Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Eltern für die Betreuung eines Pflegekindes. Am 00.11.2007 nahmen die Klägerin
und ihr Ehemann K N die am 00.00.2007 geborene L in Vollzeitpflege in ihrem Haushalt auf im Rahmen von Hilfe zur Erziehung
nach §§ 27 und 33 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Vormund des Kindes war seit dem 26.07.2010 der Betreuungsverein der Diakonie O e.V. in W. Er bevollmächtigte mit Vollmacht
vom 11.05.2009 die Klägerin und ihren Ehemann als Pflegeeltern zur Vornahme einzeln genauer bezeichneter Rechtshandlungen
wie der Beantragung von Ausweisdokumenten, Entscheidungen und Unterschriftleistungen im Rahmen ärztlicher Versorgung sowie
zu Reisen im In- und Ausland. Das Sorgerecht für das Pflegekind übt die Klägerin nicht aus.
Am 23.10.2008 beantragte die Klägerin Elterngeld für das Kind L. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.10.2008
ab, weil sich das Kind nicht in Adoptionspflege befinde, wie von § 1 Abs. 3 Satz 1Nr. 1 Bundeselternzeit und Elterngeldgesetz (BEEG) vorausgesetzt. Ihren am 17.11.2008 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, die Ablehnung von Elterngeld stelle
eine willkürliche Ungleichbehandlung dar und verstoße damit gegen Artikel
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG).
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch unter Hinweis auf die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Erziehungsgeldgewährung zurück. Insbesondere erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzungen des §
1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG, weil sie das Kind L nicht in Adoptionspflege, also mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen habe. Angesichts des weiten
Ermessensspielraums des Gesetzgebers bei der Gewährung steuerfinanzierter Leistungen der Familienförderung sei die Regelung
auch nicht verfassungswidrig.
Mit ihrer am 22.04.2009 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und zur Begründung ausgeführt, sie habe
wegen der Pflege des Kindes L ihre Berufstätigkeit aufgegeben und dadurch finanzielle Nachteile erlitten. Deren Ausgleich
diene das Elterngeld. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, Vollzeitpflegekinder von solchen Kindern zu unterscheiden,
die zur Annahme in die Familie aufgenommen worden seien.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 14.07.2011, auf dessen Ausführungen der Senat im Einzelnen verweist, hat das Sozialgericht
Düsseldorf die auf Gewährung von Elterngeld für das Kind L gerichtete Klage abgewiesen. Der Gesetzgeber habe eindeutig beabsichtigt,
die Leistungsgewährung neben eigenen Kindern auf das Institut für sogenannte Adoptionspflege zu begrenzen. Für eine weiterreichende
Auslegung der Vorschrift sei danach kein Raum. Die Ungleichbehandlung der Klägerin sei durch den unterschiedlichen Rechtsstatus
von Kindern in Adoptionspflege und anderen Pflegekindern gerechtfertigt.
Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten am 12.08.2011 zugestellt worden.
Am 12.09.2011 hat die Klägerin Berufung erhoben, mit der sie ihren Anspruch weiterverfolgt. Ihr Anspruch auf Elterngeld ergebe
sich aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG in analoger Anwendung. Es liege eine Regelungslücke vor, weil der Gesetzgeber Konstellationen von Vollzeitpflegekindern übersehen
habe. Zudem bestehe auch bei Vollzeitpflegekindern die von den Gesetzgebungsmaterialien für einen Elterngeldanspruch vorausgesetzte
rechtlich verfestigte Familienbeziehung. Auch nach Sinn und Zweck sei die Elterngeldgewährung gerechtfertigt, will die Klägerin
für die Pflege des Kindes L ihre Vollzeitstelle aufgegeben habe. Genauso wie bei Adoptivkindern sei bei ihr eine dauerhafte
Erziehungsgemeinschaft gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.10.2008
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 zu verurteilen, der Klägerin für das Kind L Elterngeld zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die er für zutreffend hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten und die Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld für die Erziehung
und Pflege des Kindes L, weil sie die Voraussetzungen des § 1 BEEG nicht erfüllt.
Ein Elterngeldanspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG, weil L das leibliche Kind der Klägerin oder ihres Ehemannes ist, noch von ihnen adoptiert wurde.
Ebenso wenig ergibt sich der Elterngeldanspruch der Klägerin aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Elterngeld abweichend von Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift, wer mit einem Kind im Haushalt
lebt, dass er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin unstreitig nicht,
weil die leibliche Mutter der Adoption des Kindes derzeit nicht zustimmt. Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG ist auch nicht analog auf die Klägerin anwendbar, weil es dafür an der für eine analoge Rechtsanwendung erforderlichen planwidrigen
Unvollständigkeit des Gesetzes fehlt (vgl. zu dieser Voraussetzung allgemein Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R juris Randziffer 41 m.w.N.). der Senat geht davon aus, dass dem Gesetzgeber die Existenz von Vollzeitpflegekindern sehr wohl
bewusst war und er sie in seine Erwägungen mit einbezogen hat. Dies folgert der Senat aus der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1c BEEG, der einen Elternzeitanspruch auch solchen Eltern einräumt, die mit einem Kind ein einem Haushalt leben, dass sie in Vollzeitpflege
aufgenommen haben. Dasselbe ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte. Das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) enthielt in § 1 Abs. 3 Nr. 1 eine wortgleiche Regelung, die Eltern von Kindern in Adoptionspflege einen Erziehungsgeldanspruch einräumte. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BRZGG sah darüber hinaus, insoweit weitergehend als das BEEG, einen Anspruch auf Erziehungsgeld auch für Kinder vor, für die dem Antragsteller die Personensorge zustand und die mit ihm
in einem Haushalt lebten. Der Gesetzgeber hat damit die Rechtslage unter dem Bundeserziehungsgeldgesetz teil unverändert übernommen, teils abgeändert. Daher ist jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation des Pflegekindes,
für das kein Sorgerecht der Pflegeeltern besteht, nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sie in seine Erwägungen nicht
einbezogen haben könnte.
Jedenfalls der Anspruchsausschluss für Pflegeeltern ohne gesetzliches Sorgerecht verstößt nach Ansicht des Senats nicht gegen
Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz, weil für ihre unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu Elterngeldberechtigten, die Kinder in Adoptionspflege aufgenommen
haben, hinreichend gewichtige sachliche Gründe bestehen. Der Gesetzgeber hat als Unterscheidungskriterium das Vorliegen einer
rechtlich verfestigten Familienbeziehung gewählt. Das BEEG wollte einen Anspruch auf Elterngeld auch solchen nicht mit dem Kind verwandten Personen einräumen, die im Rechtssinne (noch)
nicht mit dem Kind verwandt seien. Bezogen auf dieses Differenzierungskriterium unterscheidet sich die Klägerin wesentlich
von solchen Personen, die ein Kind zur Adoptionspflege aufgenommen haben. Eine Aufnahme mit dem Ziel der Annahme als Kind
findet regelmäßig wegen §§
1744 BGB statt. Danach soll die Annahme in der Regel erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind für eine angemessene
Zeit in Pflege gehabt hat. Eine solche Adoptionspflege setzt regelmäßig die Einwilligung des oder der Eltern in die Adoption
voraus. Bereits diese Einwilligung lockert das rechtliche Band zwischen Kind und Eltern stark, weil danach die elterliche
Sorge des einwilligen Elternteils ruht und er die Befugnisse im persönlichen Umfang mit dem Kind nicht ausüben darf. Mit der
zwingend erforderlichen Einwilligung in die Adoption des Kindes hat ein Elternteil nach §
1747 BGB das von seiner Seite aus Erforderliche getan, um die rechtliche Verbindung zum Kind zu lösen (Palandt/Dietrichsen, § 1751
Randnummer 1). Bei einer Adoptionspflege bedarf es daher regelmäßig nur noch einer Annahmeerklärung des annehmenden Elternteils
sowie einer positiven Prognoseentscheidung des Vormundschaftsgerichts nach §
1752 BGB, damit die Adoption zu Stande kommt und das Kind den rechtlichen Status eines leiblichen Kindes des oder der Annehmenden
erhält, §
1754 BGB. Mit einer solchen rechtlich verfestigten Situation lässt sich die Lage der Klägerin und ihres Pflegekindes unter rechtlichen
Aspekten nicht vergleichen, mag auch in der persönlichen Bindung keinerlei Unterschied bestehen. Eine Adoption steht im Fall
der Klägerin gerade nicht in Rede, weil die Mutter des Kindes nicht zustimmt. Daher ist das rechtliche Band zwischen der Mutter
des Pflegekindes und dem Kind nicht durch Einwilligung in die Adoption nach §
1751 BGB gelockert. Genau auf diese Lockerung des Verwandschaftsverhältnisses bzw. umgekehrt auf die ersten Schritte zur Entstehung
eines neuen Verwandschaftsverhältnisses hat der Gesetzgeber des BEEG aber gerade abgestellt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1889 S. 19). Die Vollzeitpflege der Klägerin lässt sich daher nicht
vom Grad der rechtlichen Verbindlichkeit nicht mit einer Adoptionspflege vergleichen, bei der die Entstehung des vollwertigen
Status als Kind nur noch eine Frage eines überschaubaren Zeitraums darstellt. Zudem übt die Klägerin auch nicht die elterliche
Sorge für das Pflegekind aus. Das Abstellen auf die rechtliche verfestigte Familienbeziehung erscheint dem Senat auch sachlich
gerechtfertigt, weil Vergleichsmaßstab das leibliche Kind und seine rechtlichen Bindungen zu den leiblichen Eltern darstellen.
Ein Kind in Adoptivpflege befindet sich auf dem besten Wege diesen Status zu erreichen. Von einem Kind in Vollzeitpflege lässt
sich dies, wie ausgeführt, gerade nicht sagen. Die Adoptionsbereitschaft stellt wegen der auf Dauer angelegte Familienbeziehung
ein sachliches Unterscheidungskriterium für den Bezug von Elterngeld dar (vgl. für das Erziehungsgeld Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 22.12.1993 - 1 B BVR 54/93 juris Randziffer 6; vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 15.08.2000 B 14 EG
99 R, juris Randziffer 22 ff.). der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die verfassungsrechtliche Frage für den Fall der
Ausübung der vollen personensorge anders zu beantworten wäre, weil insoweit eine rechtliche Bindung von anderer Qualität besteht
als bei der Pflege eines Kindes, dessen Personensorge weiterhin bis auf Ausnahmen durch das Jugendamt ausgeübt wird (vgl.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.12.1993 1 BVR 54/93 juris Randziffer 1). Die personensorge schafft eine gesicherte
rechtliche Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson, unter anderem weil der Personensorgeberechtigte darüber entscheidet,
wer das Kind betreut (Bundesverfassungsgericht a.a.O. unter Hinweis auf Bundestagsdrucksache 10 / 3792, Seite 14 Begründung
zum Bundeserziehungsgeldgesetz).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Anspruchsberechtigung von Pflegeeltern ohne Personensorge sich ohne
weiteres aus dem Gesetz und der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts
entscheiden lässt.