Beitragspflicht zur Sozialversicherung
GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer
Fachkenntnisse kein Indiz für selbständige Tätigkeit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. sozialversicherungspflichtig
ist.
Der Kläger ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Gesellschafter der Beigeladenen zu 1. Er hält 49 % der Gesellschaftsanteile.
Weitere Gesellschafter sind D. mit 49 % der Gesellschaftsanteile und die E. AG mit 2 % der Gesellschaftsanteile.
Am 3. März 2012 beantragte der Kläger die Statusfeststellung gemäß §
7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV). Er gab an, dass er Gesellschafterbeschlüsse durch vertragliche Sonderrechte nicht verhindern könne. Er übe das Stimmrecht
auch nicht für andere aus. Ab September 2010 habe er 4.000 € monatlich verdient, ab November 2011 5.500 €. Gemäß Geschäftsführervertrag
vom 1. September 2010 ist er von den Beschränkungen gemäß §
181 BGB befreit. Er hat Anspruch auf 28 Tage Urlaub sowie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Nach Anhörung des Klägers und der Beigeladenen zu 1. stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2012 fest, dass der Kläger
aufgrund seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen
Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ist. Er habe weder eine Stimmenmehrheit
noch eine Sperrminorität und erhalte eine feste Vergütung.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und verwies auf den Gesellschafterbeschluss vom 1. September 2010, wonach die E. AG
das Recht der Verwaltung ihrer Stimmrechte widerrufbar auf den Kläger übertragen hat.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 19. Oktober 2012 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Er bestimme allein die Geschäftspolitik
der Beigeladenen zu 1. Er habe einen weiteren Standort in G-Stadt eröffnet und beschäftige 50 Arbeitnehmer. Die Beigeladene
zu 1. hat vorgetragen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterliege.
Mit Urteil vom 17. März 2014 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20. September 2012 insoweit aufgehoben, als die Beklagte aufgrund der Beschäftigung des Klägers für die Beigeladene zu
1. für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung
festgestellt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zutreffend gemäß §
7a SGB IV festgestellt, dass der Kläger gemäß §
7 Abs.
1 SGB IV abhängig beschäftigt sei. Er verfüge weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität. Daher
sei er grundsätzlich als Beschäftigter der Beigeladenen zu 1. als versicherungspflichtig zu betrachten. Besondere Umstände,
die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben würden, lägen nicht vor. Er könne sich auch nicht erfolgreich
auf die Vollmacht der E. AG berufen, da diese einseitig von der AG widerrufen werden könne, so dass eine wirksame Sperrminorität
nicht vorliege. Zudem bestünden Bedenken dagegen, dass diese Vereinbarung überhaupt gelebt werde, da die vorliegenden Gesellschafterbeschlüsse
seitens der E. AG von deren Geschäftsführer F. unterzeichnet worden seien und der Kläger im Antragsformular für das Statusfeststellungsverfahren
angekreuzt habe, dass er das Stimmrecht nicht zugunsten von Dritten ausübe. Zudem sei der Kläger in die Arbeitsorganisation
der Beigeladenen zu 1. eingegliedert. Er unterliege - wenngleich nur in geringem Maße - auch dem Weisungsrecht der Beigeladenen
zu 1. Bei hochqualifizierten Tätigkeiten sei die Weisungsbefugnis regelmäßig eingeschränkt oder überhaupt nicht vorhanden.
Zudem sei in dem Geschäftsführervertrag ausdrücklich vorgesehen, dass der Kläger gegenüber den Gesellschafterbeschlüssen weisungsunterworfen
sei. Schließlich sprächen auch die feste Vergütung, der Anspruch auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
die Gewährung eines Dienstwagens sowie die Pflicht zur höchstpersönlichen Erbringung der Arbeitsleistung für eine abhängige
Beschäftigung. Demgegenüber fehle es an einem Unternehmerrisiko des Klägers. Die erheblichen Freiheiten des Klägers hinsichtlich
Zeit, Ort und Art der Tätigkeit, die Beteiligung an der Beigeladenen zu 1. sowie die Befreiung von den Beschränkungen des
§
181 BGB würden in der Gesamtabwägung zurücktreten. Der Bescheid der Beklagten sei jedoch insoweit rechtswidrig, als eine Versicherungspflicht
des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung über den 31. Dezember 2011 hinaus
festgestellt worden sei. Das Gehalt des Klägers im Jahre 2011 in Höhe von 51.000 € habe über der Jahresarbeitsentgeltgrenze
gelegen. Dies führe gemäß §
6 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) bzw. §
20 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) dazu, dass die Pflichtversicherung mit Ablauf des Kalenderjahres entfalle, §
6 Abs.
4 SGB V. Dem stehe auch nicht §
6 Abs.
4 Satz 2
SGB V entgegen, da davon auszugehen gewesen sei, dass der Kläger auch im Jahre 2012 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreite.
Ob die Beigeladene zu 1. mittlerweile eine Aktiengesellschaft sei, könne dahinstehen, da Streitgegenstand des Verfahrens nur
die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der C. sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 21. Mai 2014 zugestellte Urteil am 18. Juni 2014 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung
eingelegt und erneut darauf verwiesen, dass er die Geschäftspolitik der Beigeladenen zu 1. nachhaltig und auch ohne Rücksprache
mit den weiteren Gesellschaftern bestimme. Er sei absolut frei und eigenverantwortlich in der Gestaltung der Arbeitszeit.
Zudem habe er allein das umfassende branchenbezogene Fachwissen, so dass er faktisch eine beherrschende Stellung innehabe.
Das Sozialgericht habe den Beschluss vom 12. August 2013 nicht beachtet. Darin werde bestätigt, dass er keinerlei Weisungen
und Kontrolle durch die übrigen Gesellschafter unterliege. Er habe wie ein Alleininhaber agieren können. So habe er allein
über die Eröffnung eines weiteren Standortes in G-Stadt mit einem Investitionsvolumen von ca. 250.000 € entschieden. Zudem
habe er durch die Übernahme von Bürgschaften in Höhe von über 30.000 € ein erhebliches wirtschaftliches Risiko übernommen.
Auch habe er Beschlüsse der Gesellschafter verhindern können, weil die anderen Gesellschafter über keine Stimmenmehrheit verfügten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. März 2014 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2012 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2012 insgesamt aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Gründe
Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser
Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §
155 Abs.
3 und
4, §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe
des Sozialgerichts wird Bezug genommen. Sie stehen insbesondere im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
zur Sozialversicherungspflicht von Minderheitsgesellschaftern einer GmbH (s. Urteile vom 11. November 2015, B 12 R 2/14 R, B 12 KR 10/14 R und B 12 KR 13/14 R).
Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Von einer Darstellung der Entscheidungsgründe
wird gemäß §
153 Abs.
2 SGG abgesehen.
Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass auch die Übernahme einer Bürgschaft keine andere rechtliche Beurteilung begründen
kann. Sie ist bereits nicht mit der Gewährung eines Darlehens zu vergleichen, "denn bei letzterem hat es der Darlehensgeber
durch die Kündigung des Darlehens in der Hand, unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers Einfluss
zu nehmen. Daran fehlt es bei der Übernahme einer Bürgschaft, da diese idR nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeiten
dient und selbst im Fall ihrer Kündigung bzw. Rücknahme allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann" (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R, Rn. 27 mwN).
Soweit der Kläger darauf verweist, dass er Beschlüsse der Gesellschaft hätte verhindern können, ist dies nicht nachvollziehbar.
Dass die anderen Gesellschafter ihn nur gemeinsam überstimmen können, bedeutet keinesfalls, dass der Kläger eben dies stets
hätte verhindern können.
Auf sein umfassendes Fachwissen kann sich der Kläger ebenfalls nicht erfolgreich berufen. Dass Geschäftsführer spezielle Fachkenntnisse
ausweisen, ist durchaus üblich und vielfach gerade Voraussetzung für die Übertragung dieser Aufgabe, so dass hieraus keine
Rückschlüsse auf eine selbstständige Tätigkeit folgen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 1999, B 2 U 35/98 R, Rn. 26; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2015, L 2 R 268/15, juris, Rn. 55).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, so dass deren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.