Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit vom 19. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 streitig. Insbesondere ist streitig, ob dem Kläger wegen der Versäumung
der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist bzw. das Sozialgericht den entsprechenden Antrag des
Klägers zutreffend abgelehnt hat.
Der 1965 geborene Kläger stellte am 19. Januar 2004 Leistungsantrag (Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG). Mit Schreiben vom 11. Februar 2004 forderte der Beklagte von dem Kläger im Hinblick auf dessen Gewerbe (Kurierdienst) eine
Gewinn- und Verlustabrechnung einschließlich der zugehörigen Belege. Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 20. Februar
2004 mit, weitere Unterlagen könne er nicht vorlegen.
Durch Bescheid vom 2. Juli 2004 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers wegen fehlender Mitwirkung ab. Der Kläger habe
die erforderlichen Beweismittel zur Überprüfung der Hilfebedürftigkeit trotz entsprechender Hinweise im Rahmen mehrerer Beratungsgespräche
nicht vorgelegt, weshalb die beantragte Hilfe zum Lebensunterhalt zu versagen sei.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch am 22. Juli 2004 und machte geltend, entgegen der Auffassung des Beklagten sei er seinen
Mitwirkungspflichten nachgekommen. Er habe sämtliche Kontoauszüge aller bestehenden Konten vorgelegt. Weiter habe er Excel-Tabellen
zur Gewinn- und Verlustrechnung vorgelegt. Dies reiche zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit aus, zumal bereits im Oktober
2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Darüber hinaus beantragte der Kläger am 27. Juli 2004 den Erlass einer einstweiligen
Anordnung, den das Verwaltungsgericht Darmstadt mit Beschluss vom 17. September 2004 ablehnte. Die dagegen erhobene Beschwerde
wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. April 2005 zurück.
Sodann führte der Beklagte die "Anhörung sozial erfahrener Personen" durch, übersandte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers
die entsprechende Niederschrift vom 13. Juli 2005 und wies durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2005 den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, zwar obliege dem Sozialhilfeträger die Ermittlung des Sachverhalts von Amts
wegen, verbleibende Zweifel gingen jedoch zu Lasten des Hilfebedürftigen, weil dieser die materielle Beweislast für das Vorliegen
der Hilfsbedürftigkeit trage. Hier sei der Kläger seiner Substantiierungspflicht nicht nachgekommen. Er habe trotz mehrmaliger
Aufforderung nicht dargelegt, in welcher Höhe er Einkünfte erziele und aus welchen Mitteln er seinen Lebensunterhalt bestreite.
Vielmehr seien die finanziellen Verhältnisse des Klägers völlig ungeklärt geblieben. Insoweit reiche der Hinweis auf eine
eingetretene Insolvenz nicht aus. Der Widerspruchsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des entsprechenden
Eingangsstempels am 29. Juli 2005 zugestellt worden.
Der Prozessbevollmächtigte fragte mit Schreiben vom 18. August 2005 unter Hinweis darauf, gegen den Widerspruchsbescheid könne
bis zum 29. August 2005 Klage erhoben werden, bei dem Kläger an, wie weiter vorzugehen sei. Eine Antwort hierauf ging zunächst
nicht ein. Mit E-Mail vom 7. November 2005 bat der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten um Mitteilung des Sachstandes und
insbesondere um Mitteilung, ob eine Klage bereits vorbereitet sei. Der Prozessbevollmächtigte teilte daraufhin dem Kläger
mit E-Mail vom 8. November 2005 mit, auf sein Schreiben vom 18. August 2005 sei er ohne Nachricht geblieben, weshalb er davon
ausgegangen sei, dass ein Klageverfahren nicht durchgeführt werden solle. Er empfahl dem Kläger, wegen der abgelaufenen Klagefrist
einen neuen Antrag zu stellen.
Am 17. November 2005 erhob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage und beantragte im Hinblick auf die versäumte
Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Prozessbevollmächtigte trug vor, da bis zum 29. August 2005 keine Reaktion
seitens des Klägers erfolgt sei, sei er davon ausgegangen, dass eine Klageerhebung von dem Kläger nicht gewünscht werde, zumal
bereits das Eilverfahren erfolglos geblieben sei. Auf das E-Mail-Schreiben des Klägers vom 7. November 2005 habe er ihm mit
Antwort-Mail vom 8. November 2005 mitgeteilt, dass er am 18. August 2005 den Widerspruchsbescheid übersandt und hierbei auf
die Klagefrist hingewiesen habe. Dieses Schreiben sei dem Kläger allerdings nicht zugegangen, so dass er erstmals mit der
E-Mail vom 8. November 2005 von dem Widerspruchsbescheid Kenntnis erlangt habe. Das vorangegangene Schreiben sei offenbar
auf dem Postweg untergegangen. Der Kläger habe an seinem Hausbriefkasten einen Vermerk angebracht, wonach sämtliche Post an
sein Postfach XXYY in A-Stadt weiterzuleiten sei. In der Vergangenheit sei es vereinzelt vorgekommen, dass für den Kläger
bestimmte Post bei anderen Empfängern eingegangen sei. Es liege deshalb im Ergebnis weder ein Verschulden des Klägers noch
seines Prozessbevollmächtigten vor. Der Klage waren eidesstattliche Versicherungen des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten
vom 16. November 2005 bzw. 17. November 2005 beigefügt. Im Erörterungstermin vom 29. März 2006 gab der Kläger weiter an, bei
der Wohnanschrift "C-Straße" in A-Stadt handele sich um ein Einfamilienhaus, in dem er privat gewohnt habe und in dem sein
Unternehmen untergebracht gewesen sei. Ein Briefkasten befinde sich am Eingangstor der Hofeinfahrt mit dem Hinweis, dass Post
an das Postfach in A-Stadt weiterzuleiten sei. Zugleich sei auf dem Briefkasten ein Hinweis auf seine Firma "D. B. e.K." enthalten
gewesen. Auf einem weiteren Briefkasten im Hof, den man normalerweise nicht erreichen könne, befinde sich lediglich sein Name.
Die Zustellungen durch die Deutsche Post seien ab 2001 regelmäßig an das Postfach erfolgt. Bei geschätzt 1 bis 5 Prozent der
Post seien Zustellfehler dergestalt aufgetreten, dass die Post einem falschen Postfach zugeordnet worden sei. An der Hofeinfahrt
habe sich weder am Briefkasten noch an der Klingel sein Name befunden.
Der Beklagte trug vor, der Kläger habe die Fristversäumnis zu vertreten, weil nicht ersichtlich sei, dass er einen Nachsendeauftrag
an sein Postfach erteilt habe. Ohne einen solchen Nachsendeauftrag habe er mit Postzustellungen an seine Wohnanschrift rechnen
und deshalb dafür Sorge tragen müssen, dass Schriftstücke in einen ihm zuzuordnenden Briefkasten eingelegt werden können.
Im Falle der Einrichtung eines Nachsendeauftrags bzw. der ordnungsgemäßen Beschriftung des Briefkastens wäre die Fristversäumnis
vermieden worden.
Durch Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
die Klage sei unzulässig, denn der Kläger habe die einmonatige Klagefrist gemäß §
87 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nicht eingehalten. Dem Kläger sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §
67 SGG zu gewähren. Insoweit treffe zwar den Prozessbevollmächtigten des Klägers kein Verschulden, der Kläger selbst habe jedoch
die Fristversäumnis aufgrund eigenen Verschuldens zu vertreten. Dieser unterliege der Verpflichtung, eine ordnungsgemäße Postempfangsvorrichtung
zu betreiben, wobei der Briefkasten insbesondere einen jegliche Verwechslung ausschließenden Namen tragen müsse (Hinweis auf
BGH NJW 1991, 109). Der Verweis auf ein Postfach, für welches es offensichtlich keinen entsprechenden Nachsendeauftrag gebe und der eine Zuordnung
zur Person des Klägers erschwere, sei nicht ausreichend und vereitele schuldhaft den Zugang einfacher Post. Erschwerend sei
zu berücksichtigen, dass der Kläger mit dem Zugang des Widerspruchsbescheides habe rechnen müssen. Insoweit habe der Kläger
von seinem Prozessbevollmächtigten die Niederschrift über die Anhörung sozial erfahrener Personen vom 13. Juli 2005 erhalten.
Aus der weiteren Korrespondenz zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten ergebe sich, dass der Auftrag, eine
Klage vorzubereiten, bereits erteilt gewesen sei. Letztlich sei dem Kläger bekannt gewesen, dass es aufgrund der unzureichenden
Beschriftung seines Briefkastens in der Vergangenheit zu Unregelmäßigkeiten bei der Postzustellung gekommen sei. Im Ergebnis
habe der Kläger die Klagefrist schuldhaft versäumt, so dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne.
Gegen den dem Kläger bzw. seinem Prozessbevollmächtigten am 30. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am
27. Juli 2007 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Der Kläger trägt vor, die an dem Briefkasten deutlich
sichtbar angebrachte Anweisung, die Post an das angegebene Postfach weiterzuleiten, stehe einem förmlich erteilten Nachsendeauftrag
gleich. Hierdurch sei der Briefzusteller verpflichtet gewesen, der Anweisung zu folgen und die Post in das Postfach einzulegen.
Im Übrigen habe er sowohl den Hausbriefkasten als auch sein Postfach regelmäßig geleert. Abschließend verweist der Kläger
auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG und legt das Schreiben der Post über die Bestätigung der Postfacheinrichtung
vor.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juni 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides
vom 2. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2005 zu verurteilen, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt
für die Zeit vom 19. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, wonach der Kläger den Zugang der Post schuldhaft vereitelt habe, weil er auf
dem für den Zusteller erreichbaren Briefkasten neben der Aufschrift "D. B. e.K." nicht auch seinen Namen angebracht habe.
Im Übrigen ersetze eine "Anweisung" auf dem Briefkasten weder einen förmlich erteilten und kostenpflichtigen Nachsendeauftrag
noch stehe diese Anweisung einem solchen Nachsendeauftrag gleich. Eine entsprechende Verpflichtung des Postzustellers sei
daraus jedenfalls nicht abzuleiten. Weiter sei fraglich, warum ein Zusteller angesichts des mit "D. B. e.K." beschrifteten
Briefkastens Briefe, die namentlich an den Kläger adressiert seien, an das Postfach weiterleiten solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid
vom 28. Juni 2007 die Klage des Klägers zu Recht als unzulässig abgewiesen und zutreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand abgelehnt.
Die Fristversäumnis lässt sich auch nicht im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beheben. Nach §
67 Abs.
1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche
Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist nach §
67 Abs.
2 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft
gemacht werden. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind indes nicht erfüllt. Der Kläger hat bereits im Erörterungstermin
vor dem Sozialgericht vom 29. März 2006 eingeräumt, dass sich am Eingangstor der Hofeinfahrt weder an der Klingel noch am
Briefkasten sein Name befindet bzw. befunden hat. Vielmehr hat der Briefkasten lediglich den Namen der von dem Kläger betriebenen
Firma "D. B. e.K." getragen sowie den Hinweis, dass die Post an sein Postfach weiterzuleiten sei. Dieser Sachverhalt ist von
dem Kläger nochmals im Senatstermin bestätigt worden. Davon ausgehend ist ein Verschulden des Klägers zu bejahen, das zu der
Fristversäumnis geführt hat, denn der Kläger war gehalten, eine ordnungsgemäße Postempfangsvorrichtung zu betreiben bzw. sicherzustellen,
dass an ihn gerichtete Post ihn auch erreicht. Daran mangelte es jedoch hier. Zum einen setzt eine solche ordnungsgemäße Postempfangsvorrichtung
voraus, dass sich an dem Briefkasten der vollständige Name befindet (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1990, Az. V ZB 7/90 = NJW 1991, 109), was hier nicht der Fall war. Vielmehr war lediglich an dem für den Postzusteller nicht zugänglichen zweiten Briefkasten
im Hof der Name des Klägers angebracht. Die Pflicht, den vollständigen Namen auf dem Briefkasten anzugeben, gilt hier um so
mehr, als der Kläger unter der Wohnanschrift C-Straße in A-Stadt sowohl gewohnt als auch sein Unternehmen betrieben hat. Der
Briefkasten hätte deshalb sowohl Angaben zum Unternehmen als auch den Namen des Klägers tragen müssen (vgl. BGH aaO.). Zum
anderen reicht - soweit sich der Kläger auf sein Postfach berufen hat - die Einrichtung eines Postfachs allein nicht aus (vgl.
BGH aaO.). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn ein Nachsendeauftrag gestellt worden wäre (an dem es hier allerdings
fehlt). Soweit der Kläger auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post hingewiesen hat, ergibt sich daraus gerade, dass
auch bei Einrichtung eines Postfaches "Briefsendungen mit der Hausanschrift aus betrieblichen Gründen auch an die Hausanschrift
zugestellt werden können" (vgl. Ziff. 3 Abs. 4 S. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG für die Nutzung
von Postfächern - AGB Postfach). Dementsprechend ist auch der an dem äußeren Briefkasten angebrachte Hinweis des Klägers,
die Post möge an sein Postfach weitergeleitet werden, nicht ausreichend. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der
äußere Briefkasten lediglich den Namen seines Unternehmens getragen hat. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass
für den Postzusteller aus diesem Hinweis nicht ohne weiteres zu schließen sei, er müsse auch die private Post des Klägers
an das Postfach weiterleiten. Unabhängig davon bestand keine Verpflichtung des Postzustellers, die Post (unentgeltlich) an
das Postfach weiterzuleiten. Aus den der Internetseite der Deutschen Post AG zu entnehmenden Produktinformationen ergibt sich,
dass ein Nachsendeauftrag (heute: Nachsendeservice) kostenpflichtig ist. Dies musste auch dem Kläger klar sein. Weiter hat
das Sozialgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger mit dem Widerspruchsbescheid rechnen musste. Dies ergibt sich
daraus, dass er von seinem Prozessbevollmächtigten die Niederschrift über die Anhörung sozial erfahrener Personen vom 13.
Juli 2005 erhalten hat, wovon mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen ist. Der Kläger hat auch nicht bestritten,
die Niederschrift erhalten zu haben. Die angehörten sozial erfahrenen Personen haben geraten, dem Widerspruch nicht abzuhelfen.
Musste der Adressat eines Bescheides aber mit dem alsbaldigen entsprechenden Zugang rechnen, so erhöht sich hierdurch nochmals
die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass das Schriftstück ihn erreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 1996, Az. AnwZ (B) 46/95 = BRAK-Mitt. 1996, 79 f.). Nach alledem hat der Kläger die Fristversäumnis zu vertreten und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht
in Betracht.