Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger in seiner Nebentätigkeit als Lehrbeauftragter an der Fernuniversität I in den Jahren 2011 bis
2013 (zeitweise) versicherungspflichtig beschäftigt war.
Der 1975 geborene Kläger, seit September 2009 selbständiger Rechtsanwalt, übt seit 2004 eine Nebentätigkeit als Fachmentor
an der Fernuniversität I aus. Bis 2008 gingen die Beteiligten einvernehmlich von einer versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigung
aus. Dementsprechend zog die Beklagte die pauschalen Arbeitgeberbeiträge ein. Nach einem Arbeitsvertrag vom 20.8.2008 hat
der Kläger ab dem 1.10.2008 pro Studienjahr eine effektive Arbeitsleistung von 168 Stunden zu erbringen. Ein zusätzlicher
zeitlicher Umfang von 14,62 Stunden dient zum Ausgleich für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch, so dass insgesamt 182,62
Stunden pro Studienjahr mit EUR 26 pro Stunde vergütet werden (zunächst EUR 395,68 monatlich). Die zeitliche Lage der zu erbringenden
Arbeitsleistung wird in Absprache mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät festgelegt. Mit Nachtrag vom 22./23.11.2010 wurde
die Arbeitszeit vorübergehend (zunächst vom 1.1.2011 bis zum 30.9.2012) um 82,61 Stunden erhöht.
Aufgrund eines Erlasses des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen (NRW) berücksichtigte das Landesamt für Besoldung und Versorgung
Nordrhein-Westfalen (fortan: LBV) als Lohnabrechnungsstelle der Fernuniversität I, des Arbeitgebers, den jeweiligen Steuerfreibetrag
nach §
3 Nr 26 Einkommenssteuergesetz (
EStG) iHv EUR 2100 (bis 31.12.2012) bzw. EUR 2400 (ab 1.1.2013) in den Jahren 2009 bis 2013 nach dem sog. "en bloc-Verfahren".
Dies führte dazu, dass der Arbeitgeber bis zur Aufzehrung des jeweiligen Jahresfreibetrages (im April oder Mai des laufenden
Jahres) keine (pauschalen) Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge zahlte und die Beklagte ab diesem Zeitpunkt Sozialversicherungspflicht
annahm, weil die Arbeitsentgeltgrenze für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nach §
8 Abs
1 Nr
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) nicht (mehr) eingehalten werde.
Mit Schreiben vom 19.8.2010 teilte die Techniker Krankenkasse dem Kläger als früher für ihn zuständig gewesene gesetzliche
Krankenkasse mit, dass unabhängig davon, ob der "Übungsleiterfreibetrag" en bloc oder in monatlichen Tranchen abgezogen werde,
das nach Abzug des Freibetrags verbleibende Entgelt durch 12 zu teilen sei. Bei einem beitragspflichtigen Jahresarbeitsentgelt
von EUR 4796,08(für das Jahr 2010) ergebe sich ein monatliches Entgelt von EUR 399,67, Damit handele es sich um eine geringfügige
Beschäftigung. Entsprechende Feststellungen der Techniker Krankenkasse für die Jahre 2009 und 2010 akzeptierte das LBV und
ging für diese Jahre (jeweils rückwirkend) von einem versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungsverhältnis aus.
Für den Zeitraum ab 2011 ging die Beklagte indes weiter von Versicherungspflicht ab dem Zeitpunkt der Aufzehrung des Freibetrags
aus und teilte dies dem Kläger mehrfach mit. In einem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (Aktenzeichen (Az) S 26 KN 3327/11) verpflichtet sich die Beklagte, über die Versicherungspflicht durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Sie stellte sodann förmlich
fest, dass der Kläger in seiner Beschäftigung bei der Fernuniversität I ab dem Zeitpunkt der Aufzehrung des jährlichen Freibetrags
nach §
3 Nr 26
EStG sozialversicherungspflichtig sei, weil ab diesem Zeitpunkt die Entgeltgrenze für eine geringfügige Beschäftigung nicht mehr
eingehalten werde. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liege nach §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat EUR 450 (ab 1.1.2013, zuvor EUR 400) nicht übersteige.
Das regelmäßige Arbeitsentgelt ermittle sich abhängig von der Anzahl der Monate, für die eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt
bestehe, wobei maximal ein Jahreszeitraum (12 Monate) zugrundezulegen sei. Stehe bereits zu Beginn der Beschäftigung fest,
dass diese nicht durchgehend für mindestens zwölf Monate gegen Arbeitsentgelt bestehe, sei die zulässige Arbeitsentgeltgrenze
für den Gesamtzeitraum iHv EUR 5400 (bis 31.12.2012 EUR 4800) entsprechend zu reduzieren. Steuerfreie Einnahmen nach §
3 Nr
26 EStG gehörten nach ausdrücklicher Bestimmung des §
14 Abs
1 Satz 3
SGB IV nicht zum Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung. Der steuerrechtliche Freibetrag sei für die Ermittlung des Arbeitsentgelts
in der Sozialversicherung in gleicher Weise zu berücksichtigen wie im Steuerrecht. Das bedeute, dass der steuerfreie Jahresbetrag
pro rata angesetzt oder en bloc zB jeweils zum Jahresbeginn ausgeschöpft werden könne. Unabhängig davon, ob ein Arbeitsverhältnis
durchgehend bestehe, stelle im letztgenannten Fall erst das nach der Aufzehrung des Freibetrags zur Auszahlung gelangte Einkommen
Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung dar und begründe von diesem Zeitpunkt an eine meldepflichtige Beschäftigung.
Für die Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts zur Prüfung des Vorliegens einer geringfügig entlohnten Beschäftigung
sei mithin der Zeitraum der Beschäftigung (nach Aufzehrung des Steuerfreibetrags) bis zum Ende des Kalenderjahrs maßgebend.
Hier umfasse er jeweils weniger als zwölf Monate, so dass die jährliche Geringfügigkeitsgrenze nur anteilig zu berücksichtigen
sei. Der Zeitraum vom Jahresbeginn bis zur Aufzehrung der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach §
3 Nr 26
EStG sei sozialversicherungsrechtlich irrelevant. Aufgrund des praktizierten en bloc- Abzugsverfahrens unterliege der Kläger seit
dem Kalenderjahr 2009 jeweils für den Zeitraum nach Aufzehrung des Steuerfreibetrags bis zum Jahresende der Versicherungspflicht
in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zuständige Einzugsstelle sei seit 2009 nach § 28i Satz 1
SGB IV die Techniker Krankenkasse (Bescheid vom 3.4.2014, am 30.4.2014 zugestellt).
Mit seinem Widerspruch vom 27.5.2014 trug der Kläger insbesondere vor, durch die Anwendung des en bloc-Verfahrens werde er
insoweit doppelt benachteiligt, als zum einen sein Einkommen regulär statt pauschal versteuert und er zum anderen als sozialversicherungspflichtig
angesehen werde. Zudem bekomme sein Versicherungsverlauf jedes Jahr Lücken, weil die ersten drei Monate nicht als versicherungspflichtige
Beschäftigungszeiten angesehen würden, obwohl er das ganze Jahr über beschäftigt sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, steuerfreie Einnahmen nach §
3 Nr
26 EStG gehörten nach ausdrücklicher Bestimmung des §
14 Abs
1 Satz 3
SGB IV nicht zum Arbeitsentgelt der Sozialversicherung. Das regelmäßige Arbeitsentgelt werde ermittelt, indem das zu erwartende
Arbeitsentgelt durch die Anzahl der Monate, in denen die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt bestehe, geteilt werde. Bleibe
vom Entgelt nach Abzug des Steuerfreibetrags kein sozialversicherungspflichtiges Entgelt übrig, sei die Beschäftigung nicht
zu melden. Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht bestehe bei der Anwendung der en bloc-Variante ein Beschäftigungsverhältnis
erst nach Aufzehrung des Freibetrags iHv EUR 2.100 bzw. EUR 2.400 (ab 1.1.2013). Nach Aufzehrung dieses Freibetrags sei eine
anteilige Entgeltgrenze zugrundezulegen, die in diesem Fall mit dem regelmäßigen Arbeitsentgelt überschritten werde. Nach
alledem liege eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nach §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV nicht vor. Die Folge, dass hierdurch jährlich eine Lücke im Rentenversicherungskonto des Arbeitnehmers entstehe, resultiere
aus der Anwendung der en bloc-Variante durch den Arbeitgeber und sei nicht vom Sozialversicherungsträger zu verantworten.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht bestehe ein durchlaufendes Beschäftigungsverhältnis, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht
nicht. Die Beklagte habe nicht zu verantworten, dass durch die gewählte en bloc-Variante keine Möglichkeit zur pauschalen
Versteuerung nach §
40a Abs
2 EStG bestehe (Widerspruchsbescheid vom 6.8.2014, abgesandt am 7.8.2014).
Mit seiner Klage vom 11.9.2014 hat der Kläger ergänzend darauf hingewiesen, dass §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV nicht nach Zeiträumen einer "Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt" und solchen unterscheide, in denen (wegen §
14 Abs
1 Satz 3
SGB IV) kein Arbeitsentgelt anfalle. In den letztgenannten Zeiträumen werde die Arbeitsentgeltgrenze des §
8 SGB IV erst recht nicht überschritten. Unstreitig erbringe er seine Arbeitsleistung durchgehend in allen 12 Kalendermonaten. Die
Situation sei am ehesten mit der eines schwankenden Arbeitsentgelts vergleichbar.
Das SG hat weitere Sozialleistungsträger beigeladen, nämlich die Techniker Krankenkasse (fortan: Beigeladene zu 4), die Techniker
Krankenkasse als Pflegekasse (Beigeladene zu 1) und die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 3), außerdem die Fernuniversität
I (Beigeladene zu 2) und das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 3.4.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2014 aufzuheben und festzustellen, dass eine Versicherungspflicht
in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung 2009 bis 2013 nicht eingetreten ist und dass eine Versicherungspflicht
in der Krankenversicherung bis zum Beginn der privaten Versicherung am 25.9.2009 nicht eingetreten ist;
hilfsweise den Bescheid vom 3.4.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2014 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Das SG hat den Bescheid vom 3.4.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2014 wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben. Die
Beklagte habe in eine Überprüfung einzutreten und den Kläger im Sinne der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Nach §
8 SGB IV liege eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 EUR nicht
übersteige. Zwar sei gemäß §
14 Abs
1 Satz 3
SGB IV eine steuerfreie Aufwandsentschädigung gemäß §
3 Nr
26 und
26a EStG kein Arbeitsentgelt im Sinne der Vorschrift. Nach Auffassung der Kammer gelte dies aber nur, wenn insgesamt ein steuerfreies
Arbeitsentgelt vorliege; §
14 Abs. Satz 3
SGB IV schränke §
8 SGB IV nicht ein und dürfe dessen Sinn und Zweck auch nicht zuwider laufen. Die vom Arbeitgeber gewählte en bloc-Variante möge den
steuerrechtlichen Vorschriften und den Richtlinien des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen entsprechen, jedoch dürfe der
Wille der Arbeitsvertragsparteien nicht unterlaufen werden, ein über ein gesamtes Jahr hinweg laufendes Beschäftigungsverhältnis
zu vereinbaren. Tatsächlich habe der Kläger ganzjährig als Mentor gearbeitet und monatlich Arbeitsentgelt bezogen. Es könne
nicht sein, dass ein Arbeitgeber eine steuerrechtlich nicht zu beanstandende Praxis wähle, die gleichzeitig die sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung vorgebe. Vielmehr sei die Beklagte verpflichtet, das verbleibende Einkommen des Klägers durch 12 zu teilen, wie
es auch dem tatsächlichen Beschäftigungs- und Vertragsverhältnis entspreche (Urteil vom 19.8.2015, zugestellt am 28.8.2015).
Mit ihrer Berufung vom 21.9.2015 wiederholt und vertieft die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen. Sie meint insbesondere, in
Zeiten, in denen jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres ein Vergütungsanspruch erzielt werde, für den die Steuerfreiheit nach
§
3 Nr 26
EStG zum Tragen komme, bestehe kein entgeltliches und damit sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis.
Ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis könne erst ab dem Zeitpunkt angenommen werden, ab dem überhaupt Entgelt
bezogen werde. Nach der bis zum 21.4.2015 maßgeblichen Bestimmung des §
14 Abs
1 Satz 3
SGB IV habe Entgeltlichkeit nicht vorgelegen, soweit die Einnahmen aus der Beschäftigung von der Einkommensteuerfreiheit nach §
3 Nr 26 und 26a
EStG die erfasst worden seien. Der Gesetzgeber habe damit die Entscheidung, inwieweit die Einnahmen aus einer gemeinnützigen nebenamtlichen
Tätigkeit steuerfrei seien und damit im Sozialversicherungsrecht kein Entgelt darstellten, der Finanzverwaltung bzw. der Finanzgerichtsbarkeit
überlassen. Die Finanzverwaltung habe den Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt, den Freibetrag nach §
3 Nr 26
EStG jeweils zu Jahresbeginn (en bloc) oder monatlich (pro rata) zu berücksichtigen. Insoweit bestehe ein Wahlrecht der Arbeitgeber.
Dies sei sachlich gerechtfertigt, weil es sich nach den §§
2 Abs
7,
25 Abs
1 EStG bei der Einkommensteuer um eine Jahressteuer handele, die erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums (endgültig) festgesetzt
werde. Dem Zeitraum der Erzielung der Einnahmen und der (vorläufigen) Abführung der Einkommensteuer komme damit keine rechtsverbindliche
Bedeutsamkeit in Bezug auf die Höhe der endgültig zu zahlenden Einkommensteuer zu. Soweit Gesetzgeber und Finanzverwaltung
Arbeitgebern ein derartiges Wahlrecht einräumten, könne aufgrund des gesetzlichen Querverweises in §
14 Abs
1 Satz 3
SGB IV im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlich relevanten Begriff der Entgeltlichkeit eines Beschäftigungsverhältnisses
im Rahmen des §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV kein anderes Ergebnis gelten. Da demnach der Zeitraum der Ausschöpfung der Einkommensteuerfreiheit nach §
3 Nr 26
EStG als unentgeltliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen sei, komme diesem keine sozialversicherungsrechtliche Relevanz zu.
Demzufolge könnten die Vorschriften über die Rentenversicherungspflicht nach §
1 Satz 1
SGB VI und die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung nicht greifen, da es am
Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit fehle. Unentgeltliche Beschäftigungsverhältnisse könnten nicht einmal dem Grunde nach
Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen begründen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.8.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zu Recht habe die Kammer darauf hingewiesen, dass die seit 2004 ununterbrochen
andauernde Beschäftigung bei der Prüfung der Entgeltlichkeit nur einheitlich betrachtet werden könne. Lediglich wenn nach
Abzug der steuerfreien Einnahmen entsprechend § 14 Abs 1 Satz 3 SGB 4 aF "insgesamt" kein Arbeitsentgelt verbleibe, sei von
einem unentgeltlichen Beschäftigungsverhältnis (und zwar insgesamt) auszugehen. Der Kläger hat Ablichtungen seiner "Bezügemitteilungen"
für Januar, April und Mai 2011 zu den Akten gereicht.
Der Senat hat die Beiladung des LBV NRW aufgehoben. Die (verbliebenen) Beigeladenen stellen keine Anträge. Die Beigeladene
zu 2) hat mitgeteilt, dass die streitige Beschäftigung des Klägers seit 2014 antragsgemäß wieder als versicherungsfreie geringfügige
Beschäftigung abgerechnet werde, weil dem LBV nunmehr Software vorliege, die dies ermögliche.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 4 Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
ist.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat dem Hilfsantrag des Klägers zu Recht stattgegeben. Der Bescheid vom 3.4.2014 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6.8.2014, §
95 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, §
54 Abs
2 Satz 1
SGG. Der Kläger war in den Jahren 2011 bis 2013 geringfügig versicherungsfrei beschäftigt.
I. In der Berufungsinstanz angefallener Streitgegenstand ist nur die - vom Kläger ursprünglich lediglich hilfsweise beantragte
- Aufhebung des Bescheides 3.4.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2014, da allein die Beklagte Berufung eingelegt
hat. Es kann dahinstehen, ob das SG den Hauptantrag konkludent abgewiesen oder unbeachtet gelassen hat, da der Kläger keine (Anschluss-)Berufung eingelegt und
damit dokumentiert hat, dass er mit der getroffenen Entscheidung vollständig einverstanden ist. Das beruht offenbar auf der
- keinesfalls fernliegenden - Annahme, die Beklagte werde sich auch ohne ausdrückliche Feststellung der Versicherungsfreiheit
durch ein Gericht oder einen erneuten Bescheid in der streitigen Beurteilung der Versicherungspflicht am Ausgang dieses Verfahrens
orientieren.
II. Die Klage ist zulässig.
Sie ist am 11.9.2014 noch fristgerecht binnen einen Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2014 eingegangen,
§
87 Abs
1 Satz 1
SGG. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur
Post als bekannt gegeben, § 37 Abs 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Widerspruchsbescheid vom 6.8.2014 wurde am 7.8.2014 zur Post gegeben. Er gälte damit nach dem Wortlaut am 10.8.2016
als bekannt gegeben. Da der 10.8.2014 aber auf einen Sonntag fiel, verlängert sich die Frist auf den 11.8.2014, da die Bekanntgabe
an einem Sonntag bei nicht stattfindender Postauslieferung ersichtlich nicht möglich ist (str.; vgl zum Meinungsstand Engelmann
in: Von Wulffen. SGB X. Kommentar. 8.Aufl.2013, § 37 Rdnr 12).
Da der Kläger vom Beigeladenen zu 2) bis einschließlich 2010 und ab 2014 als versicherungsfrei beschäftigt beurteilt wird,
richtet sich die Anfechtungsklage nunmehr zu Recht nur noch gegen die davon abweichenden Feststellungen für die Jahre 2011
bis 2013 im Bescheid vom 3.4.2014.
III. Die Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid vom 3.4.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6.8.2014 ist
rechtswidrig, weil der Kläger in seiner Beschäftigung als Lehrbeauftragter der Fernuniversität I auch von 2011 bis 2013 in
allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei war, §
7 Abs
1 Satz 1 1. Halbsatz Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V), §
1 Abs
2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI), §§
5 Abs
2 Satz 1 Nr
1,
230 Abs
8 Satz 1
SGB VI, §
27 Abs
2 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III), denn es handelte sich bei dieser (Neben-)Beschäftigung durchweg um eine (entgelt-)geringfügige Beschäftigung iS des §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV.
1. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht in Fällen, in denen die Versicherungsfreiheit
wegen einer geringfügigen Beschäftigung (weiter) geltend gemacht wird, ergibt sich aus §§ 28h (in der hier maßgeblichen Fassung
vom 22.12.2011) und 28i
SGB IV. Über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der
Arbeitsförderung entscheidet die Einzugsstelle, §
28h Abs
2 Satz 1
SGB IV. Einzugsstelle war (und ist) hier die Beklagte, weil der Kläger von 2004 bis 2010 geringfügig beschäftigt war, § 28i Satz
5
SGB IV. Die nach § 28i Satz 5
SGB IV zuständige Einzugsstelle prüft auch die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§
8 und
8 a SGB IV und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid, §
28h Abs
2 Satz 4
SGB IV.
2. Der Kläger war entgegen den Feststellungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid (auch) von 2011 bis 2013 versicherungsfrei
beschäftigt.
Die Beteiligten und das SG gehen zutreffend davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers für die Fernuniversität I um eine (abhängige) Beschäftigung
handelt, §
7 Abs.
1 SGB IV. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Diese Voraussetzungen sind
nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag vom 21./22.8.2010 idF des Nachtrags vom 22./23.11.2010 eindeutig erfüllt. Insbesondere
liegen die Anhaltspunkte des §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IV zweifelsfrei vor.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt sind, unterliegen im Regelfall der Beitragspflicht in der Kranken-,
Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gemäß §§
5 Abs
1 Nr
1 SGB V, 1 Abs
2 Satz 1
SGB XI, 1 Abs 1 Nr 1
SGB VI, §
25 Abs
1 SGB III. Der Kläger war jedoch in dem hier maßgeblichen Zeitraum (wie auch in den Jahren davor und danach) ausnahmsweise versicherungsfrei,
weil es sich bei seiner Tätigkeit um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV handelt. Nach dieser Vorschrift liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung
regelmäßig im Monat EUR 450 (bis zum 31.12.2012: EUR 400) nicht übersteigt.
Das vom Kläger von 2011 bis 2013 "regelmäßig im Monat" bezogene Arbeitsentgelt übersteigt die genannten Grenzwerte durchweg
nicht, sondern betrug bis 2012 EUR 399,67 und 2013 EUR 374,67. Ob die 2010 im Nachtrag zum Arbeitsvertrag vereinbarte Stundenerhöhung
tatsächlich am 30.9.2012 endete oder - kraft weiterer Vereinbarung - fortdauerte, kann danach offen bleiben.
Für die Beantwortung der Frage, ob das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung regelmäßig im Monat EUR 400/450 nicht übersteigt,
ist für ein (Kalender-)Jahr im Voraus der durchschnittliche Monatsverdienst zu schätzen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 9.9.2010, Az L 16 KR 203/08). Dabei ist, wie bei schwankendem Einkommen oder jährlichen Sonderzahlungen, ggf. anhand des im Vorjahr insgesamt erzielten
Entgelts im gleichen Beschäftigungsverhältnis und/oder den im Arbeitsvertrag getroffenen Regelungen eine Prognose abzugeben
(vgl zur Verteilung von Sonderzahlungen auf das gesamte Kalenderjahr: Schlegel in jurisPK-
SGB IV, 3. Auflage 2016, Rdnr 43 mwN). Hier sind sowohl Werte aus den Vorjahren vorhanden, als auch insbesondere klare Hinweise
im Arbeitsvertrag aus 2010 enthalten, die eine zuverlässige Prognose zulassen. Nach dem Arbeitsvertrag vom 21./22.8.2010 idF
des Nachtrags vom 22./23.11.2010 hatte der Kläger insgesamt 182,62 + 82,61 = 265,23 Stunden zu leisten, für die er jeweils
EUR 26 erhielt. Das macht EUR 6895,98 im Jahr und (:12) EUR 574,67 im Monat. Die vorgelegten Bezügemitteilungen aus 2011 belegen,
dass diese Prognose zutreffend war. Denn der Kläger hat ab 1 /2011 monatlich laufend EUR 574, 67 erhalten. Damit ergibt sich
nach der hier maßgeblichen Primärnorm des §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV zunächst, dass der Kläger "regelmäßig im Monat" EUR 574,67 erhielt.
Bei diesem Monatsbetrag handelt es sich indes nur in Höhe von maximal EUR 399, 67 um "Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung".
Die restlichen EUR 175 (ab 2013: EUR 200) gelten kraft gesetzlicher Fiktion nicht als Arbeitsentgelt. Das folgt aus §
14 Abs
1 Satz 3
SGB IV in der bis zum 21.4.2015 geltenden, mithin hier maßgeblichen Fassung (ab 22.4.2015 gilt stattdessen § 1 Abs 1 S 1 Nr 16 SvEV). Danach gelten die in §
3 Nummer
26 und
26a Einkommensteuergesetz genannten steuerfreien Einnahmen (abweichend von den Grundregeln in §
14 Abs
1 Sätze 1 und 2
SGB IV, die eigentlich erfüllt sind) nicht als Arbeitsentgelt.
Zu Recht gehen alle Beteiligten davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Lehrbeauftragter um eine nach §
3 Nr 26
EStG steuerrechtlich in Höhe von EUR 2100 (bis 2012) bzw. EUR 2400 (ab 2013) privilegierte Beschäftigung handelt. Die Vorgaben
des §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV "regelmäßig in Monat" erfordern zwingend, dass der Begriff "bezogenes Arbeitsentgelt" im gleichen Sinn auszulegen ist, also
eine monatliche Betrachtung zu erfolgen hat. Das bedeutet, dass der Jahresfreibetrag der §§
14 Abs1 Satz 3
SGB IV aF, 3 Nr 26
EStG für die Frage der Versicherungsfreiheit ebenfalls in die monatliche Betrachtung einzufließen hat mit der alleinigen Folge,
dass "regelmäßig im Monat" EUR 175 (bzw ab 2013: EUR 200) nicht als Arbeitsentgelt gelten.
Ob es daneben, wie die Beklagte und die Beigeladene zu 2 offenbar meinen, arbeitsrechtlich zulässig ein einseitiges Bestimmungsrecht
des Arbeitgebers gibt, bei der Umsetzung des §
3 Nr 26
EStG zwischen der pro rata- und der en bloc-Variante zu wählen, ist zweifelhaft, kann aber hier offenbleiben. Die von der Beklagten
in Bezug genommene Vorschrift des §
17 Abs
1 Satz 2
SGB IV, nach der eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen ist, zwingt schon
deshalb nicht zu einer Angleichung an die steuerliche Handhabung, weil §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV als Spezialvorschrift vorgeht. Dass die Vorgehensweise der Beklagten und - jedenfalls im streitigen Zeitraum - auch der Beigeladenen
zu 2) zu zahlreichen systemwidrigen Friktionen führt, ist den Beteiligten bereits im Vorprozess in einem Termin zur mündlichen
Verhandlung am 25.2.2014 deutlich gemacht und vom SG im angefochtenen Urteil aufgegriffen worden. Auf die Regelungen in §§ 76b, 52 Abs 2
SGB VI (in der bis zum 31.12.2012 maßgeblichen Fassung) sei ergänzend hingewiesen.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183 Satz 1,
193 Abs
1 Satz 1
SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
C. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, §
160 Abs
2 Nr
2 SGG, da es vorliegend um einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Zeitraum geht, und die Beteiligten - auf ausdrückliche
Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung - bekundet haben, ihnen seien keine weiteren Verfahren zu der entscheidungserheblichen
Problematik bekannt.