Rentenversicherung
Feststellung weiterer Entgelte aufgrund von Jahresendprämien
Anforderung an die Glaubhaftmachung
Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung weiterer Entgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) aufgrund von Jahresendprämien hat.
Der am ... 1942 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Bauwesen L. vom 20. September 1974 berechtigt,
die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Vom 1. Januar bis 30. Juni 1975 war er ausweislich des SV-Ausweises als Bauingenieur,
vom 1. Juli 1975 bis 30. Juni 1977 als Produktionsleiter und anschließend ausweislich des Arbeitsvertrages vom 13. Juli 1977
vom 11. Juli 1977 bis über den 30. Juni 1990 hinaus als Ingenieur für Arbeitsvorbereitung beim VEB S. P., ab 1983 VEB Kombinat
A. P. - Stammbetrieb - beschäftigt. Mit Bescheid vom 25. Mai 2000 stellte die Beklagte die Zeit vom 1. September 1974 bis
zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) mit Entgelten
fest.
Am 24. September 2010 beantragte der Kläger die Anerkennung von Jahresendprämien auf der Grundlage eines Urteils des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 23. August 2007. Die Beklagte holte eine Entgeltbescheinigung der R. GmbH vom 27. September 2011 ein. Anschließend erkannte
sie auf der Grundlage dieser Bescheinigung sowie eines Schreibens des VEB Kombinat A. P. über eine Jahresendprämie für das
Jahr 1987 in Höhe von 1.200,00 Mark weitere Entgelte an (Bescheid vom 6. Oktober 2011). Am 8. November 2011 bat der Kläger
um Überprüfung dieses Bescheides. Bei der Durchsicht seiner Unterlagen sei ihm aufgefallen, dass er u.a. noch einen Nachweis
über die Zahlung der Jahresendprämie im Februar 1989 (für 1988) habe. Dies führte zu einem weiteren Feststellungsbescheid
vom 17. November 2011. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 6. Dezember 2011 Widerspruch ein. Ihm sei aufgefallen, dass
die im Jahre 1988 gezahlte Jahresendprämie in Höhe von 1.200,00 Mark bislang nicht erfasst worden sei. Diesen Widerspruch
nahm er nach Telefonaten mit der Beklagten am 10. Januar 2012 schriftlich zurück.
Gleichzeitig beantragte er die Überprüfung der festgestellten Entgelte gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Wie ihm jetzt bekanntgeworden sei, besitze der ehemalige Leiter der Abteilung Arbeit und Löhne des VEB S. P., Dr. Z., noch
Nachweise über die Zahlung von Jahresendprämien für die Jahre 1988 bis 1990. Des Weiteren seien sämtliche Betriebskollektivverträge
des Betriebes bis 1988 von Dr. Z. an das Landesarchiv in M. abgegeben worden. Aus diesen Betriebskollektivverträgen ließen
sich Rückschlüsse auf die mindestens zu zahlenden Jahresendprämien ziehen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 18. Januar 2012 ab. Die vom Kläger begehrten zusätzlichen Arbeitsverdienste für 1988 und die Zeit vom 1. Januar bis 30.
Juni 1990 seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Jahresendprämie für 1989 sei bereits festgestellt worden.
Sowohl der Anspruch als auch die Höhe der Jahresendprämien seien von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute
ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Da die Aufbewahrungsfrist für Lohnunterlagen der DDR
zum 31. Dezember 2011 geendet hätte, sei die Anforderung einer Prämienbescheinigung nicht mehr möglich. Dagegen legte der
Kläger am 14. Februar 2012 Widerspruch ein und verwies erneut auf den ehemaligen Leiter der Kaderabteilung des VEB S. P.,
Dr. Z., sowie auf die im Landesarchiv verwahrten Betriebskollektivverträge. Im Widerspruchsverfahren legte er darüber hinaus
eine schriftliche Erklärung seines damaligen Abteilungsleiters und Vorgesetzten G. B. über die Zahlung von Jahresendprämien
vom 24. Mai 2012 vor. Die Beklagte forderte daraufhin über den Kläger eine schriftliche Zeugenerklärung von G. B. an. Hierauf
antwortete der Kläger, G. B. habe die Vorschläge für die Beträge seiner Mitarbeiter hinsichtlich der Jahresendprämien miterarbeitet.
Aber es gäbe keine Unterlagen, welche die einzelnen Beträge seiner Mitarbeiter bestätigten. Aus diesem Grunde wolle er die
Zeugenerklärung nicht ausfüllen. Schließlich erkannte die Beklagte mit weiterem Feststellungsbescheid vom 10. September 2012
für das Jahr 1989 ein höheres Entgelt an. Mit der Rücknahme des Widerspruchs im Übrigen beendete er das Widerspruchsverfahren.
Am 6. Februar 2013 stellte der Kläger einen erneuten Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien auf der Grundlage der Betriebskollektivverträge des VEB S. A. P. Aus
diesen gehe hervor, welche Prozente gezahlt worden seien. Hierzu fügte er eine von ihm erstellte tabellarische Übersicht vom
30. Januar 2013 bei. Diesen Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2013 ab und führte zur Begründung
aus, für zwei Jahre hätten die nachgewiesenen Jahresendprämien berücksichtigt werden können. Für die übrigen Zeiträume seien
jedoch keine Nachweise vorhanden. Betriebskollektivverträge bewiesen nicht den tatsächlichen Zufluss von Jahresendprämien
an den einzelnen Mitarbeiter. Dagegen legte der Kläger am 22. Februar 2013 Widerspruch ein: Mit Hilfe der vorhandenen Unterlagen
könnten Mindestbeträge an Jahresendprämien ermittelt werden. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 3. Juli 2013 zurück und führte erneut aus, sowohl der Anspruch als auch die Höhe der Jahresendprämien seien von einer
Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen. Eine pauschale Berechnung der Jahresendprämien komme somit nicht in Betracht.
Dagegen hat der Kläger am 10. Juli 2013 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und sich zur Begründung im Wesentlichen
auf die Betriebskollektivverträge sowie auf den bereits erwähnten Dr. Z. berufen. Mit Urteil vom 15. Oktober 2013 hat das
Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf Urteile des Sozialgerichts L. bezogen, wonach Jahresendprämien
schon aus rechtsgrundsätzlichen Überlegungen nicht als nach dem AAÜG festzustellendes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen seien.
Gegen das ihm am 12. November 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Dezember 2013 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und sich zur Begründung weiterhin auf die Betriebskollektivverträge sowie auf eigene Berechnungen
auf der Grundlage von Zahlen der Kreisstelle für Statistik berufen. Darüber hinaus hat er schriftliche Zeugenerklärungen eingereicht,
wegen derer auf Blatt 153 bis 162 der Gerichtsakten verwiesen wird. Schließlich vertritt er die Auffassung, dass genügend
Grundlagen für eine Schätzung der Jahresendprämien, wie sie das Sächsische LSG für möglich halte, vorlägen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 15. Oktober 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2013 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 10. September
2012 abzuändern und die in den Jahren 1979 bis 1987 und im ersten Halbjahr 1990 gezahlten Jahresendprämien als weitere Arbeitsentgelte
im Sinne des AAÜG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, auch die Betriebskollektivverträge für den VEB A. P. von 1977 und 1979 bis 1990 belegten allenfalls
die Ausschüttung einer jährlich differenzierten und leistungsabhängigen Jahresendprämie im Betrieb, aber nicht, ob der Kläger
diese Leistungskriterien Jahr für Jahr erfüllt habe und in welcher konkreten Höhe ihm Jahresendprämien zugeflossen seien.
Aus ihrer Sicht komme auch eine Schätzung der vom Kläger beanspruchten Jahresendprämien nach den vom 5. Senat des Sächsischen
LSG in mehreren Verfahren zugrunde gelegten Maßstäben nicht in Betracht. Denn für eine Schätzung von Jahresendprämien fehle
eine tragbare Anknüpfungsmethode.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten verwiesen. Diese Akten
waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die
Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. September 2012 ist rechtmäßig und beschwert den
Kläger nicht im Sinne der §§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG.
Der Kläger hat nach § 44 Abs. 1 SGB X keinen Anspruch auf Abänderung des Feststellungsbescheides vom 10. September 2012. Soweit sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu
Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, denn der genannte Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Feststellung noch höherer Arbeitsentgelte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen
im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei
einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 5 RS 4/09 R -, juris, RdNr. 11). Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung
oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R -, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2 S. 11). Der Anwendungsbereich des AAÜG ist vorliegend eröffnet. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 10. September 2012 ausdrücklich erklärt.
Hinsichtlich der noch geltend gemachten Jahre konnte der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien nicht nachweisen oder glaubhaft
machen, so dass weitere Entgelte nicht festzustellen waren.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§
256a Abs.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI)) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Grundsätzlich ist auch die in der DDR an Arbeitnehmer
gezahlte Jahresendprämie Arbeitsentgelt. Dem Entgeltbegriff des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von §
14 Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -
SGB IV) in der am 1. August 1991 geltenden Fassung zugrunde zu legen. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob dieser Verdienst nach
DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R -, juris). Zweck der Regelung der §§ 5 bis 8 AAÜG ist es, die für die Bestimmung des - fiktiven - Vorleistungswertes zur bundesdeutschen Rentenversicherung relevanten Tatsachen
vorzumerken, damit nach Inkrafttreten des
SGB VI zum 1. Januar 1992 im gesamten Bundesgebiet der Wert des Rentenrechts nach der einheitlich anzuwendenden Rentenformel (§
64 SGB VI) bestimmt werden konnte bzw. kann. Demzufolge kann sich auch der Vorleistungswert der ehemals Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten
nur nach Bundesrecht bestimmen. Dies hat zur Folge, dass die Frage, ob in der DDR erzielte Einkünfte aus einer von einem Versorgungssystem
erfassten Beschäftigung als Arbeitsentgelt zu qualifizieren sind, ausschließlich nach Bundesrecht zu beantworten ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O.). Nach §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch
auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden, oder ob sie unmittelbar aus
der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts
erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben.
Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung". Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds
finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung
und die Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung
im Arbeitskollektiv (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O.). Es handelte sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im
jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung. Nach § 117 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB-DDR) bestand ein Anspruch
auf Jahresendprämie, wenn
die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart
war,
der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten
und
der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebes war.
Der Kläger trägt die Beweislast dafür, dass damals die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR für jedes geltend gemachte Jahr erfüllt waren und dass ihm die Jahresendprämie zugeflossen (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O.), also tatsächlich gezahlt worden ist.
Von einem Vollbeweis ist in diesem Verfahren nicht auszugehen, da hinsichtlich der noch umstrittenen Jahre keine Unterlagen
über die Zahlung von Jahresendprämien (wie Quittungen, Eintragungen in Auszahlungsbüchern oder Lohnmarken) vorliegen. Der
Kläger hat die Zahlungen von Jahresendprämien über die bereits von der Beklagten anerkannten Entgelte hinaus auch nicht glaubhaft
gemacht. Dafür, dass im Rahmen der Feststellungen nach dem AAÜG eine Glaubhaftmachung möglich ist, spricht, dass § 6 Abs. 6 AAÜG diesen Beweismaßstab ausdrücklich zulässt, wenn nur Teile des Verdienstes nachgewiesen sind (so auch: Sächsisches LSG, Urteil
vom 7. August 2012 - L 5 RS 45/10 -, juris Rdnr. 22). Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf
sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Damit ist zwar eine an Gewissheit grenzende
Wahrscheinlichkeit im Sinne von §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG in diesem Zusammenhang nicht erforderlich. Das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit reicht aber nicht aus.
Der Senat hält die Zahlung von Prämien hier zwar für möglich. Angesichts der dürftigen Beweislage ist der tatsächliche Zufluss
der geltend gemachten Prämien für jedes einzelne umstrittene Jahr in einer bestimmten Höhe aber nicht überwiegend wahrscheinlich.
Selbst wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dahingehend angenommen werden kann, dass im vorliegenden Einzelfall immer
mal wieder Jahresendprämien gezahlt wurden, kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, ob dies in sämtlichen
umstrittenen Jahren der Fall war und welche Summe jeweils zur Auszahlung gelangte. Auf eine derartige Bestimmbarkeit lässt
sich aber auch im Rahmen der Glaubhaftmachung nicht verzichten. Denn nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis
für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämien, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben. Die
Ableitung der individuellen Kennziffern zur Berechnung der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen war von einer Vielzahl
von verschiedenen Faktoren abhängig, so dass die Kenntnis des Durchschnittslohns des Werktätigen keinesfalls hinreichend sein
kann, um die Zahlung einer Jahresendprämie in einer bestimmten Höhe glaubhaft zu machen (vgl. im Einzelnen Sächsisches LSG,
Urteil vom 21. Juli 2015 - L 5 RS 668/14 -, juris, Rdnr. 55 f.).
Wie komplex die Berechnung der Jahresprämien war, zeigt auch ein Blick in die vom Kläger eingereichten Betriebskollektivverträge.
Beispielhaft verweist der Senat auf den Betriebskollektivvertrag 1987 (dort S. 14). Danach mussten zur Differenzierung der
Jahresendprämie zwischen den Fachdirektoraten, Hauptabteilungen und Abteilungen folgende Leistungskriterien angewendet werden:
Anteil bzw. Beitrag an der Erfüllung und gezielten Übererfüllung der staatlichen Leistungskennziffern des Betriebes,
Erfüllung der Planteile und der davon abgeleiteten spezifischen Kennziffern und Aufgaben durch die jeweils dafür verantwortlichen
Fachdirektorate, Hauptabteilungen und Abteilungen,
Beitrag zur Senkung der geplanten Kosten und zur Vermeidung von gesellschaftlich nicht notwendigem Aufwand wie Wagenstandsgelder,
AN-Kosten, Vertragsstrafen u.a.,
Beitrag zur Sicherung der Warenproduktion mit Gütezeichen "Q" und zur Durchsetzung der "Null-Fehler-Produktion",
Erfüllung der WAO-Aufgaben zur rationellen Nutzung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens, insbesondere unter Anwendung der
Schwedter Initiative,
Vorbereitung und Realisierung der Einsatzfälle für Mikroelektronik, Industrierobotertechnik und Bürocomputer, entsprechend
den Vorgaben.
Zur Differenzierung der Jahresendprämien der Fachdirektoren und Hauptabteilungsleiter wurden außerdem noch weitere Leistungskriterien
angewendet:
Durchsetzung geltender Weisungen und Orientierungen,
Einhaltung der Grundsätze der leistungsorientierten Lohnpolitik zur Erreichung von Spitzenleistungen in Forschung, Entwicklung
und Projektierung unter Berücksichtigung gegebener Möglichkeiten,
Gewährleistung der Einhaltung der Bestimmungen zur OSD und zum Schutz der sozialistischen Gesetzlichkeit.
Bezeichnend ist, dass G. B., der nach Angabe des Klägers die Vorschläge für die Beträge seiner Mitarbeiter hinsichtlich der
Jahresendprämien miterarbeitet hat, im Verwaltungsverfahren keine schriftliche Zeugenerklärung abgeben wollte. Denn hier zeigt
sich deutlich die Beweisschwierigkeit: G. B. füllte die Zeugenerklärung nicht aus mit der Begründung, es gäbe keine Unterlagen,
welche die einzelnen Beträge seiner Mitarbeiter bestätigten. Dieses Dilemma kennzeichnet auch die vom Kläger im Berufungsverfahren
eingereichten schriftlichen Zeugenerklärungen. K. J. (Erklärung vom 15. Dezember 2015) und Dr. K. D. (Erklärung vom 11. Januar
2016) haben anschaulich beschrieben, wie die Jahresendprämie letztlich individuell für den einzelnen Beschäftigten ermittelt
wurde. Sie haben auch die Differenzierung nach Leistungskriterien erwähnt. Eine Aussage zur konkreten Höhe der an den Kläger
gezahlten Jahresendprämien ist ihren Erklärungen aber nicht zu entnehmen. D. B. hat in seiner schriftlichen Erklärung vom
23. Mai 2012 bestätigt, dass der Kläger während des Zeitraumes vom 1. Januar 1979 bis zum 31. August 1985 - in dieser Zeit
sei er sein Disziplinarvorgesetzter gewesen - in jedem Jahr die im jeweiligen Betriebskollektivvertrag festgelegte Höhe der
Jahresendprämie in voller Höhe erhalten habe. Die gleiche Bestätigung - allerdings bezogen auf den Zeitraum von Juli 1989
bis Juni 1990 - findet sich in der bereits erwähnten Erklärung von G. B. vom 24. Mai 2012. Aussagen zur konkreten Höhe der
an den Kläger gezahlten Jahresendprämien sind diesen Erklärungen jedoch ebenfalls nicht zu entnehmen. Keine der eingereichten
Erklärungen enthält eine eigene konkrete Wahrnehmung, dass dem Kläger tatsächlich in einer bestimmten Höhe in einem bestimmten
Jahr Jahresendprämien zugeflossen sind. Selbst die Glaubhaftmachung oder gar der Nachweis, dass der Kläger dem Grunde nach
die Anspruchsvoraussetzungen erfüllte, wäre noch kein Beleg für die tatsächliche Zahlung der Jahresendprämien. Die Darstellung
eines allgemeinen Ablaufs und die Schilderung einer allgemeinen Verfahrensweise genügen jedenfalls nicht, um den konkreten
Zufluss eines Geldbetrages für einen bestimmten Zeitraum glaubhaft zu machen.
Zu Recht hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass es sich bei den vom Kläger im Berufungsverfahren eingereichten Berechnungen
der Höhe der Jahresendprämien um Berechnungsmethoden handelt, die als Grundlage für die Glaubhaftmachung nicht geeignet sind.
Eine Rückrechnung der Jahresendprämien auf Grund von Langzeittabellen zu Arbeitskräften und Arbeitslohn der Kreisstelle für
Statistik stellt auch zur Überzeugung des Senats keine tragbare Anknüpfungsmethode zur Bestimmung der Jahresendprämien dar.
Denn mit dieser Methode lassen sich die konkret an einen bestimmten Beschäftigten gezahlten Beträge nicht ermitteln, weil
- wie bereits dargestellt - sowohl der Anspruch als auch die Höhe der Jahresendprämien von einer Vielzahl von individuellen
Faktoren abhängig war.
Der Senat hält vorliegend eine Schätzung (vgl. hierzu Sächsisches LSG, Urteile vom 4. Februar 2014 - L 5 RS 462/13 -, und vom 21. Juli 2015 - L 5 RS 668/14 -, beide juris: das Sächsische LSG geht davon aus, bei einer fehlenden Glaubhaftmachung der konkreten Höhe der Jahresendprämie
in den einzelnen Jahren sei eine Schätzung im Sinne von §
287 Abs.
1 Zivilprozessordnung möglich) für nicht durchführbar. Insoweit lässt der Senat ausdrücklich offen, ob eine Schätzung der Höhe grundsätzlich möglich
wäre, wie das Sächsische LSG meint. Hier liegt aber schon keine ausreichende Schätzgrundlage vor, da sich die Bemessung der
Jahresendprämien nicht lediglich nach dem Lohn des jeweiligen Beschäftigten richtete. Denn nicht der Durchschnittslohn war
alleinige Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämien, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und
Planzielvorgaben (siehe oben). Die Ableitung der individuellen Kennziffern zur Berechnung der Jahresendprämie für den einzelnen
Werktätigen war von einer Vielzahl von verschiedenen Faktoren abhängig, so dass die Kenntnis des Durchschnittslohnes des Werktätigen
keinesfalls hinreichend sein kann, um die Zahlung einer Jahresendprämie in einer bestimmten Höhe glaubhaft zu machen. Darüber
hinaus ist auch der Sicherheitsabschlag nach der Rechtsprechung des Sächsischen LSG nicht hinreichend nachvollziehbar. Unklar
ist weiterhin, warum bei einer Schätzung des konkreten Betrages gleichwohl der Rechtsgedanke des § 6 Abs. 6 AAÜG heranzuziehen sein soll und daher nur 5/6 des ermittelten Schätzbetrages zu berücksichtigen sein sollen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.