kläger immer wieder unter eitrigen Kieferhöhlenentzündungen. Im Jahre 1989 erfolgte eine Kieferhöhlen-Operation
im Krankenhaus S ... Danach war der Kläger vier Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach Wiederaufnahme der Arbeit bemerkte
er ein brennendes Gefühl im Mund und eine Erschwerung der Atmung. Der Kläger gab an, diese Beschwerden hätten gleichermaßen
zuhause wie auch am Arbeitsplatz bestanden, und wegen der Beschwerden habe er schließlich seine Tätigkeit bei der Firma K.
aufgegeben.
Am 19.04.1990 zeigte der Hautarzt Dr. K. der Beklagten den Verdacht des Vorliegens einer BK an, weil der Kläger unter Brennen
im Mund, Heiserkeit und Atembeschwerden leide, was auf das Einatmen von Kühlmitteln zurückzuführen sei.
Es folgten einige Ermittlungen seitens der Beklagten, die jedoch nicht in einen Bescheid mündeten.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten teilte in einem Gutachten vom 17.05.1991 mit, dass der Kläger im Zeitraum vom
05.10.1981 bis zum 31.03.1986 als Schleifer von Heckenscheren und vom 02.06.1986 bis zum 11.05.1990 als CNC-Dreher jeweils
mit Kühlschmierstoffen in Kontakt war, was eine Exposition im Sinne der BK 4302 darstelle.
Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. P. erklärte in einem Befundbericht vom 28.11.1990, dass ihn der Kläger
erstmals am 24.11.1989 aufgesucht habe und er eine rezidivierende Sinu-Bronchitis mit Obstruktion ohne Hinweis auf exogen-allergische
Genese festgestellt habe.
Die Beklagte holte das Gutachten des Arztes für Arbeits- und Sozialmedizin PD Dr. H. vom 08.01.1992 ein, der lungenfunktionsanalytisch
eine mäßiggradige obstruktive Ventilationsstörung fand, die im Bronchospasmolysetest nahezu vollständig reversibel war. Die
Hauttestung habe keinen Hinweis auf eine atopische Diathese oder ein berufsspezifisches Typ I-allergisches Geschehen ergeben.
Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und den Atembeschwerden sei aus folgenden Gründen unwahrscheinlich:
Erstens seien der jetzt beklagten Atemnot eitrige Kieferhöhlenentzündungen vorausgegangen. Zweitens sei die Atemnot erstmals
im unmittelbaren Anschluss an die Operation und dann nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im außerberuflichen Bereich aufgetreten.
Dieser Krankheitsverlauf spreche für das Vorliegen einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität. Das Vorliegen einer
solchen Erkrankung sei objektiv nachgewiesen durch den von Dr. P. in dessen Befund vom 28.11.1990 berichteten Acetylcholin-Test.
Nach klinischer Erfahrung habe sich diese unspezifische bronchiale Überempfindlichkeit am ehesten auf der Grundlage der eitrigen
Sinusitiden im Sinne eines sinubronchialen Syndroms entwickelt. Beruflich bedingte Einwirkungen in der Firma K. könnten nicht
für die Entstehung dieser Erkrankung verantwortlich gemacht werden, zumal es sich um gekapselte Maschinen gehandelt habe.
Einen Bescheid hat die Beklagte - wie bereits erwähnt - im Anschluss an diese Ermittlungen nicht erlassen.
Am 06.11.2006 zeigte Dr. H. bei der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Es bestehe ein Asthma bronchiale mit
starker Atemnot und Brustschmerzen. Die Beschwerden hätten ca. 1983 im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Schleifer begonnen
und seien auf Dämpfe und Schleifstaub zurückzuführen. Dr. H. bestätigte in seinem Befundbericht vom 07.05.2008, dass der Kläger
seit 1985 unter chronisch rezidivierenden Atemwegsinfekten und seit 1990 unter asthmatischen Beschwerden litt.
Auf die ausführliche Beschreibung aller bisherigen Beschwerden und Expositionen durch den Kläger mit Schreiben vom 23.11.2006
wird Bezug genommen.
Der Präventionsdienst der Beklagten nahm mit Schreiben vom 24.07.2007, vom 03.03.2008, vom 24.02.2009, vom 10.06.2011 und
vom 21.09.2011 zu den beruflichen Expositionen des Klägers Stellung. Die Stellungnahmen vom 24.07.2007 und vom 03.03.2008
beschäftigten sich mit den Expositionen des Klägers bei der Firma S. H. in W-Stadt von 1991 bis 2005. Nach Aussage der Geschäftsleitung
des Betriebs sei sehr darauf geachtet worden, dass der Kläger nur dort eingesetzt wurde, wo er nicht direkten Umgang mit Schweiß-
und Schleifstäuben oder Lösemitteln hatte. Dies habe auch der Versicherte bestätigt. Der häufige Arbeitsplatzwechsel verbunden
mit einer immer kürzeren Aufenthaltsdauer sei darauf zurückzuführen, dass sich der Kläger durch benachbarte Arbeiten belästigt
gefühlt habe (Schweiß- und Schleifarbeiten, Umgang mit Lacken und Verdünnung). Messungen am Arbeitsplatz des Versicherten
seien nicht direkt durchgeführt worden. Bei einer Schweißrauchmessung in der Schweißerei am 26.06.2002 seien die damaligen
Grenzwerte eingehalten worden. Der Betriebsakte lasse sich entnehmen, dass ein reger Schriftverkehr bezüglich einer Optimierung
der lüftungstechnischen Anlagen in Halle 2 noch bis 2002 stattgefunden habe. Zur Tätigkeit des Klägers in der Heckenscheren-Schleiferei
der Firma K. & C. von 1981 bis 1986 hat der Präventionsdienst ausgeführt, dass der damalige Arbeitsbereich des Klägers nicht
mehr existiere. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass die Lüftungsverhältnisse zur damaligen Zeit üblich gewesen
seien, allerdings aus heutiger Sicht nicht dem Stand der Technik entsprächen und deshalb als schlecht anzusehen seien. Dabei
sei auch zu berücksichtigen, dass die Grenzwerte für Kohlenwasserstoffe sehr hoch seien. Eine Geruchsbelästigung könne bereits
bei deutlich niedrigeren Konzentrationen einsetzen. Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers bei der Firma K. als Dreher in
der Zeit von 1986 bis 1990 habe es zur damaligen Zeit keine Messungen bezüglich Kühlschmierstoff-Expositionen gegeben. Aufgrund
der Erfahrungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen könne jedoch unterstellt werden, dass der zuletzt gültige Grenzwert von 10
mg/cm3 auch am Arbeitsplatz des Klägers eingehalten worden sei. Soweit der Kläger geltend mache, dass eine Absauganlage nicht installiert
gewesen sei, so stehe dem die gegenteilige Aussage der Firma K. entgegen, wonach elektrostatische Absaugungen an den neueren
Maschinen vorhanden gewesen seien, auch an der des Klägers. Allerdings könne durch den Betrieb etlicher konventioneller offener
Maschinen ohne Absaugung zu erklären sein, dass immer ein leichter Nebel in der Halle gewesen sei. In der Stellungnahme vom
21.09.2011 erläuterte der Präventionsdienst, die von der Firma K. & C. eingesetzten Maschinen seien offen und nur mit einem
Spritzschutz versehen gewesen. Die vorhandene Absaugung habe sicher nicht alle Dämpfe erfasst.
Die Beklagte stellte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 09.11.2007 fest, dass beim Kläger keine Berufskrankheit
nach den Nrn. 4301 bzw. 4302 der BK-Liste (obstruktive Atemwegserkrankungen) vorliege. Ansprüche auf Leistungen bestünden
nicht. Dies gelte auch für Leistungen und Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken.
Zur Begründung hat die Beklagte in dem Bescheid ausgeführt, bereits in früheren Feststellungsverfahren habe bei der arbeitsmedizinischen
Untersuchung durch Dr. H. eine Berufsbezogenheit der Atemwegserkrankung nicht festgestellt werden können. Die nunmehr vorgenommenen
Ermittlungen betreffend die Tätigkeit des Klägers in der Firma S. H. W-Stadt von 1991 bis 2005 hätten keine Belastungen ergeben.
Den gegen diesen Bescheid am 28.11.2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2008
als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 07.05.2008 beim Sozialgericht (SG) Regensburg Klage erhoben.
Das SG hat den Chefarzt des Bezirksklinikum O., Klinik für Erkrankungen der Atmungsorgane, Dr. H., zum Sachverständigen ernannt,
der in seinem Gutachten vom 22.10.2008 das Vorliegen einer BK 4302 bejaht hat. Der Kläger leide an einer leichtgradigen Obstruktion
mit mäßiger Überblähung ohne Gasaustauschstörung und ohne ventilatorische bzw. respiratorische Limitierung der körperlichen
Belastbarkeit. Die obstruktive Atemwegserkrankung sei unter inhalativer Therapie mit einer Kombination aus lang wirksamem
Beta-2-Sympathomimetikum und Steroid stabil. Die daraus resultierende MdE sei mit 20 v.H. zu bewerten. Erstmals diagnostiziert
worden sei eine Obstruktion am 24.11.1989 durch Dr. P., damals mittelgradig. Seit 1989 sei keine Verschlimmerung der obstruktiven
Atemwegserkrankung eingetreten. Für die Frage der beruflichen Verursachung seien deshalb nur Einflussfaktoren bis November
1989 zu betrachten. Relevant seien also die Kühlmittelexpositionen von 1980 bis 1989. Das Gutachten des PD Dr. H. aus dem
Jahre 1999 sei durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse überholt. Inzwischen bestünden zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse,
die irritative Effekte einer Kühlschmiermittelexposition auf die Atemwege beschrieben. Insbesondere werde in den neueren Publikationen
darauf hingewiesen, dass sich Kühlschmierstoffe, die in der Regel als Wasser-Öl-Emulsion eingesetzt würden, während des Gebrauches
durch die Bildung von Reaktionsprodukten sowie durch eine mikrobielle Kontamination mit Bakterien und Pilzen stark veränderten.
Ein Kausalzusammenhang könne auch bei Einhaltung des in Deutschland etablierten Grenzwertes von 10 mg pro Kubikmeter keinesfalls
ausgeschlossen werden. Heute sei bekannt, dass durch Kühlschmiermittel bzw. deren Verunreinigungen ausgelöste obstruktive
Atemwegserkrankungen in der Regel chemisch-irritativer bzw. toxischer, jedoch nicht allergischer Genese seien. Der negative
Ausfall des im Rahmen der Begutachtung durch PD Dr. H. veranlassten Pricktests mit Kühlschmierstoffen sei deshalb zur Beurteilung
des Zusammenhangs zwischen Kühlschmiermittel-Exposition und Atemwegserkrankung irrelevant und könne nicht als Indiz für eine
außerberufliche Verursachung der Atemwegserkrankung des Klägers herangezogen werden. Zur Exposition des Klägers hat der Sachverständige
ausgeführt, dass von 1981 bis 1986 eine erhebliche Kühlschmiermittelexposition vorhanden gewesen sei. So sei der Spritzschutz
in den ersten Jahren der Tätigkeit unzureichend gewesen. Es sei zu starken Verunreinigungen des Kühlmittelbehälters gekommen
der nur einmal jährlich gereinigt worden sei. Zusammenfassend habe von 1981 bis 1986 eine erhebliche Exposition gegenüber
Kühlschmierstoffen und den darin enthaltenen Verunreinigungen vorgelegen. Auch wenn das Konzentrat der verwendeten Kühlschmierstoffe
unter normalen Bedingungen physikalisch nicht in Gasphase vorgelegen habe, sei ein reizender Effekt auf die Atemwege durch
die Entstehung von Aerosolen anzunehmen, die auch in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung beschrieben worden sei. Auch
für die Tätigkeit bei der Firma K. von 1986 bis 1990 sei eine derartige Exposition anzunehmen. Trotz Kapselung der CNC-Maschinen
seien Kühlmitteldämpfe ausgetreten, und Expositionen seien zum Beispiel auch beim Einrichten und bei der Maßkontrolle der
Maschinen erfolgt, da man sich hierbei mit Kopf und Oberkörper in den mit Schmierkühlmittel verqualmten Maschinenraum habe
beugen müssen. Denkbar seien im Falle des Klägers drei Verursachungsmöglichkeiten: - eine obstruktive Atemwegserkrankung als
Folge einer berufsunabhängigen chronisch-eitrigen Sinusitis; - die Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung unabhängig
von der chronischen Sinusitis: Diese Möglichkeit erscheine aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich wahrscheinlicher
als 1992. - Die chronisch-eitrige Sinusitis könne auf eine bakterielle Kontamination des Kühlschmiermittels zurückzuführen
sein, die angesichts des langen Wechselintervalls von 1 Jahr zu unterstellen sei. Eine Zuordnung exakter Wahrscheinlichkeiten
zu den oben diskutierten drei Möglichkeiten der obstruktiven Atemwegserkrankung des Klägers sei nicht möglich. Andere außerberufliche
Ursachen einer obstruktiven Atemwegserkrankung könnten jedoch ausgeschlossen werden. Insgesamt spreche mehr für eine berufliche
Verursachung als für eine außerberufliche. Dabei könne die berufliche Verursachung entweder auf die Verunreinigung der Kühlschmiermittel
zurückzuführen sein, die durch die bakterielle Verunreinigung zur chronisch-eitrigen Sinusitis geführt habe, oder durch die
irritativ-toxische Wirkung des Kühlschmiermittels unabhängig von der chronischen Sinusitis.
Der Eintritt des Versicherungsfalls sei auf das Ende der Tätigkeit des Klägers bei der Firma K. AG im Mai 1990 zu datieren,
als der Kläger die letzte mit Kühlschmiermittelexposition verbundene Tätigkeit aufgegeben habe.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. U. V., Internist und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, hat in seiner
Stellungnahme vom 17.11.2008 nach neuerlicher Durchsicht der Aktenunterlagen das Gutachten des Dr. H. für überzeugend erachtet
und der Bejahung der Kausalitätsfrage zugestimmt. Bei Fehlen jedweder anderer außerberuflicher relevanter Risiken für Atemwegserkrankungen
sei die Annahme des Sachverständigen berechtigt, dass die Sinusitis im Zusammenhang mit der beruflichen Exposition stehe und
dass sich sekundär durch einen "Etagenwechsel" das Asthma bronchiale entwickelt habe.
Trotzdem widersprach die Beklagte dem Gutachten des Dr. H. mit der Begründung, dass sich aus den Ermittlungsergebnissen keine
Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete und vom Gutachten unterstellte Verunreinigung der Kühlschmiermittel ergäben.
Daraufhin hat das SG Prof. Dr. G. S., Arzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie und Umweltmedizin und ehemals Leiter der Fachklinik für
Erkrankungen der Atmungsorgane D-Stadt, zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser
teilte mit Schreiben vom 14.04.2009 mit, vor Erstattung des Gutachtens sei eine weitere Sachaufklärung durch Einholung eines
HNO-ärztlichen Gutachtens erforderlich zu den Fragen, 1. inwieweit ein Zusammenhang zwischen berufsbedingter Exposition von
Kühlschmierstoffen und Entwicklung einer eitrigen Sinusitis möglich bzw. wahrscheinlich oder auszuschließen ist und 2. inwieweit
durch die beim Kläger durchgeführte HNO-ärztliche Operation die Entstehung eines Asthma bronchiale mit gesteigerter bronchialer
Reaktivität gegenüber Kühlschmierstoffen wie auch Umweltfaktoren (Kälte, Stäube etc.) begünstigt wurde.
Daraufhin hat das SG den Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des Klinikums St. E. S-Stadt, PD Dr. K., zum Sachverständigen ernannt,
der in seinem Gutachten vom 28.10.2009 die von Prof. Dr. S. aufgeworfenen Fragen wie folgt beantwortet hat: 1. Im Einzelfall
des Klägers sei die Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen als Auslöser der Sinusitis und Rhinitis wahrscheinlich. Dies ergebe
sich, basierend auf dem Literaturstudium, aus dem engen anamnestischen Zusammenhang zwischen Exposition und Beschwerden sowie
der Verringerung der Symptomatik nach Expositionsende. 2. Die Operation im Bereich der Nasenscheidewand, der Nasenmuschel
und der Nasennebenhöhlen sei selbst nicht Auslöser des Asthma bronchiale oder der gesteigerten bronchialen Reaktivität. Diese
Operation habe nach Angaben des Klägers auch keinerlei Verbesserung des Symptomatik erbracht. Das Asthma bronchiale wie auch
die Beschwerden im Bereich der Nase und der Nasennebenhöhlen seien im Rahmen der Exposition gegenüber den Kühlschmiermitteln
zu sehen.
Auf der Grundlage des HNO-ärztlichen Gutachtens hat der Sachverständige Prof. Dr. G. S. am 21.07.2010 sein Gutachten nach
Aktenlage erstattet und die Voraussetzungen der BK 4302 bejaht. Es sei die Diagnose einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung
mit mäßiggradiger Obstruktion zu stellen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien die beim Kläger aufgetretenen Nasennebenhöhlenerkrankungen
als Folge der Exposition gegenüber Kühlschmiermitteln während der Tätigkeiten bei der Firma K. & C. aufgetreten, und zwar
unabhängig davon, ob dort eine Verunreinigung der Kühlschmiermittel bestanden habe oder nicht. Die Schilderungen der Arbeitsbedingungen
ließen eine Verunreinigung stark vermuten. Durch die Tätigkeiten des Klägers bei der Firma K. & C. sowie bei der Firma K.
lasse sich die Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung zweifelsfrei erklären. Die in dem Bericht der Firma K. geschilderten
Kühlschmiermittelnebel in der Halle und das Hineinbeugen in den Arbeitsraum sprächen ganz überwiegend dafür, dass zumindest
zeitweilig die gültigen Grenzwerte überschritten wurden, zumal keine Messungen, die das Gegenteil bewiesen hätten, vorlägen
und auf das Einhalten der Grenzwerte nur aufgrund von Erfahrungen geschlossen worden sei. Im Übrigen sei belegt, dass auch
bei Unterschreiten der gültigen Grenzwertkonzentrationen Atemwegserkrankungen durch Kühlschmiermittel ausgelöst werden könnten.
Der Versicherungsfall sei auf den Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit bei der Firma H. im Juni 1991 zu datieren, weil damit
eine Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen geendet habe. Die MdE sei ab diesem Zeitpunkt mit 20 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten nicht mehr die Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. V. eingeholt, der sich bereits der
Auffassung des Dr. H. angeschlossen hatte, sondern legte den Fall ihrem Beratungsarzt Dr. W., Facharzt für Arbeitsmedizin,
Allergologie und Umweltmedizin vor. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 19.04.2010 ausgeführt, die Gutachten seien schlüssig,
gingen aber von einer falschen Grundvoraussetzung aus: Der Zusammenhang zwischen einer nicht exzessiven, sondern eher durchschnittlichen
Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen und chronisch rezidivierenden Nasennebenhöhleninfekten könne nicht angenommen werden
i. S. einer chemisch-irritativen oder toxischen Reizung. Durch allergisierende Stoffe verursacht wäre dieser Zusammenhang
möglich. Bei fehlendem Nachweis einer arbeitsplatzbezogenen Sensibilisierung scheide dieses Krankheitsbild (BK 4301) jedoch
aus. Mit einer MdE von 20 v.H. wäre die obstruktive Atemwegserkrankung angemessen beurteilt, sofern die Kausalität zu bejahen
wäre. Der Beginn der Berufskrankheit wäre auf Juni 1991 zu datieren mit der Beendigung der Tätigkeit bei der Firma H. und
damit dem Ende der Kühlschmiermittelexposition Die chronische Atemwegserkrankung sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Folge
der chronischen Sinusitis. Eine direkte Verursachung der obstruktiven Atemwegserkrankung durch Einwirkung von Kühlschmierstoffaerosolen
auf die Bronchialwege sei sehr unwahrscheinlich. Ohne die chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen könne bei den Arbeitsbedingungen
des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass die Kühlschmierstoffaerosole in ausreichender Konzentration auf die Bronchialwege
gewirkt hätten, um eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer BK Nr. 4302 zu verursachen.
Der Sachverständige Prof. Dr. S. sei in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.08.2010 hierzu bei seiner Auffassung geblieben.
Er ist der Auffassung, dass Dr. W. die Arbeitsbedingungen des Klägers zu günstig einschätze. So gehe Dr. W. nicht auf die
Schilderungen von Mitarbeitern ein, dass in der Maschinenhalle bei der Firma K. ständig ein Kühlschmiermittel-Nebel vorhanden
gewesen sei und es vom Maschinendach getropft habe. Die Auffassung des Dr. W., der Kläger sei keiner exzessiven, sondern eher
einer durchschnittlichen Exposition von Kühlschmierstoffaerosolen ausgesetzt gewesen, sei angesichts der dezidierten Schilderungen
der Arbeitsbedingungen durch den Kläger, der nach Auffassung des Prof. Dr. S. keine Übertreibung herauszulesen sei, wie auch
der in den Akten dargelegten Schilderungen früherer Arbeitsverhältnisse bei der Firma K., nicht nachvollziehbar. Außerdem
habe Dr. K. in seinem Gutachten Literaturstellen nachgewiesen, die ein gehäuftes Auftreten von Atemwegserkrankungen bei Schadstoffexpositionen
auch unterhalb der gültigen Grenzwerte belegten. Herrn Dr. W. sei in seiner kritischen Anmerkung zuzustimmen, es sei in den
Untersuchungen nicht zwischen möglicherweise allergisch und nicht-allergisch bedingten Beschwerden unterschieden worden. Prof.
Dr. S. erläutert weiter, er sei in seinem Gutachten zu dem Schluss gekommen, es sei sehr wahrscheinlich, dass die beim Kläger
aufgetretenen Sinusitiden mit operativer Behandlung und die obstruktive Atemwegserkrankung infolge der Expositionen mit Kühlschmiermitteln
an verschiedenen Arbeitsplätzen aufgetreten seien. Dabei sei er nicht von einer genauen kausalen Abfolge im Sinne von "als
erstes Sinusitis und als ihre direkte Folge obstruktive Atemwegserkrankung" ausgegangen. Die obstruktive Atemwegserkrankung
sei als Berufskrankheit Nr. 4302 anzuerkennen.
Hierzu hat der Beratungsarzt Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 13.09.2010 angeführt, dass in den vom Kläger vorgelegten arbeitsmedizinischen
diagnostischen Tabellen der Universität Homburg der Zusammenhang zwischen Kühlschmierstoffen und Sinusitis explizit nur bezüglich
einer allergischen Wirkung aufgeführt sei und nicht im Sinne einer irritativ-toxischen Wirkung. Dass die Grenzwerte für die
Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen eingehalten wurden, werde nicht dadurch widerlegt, dass Kühlschmierstoff an kälteren
Flächen Niederschlag fand und von dort herabtropfte. Er sehe die Arbeitsbedingungen bei der Firma K. weiterhin als wie vom
Präventionsdienst beschrieben an und nicht abweichend von vergleichbaren Arbeitsplätzen mit ähnlichen Konditionen. Die Bedingungen
bei dem vorangegangenen Arbeitgeber der Firma K. & C. seien als ungünstiger zu bewerten. Dafür spreche auch, dass es dem Kläger
nach Beendigung seiner dortigen Tätigkeit und während der ersten ein bis zwei Jahre bei der Firma K. besser gegangen sei,
bis er wieder größere Probleme mit der Mund- und Rachenschleimhaut bekam. Diese Anamnese spreche für günstigere Arbeitsbedingungen
bei der Firma K. gegenüber der Firma K. & C. Insgesamt könne er zwar nicht ausschließen, dass die obstruktive Atemwegserkrankung
des Klägers direkt durch Kühlschmierstoffaerosole bedingt wurde. Aufgrund der parallel vorhandenen chronischen rezidivierenden
Nasennebenhöhlenentzündungen sei es aber wesentlich wahrscheinlicher, dass die obstruktive Atemwegserkrankung Folge eines
sinubronchialen Syndroms bei chronischer bzw. chronisch rezidivierenden Sinusitiden sei. Auch eine wesentliche Mitbeteiligung
durch die Kühlschmierstoffe sei nicht anzunehmen.
Schließlich hat das SG Prof. Dr. med. Dipl.-Chem. G. T., Direktor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums
H., zum Sachverständigen ernannt, der nach persönlicher Untersuchung des Klägers in H. am 16.02.2012 sein Gutachten erstattete.
Eine Berufskrankheit Nr. 4301 sei zu verneinen. Eine Sinusitis sei demgegenüber keine Listenkrankheit der aktuellen BK-Liste.
Dies treffe auch für eine nicht-allergische oder toxische Rhinitis zu, die nicht zum Krankheitsbild einer BK 4302 gehöre.
Eine Sinusitis könne auch nicht als "Wie-Berufskrankheit" anerkannt werden, weil die erforderliche "Gruppentypik" derzeit
nicht zu bestätigen sei. Es lägen keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse vor, dass bei Kühlschmiermittel-Exposition
statistisch signifikant häufiger Erkrankungen an Sinusitis im Vergleich zur übrigen Bevölkerung auftreten. Es liege jedoch
eine BK Nr. 4302 vor. Bezüglich der Expositionen können lediglich angenommen werden, dass der Kläger im Zeitraum von 1981
bis 1990, d.h. rund zehn Jahre lang, als Metallschleifer und CNC-Dreher gegenüber Kühlschmiermitteln in unbekannter Höhe exponiert
gewesen sei. Es sei somit von einer beruflichen Gefährdung für die Entstehung einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne
der BK 4302 auszugehen. Die Frage, ob der - frühere - Luftgrenzwert für Kühlschmierstoffe unter- bzw. überschritten wurde,
sei im Falle des Klägers nicht das alleinige Kriterium. Wichtig sei vielmehr die Tatsache, dass bei dem Kläger zu diesem Zeitpunkt
bereits eine chronische Entzündung der oberen Atemwege infolge rezidivierender Infektionen vorgelegen habe, so dass die berufliche
Belastung durch Kühlschmierstoffe, die bei einem Atemwegsgesunden wahrscheinlich keine irritativen Wirkungen auslösen würde,
beim Kläger zur Entwicklung einer chronischen obstruktiven Atemwegserkrankung (nicht-allergisches Asthma bronchiale) beigetragen
habe. Die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers sei mit Wahrscheinlichkeit sowohl durch berufliche als auch durch nicht-berufliche
Faktoren verursacht worden. Zu den nicht-beruflichen Ursachen gehörten die rezidivierenden Infektionen der oberen Atemwege
(Rhinosinusitiden), die wahrscheinlich zu einem sinu-bronchialen Syndrom geführt hätten. Als berufliche Ursache sei die langjährige
Exposition gegenüber Kühlschmiermitteldämpfen zu bestätigen, die wesentlich zur Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung
beigetragen habe. Die Tatsache, dass der Kläger auch im Zeitraum von 1991 bis 2005 (Firma S.) einer inhalativen Gefährdung
durch Kühlschmiermitteldämpfe ausgesetzt war, habe dazu geführt, dass sich die obstruktive Atemwegserkrankung nicht wesentlich
gebessert habe. Aufgrund der Chronifizierung sei eine Besserung auch nach Beendigung der beruflichen Gefährdung im Jahr 2005
nicht eingetreten. Bei der obstruktiven Atemwegserkrankung des Klägers handle es sich somit um eine Berufskrankheit Nr. 4302
im Sinne der wesentlichen Mitursache. Wenn man die Kriterien "keine völlige Beschwerdefreiheit, keine Belastungsdyspnoe, nur
geringgradige Veränderungen in der Lungenfunktion, Normoxämie und die Therapie (Bronchodilatatoren, Corticoid)" berücksichtige,
sei zum Untersuchungszeitpunkt eine MdE von 20 v.H. angemessen. Aufgrund der Krankheitsvorgeschichte habe diese MdE auch im
Jahre 2008 vorgelegen.
Der Beratungsarzt Dr. W. hat in seiner Stellungnahme vom 10.05.2012 dem Gutachten des Prof. Dr. T. insoweit widersprochen,
als dieser zu Unrecht die Belastung durch Kühlschmierstoffe als wesentliche Mitursache angesehen habe. Es könne nämlich nicht
die Mitursächlichkeit der Kühlschmierstoffe im Sinne der Conditio-sine-qua-non festgestellt werden. Vielmehr reiche für die
Entstehung der Atemwegserkrankung alleine die chronische Sinusitis aus, um im Sinne eines sinubronchialen Syndroms zur chronisch
obstruktiven Atemwegserkrankung zu führen. Die Exposition gegenüber den Kühlschmierstoffen könne deshalb hinweggedacht werden,
ohne dass die obstruktive Atemwegserkrankung entfiele.
Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat hierzu am 10.09.2012 Stellung genommen, dass sich seine Beurteilung nicht ändere. Zwei
Mitursachen müssten nicht völlig gleichwertig sein, um beide als wesentliche Mitursachen angesehen zu werden. Aufgrund der
Tatsachen, dass - Kühlschmierstoffe zu den chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkenden Arbeitsstoffen gehörten, - diese nach
Inhalation Schleimhautirritationen der oberen und tieferen Atemwege verursachen, - die Studie von PARK et al. (2008) bei exponierten
Beschäftigten eine hohe Rate von rund 62 % mit Rhinitis-Beschwerden ergeben habe und - ein zeitlicher Zusammenhang zwischen
der mehrjährigen Exposition des Klägers einerseits und den Beschwerden im Bereich des oberen Atemtrakts andererseits bestehe,
sei seiner Auffassung nach ein Ursachenzusammenhang im Sinne der wesentlichen Mitursache hinreichend wahrscheinlich zu machen.
Berücksichtige man die arbeitsanamnestischen Angaben, habe es sich retrospektiv um eine erhebliche inhalative Gefährdung gehandelt.
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2008 zu verurteilen,
beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur
BKV anzuerkennen und dem Kläger dieserhalb Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Das SG Regensburg hat mit Urteil vom 23.04.2013 (Az. S 1 U 110/08) die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Beim Kläger liege
weder eine BK Nr. 4301 noch eine BK Nr. 4302 der Anlage 1 zur
BKV vor. Auch eine Wie-BK im Sinne des §
9 Abs.
2 SGB VII sei nicht gegeben. Die Annahme einer BK 4301 scheitere schon an der fehlenden allergischen Genese der obstruktiven Atemwegserkrankung
des Klägers. Bezüglich der BK Nr. 4302 seien schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht im erforderlichen Vollbeweis
nachgewiesen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die gültigen Grenzwerte eingeholt worden seien. Jedoch wäre die BK Nr. 4302
auch dann nicht anzuerkennen, wenn das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen unterstellt würde. Aus den Ausführungen
des Sachverständigen ergebe sich lediglich, dass die Möglichkeit bzw. das Nicht-ausgeschlossen-Sein der Verursachung durch
Kühlschmierstoffe gegeben sei, was aber für die Annahme des Ursachenzusammenhanges nicht genüge. Die Sachverständigen hätten
auch nicht klären können, auf welchem der drei diskutierten Verursachungswege die obstruktive Atemwegserkrankung ausgelöst
worden sei. Das Gericht sei daher der Auffassung, dass die Rhinitis bzw. Sinusitis als sog. konkurrierende Ursache nicht hinweggedacht
werden könne, ohne dass dadurch die obstruktive Atemwegserkrankung entfiele. Weder Rhinitis noch Sinusitis würden aber von
der BK Nr. 4302 erfasst und seien auch in der Bevölkerung allgemein weit verbreitet. Zwar sei bei der Ursächlichkeit "wesentlich"
nicht mit "gleichwertig" gleichzusetzen, da aber andererseits der Sinusitis als nicht berufsbedingter Ursache die überragende
Bedeutung für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung zukomme, seien rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende
Ursachen - die hier aber nicht in Art und Ausmaß gesichert seien - nicht zu berücksichtigen. Zusammenfassend hat das Gericht
festgestellt, dass es sich vom Vorliegen der BK Nr. 4302 nicht überzeugen könne, da weder die in den achtziger Jahren festgestellte
Rhinitis noch die Sinusitiden mit hieraus resultierender Sinubronchitis und obstruktiver Atemwegserkrankung mit Wahrscheinlichkeit
auf berufsbezogene Noxen (Kühlschmierstoffe) zurückgeführt werden könnten, sondern außerberuflich erworben worden seien.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Sozialgerichts, das ihm am 15.07.2013 zugestellt worden war, am 09.08.2013 beim Bayerischen
Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2016 hat der Senat den Rechtsstreit abgetrennt, soweit er die Berufskrankheit Nr.
4301 betrifft. Der Kläger hat die Arbeitssituation vor allem bei der Fa. K. & C. geschildert. Auf die Sitzungsniederschrift
wird verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.04.2013 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2007 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2008 festzustellen, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur
BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung bedarf gemäß §
144 SGG keiner Zulassung.
Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, soweit sie sich auf die Feststellung der BK 4302 bezieht. Insoweit ist die Klage zulässig und begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §
54 Abs.
1 in Verbindung mit §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG statthaft und zulässig.
Nach gerichtlichem Hinweis auf die streitgegenständlichen Bescheide hat der Kläger seinen Antrag auf die Feststellung einer
BK 4302 beschränkt und den Antrag auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. in diesem Verfahren nicht
mehr weiter verfolgt.
Die Klage ist auch begründet, weil die BK 4302 als Berufskrankheit im Sinne des §
9 SGB VII beim Kläger festzustellen ist.
Die BK 4302 ist definiert als durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen,
die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Das Vorliegen der Voraussetzungen der BK Nr. 4302 ergibt sich für den Senat aus der übereinstimmenden Auffassung aller drei
von Amts wegen eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten, sowohl des Dr. H. als auch des Prof. Dr. S. und des Prof.
Dr. T ... Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dem HNO-ärztlichen Gutachten des PD Dr. K ... Lediglich der im Verwaltungsverfahren
eingeschaltete Gutachter PD Dr. H. vertrat in seinem Gutachten vom 08.01.1992 eine andere Auffassung. Wie jedoch Dr. H. in
seinem Gutachten vom 22.10.2008 unter Beifügung der neueren Literatur überzeugend belegt hat, ist das Gutachten des PD Dr.
H. durch die zwischenzeitlichen Forschungen überholt. Insbesondere ist in der zwischenzeitlich veröffentlichten Literatur
anerkannt, dass Kühlschmierstoffe geeignet sind, obstruktive Atemwegserkrankungen hervorzurufen, und zwar auch dann, wenn
die in den achtziger Jahren geltenden Grenzwerte, die inzwischen ohnehin verschärft wurden, nicht überschritten worden sind.
Das Gutachten des Dr. H. berücksichtigte noch nicht die in der Zwischenzeit veröffentlichten Erkenntnisse, die irritative
Effekte einer Kühlschmiermittelexposition auf die Atemwege beschrieben, insbesondere wenn sich während des Gebrauches Reaktionsprodukte
und dadurch eine mikrobielle Kontamination mit Bakterien und Pilzen bildeten. Während PD Dr. H. noch allein von einer allergischen
Genese von Atemwegserkrankungen durch Kühlschmiermittel bzw. deren Verunreinigungen ausgegangen war, ist inzwischen bekannt,
dass diese Expositionen obstruktive Atemwegserkrankungen auf chemisch-irritativem bzw. toxischem Weg auslösen können.
Selbst der zunächst von der Beklagten eingeschaltete Beratungsarzt Dr. V. hat in seiner Stellungnahme vom 17.11.2008 auf das
Gutachten des Dr. H. hin die BK Nr. 4302 und die insoweit erforderliche Kausalität bejaht. Nur der daraufhin von der Beklagten
eingeschaltete Beratungsarzt Dr. W. verneint als einziger die Voraussetzungen der BK 4302.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger bei seinen beruflichen Tätigkeiten als Heckenscheren-Schleifer bei
der Firma K. & C. von Oktober 1981 bis März 1986 so wie bei seiner anschließenden Tätigkeit als CNC-Dreher bei der Firma K.
bis Mai 1990 in erheblichem Maße einer Exposition durch Kühlschmiermittel ausgesetzt war, so dass sich daraus für ihn in deutlich
erhöhtem Maße die Gefahr einer obstruktiven Atemwegserkrankung ergab.
Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger bereits während seiner Tätigkeit beim Schleifen von Heckenscheren bei der Firma
K. & C. in den Jahren 1981 bis 1986 in erheblichem Ausmaß einer Exposition von Kühlschmiermitteln ausgesetzt war. In dieser
Zeit kam der Kühlschmierstoff AVILUP 2061 zum Einsatz. Auch wenn der Arbeitgeber angegeben hat, dass die Maschinen komplett
mit Abdeckhauben versehen gewesen seien, hält der Senat die Aussage des Klägers für glaubhaft, dass in den ersten Jahren seiner
Tätigkeit als Spritzschutz lediglich Gummilappen von alten Autoreifen über den Schleifscheiben angebracht waren und dass während
des Schleifvorgangs Kühlschmiermittel öfters ins Gesicht spritzte. Ferner hält der Senat die Aussage für glaubhaft, dass nach
dem Durchlaufen eines Werkstücks die Maschine zwar ausgeschaltet war, das Kühlmittel jedoch weiter spritzte. Bestätigt wird
dies durch die Angaben des ehemaligen Betriebsleiters, Herrn G., gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten. Er hat ebenfalls
angegeben, dass als Absaugung zwar Schläuche an den Maschinen verbunden waren, es aber keine gezielte Luftführung gab. Die
Lüftungsverhältnisse waren nach seiner Einschätzung sicher sehr ungünstig. Auch der Präventionsdienst hat mit den Angaben
des Herrn G. die Angaben des Klägers als im Wesentlichen bestätigt angesehen. Ebenso ist der Senat von der Richtigkeit der
Aussage des Klägers überzeugt, dass der Kühlmittelbehälter durch Zigarettenkippen, Getränkereste, Schmieröl und Riemenspray
stark verschmutzt war und nur einmal jährlich gereinigt wurde. Daraus ergibt sich, dass das Kühlschmiermittel bakteriell stark
verunreinigt war, wie der Sachverständige Dr. H. festgestellt hat. Ob eine bakterielle Verschmutzung des Kühlschmiermittels
tatsächlich vorlag, kann jedoch nach Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 21.01.2010 dahinstehen.
Auch bei der folgenden Tätigkeit bei der Firma K. als CNC-Dreher von 1986 bis 1990 kam es zu einer erheblichen Exposition
gegenüber Kühlschmierstoffen. Verwendet wurde der Kühlschmierstoff CIMCOOL MB 603 als drei- bis fünfprozentige Emulsion. Das
Sicherheitsdatenblatt beschreibt zwar eine fehlende Flüchtigkeit des Kühlschmierstoffkonzentrats, das bis 100 °C nur flüssig
vorliege. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. H. hält der Senat jedoch die Aussage des Klägers für glaubhaft,
dass trotz der Kapselung der CNC-Maschinen Kühlmitteldämpfe austraten, die als Nebel sichtbar waren und sich an den Wänden
als Kondensat niederschlugen, und eine Exposition insbesondere auch beim Einrichten und bei der Maßkontrolle der Maschinen
erfolgte, da man sich hierbei mit Kopf und Oberkörper in den mit Schmierkühlmittel verqualmten Maschinenraum beugen musste.
Auch die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. T. haben den Aussagen des Klägers Glauben geschenkt und eine erhebliche
Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen angenommen. Der Beratungsarzt Dr. W. steht insoweit mit seinen Zweifeln alleine. Selbst
der zunächst von der Beklagten gehörte Beratungsarzt Dr. V. hatte sich zugunsten des Klägers ausgesprochen.
Auch der technische Aufsichtsdienst der Beklagten am 17.05.1991 und später der Präventionsdienst in seinen Stellungnahmen
vom 24.07.2007, vom 03.03.2008, vom 24.02.2009, vom 10.06.2011 und vom 21.09.2011 haben eine Exposition mit Kühlschmierstoffen
bejaht. Soweit darin allerdings festgestellt wurde, dass die damaligen Grenzwerte eingehalten worden seien bzw. ein Überschreiten
dieser Grenzwerte nicht bewiesen werden könne, steht dies der Annahme einer hinreichenden Gefährdung nicht entgegen. Die Überschreitung
der in den achtziger Jahren geltenden Grenzwerte, die zudem inzwischen überholt sind, ist keine Voraussetzung für das Vorliegen
der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4302. Bereits die Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 10.06.2011 lässt
erkennen, dass die Grenzwerte für Kohlenwasserstoffe in der Zeit von 1981 bis 1986 sehr hoch waren und nicht mehr dem heutigen
Stand der Technik entsprechen. Auch Dr. H. hat auf die Irrelevanz der früher geltenden Grenzwerte von 10 mg/Kubikmeter hingewiesen.
Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat auf S. 48 seines Gutachtens vom 16.02.2012 ausgeführt, dass die Frage, ob der frühere
Luftgrenzwert für Kühlschmierstoffe unter- bzw. überschritten wurde, nicht das alleinige Kriterium ist.
Damit lag über einen Zeitraum von neun Jahren eine erhebliche Exposition mit Kühlschmierstoffen vor, die das Risiko, eine
obstruktive Atemwegserkrankung zu erleiden, erheblich erhöht haben.
Auch eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung mit Obstruktion ist im Vollbeweis gesichert. Die diesbezügliche erstmalige
Diagnose mit mittelgradiger Obstruktion erfolgte am 24.11.1989 durch Dr. P ... Zwischen allen Sachverständigen besteht Einvernehmen
über diese Diagnose, die sich erst nach Aufgabe der belastenden Tätigkeiten im Jahr 2005 zu einer leichtgradigen Obstruktion
besserte.
Der zeitliche Zusammenhang zwischen der erheblichen Exposition des Klägers gegenüber Kühlschmiermitteln in den achtziger Jahren
und der Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung bis zu ihrer Diagnose durch Dr. P. Ende 1989 lässt nach der übereinstimmenden
Auffassung der Sachverständigen Dr. H., Prof. Dr. S. und Prof. Dr. T. eine Verursachung der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung
durch die Kühlschmierstoffe als überwiegend wahrscheinlich erscheinen. Allerdings ist hierbei der Einfluss der seit 1985 immer
wieder rezidivierenden Nebenhöhlenentzündungen, die 1989 operativ behandelt wurden, streitig. Dr. H. diskutierte drei Verursachungsmöglichkeiten,
nämlich die obstruktive Atemwegserkrankung als Folge einer berufsunabhängigen chronisch-eitrigen Sinusitis, die Entwicklung
der obstruktiven Atemwegserkrankung unabhängig von der chronischen Sinusitis und die Möglichkeit, dass die chronisch-eitrige
Sinusitis (die dann wieder die obstruktive Atemwegserkrankung auslöste) auf eine bakterielle Kontamination des Kühlschmiermittels
zurückzuführen sei. Insgesamt sah er mehr Anhaltspunkte für eine berufliche Verursachung als gegeben an als für eine außerberufliche.
Der HNO-Arzt PD Dr. K. sah in seinem Gutachten vom 28.10.2009 einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen
und der Entwicklung der Sinusitis und Rhinitis als wahrscheinlich an. Daran kritisierte der Beratungsarzt Dr. W., dass die
veröffentlichten Forschungsergebnisse unklar ließen, ob der Zusammenhang zwischen Kühlschmierstoff-Expositionen und einer
Sinusitis bzw. Rhinitis allergischer Natur im Sinne der BK Nr. 4301 oder chemisch-irritativ bzw. toxisch im Sinne der BK Nr.
4302 sei. Insoweit hat Prof. Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 11.08.2010 ungeklärte Fragen eingeräumt.
Vor diesem Hintergrund ist überzeugend die Auffassung des Prof. Dr. T., wonach die heutigen Möglichkeiten zur Feststellung
der Exposition des Klägers gegenüber Kühlschmierstoffen in den achtziger Jahren zu dürftig sind, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
davon auszugehen, dass diese hoch genug waren, um bei einem Atemwegsgesunden die irritativen Wirkungen auszulösen. Da jedoch
der Kläger zum Zeitpunkt der Exposition gegenüber den Kühlschmierstoffen bereits unter einer chronischen Entzündung der oberen
Atemwege infolge rezidivierender Infektionen litt, waren die Expositionen gegenüber Kühlschmierstoffen ausreichend, um die
obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Diese Feststellung reicht im Gegensatz zur Auffassung des Beratungsarztes Dr. W.
aus, um zunächst die Ursächlichkeit der Kühlschmiermittel-Exposition für die obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer
reinen Conditio-sine-qua-non anzunehmen. Denn für diese Ursächlichkeit im Sinne der Conditio-sine-qua-non ist es ohne Bedeutung,
wenn die gefährdende Exposition lediglich in Verbindung mit einer Schadensanlage, die hier in den rezidivierenden Nebenhöhleninfektionen
lag, in der Lage war, die obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Prof. Dr. T. hat nämlich ausgeführt, dass durch die bereits
vorliegende chronische Entzündung der oberen Atemwege infolge rezidivierender Infektionen eine erhöhte Empfindlichkeit des
Klägers vorlag, so dass die berufliche Belastung durch Kühlschmierstoffe, auch wenn diese bei einem Atemwegsgesunden keine
irritative Wirkungen ausgelöst hätte, beim Kläger zur Entwicklung einer chronischen obstruktiven Atemwegserkrankung geführt
hat. Diese Argumentation ist schlüssig. Denn die Tatsache, dass der Kläger mit der chronischen Sinusitis - gleich welche Ursache
diese hatte - unter einer Vorbelastung litt, die sein Risiko für obstruktive Atemwegserkrankungen deutlich erhöhte, schloss
ihn vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht aus. In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt - bis zur Grenze
der unwesentlichen Teilursache - der Grundsatz, dass jeder in dem körperlichen Zustand versichert ist, in dem er sich befindet.
Also ist auch jemand, der aufgrund chronischer Sinusitis ein erhöhtes Risiko obstruktiver Atemwegserkrankungen hat, davor
geschützt, durch die Exposition mit Kühlschmierstoffen eine solche obstruktive Atemwegserkrankung zu erleiden. Maßgeblich
ist also die Frage der (Mit-) Ursächlichkeit im Sinne der Wesentlichkeit.
Nicht beweisbar ist die Auffassung des Beratungsarztes Dr. W., dass die Kühlschmiermittel-Exposition für die Entstehung der
obstruktiven Atemwegserkrankung in keiner Weise ursächlich war, auch nicht im Sinne der Conditio-sine-qua-non, denn die hierfür
erforderliche Auffassung des Dr. W., dass die obstruktive Atemwegserkrankung auch ohne die Exposition mit Kühlschmiermitteln
allein als Folge der Nebenhöhleninfektion auf jeden Fall eingetreten wäre, ist nicht zu beweisen und wird von keinem der unabhängigen
Sachverständigen vertreten.
Die Kühlschmiermittelexposition stellte also neben der Nebenhöhleninfektion eine Teilursache für die Entstehung der obstruktiven
Atemwegserkrankung dar. Diese Teilursache war auch wesentlich. Denn auch wenn die Nebenhöhleninfektion als weitere, möglicherweise
außerberuflich verursachte Konkurrenzursache mit beigetragen hat, wäre dadurch die Kühlschmiermittelexposition als wesentliche
Teilursache nur dann ausgeschlossen, wenn der Nebenhöhleninfektion ein ganz überragendes Gewicht bei der Entstehung der obstruktiven
Atemwegserkrankung zukäme. Dies wird jedoch lediglich vom Beratungsarzt Dr. W. und im Übrigen von keinem der drei für die
Beurteilung der obstruktiven Atemwegserkrankung zuständigen Gerichtsgutachter vertreten. Das Gericht schließt sich hier der
überzeugenden Auffassung seiner Gutachter an, die im Übrigen alle drei anerkannte Kapazitäten auf ihren Fachgebieten sind.
Ohne Bedeutung ist dabei letztlich die Frage, ob die Nebenhöhleninfektion ihrerseits selbst durch die Kühlschmiermittelexposition
entstanden ist (was der HNO-ärztliche Sachverständige PD Dr. K. bejaht) und falls ja, ob insoweit eine Verursachung auf allergischem
Wege (im Sinne der BK Nr. 4301) oder auf chemisch-irritativ oder toxischem Wege (im Sinne der BK Nr. 4302) erfolgte. Denn
der für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK Nr. 4302 erforderliche Verursachungsbeitrag durch
chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe wurde auf jeden Fall unmittelbar durch die Kühlschmiermittelexposition gesetzt.
Die Nebenhöhleninfektion war demgegenüber lediglich eine Konkurrenzursache, die ebenfalls wesentlich war, jedoch nicht von
so überragender Bedeutung, dass die Kühlschmiermittelexposition als Ursache unwesentlich wäre. Dabei stellt eine Konkurrenzursache
per se eine Ursache aus dem nicht versicherten Lebensbereich dar, so dass es nicht darauf ankommt, worauf die Konkurrenzursache
im Einzelnen zurückzuführen ist. Die BK 4302 kann auch dann vorliegen, wenn die obstruktive Atemwegserkrankung zwar durch
chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Kühlschmierstoffe hervorgerufen wurde, das Ausmaß der Exposition mit Kühlschmierstoffen
jedoch nur deshalb ausreichend war, die obstruktive Atemwegserkrankung zu verursachen, weil rezidivierende Nebenhöhlenentzündungen
als Schadensanlagen vorhanden und bei der Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung mitgewirkt haben. Sowohl die Kühlschmiermittelexposition
als auch die Nebenhöhlenentzündungen stellen jeweils für sich genommen wesentliche Teilursachen dar. Die Exposition mit Kühlschmiermitteln
wäre als Teilursache nur dann unwesentlich, wenn die konkurrierende Teilursache der Nebenhöhlenentzündungen von überragender
Bedeutung wäre. Dies würde die Feststellung voraussetzen, dass die obstruktive Atemwegserkrankung allein aufgrund der Nebenhöhlenentzündungen
und ohne die gleichzeitig wirkende Kühlschmiermittelexposition etwa zur selben Zeit entstanden wäre. Eine solche Feststellung
ist jedoch im vorliegenden Fall nicht möglich.
Die für die Feststellung der Berufskrankheit Nr. 4302 bestehende Voraussetzung, dass die obstruktive Atemwegserkrankung zur
Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit
ursächlich waren oder sein können, lag spätestens ab dem 01.10.2005 vor, nachdem der Kläger seine Tätigkeit bei der Firma
S. H. in W-Stadt zum 30.09.2005 aufgegeben hatte. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt lag nach Auffassung aller Sachverständigen
die Unterlassung jeglicher gefährdender Tätigkeiten vor, zumal der Kläger seit diesem Zeitpunkt jegliche Berufstätigkeit aufgegeben
hat. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, in dem nach der Antragstellung im Berufungsverfahren nicht mehr über die Höhe
und den Beginn der Verletztenrente zu entscheiden ist, kann offen bleiben, ob der Versicherungsfall bereits mit Aufgabe aller
schädigenden Tätigkeiten bei der Firma K. im Mai 1990 (so die Auffassung des Sachverständigen Dr. H.) oder nach Beendigung
der Tätigkeit bei der Firma H. im Sommer 1991 (so der Sachverständige Prof. Dr. S.) eingetreten war. Neben der tatsächlichen
Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten lag auch ein objektiver Zwang vor, den Kontakt mit Kühlschmierstoffen einzustellen, um
die Verschlimmerung der obstruktiven Atemwegserkrankung zu verhindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung
des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).