Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Anforderungen an eine "Umwandlung" darlehensweise bewilligter Grundsicherungsleistungen in einen Zuschuss
Verwertbarkeit von Vermögen bei Scheingeschäften
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung der für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.10.2016 und vom 01.11.2016 bis zum 28.02.2017
als Darlehen bewilligten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) als Zuschuss.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger, der bis zum 20.05.2016 Arbeitslosengeld gemäß §
136 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) von der Bundesagentur für Arbeit bezog, beantragte am 15.04.2016 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II. In der Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse gab er unter Ziff. 8. "Kraftfahrzeuge" an: Mercedes 300 SEL,
amtliches Kennzeichen XX-XX-13H, Tag der Erstzulassung: 22.03.1970, Kilometerstand 11.000, bestehende Kreditverbindlichkeiten:
Privat-Darlehen 16.000 Euro. Das Feld "Name der Eigentümerin/ des Eigentümers" füllte er nicht aus.
Seit dem 01.01.2016 erzielte er monatlich ein Einkommen von bis zu 450,00 Euro aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis
mit der Brauerei zur N GmbH & Co. KG, welches zum 01.08.2016 außerordentlich gekündigt wurde. Er bewohnte eine 97 m² große
Wohnung, für die er eine Nettokaltmiete in Höhe von 620,00 Euro und monatliche Abschlagszahlungen für Betriebskosten in Höhe
von 150,00 Euro und für Heizkosten in Höhe von 117,00 Euro zahlte. Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs beim Beklagten am
15.04.2016 belehrte dieser den Kläger darüber, dass seine Wohnung zu groß und seine Miete zu hoch sei. Für sechs Monate werde
seine derzeitige Miete in Höhe von 867,00 Euro monatlich als Bedarf berücksichtigt, danach nur noch die angemessene Miete
in Höhe von 522,50 Euro (350,00 Euro Grundmiete, 100,00 Euro Nebenkosten, 72,50 Euro Heizkosten).
Bei einer Vorsprache am 06.09.2016 beim Beklagten teilte der Kläger mit, dass sein im Jahre 2014 erworbenes Kraftfahrzeug
(Kfz) seit zwei Monaten für 27.000,00 Euro zum Verkauf stehe und er von dem Erlös 16.000,00 Euro aufgrund eines Privatdarlehens
an seine ehemalige Lebensgefährtin zahlen müsse. Er legte zwei mit "Schuldanerkenntnis" überschriebene Schreiben vom 01.10.2014
und 15.03.2016 vor. Ausweislich des Schreibens vom 01.10.2014 erkennt der Kläger als Schuldner an, seiner früheren Lebensgefährtin,
der Zeugin B G (Gläubigerin), 10.000,00 Euro zu schulden. Er verpflichte sich, diesen Schuldbetrag bis zum 31.12.2020 vollständig
an die Gläubigerin zurückzuzahlen. Als Sicherheit für diese Schuldverpflichtung übertrage er ihr die Rechte an seinem Auto:
Mercedes-Benz, XX-XX 73H, Erstzulassung 22.03.1970. Der Fahrzeugbrief / die Zulassungsbescheinigung Teil II verbleibe bis
zur vollständigen Rückzahlung der Schuldverpflichtung bei der Gläubigerin. Diese räume dem Schuldner das Recht ein, das Auto
für den gewöhnlichen Gebrauch weiterhin zu nutzen. Ausweislich des Schreibens vom 15.03.2016 erkennt der Kläger an, der Zeugin
B G 6.000,00 Euro zu schulden, und verpflichtet sich, diesen Betrag bis zum 31.12.2020 vollständig an diese zurückzuzahlen.
Die weiteren Vereinbarungen in diesem Schreiben entsprechen denen im Schreiben vom 01.10.2014. Beide "Schuldanerkenntnisse"
wurden vom Kläger und der Zeugin B G unterzeichnet. Am 08.09.2016 erklärte der Kläger ergänzend, Rückzahlungen auf die beiden
Darlehen seien noch nicht erfolgt.
Mit Bescheid vom 22.09.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.10.2016 Leistungen nach
dem SGB II als zinsloses Darlehen. Bei der Leistungsberechnung legte er einen Regelbedarf in Höhe von 404,00 Euro und die Kosten der
Unterkunft und Heizung in Höhe von 887,00 Euro zugrunde und brachte das bereinigte Einkommens aus abhängiger Beschäftigung
bis August 2016 in Abzug. Er bewilligte für den Monat Mai 2016 36,20 Euro, für Juni 2016 1.011,00 Euro, für Juli 2016 1.064,36
Euro, für August 2016 1.175,00 Euro und für September und Oktober 2016 1.291,00 Euro. Zur Begründung führte der Beklagte aus,
dass der Kläger über verwertbares Vermögen in Höhe von 27.000,00 Euro verfüge, das die Vermögensfreibeträge in Höhe von 17.550,00
Euro übersteige. Unter Berücksichtigung des Zwecks des Arbeitslosengeldes II, den Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen zu
sichern, sowie aufgrund der Subsidiarität staatlicher Fürsorgeleistungen und der Tatsache, dass es sich um eine steuerfinanzierte
Leistung handele, sei eine Tilgung anderweitig begründeter Verbindlichkeiten grundsätzlich nicht vertretbar.
Aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom 03.11.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.11.2016 Leistungen
für die Zeit vom 01.11.2016 bis zum 28.02.2017 in Höhe von monatlich 875,08 Euro als zinsloses Darlehen. Bei der Leistungsberechnung
berücksichtigte er einen Regelbedarf in Höhe von 404,00 Euro und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 471,08 Euro.
Die Begründung entsprach derjenigen des Bescheids vom 22.09.2016.
Beide Bescheide waren mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Der Kläger legte gegen keinen der Bescheide Widerspruch ein.
Am 06.03.2017 verkaufte der Kläger sein Kfz zu einem Preis von 19.500,00 Euro.
Mit Schreiben vom 24.04.2017 beantragte der anwaltlich vertretene Kläger die Abänderung der bislang ergangenen Bewilligungen
gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dahingehend, dass dem Kläger die Leistungen als Zuschuss gewährt werden.
Mit Bescheid vom 04.01.2018 lehnte der Beklagte den Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X mit der Begründung ab, dass bei Erlass der beiden Bescheide das Recht richtig angewandt worden sei. Eine Rechtsbehelfsbelehrung
enthielt der Bescheid nicht. Hiergegen legte der Kläger am 22.02.2018 Widerspruch ein und führte aus, dass das Kfz nicht als
Vermögen hätte berücksichtigt werden dürfen, da es nicht im Eigentum des Klägers gestanden habe. Mit Widerspruchsbescheid
vom 19.06.2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 19.07.2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Köln erhoben. Die als Darlehen gewährten Leistungen seien dem Kläger
für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 28.02.2017 als Zuschuss zu bewilligen. Das Eigentum an seinem Kfz sei seiner ehemaligen
Lebensgefährtin, der Zeugin B G, ausweislich der Schuldanerkenntnisse vom 01.10.2014 und 15.03.2016 bereits am 01.10.2014
zur Sicherung ihrer Ansprüche übertragen worden. Ihm habe im streitgegenständlichen Zeitraum somit kein Vermögen oberhalb
der Freibeträge zur Verfügung gestanden.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 22.09.2016 und den Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung des Überprüfungsbescheids vom 04.01.2018 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 19.06.2018 abzuändern und die ihm nach dem SGB II bewilligten Leistungen als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass der auf einem Notizzettel festgehaltene Kaufvertrag den Kläger als Verkäufer aufweise und
der Vortrag, das Eigentum an dem Kfz an die Zeugin B G übertragen zu haben, damit nicht in Einklang zu bringen sei.
Das Sozialgericht hat am 24.06.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Rahmen dieser gab der Kläger zu Protokoll,
das Kfz seiner ehemaligen Lebensgefährtin als Sicherheit für die Darlehen, die sie ihm gewährt habe, übertragen zu haben.
Den Fahrzeugbrief habe er jedoch behalten. Er habe gegenüber der Zeugin B G eine Absichtserklärung für die Zukunft abgegeben,
wonach diese das Fahrzeug verkaufen könne, wenn er ihr das Geld nicht zurückzahlen könne. Das Sozialgericht hat B G ferner
als Zeugin vernommen. Sie gab an, zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf das Kfz, die Schlüssel oder die Papiere gehabt zu haben.
Mit der Vereinbarung "als Sicherheit" sei gemeint gewesen, dass das Kfz nicht ohne ihr Wissen verkauft werden solle, da sie
"aus dem Autoverkauf ihr Geld wiederhaben" wollte. So sei es jedoch nicht gekommen. Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung
wird Bezug genommen.
Durch Urteil vom 24.06.2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei durch die angefochtene Entscheidung
des Beklagten nicht beschwert im Sinne des §
54 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), da diese Entscheidung rechtmäßig sei. Der Beklagte habe die begehrten Leistungen nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum zu Recht lediglich darlehensweise bewilligt, da der Kläger über einen verwertbaren
Vermögensgegenstand verfügt habe, der die Vermögensfreibeträge überstieg. Die vorgelegten Schuldanerkenntnisse, die auch eine
Sicherungsübereignung beinhalteten, seien nicht geeignet, die behauptete Sicherungsübereignung des Fahrzeugs an die Zeugin
zu belegen, da der Fahrzeugbrief beim Kläger verblieben sei. Dieser habe das Fahrzeug dann auch ohne das Wissen der Zeugen
verkauft und übereignet.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 08.07.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.08.2020 Berufung eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, dass das Kraftfahrzeug an die Zeugin B G übereignet und zwischen dem Kläger und ihr ein Besitzvermittlungsverhältnis
im Sinne von §
868 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) vereinbart worden sei. Dies sei im Rahmen einer Sicherungsübereignung ausreichend. Der Übergabe der Zulassungsbescheinigung
Teil II bedürfe es nicht. Die zwischen dem Kläger und der Zeugin B G getroffenen Vereinbarungen stellten auch kein Scheingeschäft
im Sinn des §
117 Abs.
1 BGB dar. Die fehlende Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil II lasse ferner nicht auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen
schließen, denn unter Verwandten und engen Bekannten sei der Verzicht auf eine Sicherung nicht außergewöhnlich.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.06.2020 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22.09.2016 und den Bescheid vom
09.11.2016 in der Fassung des Überprüfungsbescheids vom 04.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2018
abzuändern und die ihm für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 28.02.2017 nach dem SGB II darlehensweise bewilligten Leistungen als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er führt aus, dass der Kläger lediglich die Absicht erklärt habe, seine damalige Lebensgefährtin in nicht näher bestimmter
Weise an einem Fahrzeugverkauf zu beteiligen. Eine Sicherungsübereignung sei jedoch nicht ersichtlich.
Die Beteiligten sind mit Richterbrief vom 16.11.2020, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.11.2020 zugestellt, zu
einer Entscheidung nach §
153 Abs.
4 Satz 1
SGG durch Beschluss angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten
des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG entscheiden, da er die Berufung für unbegründet und deshalb eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten
sind zu dieser Vorgehensweise angehört worden.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht Köln hat mit Urteil vom 24.06.2020 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den
Beklagten auf "Umwandlung" der darlehensweisen Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in einen Zuschuss.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 04.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.06.2019,
mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, die bestandkräftigen Bescheide vom 22.09.2016 und 09.11.2016 insoweit aufzuheben, als
darin die nicht rückzahlbare zuschussweise Gewährung von Grundsicherungsleistungen (konkludent) abgelehnt worden sind.
Die hiergegen gerichtete Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs.
1, §
56 SGG) zulässig. Mit der Anfechtungsklage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 04.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19.06.2019. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser
die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 28.02.2017 - Umwandlung der darlehensweise
gewährten Grundsicherungsleistungen in nicht rückzahlbare Geldleistungen - bewirken soll. Eine Leistungsklage ist nicht erforderlich,
da das Klageziel auch im Rahmen des § 44 Abs. 1 SGB X allein mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreicht werden kann, wenn - wie vorliegend - die darlehensweise gewährte
Leistung noch nicht zurückgezahlt worden ist (Landessozialgericht (LSG) NRW, Urteil vom 25. Juli 2019 - L 19 AS 2151/18 -, Rn. 34 bei juris; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 42/07 R -, Rn. 16 bei juris).
Der angefochtene Bescheid vom 04.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2018 ist rechtmäßig und beschwert
den Kläger nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 SGG.
Der Kläger kann die Rücknahme der Bescheide vom 22.09.2016 und 09.11.2016 nicht beanspruchen. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden
sind. Die genannten Bescheide sind nicht unrichtig in diesem Sinne. Der Kläger hat aufgrund des vorhandenen und verwertbaren
Vermögens keinen Anspruch darauf, dass ihm die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 28.02.2017 als Zuschuss gewährt werden.
Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Hilfebedürftig i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern
kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen,
erhält. Der Bedarf des Klägers betrug im Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.10.2016 monatlich 1.291,00 Euro und setzte sich
zusammen aus dem Regelbedarf für Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in Höhe von 404,00 Euro sowie den tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 887,00 Euro. Für
den Zeitraum vom 01.11.2016 bis zum 28.02.2017 betrug der Bedarf nach der Berechnung der Beklagten bei gleichbleibendem Regelbedarf
nur noch 875,08 Euro, da diese nur noch die aus ihrer Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung als Bedarf anerkannte.
Ob es sich insoweit um angemessene Kosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II handelte, kann dahinstehen, da der Kläger seinen Lebensunterhalt jedenfalls aus dem vorhandenen Vermögen sichern konnte und
eine Leistungsbewilligung als Zuschuss daher nicht in Betracht kam.
Nach § 12 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen
Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert, die vor dem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bereits vorhanden waren (BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, Rn. 15 bei juris, BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R -, Rn. 23 bei juris). Im Zeitpunkt der Antragstellung am 15.04.2016 verfügte der Kläger über Vermögen in Form seines im
Jahr 2014 erworbenen Mercedes 300 SEL, amtliches Kennzeichen XX-XX- 13H. Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht,
übertragen oder belastet werden können (sog. "Versilbern"; stRspr: BSG vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 46/06 R -, Rn. 11 bei juris; BSG vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 158/11 R -, Rn. 15 bei juris, BSG vom 18. September 2014 - B 14 AS 58/13 R -, Rn. 14 bei juris, BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 - B 4 AS 4/16 R -, Rn. 26 bei juris).
Als Verwertungsmöglichkeit kam hier im Zeitpunkt der Antragstellungen am 15.04.2016 sowie am 03.11.2016 die Veräußerung des
Mercedes 300 SEL in Betracht. Der Kläger konnte über den Mercedes verfügen, da er hieran im Jahr 2014 Eigentum erworben hat
und keine Übereignung an die Zeugin B G stattgefunden hat. Er war nicht in seiner Verfügungsbefugnis eingeschränkt. Nach §
929 Abs.
1 S. 1
BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt
und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. §
930 BGB bestimmt, dass wenn der Eigentümer im Besitz der Sache ist, die Übergabe dadurch ersetzt werden kann, dass zwischen ihm und
dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. Die Einigung
ist ein formfreier abstrakter dinglicher Vertrag, bestehend aus zwei empfangsbedürftigen Willenserklärungen, die auf eine
Eigentumsübertragung gerichtet sein müssen und der Auslegung nach §§
133,
157 zugänglich sind (vgl. Oechsler in Münchener Kommentar zum
BGB, 8. Aufl. 2020, §
929 Rn. 27). Der Senat ist unter Berücksichtigung des Inhalts der Akten sowie des Ergebnisses der vom Sozialgericht durchgeführten
Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die vom Kläger sowie der Zeugin B G in den als "Schuldanerkenntnis" bezeichneten Schreiben
vom 01.10.2014 sowie 15.03.2016 formulierte Vereinbarung, wonach dieser ihr die Rechte an seinem Auto überträgt, um ein Scheingeschäft
im Sinne des §
117 Abs.
1 BGB handelt. Nach §
117 Abs.
1 BGB ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum
Schein abgegeben wird. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts
hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen. Kennzeichnend für das Scheingeschäft
ist damit das Fehlen eines Rechtsbindungswillens (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25. Oktober 1961 - V ZR 103/60 -, Rn. 30 bei juris; BGH, Urteil vom 22. Oktober 1981 - III ZR 149, 80 -, Rn. 18 bei juris; BGH, Urteil vom 13. Mai 2016
- V ZR 265/14 -, Rn. 18 bei juris; BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 29/10 R -, Rn. 13 bei juris).
Es sind weder zwei mit Rechtsbindungswillen abgegebene, auf Eigentumsübertragung gerichtete Willenserklärungen noch die Vereinbarung
eines Besitzmittlungsverhältnisses ersichtlich.
Gegen das Vorliegen des Rechtsbindungswillens in Bezug auf die auf Eigentumsübertragung gerichteten Willenserklärungen spricht,
dass die Zeugin nach ihren glaubhaften und in sich widerspruchsfreien Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht
Köln am 24.06.2020 zu keinem Zeitpunkt eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf das Kfz hatte und auch weder über Unterlagen
bezüglich des Kfz noch über den Fahrzeugschlüssel verfügte. Es sollte vielmehr eine Vereinbarung dahingehend geschlossen werden,
dass die Zeugin am Erlös aus dem Kfz-Verkauf beteiligt wird, falls zu diesem Zeitpunkt noch offene Forderungen aus den Darlehensverträgen
bestehen sollten. Des Weiteren sprechen auch die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren, wonach er bei der Vorsprache
am 06.09.2016 von "seinem" Auto sprach sowie die Tatsache, dass er dies ohne das Wissen der Zeugin verkaufte und übereignete,
gegen das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens in Bezug auf die Eigentumsübertragung.
Darüber hinaus erfolgte entgegen der Vereinbarungen vom 01.10.2014 und 15.03.2016 nach den übereinstimmenden Angaben von Kläger
und Zeugin die Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil II an diese gerade nicht. Dies ist zwar keine Voraussetzung für die
Eigentumsübertragung am Kfz. Denn nach §
952 BGB analog folgt das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II im Sinne des §
12 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV)) dem Eigentum am
Kfz. Jedoch ist der Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II regelmäßig ein wichtiger Anhaltspunkt für die Frage, wie die
Parteien die Eigentumslage am Fahrzeug selbst ausgestalten wollten. Denn die Übergabe des Fahrzeugbriefs zu Sicherungszwecken
kann als konkludente Sicherungsübereignung gemäß §§
929 S. 1, 930, 868
BGB ausgelegt werden (vgl. Ganter in Münchener Kommentar zur
Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2019, §
51 Rn. 119f-119i; Frahm/ Würdinger in Juristische Schulung (JuS) 2008, S. 14, beck-online). Die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses im Sinne des §
868 BGB setzt voraus, dass der unmittelbare Besitzer seinen Besitz in Anerkennung eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers
ausübt (sogenannter Besitzmittlungswille), (Schäfer in Münchener Kommentar zum
BGB, 8. Aufl. 2020, §
868 Rn. 17). Nach den Angaben des Klägers hat dieser einen Herausgabeanspruch der Zeugin im Zeitpunkt der Vereinbarungen am 01.10.2014
und 15.03.2016 jedoch gerade nicht anerkennt. Er wollte vielmehr die Absicht erklären, die Zeugin zu einem späteren - noch
völlig unbestimmten -Zeitpunkt am Erlös aus dem Kfz-Verkauf zu beteiligen. Er konnte jedoch ungehindert über das Kfz verfügen
und war sich dessen auch bewusst, wie die tatsächlich ohne Kenntnis der Zeugin erfolgte spätere Veräußerung zeigt. Darüber
hinaus hätte die mit Schreiben vom 15.03.2016 behauptete Sicherungsübereignung nicht vereinbart werden können, wenn das Eigentum
am Kfz bereits am 01.10.2014 an die Zeugin übergegangen wäre.
Das im Zeitpunkt der Antragstellung am 15.04.2016 bzw. 03.11.2016 vorhandene Vermögen in Form des Kfz ist nach § 12 Abs. 4 SGB II grundsätzlich mit seinem Verkehrswert abzüglich der Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II zu berücksichtigen, soweit dies nicht nach § 12 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen und das Kfz auch tatsächlich verwertbar ist.
Unter dem Verkehrswert ist dabei der Betrag zu verstehen, der durch eine Verwertung des Vermögensgegenstandes am Markt zu
erzielen ist (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 29/12 R -, Rn. 13 bei juris). Der Kläger verkaufte sein Kfz am 06.03.2017 für 19.500,00 Euro, so dass dieser Wert jedenfalls als
Verkehrswert zugrunde gelegt werden kann. Hiervon waren nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 sowie Nr. 4 SGB II in Höhe von 10.050,00 Euro (62 x 150 Euro zzgl. 750 Euro) abzusetzen. Des Weiteren war § 12 Abs. 3 SGB II zu beachten, wonach als Vermögen ein angemessenes Kfz für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person nicht
zu berücksichtigen ist. Da das BSG in ständiger Rechtsprechung von einem Grenzwert der Angemessenheit von 7.500 € für einen Pkw ausgeht (BSG, Urteil vom 06. September 2007 - B 14/7b AS 66/06 R -, Rn. 16 bei juris), war beim Kläger ein zu berücksichtigendes ungeschütztes Vermögen in Höhe von 1.950,00 Euro (19.500,00
Euro abzgl. 10.050,00 Euro abzgl. 7.500,00 Euro) vorhanden. Die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden des Klägers
minderten sein Vermögen darüber hinaus nicht, denn Vermögen im Sinne von § 12 SGB II ist nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern es sind die vorhandenen aktiven Vermögenswerte (BSG, Urteil vom 20. Februar 2020 - B 14 AS 52/18 R -, Rn. 31 bei juris). Das beim Kläger vorhandene und grundsätzlich verwertbare Vermögen war im gesamten streitgegenständlichen
Zeitraum zu berücksichtigen. Ein fiktiver Vermögensverbrauch findet gerade nicht statt (BSG, a.a.O., Rn. 32 bei juris).
Da dem Kläger jedoch die sofortige Verwertung des Kfz nicht möglich war, hatte er einen Anspruch auf die von der Beklagten
vorgenommene darlehensweise Leistungserbringung. Nach § 9 Abs. 4 SGB II ist hilfebedürftig auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen
nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Ist der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung
von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich oder bedeutet sie für die Leistungsberechtigten eine besondere Härte, sind
die Leistungen als Darlehen zu erbringen (§ 24 Abs. 5 S. 1 SGB II). Im Zeitpunkt der Antragstellung am 15.04.2016 bzw. 03.11.2016 konnte der Kläger sein Vermögen nicht zur sofortigen Bedarfsdeckung
einsetzen, da das Kfz hierzu zunächst verkauft werden musste. Prognostisch konnte jedoch von der Möglichkeit einer Veräußerung
im jeweils folgenden Bewilligungszeitraum ausgegangen werden, da es sich bei dem Mercedes-Benz 300 SEL um ein am Markt gefragtes
Modell handelt.
Da der gesamte monatliche Bedarf im den streitgegenständlichen Zeitraum durch das vorhandene Vermögen gedeckt werden konnte
und eine Leistungsbewilligung als Zuschuss nicht in Betracht kam, kann offen bleiben, ob die Anrechnung des Einkommen aus
geringfügiger Tätigkeit nach § 11 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGB II in rechtmäßiger Weise erfolgte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG nicht vorliegen.