Tatbestand
Streitig ist die Beendigung des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Augsburg mit Aktenzeichen S 10 P 96/12 durch gerichtlichen Vergleich vom 24.03.2014.
Die bei der Beklagten gesetzlich pflegeversicherte Klägerin hatte gegen den Bescheid der Beklagten vom 30.08.2011, mit welchem
einem Gutachten des MDK folgend Leistungen der Pflegeversicherung abgelehnt wurden, Widerspruch eingelegt und mit Teilabhilfe-Bescheid
vom 19.04.2012 Leistungen nach Pflegestufe I ab dem 01.02.2012 bewilligt erhalten. Gegen den im Übrigen abschlägigen Widerspruchsbescheid
vom 20.07.2012 hatte die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt B., B-Stadt, Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben (Aktenzeichen:
S 10 P 96/12). Dieser hatte eine umfassende Prozessvollmacht der Klägerin datierend vom 17.08.2012 vorgelegt, zum Inhalt wird auf Blatt
7 der beigezogenen Verfahrensakte S 10 P 96/12 Bezug genommen. Am 09.11.2012 hatte die Klägerin beantragt, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt B., B-Stadt
beizuordnen. Das Sozialgericht hatte mit Beschluss vom 11.02.2013 antragsgemäß ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt sowie
Rechtsanwalt B. beigeordnet.
In einem nach Sachaufklärung durchgeführten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.03.2014 ist für die Klägerin ihr beigeordneter
Bevollmächtigter aufgetreten. Ausweislich der gerichtlichen Niederschrift hat dieser darauf hingewiesen, dass auch die Pflegeperson
der Klägerin [Herr B. P.] anwesend sei. Die Pflegeperson sei umfassend bevollmächtigt. Da die Pflegeperson nach Rücksprache
als Zeuge in Frage komme, verließ diese den Sitzungssaal. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie sechsminütiger Unterbrechung
schlossen die Beteiligten einen Vergleich, welcher die Bewilligung weiterer Leistungen durch die Beklagte beinhaltete sowie
eine vollständige Beendigung des Rechtsstreites; zum Wortlaut des Vergleiches wird auf Blatt 156 der beigezogenen Verfahrensakte
S 10 P 96/12 Bezug genommen. Der Vergleich wurde laut gerichtlichem Protokoll zur Niederschrift aufgenommen, den Beteiligten vorgelesen
und von diesen genehmigt.
Mit Schriftsatz ihrer neuen Prozessbevollmächtigten vom 22.04.2014 hat die Klägerin die Anfechtung des am 24.03.2014 geschlossenen
Vergleichs im Wege der Klage zum Sozialgericht Augsburg (Aktenzeichen 10 P 26/14) geltend gemacht. Die Klägerin habe keinen
Vergleich gewollt und dies ihrem Bevollmächtigten auch ausrichten lassen. Weil dieser weisungswidrig einen Vergleich geschlossen
habe, sei die Anfechtung berechtigt. Herr P., die im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesende Pflegeperson, habe unter
Berufung auf die ihm von der Klägerin erteilte Generalvollmacht deren Bevollmächtigtem ausdrücklich mitgeteilt, keinesfalls
solle ein Vergleich geschlossen werden. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren ist mangels Erfolgsaussicht
abgelehnt worden (Beschluss Sozialgericht Augsburg vom 19.05.2014; Beschluss Bayer. LSG vom 13.02.2015 - L 6 P 43/14 B PKH; Beschluss Zurückweisung von Anhörungsrüge und Gegenvorstellung sowie Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde vom
15.04.2015 - L 6 P 16/15 RG).
Mit Gerichtsbescheid vom 17.03.2015 hat das Sozialgericht festgestellt, dass das Klageverfahren S 10 P 96/12 durch den gerichtlichen Vergleich vom 23.03.2014 beendet ist, Anfechtungsgründe seien nicht ersichtlich. Ausweislich der
Verhandlungsniederschrift gem. §
122 SGG, §§
159,
160 ZPO ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert, die Sitzung unterbrochen und sodann der Vergleich geschlossen
worden, welcher ua eine übereinstimmende Erledigungserklärung in vollem Umfang enthält. Dieser ist den Beteiligten vorgelesen
und von ihnen genehmigt worden, §
122 SGG, §
165 Abs.
1 ZPO. Der Bevollmächtigte der Klägerin war nach der vorgelegten umfassenden Vollmacht zum Vergleichsabschluss berechtigt gewesen.
Eine Beschränkung der Vertretungsvollmacht hat nicht vorgelegen. Diese hätte nur durch ausdrückliche, unzweideutige Prozesshandlung
erfolgen können mit Wirksamkeit ab Zugang. Eventuelle Weisungen des Herrn P. gegenüber dem Prozessbevollmächtigten reichten
insoweit nicht aus, wobei es bereits an der Postulationsfähigkeit des Herrn P. mangele. Die Geltung der Prozesserklärungen
des Prozessbevollmächtigten gem. §
73a Abs.
6 S. 6
SGG, §
85 ZPO werde durch die nachträglich Behauptung der Klägerin, mit diesen Erklärungen nicht einverstanden gewesen zu sein, nicht beseitigt.
Sonstige Anfechtungsgründe seien nicht vorgetragen oder ersichtlich. Mangels Widerrufsmöglichkeit habe der Vergleich auch
nicht rechtswirksam widerrufen werden können. Prozessrechtliche Gründe für eine Unwirksamkeit des Vergleichs oder Gründe für
eine Wiederaufnahme des Verfahrens seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und ihr Ziel der Beseitigung des Vergleiches und der Erlangung höherer Leistungen
aus der Pflegeversicherung weiterverfolgt. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie ihre
Argumentation aus dem Prozesskostenzhilfeverfahren einschließlich Anhörungsrüge, Gegenvorstellung und Nichtzulassungsbeschwerde
wiederholt. Ihr Prozessbevollmächtigter sei nicht zum Vergleichsabschluss berechtigt gewesen. Das Berufungsgericht hat im
Verhandlungstermin vom 04.05.2016 Herrn P. als Zeugen einvernommen. Dieser hat angegeben, er habe dem Sozialgericht gesagt,
es dürfe kein Vergleich abgeschlossen werden. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 126 bis 129 der Berufungsakte Bezug genommen.
Ergänzend hat der Zeuge P. sein Schreiben vom 10.01.2014 an den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegt, wonach
die Verfahrensvollmacht widerrufen werde, so dass kein Vergleichsabschluss möglich sei. Hierzu wird auf Blatt 130 der Berufungsakte
Bezug genommen. Zuletzt hat der Bevollmächtigte der Klägerin betont, dass nach Angaben des Herrn P. dieser während der Verhandlung
vor dem Sozialgericht Augsburg am 24.03.2014 dem Gericht erklärt habe, Rechtsanwalt B. sei nicht zum Abschluss eines Vergleiches
bevollmächtigt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.03.2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Klage vom 20.08.2012
nicht durch Vergleich vom 24.03.2014 erledigt ist und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.08.2011 in der Fassung
des Teilabhilfebescheides vom 19.04.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2012 sowie unter Abänderung des Bescheides
vom 07.03.2013 zu verurteilen, der Klägerin Pflegegeld nach Pflegestufe 1 bereits ab 01.02.2011, Pflegegeld nach Pflegestufe
2 bereits ab 01.02.2012 und Pflegegeld nach Pflegestufe 3 ab 01.02.2013 zu bewilligen.
Die Beklagte hält die Erstentscheidung für zutreffend, betont, dass der geschlossene Vergleich für die Klägerin günstig gewesen
sei und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten der
Verfahren L 6 P 43/14 B PKH und L 6 P 16/15 RG. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Am 22. 03. 2017 hat die Klägerin das Mandat ihrer Prozessbevollmächtigten mit sofortiger Wirkung wegen Missbrauchs des Vertrauensverhältnisses
und Nichtausführens von Aufträgen und Wünschen gekündigt.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§
143,
144,
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerechte Berufung ist zulässig. Der Mandatsentzug vom 22.03.2017 hat auf die Berufung keinen Einfluss.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Klage vom 20.08.2012 durch
Vergleich vom 24.03.2014 vollumfänglich beendet ist. Die entsprechende Erklärung ist - wie das Protokoll beweist - wirksam
abgegeben und nicht nachträglich aus der Welt geschafft. Insoweit übernimmt der Senat die zutreffenden Feststellungen und
Ausführungen des Sozialgerichts, sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus
den Gründen des angegriffenen Gerichtsbescheides zurück, §
153 Abs.
2 SGG.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin sowie auf die Erkenntnisse aus den mündlichen Verhandlungen ist ergänzend
auszuführen was folgt.
Die dem Sozialgericht vorgelegte, auf Herrn Rechtsanwalt B. ausgestellte und von der Klägerin eigenhändig unterschriebene
umfassende Prozessvollmacht vom 17.08.2012 war Grundlage der anwaltlichen Beiordnung im Prozesskostenhilfewege. Diese Beiordnung
hat das Sozialgericht im Ausgangsverfahren weder aufgehoben noch abgeändert. Diese Beigeordneten-Stellung des Rechtsanwalts
B. verstärkt dessen Berechtigung, alle Prozesserklärungen wirksam gegenüber dem Gericht abzugeben. Diese Stellung als Beigeordneter
konnte weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter Herr P. beeinflussen, beschränken oder beseitigen.
Ein wirksamer (Teil-)Widerruf der Prozessvollmacht des Rechtsanwaltes B. hätte zur Folge gehabt, dass das Sozialgericht die
Prozesskostenhilfe-Bewilligung hätte aufheben müssen. Die erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines
anderen Rechtsanwaltes wäre zur Überzeugung des Senates ausgeschlossen gewesen, da in Würdigung der Verfahrensdokumentation
und des Verfahrensverhaltens des Rechtsanwaltes B. kein Grund zu erkennen ist, der die Beschränkung, Kündigung oder Teilkündigung
des ihm von der Klägerin erteilten Mandates gerechtfertigt hätte. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich und
im wohlverstandenen Klägerinteresse liegend, dass das Sozialgericht die Äußerungen des Herrn P. am 24.03.2014, es solle kein
Vergleich geschlossen werden, zutreffend nicht als Mandatsbeschränkung oder -entzug und zwar auch nicht teilweise verstanden
und ausgelegt hat. In diesem Sinne würdigt und wertet der Senat auch die Aussage des Zeugen P. vom 04.05.2016.
Sofern die Klägerin sich auf weitere Schreiben beruft, mit welchen sie die Vollmacht ihres Bevollmächtigten Rechtsanwalt B.
Beschränkungen einschränken oder (teilweise) widerrufen hat, ist dem Sozialgericht folgend auszuführen, dass die Einschränkung
einer umfassend erteilten Prozessvollmacht nur durch ausdrückliche, unzweideutige Erklärung im Sinne einer Prozesshandlung
erfolgen kann. Diese wird erst mit Zugang gegenüber dem Gericht wirksam, hieran fehlt es vorliegend.
Die Berufung bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe zur Revisionszulassung sind nicht ersichtlich, §
160 SGG.