Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bemessung von Beiträgen des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegebersicherung
durch die Beklagte.
Der aus der T. stammende Kläger lebt seit 1973 mit einer kurzen Unterbrechung in Deutschland. Er erhält eine Rente der deutschen
Rentenversicherung sowie weitere Versorgungsbezüge in Höhe von 689,75 Euro monatlich. Außerdem bezieht er eine Rente des t.
Rentenversicherungsträgers (S.) seit dem 1. Juli 2011 in Höhe von monatlich 855,42 Y., ab Juli 2011 in Höhe von monatlich
890,75 Y., ab Januar 2012 in Höhe von monatlich 951,24 Y. und ab Juli 2012 in Höhe von monatlich 969,79 Y ...
Mit Bescheid vom 29. April 2013 setzte die Beklagte - auch im Namen der Beigeladenen - die monatlichen Beiträge aus den Bezügen
der S. wie folgt fest:
Zum
Stichtag 01.07.11 01.01.12 01.07.12 01.01.13 Beiträge gesamt 38,22 41,71 44,18 42,16 KV 30,88 30,7 35,69 33,73 PV 7,34 8,01
8,49 8,43
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 6. Mai 2013 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dass entsprechend §
237 S. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) bei versicherungspflichtigen Rentnern der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Beitragsbemessung
zur Krankenversicherung zu Grunde zu legen sei. Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung würden gem. §
228 Abs.
1 S. 1 und S. 2
SGB V auch vergleichbaren Renten aus dem Ausland zählen. Diese Normen fänden gem. §
51 Abs.
1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) entsprechende Anwendung in der sozialen Pflegeversicherung. Der Beitragssatz ergäbe sich aus den §§
241 und
247 SGB V und 55 Abs. 3 S. 1
SGB XI. Seit dem 1. Juli 2011 unterlägen auch ausländische Renten der Beitragspflicht. Die Beklagte und die Beigeladene hätten als
Körperschaften des öffentlichen Rechts die Vorgaben des Gesetzgebers umzusetzen.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Juni 2014 Klage bei dem Sozialgericht Hamburg mit der Begründung erhoben, aus dem deutsch-t.
Sozialversicherungsabkommen und den dazugehörigen Protokollen ergebe sich, dass auf die t. Rente keine Sozialversicherungsbeiträge
erhoben werden dürften. Zwar ergebe sich aus dem Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa, dass
seit dem 1. Juli 2011 ausländische Renten den Renten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gleichgestellt seien und
dass daher daraus auch Beiträge für die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung gezahlt werden müssten. Die
entsprechenden Regelungen des
SGB V und XI seien auf die t. Rente wegen des deutsch-t. Sozialversicherungsabkommens aber nicht anwendbar, sodass darauf keine
Sozialversicherungsbeiträge zur deutschen Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden dürften. Die Ausweitung der deutschen
Beitragspflicht auf t. Renten hätte zunächst über das im deutsch-t. Sozialversicherungsabkommen geregelte Verfahren zwischen
den beiden Ländern abgesprochen werden müssen und hätte nicht einseitig durch den deutschen Gesetzgeber geregelt werden dürfen.
Das Abkommen sehe ein klares Verfahren vor, wenn der Vertrag geändert werden solle. Der Kläger erhalte bereits eine Rente
aus der T. und führe darauf bereits in der T. Sozialversicherungsbeiträge ab, da sich die T. ebenfalls auf das Abkommen berufe.
Eine doppelte Beitragserhebung sei weder zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der T. oder zwischen der Europäischen
Union und der T. geregelt. Es bestehe daher eine Regelungslücke, sodass eine Verweisungsvorschrift auf das deutsche Recht
nicht anwendbar sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. Februar 2016, dem Kläger zugegangen am 8. Februar 2016, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sei
rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei §
237 S. 1, S. 2
SGB V i. V. m. §
228 Abs.
1 S. 2
SGB V in der Fassung vom 1. Juli 2011. Dies gelte auch dann, wenn eine mit der deutschen Rente vergleichbare ausländische Rente
bezogen werde, da §
237 Satz 2
SGB V keine Einschränkungen enthalte. Dies gelte ausweislich der Gesetzesbegründung für die Gesetzesänderung, die durch das Gesetz
zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Juni 2012 (BGBl.
I, S. 1202, BT-Drucks. 17/4978 Seite 20) eingetreten sei, auch für solche staatlichen Renten, die nicht aus einem Mitgliedsstaat der
Europäischen Union bezogen würden. Die t. Rente des Klägers sei auch mit der deutschen gesetzlichen Rente im Sinne der Vorschrift
vergleichbar. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Recht der Europäischen Union - selbst, wenn man annehmen würde, dass
dieses auf einen deutsch-t. Fall wie den hiesigen anzuwenden wäre. Das Ergebnis einer Anwendung des Europäischen Sozialrechts
führe zu demselben Ergebnis wie eine Berechnung nach den §§
228,
237 SGB V. Das deutsch-t. Abkommen über die soziale Sicherheit vom 30. April 1964 sei zwar in sachlicher und persönlicher Hinsicht
auf den hier vorliegenden Fall anwendbar, eine andere Beurteilung des Falles folge aber auch daraus nicht. Entgegen der Rechtsauffassung
des Klägers sei auch unter Beachtung dieses zwischenstaatlichen Abkommens eine Verbeitragung der t. Rente des Klägers nach
dem deutschen Sozialversicherungsrecht vorzunehmen. Dies folge aus der Kollisionsregel Artikel 14 Abs. 3 Satz 1 des Abkommens.
Danach sei die Rente - gleich aus welchem Vertragsstaat entstammend - nach dem Beitragsrecht desjenigen Staates zu verbeitragen,
in dem sich der Rentenempfänger gewöhnlich aufhalte. Dies sei hier die Bundesrepublik Deutschland. Eine Regelungslücke sei
entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegeben. Darüber hinaus verstoße die Anwendung deutschen Sozialversicherungsrechtes
nicht gegen Artikel
3 Grundgesetz (
GG). Die Anwendung deutschen Rechtes stelle nämlich eine Gleichbehandlung aller Bezieher einer ausländischen Rente dar, unerheblich
aus welchem Staat diese bezogen werde. Dies gelte umso mehr auch im Verhältnis zu deutschen Rentnern, wenn zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem anderen Staat ein zwischenstaatliches Abkommen bestehe, das vorsehe, dass sich das anzuwendende Recht
nach dem jeweiligen Aufenthaltsort richte. Soweit sich aus dieser Rechtslage ergebe, dass der Kläger ggf. höhere Beiträge
zu zahlen habe, wenn allein deutsches Recht Anwendung fände, so sei dies ihm zuzurechnen, da er über die Wahl seines gewöhnlichen
Aufenthaltes eine eigene Steuerung der Verbeitragung vornehmen könne. Gleiches gelte auch für die zur sozialen Pflegeversicherung
zu zahlenden Beiträge. Hinsichtlich der Beitragshöhe seien in den angefochtenen Bescheiden keine Rechtsfehler erkennbar.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. März 2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches
Vorbringen und vertiefte ergänzend, dass eine doppelte Beitragserhebung, wie sie derzeit seitens der T. und der Bundesrepublik
Deutschland durch die Beklagte vorgenommen werde, in dem Abkommen nicht geregelt und daher rechtswidrig sei.
Der Kläger beantragt,
der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Februar 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2013 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen.
Auch soweit der Kläger vorträgt, die Bundesrepublik Deutschland habe durch die Gesetzesänderung aus dem Jahr 2011 mit Einführung
des Gesetzes über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze entgegen
dem Sozialversicherungsabkommen dieses zwischen der T. und der Bundesrepublik Deutschland einseitig und daher zu Unrecht geändert,
weil damit nun auch Beiträge auf t. Renten erhoben würden, so dringt er damit nicht durch. Die Gesetzesänderung hat nämlich
nicht zu einer Änderung des Vertrages selbst, sondern nur zu einer Änderung der Beitragspflicht auf einfachgesetzlicher Grundlage
geführt. Dies ist aber gerade kein Fall der Vertragsänderung.
Hierzu ist auch anzumerken, dass - anders als der Kläger vorträgt - das Abkommen selbst kein förmliches Änderungsverfahren
in dem Sinne vorsieht, dass die nunmehrige Einführung einer Beitragspflicht vorher mit dem t. Vertragspartner hätte abgestimmt
werden müssen.
Es besteht auch nach der Änderung oder gerade wegen der Änderung keine Regelungslücke, da die o.g. Kollisionsregel des Abkommens
(Art. 14 Abs. 3 S. 1) weiterhin Anwendung findet. Sie gilt auch gerade für den vorliegenden Fall und zeigt, dass die eingetretene
Rechtsänderung auf deutscher Seite nicht der Zustimmung der T. in einem förmlichen völkerrechtlichen Verfahren bedurfte. Denn
aus ihr wird deutlich, dass die Parteien schon bei Vertragsschluss die Möglichkeit einer "doppelten" Rechtsanwendung gesehen
haben. Bezogen auf das Beitragsrecht bedeutet dies, selbst wenn die Parteien des völkerrechtlichen Vertrages bei Vertragsschluss
entsprechend der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland vor der Änderung im Jahr 2011 davon aus gingen, dass von deutscher
Seite keine Beiträge auf t. Renten erhoben würden, brauchte es für den Fall der Beitragserhebung keine Vertragsänderung, da
dieser Fall entsprechend der weitgefassten Kollisionsnorm bereits geregelt war.