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LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.11.2015 - 8 R 526/13
Streit im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund einer ausgeübten Tätigkeit als Fahrzeugführer (hier: Überführen von Fahrzeugen "mit Gewerbeschein") Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit Gesamtwürdigung aller abgrenzungsrelevanter Tatsachen und Zuordnung der Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung Indizien für ein Dauerrechtsverhältnis (hier Annahme eines Dauerschuldverhältnisses mit Arbeit auf Abruf aus unbezahlter Freizeit)
1. Einen Fahrauftrag sanktionslos ablehnen zu können, schließt die Annahme eines Dauerrechtsverhältnisses in seiner spezifischen Ausgestaltung als Abrufarbeitsverhältnis (§ 12 TzBefG) gerade nicht aus. Das Recht zur Ablehnung von einzelnen Arbeitsangeboten bzw. -aufträgen spricht nicht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses bzw. einer abhängigen Beschäftigung.
2. Es spricht für die Eingliederung des Betroffenen in die betriebliche Organisation, wenn er die vertragsgemäß durchzuführenden Überführungsfahrten nach Maßgabe der ihm vorgegebenen Tourenpläne ausführt, er hierbei an der Erfüllung der vertraglichen Pflichten des Betriebs gegenüber seinem Vertragspartner mitwirkt und ihm die zu erledigenden Aufträge detailliert vorgegeben werden. Auch eine genaue Kontrolle seiner Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht ist ein Indiz für seine Eingliederung in die betriebliche Organisation.
3. Eine Eingliederung des Betroffenen in die betriebliche Organisation wird auch dadurch offenbar, dass er gezielt zur Bewältigung von kurzfristig zu bearbeitenden Überführungsaufträgen eingesetzt wurde und der Betrieb seine vertragsgemäßen Verpflichtungen gegenüber seinen Endkunden mit den bei ihm fest angestellten Arbeitnehmern nicht bewältigen konnte.
4. Ein unternehmerisches Risiko ist nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl. einzelner Einsätze.
5. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet.
6. Eine Gewerbeanmeldung spricht nicht entscheidend für eine selbständige Tätigkeit, da die formale Anmeldung eines Gewerbes für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit ohne jede Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers in einer konkreten Rechtsbeziehung zu seinem Auftraggeber wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft.
7. Die Delegationsbefugnis der eigenen Arbeitsleistung ist kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, wenn ein Auftragnehmer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist.
8. Dem Willen der Beteiligten, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen, kommt indizielle Bedeutung nur dann zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen.
Normenkette:
SGB IV § 7a Abs. 1
,
SGB IV § 7 Abs. 1 S. 2
,
SGB V § 5 Abs. 5
,
TzBefG § 12
Vorinstanzen: SG Köln 23.04.2013 S 7 R 1518/11
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.4.2013 wird zurückgewiesen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10/11 und die Beklagte zu 1/11, mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen zu 1) im Berufungsrechtszug und mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4) im gesamten Rechtstreit, die diese selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.528.53 EUR festgesetzt.

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