LSG Hessen, Urteil vom 24.10.2013 - 8 KR 114/12
Anspruch auf Krankengeld; Zulässigkeit der Rückübertragung einer auf den Berichterstatter übertragenen Berufung auf den Senat;
Richtigkeit einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit
Normenkette: FGO § 6 Abs. 3 S. 1
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Vorinstanzen: SG Frankfurt/Main 22.02.2012 S 25 KR 48/10
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22.02.2012 abgeändert. Die
Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.07.2006 verurteilt,
dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 20.06.2006 bis 30.09.2006 in gesetzlichem Umfang zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger für den Zeitraum vom 20. Juni 2006 bis 30. April 2007 von der Beklagten die Zahlung von Krankengeld
beanspruchen kann.
Der 1954 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger, war bis 30. April 2006 als Angestellter bei der C. Hotelmanagement
GmbH beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 12. Mai 2006 vor dem Landesarbeitsgericht
Frankfurt am Main (Az. 5 Sa 410/06). Seit 12. August 2005 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung - ( SGB III). Vom 17. Oktober 2005 bis 2. Dezember 2005 war er wegen Zervikobrachial-Syndrom [M 53.1] arbeitsunfähig erkrankt (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
des Orthopäden D. vom 17. Oktober 2005, 31. Oktober 2005, 14. November 2005, 17. November 2005, 21. November 2005 und 30.
November 2005). Anschließend bescheinigte zunächst der Arzt für Allgemeinmedizin/Sportmedizin Dr. E. mit Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung
vom 5. Dezember 2005 dem Kläger Arbeitsunfähigkeit wegen Reaktion auf schwere Belastung, nicht näher bezeichnet [F 43.9 G].
Sodann attestierte der Neurologe und Psychiater Dr. G. Arbeitsunfähigkeit vom 8. Dezember 2005 bis 28. Februar 2006 wegen
Neurasthenie [F 48.0 G] (Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung vom 8. Dezember 2005 und Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigungen
vom 2. und 31. Januar 2006) sowie bis 20. März 2006 wegen Neurasthenie [F 48.0 G], Hypertonie [I 10.80], Tinnitus aurium beidseitig
[H 93.1 G B], Tremor, nicht näher bezeichnet [R 25.1 G] und Adipositas, nicht näher bezeichnet [E 66.9 G] (Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung
vom 28. Februar 2006). Die Bundesagentur für Arbeit gewährte Arbeitslosengeld bis zum Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall
am 27. November 2005.
Die Beklagte zahlte dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 5. bis 27. Dezember 2005 und lehnte mit Bescheiden vom 17. November
2005 und 3. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 die Krankengeldzahlung für die Zeiträume
vom 28. November 2005 bis 4. Dezember 2005 sowie ab 28. Dezember 2005 ab. Die dagegen beim Sozialgericht Frankfurt am Main
erhobene Klage (S 18/21/25 KR 353/06) nahm der Kläger am 23. März 2011 zurück.
Der Kläger meldete sich am 21. März 2006 erneut arbeitslos und stellte sich dem Arbeitsmarkt im Umfang von 40 Wochenstunden
zur Verfügung. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte Arbeitslosengeld ab 21. März 2006 und stellte durch Bescheid vom 7.
April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2006 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs für die Zeit
vom 29. März 2006 bis 4. April 2006 wegen einer Sperrzeit fest.
Ab dem 9. Mai 2006 war der Kläger wiederum arbeitsunfähig krank. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. attestierte mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
vom 9. Mai 2006, 31. Mai 2006, 27. Juni 2006, 14. Juli 2006, 11. August 2006 und 30. August 2006 wegen Karpaltunnelsyndrom
[G 56.0], Tinnitus aurium links größer als rechts [H 93.1 G], Hypertonie [I 10.90 G], Tremor, nicht näher bezeichnet [R 25.1
G], Adipositas, nicht näher bezeichnet [E 66.9 G], Neurasthenie [F 48.0] (arbeitsunfähigkeitsbegründende Diagnose für die
Zeit vom 11. bis 30. August 2006 gemäß Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung vom 11. August 2006) und beidseitiger Hörverlust,
nicht näher bezeichnet [H 91.9 G B] die durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 9. Mai 2006 bis zuletzt 30. September
2006. In der letzten von Dr. G. unter dem 30. August 2006 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsfolgenbescheinigung wurde Arbeitsunfähigkeit
bis voraussichtlich 30. September 2006 - dieser Tag fiel auf einen Samstag - unter Anführung der Diagnosen H 93. GB, R 25.1
G, E 66.9 G, I 10.90 G attestiert. In einem ärztlichen Bericht vom 15. Mai 2006 für die beklagte Krankenkasse gab Dr. G. an,
eine Leistungsfähigkeit des Klägers bestehe für 15 Stunden pro Woche für eine sitzende Tätigkeit ohne Stress. Der Orthopäde
D. schrieb den Kläger wegen Zervikobrachial-Syndrom [M 53.1 G] für die Zeit vom 30. August 2006 bis 10. September 2006 arbeitsunfähig
(Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung vom 30. August 2006). Die Neurologin und Psychiaterin F., bei der der Kläger seit 2.
Oktober 2006 in Behandlung war, bescheinigte diesem mit Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung vom 2. Oktober 2006 wegen depressive
Episode, nicht näher bezeichnet [F 32.9 G], Arbeitsunfähigkeit vom 2. Oktober 2006 bis 13. Oktober 2006. Anschließend bestätigte
sie den durchgehenden Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Erkrankung bis 30. April 2007 (Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigungen
vom 13. Oktober 2006, 27. Oktober 2006, 10. November 2006, 24. November 2006, 8. Dezember 2006, 4. Januar 2007, 19. Januar
2007, 2. Februar 2007, 22. Februar 2007, 15. März 2007, 29. März 2007 und 16. April 2007). Außerdem bestand eine Arbeitsunfähigkeit
des Klägers wegen Prellung einer nicht näher bezeichneten Körperregion [T 14.05 G] für den Zeitraum vom 21. Dezember 2006
bis 1. Januar 2007 (Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin/Sportmedizin Dr. E. vom 21. Dezember
2006).
Die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main - Höchst hob mit Aufhebungsbescheid vom 20. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28. September 2006 die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 20. Juni 2006 wegen Ende der Leistungsfortzahlung
im Krankheitsfall (§ 126 SGB III) auf. Der Kläger sei arbeitsunfähig erkrankt und stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung.
Die Beklagte entschied mit Bescheid vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2006, dass die
Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum 23. Mai 2006 beendet sei, da ab 24. Mai 2006 eine Vermittelbarkeit durch die Agentur für
Arbeit wieder bestehe. Der Anspruch auf Krankengeld entfalle daher ab diesem Tag. Zur Begründung ihrer Entscheidung verwies
sie auf die Stellungnahmen nach Aktenlage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Hessen vom 17. Mai 2006
und 31. Mai 2006. Darin führte die Ärztin Dr. H. in zwei Kurzstellungnahmen nach Aktenlage und nach telefonischer Rücksprache
mit Dr. G. aus, der Kläger sei mangels erkennbarer Funktionsstörungen ab 24. Mai 2006 für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt arbeitsfähig. Dass Dr. G. dennoch wegen der bekannten Diagnosen weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt
habe, ohne im Einzelnen darzulegen, aus welchen medizinischen Gründen er von der Einschätzung des MDK abweiche, könne nicht
zu einem weiteren Anspruch auf Krankengeld führen.
Hiergegen erhob der Kläger am 16. August 2006 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main (früheres Az. S 25 KR 576/06). Nachdem der Kläger das Verfahren zunächst nicht betrieben hatte, wurde der Rechtsstreit am 10. März 2008 nach § 19 Abs.
1 Nr. 4 der Aktenordnung für die Hessische Sozialgerichtsbarkeit vom 1. Juni 2005 (Justizministerialblatt - JMBI - 2005 Seite
452) erledigt. Mit Schriftsatz seiner neuen Prozessbevollmächtigten vom 19. Januar 2010 führte der Kläger den Rechtsstreit fort
mit dem Klageziel, die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum 23. Juni 2006 bis 7. Mai 2007 zu verurteilen.
Er trug vor, er sei über den 23. Mai 2006 hinaus bis 7. Mai 2007 durchgehend arbeitsunfähig gewesen.
Das Gericht zog die Gerichtsakten S 18/21/25 KR 353/06 und S 25 KR 727/06 ER sowie die Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit bei. Die Einholung von Befundberichten der den Kläger im streitgegenständlichen
Zeitraum behandelnden Ärzte Dr. G. und Frau F. war wegen deren Praxisaufgabe nicht möglich. Die jeweiligen Patientenunterlagen
des Klägers, die sich nach Auskunft der Landesärztekammer Hessen vom 4. März 2011 bei der Medizinisches Versorgungszentrum
Frankfurt-Rödelheim GmbH beziehungsweise bei dem Neurologen und Psychiater Dr. J. (Praxisnachfolger von Frau F.) befinden
sollen, konnten dort nicht aufgefunden werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2012 entschied das Sozialgericht nach vorheriger Anhörung der Beteiligten zu dieser Entscheidungsform
wie folgt:
"1. Der Bescheid vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2006 wird aufgehoben. Die Beklagte
wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 20. Juni 2006 bis 30. September 2006 und vom 3. Oktober 2006 bis
30. Oktober 2006 in gesetzlichem Umfang zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu einem Viertel."
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht aus, der Kläger habe einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit
vom 20. Juni 2006 bis 30. September 2006 (hierzu unter 1.). Er sei über den 23. Mai 2006 hinaus durchgehend bis 30. September
2006 arbeitsunfähig krank gewesen. Ebenso bestehe aufgrund Arbeitsunfähigkeit des Klägers ein Krankengeldanspruch für die
Zeit vom 3. Oktober 2006 bis 30. Oktober 2006 als nachgehender Leistungsanspruch gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - ( SGB V). Demgegenüber sei ein Krankengeldanspruch des Klägers für den 1. und 2. Oktober 2006 sowie für den Zeitraum ab 31. Oktober
2006 nicht gegeben (hierzu unter 2.).
1. Nach § 44 Abs. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig mache. Arbeitsunfähigkeit liege vor, wenn
der Versicherte wegen Krankheit nicht oder nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, weder fähig ist, seine bisherige
noch eine ähnlich geartete Erwerbstätigkeit auszuüben. Trete die Arbeitsunfähigkeit - wie vorliegend - während des Bezugs
von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ein, sei Beurteilungsmaßstab, ob die Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
krankheitsbedingt aufgehoben ist (Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, u.a. Urteil vom 19. September 2002 - B 1 KR 30/01 R). Ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld sei nach Ablauf der Leistungsfortzahlung der Bundesagentur für Arbeit am 19. Juni
2006 entstanden; an diesem Tag sei er mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs
bestehende Versicherungsverhältnis bestimme, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Krankengeld beanspruchen könne (stRspr.,
vgl. zuletzt z. B. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 1 KR 20/08 R - juris). Die fortbestehende Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 SGB V erhalte den Status des Versicherten aufrecht, an den sie anknüpft (Hinweis u.a. auf BSG, Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 38/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 14), hier also eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld. Die auf der Krankenversicherung der Arbeitslosen basierende Mitgliedschaft des Klägers bei
der Beklagten habe gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V über den 19. Juni 2006 hinaus fortbestanden.
Die Beklagte habe nämlich die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu Unrecht mit dem 23. Mai 2006 beendet. Der Kläger sei aber
vom 9. Mai 2006 bis 30. September 2006 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. habe
dem Kläger mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 9. Mai 2006, 31. Mai 2006, 27. Juni 2006, 14. Juli 2006, 11. August
2006 und 30. August 2006 entsprechend § 31 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die
Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) in der Fassung vom 1. Dezember 2003 (Bundesanzeiger
Nr. 61 vom 27. März 2004 Seite 6501) Arbeitsunfähigkeit fortlaufend und durchgehend vom 9. Mai 2006 bis 30. September 2006
attestiert. Zwar komme einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung
für die Entscheidung der Krankenkasse über den Anspruch auf Krankengeld keine uneingeschränkte bindende Wirkung zu. Bei begründeten
Zweifeln an der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit habe die Krankenkasse von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen.
Derartige begründete Zweifel an dem Bestand der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bereits ab 9. Mai 2006 seien jedoch weder von
der Beklagten oder von dem MDK in dessen aktenmäßigen Stellungnahmen benannt worden noch sonst ersichtlich. Die aktenmäßigen
Stellungnahmen des MDK vom 17. Mai 2006 und 31. Mai 2006 seien nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung der Beklagten
zu stützen, da sie nur nach Aktenlage und nicht aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Klägers erstellt wurden. Eine
ärztliche Untersuchung sei hier bereits deshalb erforderlich gewesen, weil in der übersandten Verwaltungsakte keine ärztlichen
Befunde dokumentiert seien, die nach Aktenlage hätten beurteilt werden können. Bereits aufgrund der Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung
des Dr. G. vom 9. Mai 2006 (Arbeitsunfähigkeit vom 9. Mai 2006 bis 31.Mai 2006) habe die Beklagte schon am Tag des Eingangs
bei ihr am 11. Mai 2006 eine Beurteilung durch den MDK veranlasst. Wenn allerdings die Krankenkasse bereits aufgrund einer
Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung Zweifel an dem Bestand der vertragsärztlich dokumentierten Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten
habe, sei dessen persönliche Befragung und Untersuchung durch den MDK unabdingbar erforderlich. Eine Befragung und Untersuchung
des Versicherten sei zur Beurteilung der Frage der Arbeitsfähigkeit regelmäßig vonnöten; denn in solchen Fällen beruhe die
Beurteilung der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße auf dem persönlichen Eindruck des Arztes. Ein solches Vorgehen des MDK,
der die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit empfehle, obwohl jede nähere Kenntnis des Krankheitsbildes fehlt, entspreche nicht
den Anforderungen eines qualifizierten sozialmedizinischen Gutachtens nach § 275 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b SGB V. Daran ändere auch nichts, dass die Ärztin im MDK, Dr. H., am 17. Mai 2006 mit dem den Kläger behandelnden Arzt Dr. G. telefonierte.
Denn dem handschriftlichen Vermerk dieser MDK-Ärztin vom 17. Mai 2006 (Blatt 4 der Verwaltungsakte) könnten weder der genaue
Inhalt des Telefonats noch die von Dr. G. erhobene Befunde noch sonstige Fremdbefunde entnommen werden, sodass eine sachliche
Überprüfung der Beurteilung des MDK nicht möglich sei. Vorliegend habe sich der Beklagten und dem MDK eine Untersuchung des
Klägers auch deshalb aufdrängen müssen, weil schon hinsichtlich der vorangegangenen streitigen Arbeitsunfähigkeitszeiten vom
17. Oktober 2005 bis 1. Dezember 2005 und vom 5. Dezember 2005 bis 21. März 2006 die Arbeitsunfähigkeit durch die Beklagte
beziehungsweise den MDK zum 20. November 2005 und 27. Dezember 2005 nur nach Aktenlage und ohne eine persönliche Untersuchung
des Klägers beurteilt worden war. Der Kläger sei somit zu keinem Zeitpunkt vom MDK befragt und untersucht worden.
Das Hessische Landessozialgericht habe mit Urteil vom 18. Oktober 2007 (L 8 KR 228/06 - juris), dem sich die erkennende Kammer anschließe, entschieden, dass eine Krankenkasse die ihr obliegende Pflicht zur Sachaufklärung
von Amts wegen (§§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) schuldhaft verletze, wenn sie die gebotene zeitnahe Aufklärung des maßgeblichen medizinischen Sachverhalts unterlasse. Dazu
gehöre, genauere Informationen zum Krankheitsbild einzuholen und, soweit dies aus Sicht der Krankenkasse für eine Beurteilung
nicht ausreiche, sodann auf der Grundlage dieser Auskünfte eine den Anforderungen des § 275 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b SGB V entsprechendes, medizinisch qualifiziert begründetes Gutachten des MDK anzufordern und den MDK gegebenenfalls zu einer persönlichen
Untersuchung anzuhalten. Um ein derart medizinisch qualifiziert begründetes Gutachten handele es sich bei den aktenmäßigen
Stellungnahmen des MDK vom 17. Mai 2006 und 31. Mai 2006 in keinster Weise. Im Hinblick auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
des Dr. G. vom 9. Mai 2006, 31. Mai 2006, 27. Juni 2006, 14. Juli 2006 und dessen Angaben vom 15. Mai 2006 (Blatt 8 der Verwaltungsakte)
hätte die Beklagte vorliegend die Pflicht, den medizinischen Sachverhalt weiter aufzuklären sowie ein Gutachten des MDK nach
Untersuchung des Klägers einzuholen, gehabt. Hierfür habe auch deshalb Anlass bestande, weil der MDK in seiner "Beurteilung
der Arbeitsunfähigkeit (AU) nach Aktenlage" vom 17. Mai 2006 (Blatt 5 der Verwaltungsakte) lediglich die Arbeitsunfähigkeitsdiagnose
Tinnitus aurium (H 93.1) und nicht auch die von Dr. G. weiter angeführten Diagnosen Karpaltunnelsyndrom (G 56.0), Hypertonie
(I 10.90), Adipositas (E 66.9 G) und Tremor, nicht näher bezeichnet (R 25.1) anspreche. Für die Beendigung einer vertragsärztlich
festgestellten Arbeitsunfähigkeit reiche es ebenfalls nicht aus, wenn der MDK etwas "nicht nachvollziehen" könne (Blatt 4
der Verwaltungsakte). Darüber hinaus hätten die Beklagte und der MDK nicht beachtet, dass nach den Angaben des Dr. G. vom
15. Mai 2006 nur eine Leistungsfähigkeit des Klägers für 15 Stunden die Woche für sitzende Tätigkeiten ohne Stress bestehe.
Der Kläger habe sich aber ausweislich der Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit bei seiner Arbeitslosmeldung am 21. März
2006 für eine Vollzeittätigkeit von 40 Wochenstunden der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt. Die rechtlich maßgebliche
Frage, ob der Kläger vollschichtig leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne, sei vom MDK in dessen
kurzer Stellungnahme vom 31. Mai 2006 nicht gutachterlich beantwortet worden. Der MDK nehme vielmehr lediglich Bezug auf die
Mitteilung des Dr. G., dass dieser den Kläger "für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (sitzend, ohne Stress)" für
arbeitsfähig sehe, ohne dessen Einschränkung auf 15 Wochenstunden zu thematisieren. Es fehle eine medizinisch begründete Darlegung,
ob und aus welchem Grund der Kläger dennoch über ein Leistungsbild für eine Vollzeittätigkeit verfügt. Ein Widerspruch des
behandelnden Arztes Dr. G. gemäß § 7 der AU - Richtlinien gegen die Beurteilung des MDK sei nicht erforderlich gewesen, weil
hier kein Gutachten des MDK vorliege.
2. Auch bestehe ein der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nachgehender Anspruch auf Krankengeld gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V für die Zeit vom 3. Oktober 2006 (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V) bis 30. Oktober 2006 aufgrund der Arbeitsunfähigkeit attestierenden Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung vom 2. Oktober
2006 und den Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigungen vom 13. Oktober 2006 und 27. Oktober 2006 der Neurologin und Psychiaterin
F. Hingegen habe der Kläger für den 1. und 2. Oktober 2006 sowie für die Zeit vom 31. Oktober 2006 bis 7. Mai 2007 keinen
Anspruch auf Krankengeld, weil er seit 1. Oktober 2006 nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert
gewesen sei. Ein Anspruch auf Krankengeld nach § 44 SGB V für den 1. und 2. Oktober 2006 sowie ab 31. Oktober 2006 sei nicht entstanden, weil der Kläger seit dem 1. Oktober 2006 nicht
mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert war. Die auf der Krankenversicherung der Arbeitslosen
basierende Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V habe nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V lediglich bis zum 30. September 2006 fortbestanden. Dr. G. habe zuletzt mit Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung vom 30.
August 2008 den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit bis 30. September 2006 attestiert. Die weitere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung
sei durch die Neurologin und Psychiaterin F. erst am 2. Oktober 2006 mit Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung für die Zeit
vom 2. Oktober 2006 bis 13. Oktober 2006 erfolgt. Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entstehe ein Anspruch auf Krankengeld - abgesehen von dem Fall der Krankenhausbehandlung und der Behandlung in einer Vorsorge
- oder Rehabilitationseinrichtung - von dem Tag an, der auf die ärztliche Feststellung folge. An diesem und dem darauffolgenden
Tag (2. und 3. Oktober 2006) sei der Kläger jedoch nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert
gewesen, weil die Anknüpfung an den Leistungsbezug von der Bundesagentur für Arbeit mit dem 30. September 2006 beendet worden
sei.
Aus den vorstehend dargelegten rechtlichen Gründen brauchte die Kammer den Beweisanträgen des Klägers auf Vernehmung des Dr.
G. und der Frau F. sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen. Im Übrigen sei nicht anzunehmen,
dass die als Zeugen benannten Ärzte ohne die sich nicht mehr in ihrem Besitz befindlichen Krankenunterlagen des Klägers heute
noch (genaue) Angaben über die im Jahre 2006 erhobenen Befunde machen könnten. Auch habe der Kläger keine ladungsfähigen Anschriften
dieser seit Jahren nicht mehr praktizierenden Ärzte mitgeteilt. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens
zu der Frage, ob und für welche Zeiträume der Kläger seit 9. Mai 2006 arbeitsunfähig war, sei ohne Dokumentation der im Jahre
2006 erhobenen Befunde weder zielführend noch zweckmäßig.
Die Beklagte hat gegen diese ihr am 9. März 2012 zugestellte Entscheidung am 5. April 2012 Berufung eingelegt. Sie trägt vor,
entgegen den Darlegungen des Sozialgerichts hätte es zur Beurteilung der streitigen Arbeitsunfähigkeit des Klägers keines
MDK-Gutachtens mit ärztlicher Untersuchung des Klägers bedurft. Das Ende der Arbeitsunfähigkeit sei mit Ablauf des 23. Mai
2006 zutreffend beurteilt worden. Eine Mitgliedschaft des Klägers mit Krankengeldanspruch habe mit Ablauf des 23.05.2006 geendet.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 20112 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 1. März 2012 zugestellten Gerichtsbescheid ebenfalls Berufung eingelegt (Telefaxschreiben
vom 27. März 2012). Er macht geltend, Krankengeld stehe ihm auch für den 1. und 2. Oktober 2006 zu. Er habe am Freitag, den
29. September die Arztpraxis des Dr. G. aufgesucht, um sich eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen.
Er habe dann allerdings erfahren, dass diese Arztpraxis geschlossen bzw. von Dr. G. aufgegeben worden sei. Deshalb habe er
sich erst am nächsten Montag in weitere nervenärztliche Behandlung durch Frau F. begeben könnten. Dies könnten diese Ärzte
bezeugen. Die wegen der Schließung der Arztpraxis des Dr. G. eingetretene zeitliche Verzögerung der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
könne nicht zu seinen Lasten gehen. Hinsichtlich des für die übrigen Oktobertage 2006 auf § 19 Abs. 2 SGB V vom Sozialgericht gestützten Anspruchs gelte, dass dieser greife. Es sei zu erwarten gewesen, dass er alsbald wieder in ein
versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis komme. In diesem Zusammenhang legt der Kläger einen Leistungsnachweis der Agentur
für Arbeit Frankfurt Main Nord vom 23. Oktober 2008 vor. Danach hatte der Kläger vom 22.06.2007 bis 22.10.2008 Arbeitslosengeld
nach § 117 SGB III bezogen. Ab 01.11.2008 hatte er ausweislich der von ihm vorgelegten Verdienstabrechnungen wieder in einer sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung gestanden.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2012
zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld auch für die Zeiträume 1. bis 2. Oktober 2006 sowie vom 1.
November 2006 bis 30. April 2007 in gesetzlichem Umfang zu zahlen.
Das Berufungsgericht hat am 15.08.2013 in der Besetzung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) durch den Berichterstatter unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter einen Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt.
Der darin von Seiten des Berufungsgerichts vorgeschlagene Prozessvergleich zum Abschluss des Rechtsstreites ist nicht wirksam
geworden. Der Kläger hat innerhalb der ihm eingeräumten Widerrufsfrist mit Telefaxschreiben vom 29. August den Vergleichsabschluss
widerrufen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung, auch durch den Senat, für den Fall, dass der Vergleich nicht wirksam wird, erklärt. Der Senat hat durch die Berufsrichter
am 24. Oktober 2013 folgenden Beschluss getroffen: "Im Einverständnis mit dem Berichterstatter und im Hinblick auf die Einverständniserklärung
der Beteiligten vom 15. August 2013 wird der Übertragungsbeschluss vom 11. Juli 2013 aufgehoben. Die Entscheidung über die
Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2012 obliegt damit dem
Senat."
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungsentscheidung ist vom Senat in voller Besetzung zu treffen. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 11. Juli 2013
die Berufungsentscheidung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) auf den Berichterstatter übertragen und damit eröffnet, dass dieser mit den ehrenamtlichen Richtern auf Grund mündlicher
Verhandlung entscheidet. Die Übertragungsbefugnis des § 153 Abs. 5 SGG knüpft zunächst daran an, dass das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Das Gesetz konzipiert aber keinen
Automatismus dergestalt, dass immer dann, wenn es sich bei der erstinstanzlichen Entscheidung um einen Gerichtsbescheid handelt,
eine Übertragung auf den Berichterstatter zu erfolgen hat. Vielmehr verlangt die durch Beschluss des Senats zu treffende Entscheidung
die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nicht durchgehend davon ausgegangen
werden kann, dass die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG für die Entscheidungsform Gerichtsbescheid in erster Instanz zutreffend bejaht wurden. Daher ist das "kann" in § 153 Abs. 5 SGG dahingehend zu konkretisieren, dass zur Überzeugung des Berufungssenats feststehen muss, dass die Rechtssache keine besonderen
Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (vgl. ausführlich Frehse, in:
Jansen, SGG 3. Auflage 2009, § 105 Rn. 30; im Ergenis ebenso Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 153 Rn. 25). Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Streitsache nachträglich, z.B. im Rahmen der mündlichen Verhandlung
vor dem Berichterstatter und den ehrenamtlichen Richtern, als von besonderer Schwierigkeit und/oder grundsätzlicher Bedeutung
herausstellt, etwa durch erweitertes Vorbringen der Beteiligten mit der Folge einer intensiveren Befassung mit der Sach- und
Rechtslage. Bei einer solchen Konstellation die Möglichkeit einer Rückübertragung der Entscheidung auf den Senat auszuschließen,
würde auch im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz ( GG) zu einem problematischen Ergebnis führen. Ob, wann und unter welchen Voraussetzungen der Berichterstatter die Sache wieder
an den Senat zurückübertragen bzw. letzterer gar die Sache wieder an sich ziehen kann, ist in § 153 Abs. 5 SGG, anders als in § 6 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO) und § 6 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie in § 526 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung ( ZPO) nicht geregelt. Daraus kann indessen nicht hergeleitet werden, dass eine Rückübertragung auf den Senat generell unzulässig
ist (so zutreffend Littmann, in: Lüdtke - Herausgeber -, SGG 4. Auflage, § 153 Rn. 45; a.A.: Hintz/Lowe, SGG, Kommentar, 2012, § 153 Rn. 42; Keller aaO. § 153 Rn. 25a). In § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO und § 6 Abs. 3 Satz 1 FGO wird die Rückübertragung in die Kompetenz des Berichterstatters gestellt. Daraus, dass dem Berichterstatter eine solche Kompetenz
im SGG nicht übertragen ist, kann vielmehr abgeleitet werden, dass im sozialgerichtlichen Berufungsverfahren eine Rückübertragung
durch den gesamten Senat beschlossen werden muss (vgl. Littmann aaO. § 153 Rn. 45; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.04.2010,
L 13 SB 152/07, juris, Rn. 34). Gegen einen Rückgriff über § 202 SGG auf die Regelung in § 526 Abs. 2 ZPO spricht, dass die ZPO das Verhältnis von Gesamtspruchkörperentscheidung zu Einzelrichterentscheidung im Sinne von Ausnahme zur Regel versteht (§
348 ZPO). Diese Norm gibt vor, dass der Einzelrichter den Rechtsstreit dem Berufungsgericht zur Entscheidung über eine Übernahme
vorlegt, wenn 1. sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder 2. die Parteien dies übereinstimmend beantragen.
Demgegenüber geht § 6 VwGO weiter von einer grundsätzlichen Zuständigkeit des Richterkollegiums aus und versieht die Übertragung auf den Einzelrichter
lediglich mit einem "Soll-Befehl". Dem in der sozialgerichtlichen Prozessordnung vorgegeben System, dass der Regelfall im
Berufungsverfahren die Entscheidung durch den Berufungssenat ist und eine Entscheidung durch den Berichterstatter nur in Fällen
mit erstinstanzlicher Entscheidungsform Gerichtsbescheid - hier entscheidet der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen
Richtern - oder mit Einverständnis der Beteiligten - dann entscheidet der Berichterstatter allein - vorgesehen ist, entspricht
es am ehesten, eine Rückübertragung durch Entscheidung des gesamten Senats auf Initiative des Berichterstatters zuzulassen.
Letztere Einschränkung schafft eine Vorkehrung dagegen, dass der Berufungssenat unter Übergehung des Berichterstatters die
Entscheidung über eine Berufung wieder an sich zieht.
Eine Rückübertragung kann insbesondere erforderlich sein, wenn die Voraussetzungen des § 105 SGG für einen Gerichtsbescheid entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Richters nicht vorlagen, wenn weitere umfängliche
Ermittlungen erforderlich sind oder die materielle Rechtslage nicht einfach gelagert ist und sich dies erst im Verlauf des
Berufungsverfahrens nach dem Ergehen des Übertragungsbeschlusses herausstellt (vgl. Littmann aaO. § 153 Rn. 45 am Ende).
So liegt es hier. Insbesondere ist die Rechtslage im Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 19 Abs. 2 SGB V und dessen Verhältnis zur Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 8a Satz 4 SGB V nicht einfach gelagert. Weiter haben der Berichterstatter und die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch
den Senat erklärt. Dementsprechend konnte der Senat mit Beschluss der Berufsrichter die Entscheidung über die Berufungen auf
den Senat zurückübertragen.
Der Senat konnte unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung
treffen, da die Beteiligten auch hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG).
Die nach §§ 143 ff. SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Beteiligten sind zulässig. In der Sache hat aber nur die Berufung der Beklagten
teilweise Erfolg, während die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen ist. Dementsprechend war der Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts Frankfurt am Main in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Krankengeld auch für die Zeit vom 20. Juni 2006 bis 30. September 2006 in gesetzlich vorgesehenem
Umfang zu. Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung besteht dieser Anspruch aber nicht mehr für den Zeitraum vom 3. bis
30. Oktober 2006. Der vom Kläger noch für den 1. und 2. Oktober 2006 und darüber hinaus für den Zeitraum 1. November 2006
bis 30. April 2007 geltend gemachte Krankengeldanspruch ist gänzlich unbegründet, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden
hat.
Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung zutreffend dargelegt, dass der Kläger in der Zeit vom 9. Mai 2006 bis zum 30.
September 2006 durchgehend arbeitsunfähig i.S.d. § 44 Abs. 1, 1. Alt. SGB V gewesen ist und deshalb die Beklagte in ihrem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu Unrecht
entschieden hat, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei mit dem 23. Mai 2006 beendet worden. Das Gericht erster Instanz hat
das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Nervenarztes und Psychiaters
Dr. G. bejaht. Es hat dabei zutreffend zugrunde gelegt, dass der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit sich allein nach dem Umfang
des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis richtet und hat dementsprechend zu Recht
darauf abgestellt, dass der Kläger in diesem Zeitraum arbeitslos gemeldet war und sich der Vermittlung für den Arbeitsmarkt
im Umfang von 40 Wochenstunden zur Verfügung gestellt hatte. Ein Bezieher von Arbeitslosengeld ist arbeitsunfähig, wenn er
aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2002, B 1 KR 11/02 R, juris). Dies ist der Fall, wenn der gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherte Arbeitslose aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht in der Lage ist, Arbeiten in einem zeitlichen Umfang
zu verrichten, für den er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat und die ihm zumutbar sind
(vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 21/05 R, juris).
Dabei hat das Sozialgericht auch nicht verkannt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Vertragsarztes keinen unwiderlegbaren
Beleg für das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit darstellt und somit Krankenkassen und Gerichte an den Inhalt einer ärztlichen
Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit nicht zwingend gebunden sind. Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt vielmehr
lediglich die Bedeutung einer ärztlich-gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krankengeldanspruch
zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet. Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
somit ein Beweismittel wie jedes andere dar, so dass der durch sie bescheinigte Inhalt durch andere Beweismittel widerlegt
werden kann. Dass eine solche Widerlegung der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Dr. G. durch die Beklagte
nicht erfolgt ist, hat das Sozialgericht überzeugend und rechtsfehlerfrei dargetan. Die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung durch
den Facharzt Dr. G. war insbesondere im Hinblick auf die Diagnose Neurasthenie und der langen Vorerkrankungen des Klägers
nachvollziehbar, wobei dem von Dr. G. an die Beklagte gerichteten Bericht vom 15. Mai 2006 zu entnehmen war, dass bei dem
Kläger eine antidepressive medikamentöse Behandlung erfolgte. Dass im Vordergrund der gesundheitsbedingten Leistungseinschränkungen
des Klägers eine depressive Erkrankung bestand, ergibt sich auch aus der Arbeitsunfähigkeits-Erstbescheinigung der Nervenärztin
und Psychiaterin Frau F. vom 2. Oktober 2009, in der eine depressive Episode als arbeitsunfähigkeitsbegründend angeführt wurde.
Auch hatte der Nervenarzt und Psychiater Dr. G. in seinem Bericht an die Beklagte konkretisierend ausgeführt, die Leistungsfähigkeit
des Klägers für berufliche Tätigkeiten beschränke sich auf sitzende Tätigkeiten ohne Stressbelastung im Ausmaß von 15 Stunden
wöchentlich.
Bei dieser Sachlage konnte die von einem Facharzt dem Kläger bescheinigte Arbeitsunfähigkeit durch die bloßen aktenmäßigen
Stellungnahmen des MDK vom 17. Mai 2006 und 23. Mai 2006 nicht widerlegt werden. Insoweit hat das Sozialgericht unter zutreffender
Auswertung der in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Befundunterlagen und für den Senat voll nachvollziehbar dargelegt,
dass der MDK-Ärztin Dr. H. keine ärztlichen Befunde bei der Abgabe ihrer Stellungnahmen nach Aktenlage vom 17. Mai und 23.
Mai 2006 vorlagen, welche Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsattestierung des Dr. G. auslösen könnten. Weiter
hat das Gericht erster Instanz zu Recht dargelegt, dem handschriftlichen Vermerk der MDK-Ärztin über ein von ihr mit Dr. G.
geführtes Telefonat könnten weder Befunde noch sonstige Fremdbefunde entnommen werden, so dass auch dieses als Grundlage für
die erstellte MDK-Beurteilungen ausscheidet. Vielmehr gab der Sachverhalt allen Anlass zu einer vertieften medizinischen Klärung
des Krankheitsbildes des Klägers und der hierdurch bedingten Funktionseinschränkungen, was hier zwingend eine Untersuchung
des Klägers und ausführliche Befragung mit Anamneseerhebung und Abfrage der vom Kläger empfundenen Störungen und Leistungseinschränkungen
erforderte. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend auf das Urteil des Senats vom 18. Oktober 2007 (L 8 KR 228/06) hingewiesen, in dem der Senat dargelegt hat, dass eine Krankenkasse die ihr obliegende Pflicht zur Sachaufklärung von Amts
wegen schuldhaft verletzt, wenn sie die gebotene zeitnahe Aufklärung des maßgeblichen medizinischen Sachverhaltes unterlässt.
Reichen die im Rahmen einer solchen Sachverhaltsaufklärung erlangbaren medizinischen Befunde für eine Beurteilung nicht aus,
ist die Krankenkasse gehalten, eine den Anforderungen des § 275 Abs. 1 Nr. 3 lit. b SGB V entsprechendes, medizinisch qualifiziert begründetes Gutachten des MDK anzufordern und den MDK ggf. zu einer persönlichen
Untersuchung anzuhalten.
Die Beklagte traf ihre in dem Bescheid vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2006 niedergelegte
Entscheidung, der Kläger stehe ab 24. Mai 2006 wieder einer Vermittlung durch die Agentur für Arbeit zur Verfügung und sei
deshalb nicht mehr arbeitsunfähig ohne das Vorliegen eines aufgrund persönlicher Untersuchung des Klägers erstellten MDK-Gutachtens.
Damit bestand eine Sachlage, bei der die Richtigkeit der durch den Nervenarzt und Psychiater Dr. G. bescheinigten Arbeitsunfähigkeit
nicht ernsthaft in Zweifel gesetzt war. Bei dieser Sachlage konnte es auch nicht zu Lasten des Klägers wirken, dass trotz
umfangreicher Ermittlungsmaßnahmen des Sozialgerichts im Gerichtsverfahren keine weitere Klärung der medizinischen Befundlage
im streitigen Zeitraum vorgenommen werden konnte. Dem kann die Beklagte auch nicht entgegnen, der MDK erstelle seine Beurteilung
zum Bestehen von Arbeitsunfähigkeit bei einem Versicherten eigenständig und weisungsfrei. Somit könne der Krankenkasse, welche
den MDK eingeschaltet habe, eine evtl. unzureichende medizinische Sachverhaltsaufklärung nicht zugerechnet werden und sie
müsse für eine solche auch nicht rechtlich einstehen. Es ist zwar richtig, dass die Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 Nr. 3 b SGB V verpflichtet sind, zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
Absatz 1a dieser Norm führt Sachverhalte auf, bei denen sich Zweifel am Bestehen von Arbeitsunfähigkeit auftun. Des Weiteren
können sich für die Krankenkasse Gründe zum Hinterfragen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit aus den ihr eingereichten
medizinischen Unterlagen ergeben, etwa wenn die Diagnose in sich unschlüssig ist, eher auf eine leichte Befindlichkeitsstörung
denn auf eine Krankheit hindeutet oder die Dauer der Krankschreibung mit der Diagnose nicht in Einklang zu bringen ist (vgl.
Kruse, in: Hänlein/Kruse/Schuler, Herausgeber, Sozialgesetzbuch V, 4. Auflage § 275 Rdziff. 10). Im Falle der Einschaltung des MDK durch die Krankenkasse ist es zwar so, dass der MDK anhand der spezifizierten
Fragestellung nach ärztlichem Ermessen entscheidet, ob dem Auftrag nach Aktenlage oder aufgrund einer Krankenuntersuchung
nachzukommen ist. Jedoch trifft der MDK selbst keine Leistungsentscheidung. Er ist als sachverständiges Beratungsorgan konzipiert.
Daraus ergibt sich zum einen die Weisungsfreiheit bei der medizinisch-fachlichen Tätigkeit, die in § 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V niedergelegt ist. Der Gesetzgeber hat die im ärztlichen Berufsrecht manifestierte Unabhängigkeit der Gutachter auch auf die
Ärzte des MDK übertragen (vgl. Beyer, in: jurisPK - SGB V, Stand: 01.04.2012, § 275 Rdziff. 32). Aus der Beratungsfunktion des MDK für die gesetzlichen Krankenkassen folgt, dass dessen gutachtlichen Stellungnahmen
nur der rechtliche Gehalt von Entscheidungshilfen für die tatbestands- und rechtsfolgenmäßige Beurteilung des Einzelfalles
zukommt und keine Bindung der Krankenkasse an die MDK-ärztliche Beurteilung besteht (vgl. Kruse, aaO., § 275 Rdziff. 4). Daraus
ergibt sich, dass eine Krankenkasse gehalten ist, auch eine im Rahmen des § 275 SGB V abgegebene gutachtliche Stellungnahme des MDK auf ihre Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit hin zu prüfen und sich ggf.
auftuende Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung dem MDK zu unterbreiten und hierzu dessen Stellungnahme einzuholen. Gleiches
gilt, wenn auf eine nach Sachverhaltslage angezeigte ärztliche Untersuchung des Versicherten verzichtet wurde. Auch dann ist
die Krankenkasse gehalten, auf eine medizinische Untersuchung des Krankengeld beanspruchenden Mitglieds hinzuwirken.
So lag es hier. Die Beklagte hat aber die auf bloßer aktenmäßiger Beurteilung des Sachverhaltes ruhenden MDK-Stellungnahmen
zur Frage des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ohne weitere Nachfrage übernommen und darauf ihre Ablehnung
der Weitergewährung von Krankengeld über den 23. Mai 2006 hinaus zugrunde gelegt. Diese MDK-Beurteilungen waren jedoch, wie
oben dargelegt, nicht geeignet, die von Dr. G. nachvollziehbar attestierte Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich einschließlich
30. Oktober 2006 hinsichtlich ihrer Richtigkeit in Zweifel zu setzen. Dementsprechend steht dem Kläger ein Anspruch auf Krankengeld
bis zum 30. Oktober 2006 zu.
Hingegen war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger Krankengeld für die nach dem 30. September 2006 liegende Zeit zu
gewähren. Der Kläger war ab 1. Oktober 2006 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Dies ergibt sich daraus, dass
nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V der Krankengeldanspruch erst am Folgetag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entsteht. Deshalb muss an diesem
Folgetag noch eine Versicherung mit Krankengeldanspruch bestehen, damit ein Krankengeldanspruch entstehen und die Pflichtmitgliedschaft
mit Anspruch auf Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten bleiben kann. Für eine Erhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V genügt daher eine durchgehend fortbestehende Arbeitsunfähigkeit allein nicht. Sie muss auch lückenlos jeweils noch während
der bestehenden und bereits ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit erneut ärztlich festgestellt werden, wenn - wie hier
- die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit zu einem bestimmten Datum
ausweist und Arbeitsunfähigkeit nicht ohne zeitliche Eingrenzung attestiert wird.
Arbeitsunfähigkeit ist dem Kläger von Dr. G. in dessen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 30. August 2006 bis einschließlich
30. September 2006 bescheinigt worden. Danach wurde erst am 2. Oktober 2006 von der Nervenärztin und Psychiaterin Frau F.
im Rahmen einer Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit bis zum 13. Oktober 2006 attestiert. Dies hätte jedoch gem. § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V erst zum 3. Oktober 2006 einen Krankengeldanspruch des Klägers auslösen können. Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruches
müssen nämlich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei zeitlich befristeter Feststellung von Arbeitsunfähigkeit
und dementsprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2012, B 1 KR 20/11 R, juris). Dabei obliegt es nach dem Bundessozialgericht dem Versicherten, die (rechtzeitige) ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
zu veranlassen. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich
von ihm zu tragen. Die Gewährung von Krankengeld ist somit bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen
im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und dem Versicherten keinerlei Verschulden an der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen
Feststellung der Arbeitsunfähigkeit trifft.
Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in engen Grenzen anerkannt. Eine solche
Ausnahme liegt danach vor, wenn die unterbliebene Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf eine Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit
des Versicherten zurückzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1966, 3 RK 14/64, juris). Eine weitere Fallkonstellation, für die die Rechtsprechung Ausnahmen von diesem Grundsatz macht, liegt vor, wenn
die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert wird, die dem
Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sind. So kann sich beispielsweise die Krankenkasse nicht auf die verspätete
ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit berufen, wenn sie auf der unzutreffenden rechtlichen Festlegung der beruflichen
Tätigkeit durch die Krankenkasse beruht, auf die bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen ist (vgl. BSG vom 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, juris). Hingegen hat das Bundessozialgericht nicht als Ausnahme gelten lassen, dass eine rechtzeitige ärztliche Feststellung
der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit deshalb unterblieben ist, weil dem Versicherten nicht bekannt war, dass eine rückwirkende
Feststellung nicht ausreiche. Es hat dabei ausdrücklich eine Verpflichtung der Krankenkasse verneint, ihre Versicherten über
die gesetzlichen Voraussetzungen des Entstehens und Fortbestehens eines Krankengeldanspruches ausreichend aufzuklären. Weiter
hat es das Bundessozialgericht ausdrücklich abgelehnt, im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches den Krankenkassen
zuzurechnen, wenn der Vertragsarzt des Versicherten diesen weder auf die Notwendigkeit einer erneuten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
vor Ablauf des zuletzt attestierten Arbeitsunfähigkeitszeitraumes hingewiesen hat, noch die Vereinbarung des nächsten Vorstellungs-/Untersuchungstermins
mit dem Versicherten so gestaltet hat, dass dessen Erscheinen in der Arztpraxis spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten
Arbeitsunfähigkeit zu erwarten ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist somit in den Fällen, in denen die Vorstellung beim Arzt
nicht am letzten Tag der Geltung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sondern erst am Tag darauf erfolgt, von einer Anspruchslücke
auszugehen. Diese bewirkt dann, dass die Mitgliedschaft des Versicherten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mangels Krankengeldanspruchs am Folgetag nach dem Ablauftag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung endet (vgl. BSG vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R, juris). Nach Auffassung des Senats macht es keinen rechtlich wesentlichen Unterschied, wenn die Arbeitsunfähigkeit wie hier
bis einschließlich Samstag bescheinigt wird und nicht, wie in dem vom BSG in seinem Urteil vom 10.05.2012 entschiedenen Fall bis einschließlich Montag (a.A. für den Fall einer bis zu einem Sonntag
bescheinigten Arbeitsunfähigkeit: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 31.08.2012, L 4 KR 284/12, juris Rdnr. 32; a.A. Meyerhoff, in: jurisPK - SGB V, § 46 Rdziff. 28.1 bis 28.4; für eine Ausweitung der Ausnahmen zugunsten der Versicherten spricht sich Mack, in: juris PK - SGB V, § 19 Rdziff. 38 ff. aus).
Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts kommt ein nachgehender Krankengeldanspruch aus § 19 Abs. 2 SGB V, begrenzt auf die Dauer eines Monats ab 3. Oktober 2006, nicht in Betracht. Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil
vom 10.05.2012 (B 1 KR 19/11 R) überzeugend dargelegt hat, geht der Versicherungsschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V einem nachwirkenden Anspruch auf Leistungen gem. § 19 Abs. 2 SGB V vor. Gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V haben die Mitglieder der Auffangversicherung keinen Krankengeldanspruch. Aus Wortlaut und Regelungssystem des § 5 Abs. 8 a Satz 4 SGB V ist zu entnehmen, dass ein nachwirkender Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft nur dann eine Auffangversicherung verdrängt,
wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen ist, dass die betroffenen Versicherten spätestens nach Ablauf eines Monats
nach dem Ende ihrer bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen werden. Diese Prognose
konnte bei dem Kläger nicht getroffen werden. Es lagen am 30. September 2006 keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass
dieser spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende seiner bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im
Krankheitsfall erlangen würde. Insbesondere war angesichts des Gesundheitszustandes des Klägers nicht damit zu rechnen, dass
er bis dahin wieder arbeitsfähig und als Bezieher von SGB III-Leistungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V wieder pflichtversichert sein würde.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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