LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.10.2018 - 5 KR 63/16
Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung
Nachgewiesener Gewinneinbruch
Normenkette: BVSzGs § 7 Abs. 7a
Vorinstanzen: SG Lübeck 02.05.2016 S 5 KR 588/13
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 2. Mai 2016 und die Bescheide der
Beklagten vom 17. April 2013 in der Fassung der Bescheide vom 7. Juni 2013, 3. Juli 2013, 8. August 2013 und 13. August 2013
geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die endgültigen Beiträge für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 2012 auf der
Grundlage des Einkommensteuerbescheides für 2012 und für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2013 auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides
für 2013 festzusetzen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren nur noch über die Höhe der für die Zeit vom 1. April 2012 bis 30. April 2013
zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung.
Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum bei der Beklagten freiwillig versichert. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2011
zeigte sie der Beklagten an, dass das aufgrund des Einkommensteuerbescheides von 2009 errechnete monatliche Einkommen von
2.581,25 EUR nicht mehr den Tatsachen entspreche, weil es durch die Kündigung des Werkvertrages mit dem Medizinischen Dienst
der Krankenversicherung N , für den sie Gutachtenaufträge erledigt habe, zu einem massiven Gewinneinbruch gekommen sei. Auch
die zu erwartenden Steuerbescheide für die Jahre 2010 und 2011 lägen deutlich über dem zurzeit erzielten Einkommen. Die Klägerin
begehrte mit sofortiger Wirkung eine Beitragsreduzierung. Sie übersandte den Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag des Finanzamtes B S vom 9. Februar 2012, der ab dem Kalendervierteljahr 1/2012 eine Festsetzung von 0,00
EUR bis zum Empfang eines neuen Steuerbescheids beinhaltete.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2012 setzte die Beklagte die ab 1. Januar 2012 von der Klägerin zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
jeweils vorläufig anhand der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbemessungsgrenze (1.968,75 EUR) fest und erhob einen Beitrag
zur Krankenversicherung in Höhe von 305,16 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 38,39 EUR. Zur Begründung führte sie
unter anderem aus, dass die endgültige Beitragshöhe aus dem Arbeitseinkommen aus dem Einkommensteuerbescheid für das maßgebliche
Veranlagungsjahr ermittelt werde. Daraus ergebe sich für die Klägerin gegebenenfalls eine Nachforderung oder Erstattung. Die
Beiträge aus vorhandenen weiteren Einnahmen seien bereits endgültig festgesetzt. Die vorläufige Beitragsfestsetzung aus dem
Arbeitseinkommen ende grundsätzlich mit der Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides. In der Folgezeit übersandte
die Beklagte der Klägerin im Januar 2013 zwei Einnahmeanfragebögen. Die Klägerin führte im Schreiben vom 3. Februar 2013 aus,
dass es ihr im Jahr 2012 nicht gelungen sei, neue Auftraggeber zu gewinnen und ihre finanzielle Situation zu verbessern. Die
Einkommen in allen früheren Jahren entsprächen nicht mehr der aktuellen Situation. Ihre Einkommensteuererklärung für 2012
sei noch nicht fertig. Überschlägig werde ihr Einkommen für 2012 monatlich etwa 600,00 EUR betragen. Hinzu komme noch \226
wie bereits im März/April 2012 der Beklagten von der Deutschen Rentenversicherung Bund mitgeteilt worden sei \226 eine Teilaltersrente
von 475,20 EUR. Somit habe sie 2012 ein monatliches Einkommen von ca. 1.075,20 EUR erzielt. Auch für 2013 sei keine Besserung
zu erwarten.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2013 forderte die Beklagte von der Klägerin eine Kopie der vollständigen Einkommensteuerbescheide
für die Jahre 2010 und 2011 und forderte sie nochmals auf, den Fragebogen zu ihren Einnahmen ausgefüllt zurückzusenden. Eine
entsprechende Aufforderung wiederholte sie mit Schreiben vom 22. Februar 2013. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben
vom 2. März 2013 mit, dass die erbetenen Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 nicht aussagekräftig seien und ihr ein
aktueller aussagekräftiger Steuerbescheid aus 2012 noch nicht vorliege. Der Beklagten sei bekannt, dass die Teilrente der
Deutschen Rentenversicherung Bund einkommensabhängig sei und ihr monatliches Einkommen unter 748,13 EUR liegen müsse. Nachdem
die Klägerin erneute Einnahmeanfragen der Beklagten unbeantwortet ließ, erhob die Beklagte mit Bescheid vom 17. April 2013
rückwirkend ab 1. Januar 2013 Höchstbeiträge aus der Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 3.937,50 EUR monatlich (Krankenversicherung:
610,31 EUR, Pflegeversicherung 80,72 EUR).
Die Klägerin erhob am 22. April 2013 Widerspruch, in dem sie ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholte.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2013 übersandte sie den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 23. Mai 2013, der Einkünfte aus selbstständiger
Arbeit in Höhe von 7.293,00 EUR, aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 712,00 EUR und steuerpflichtige Renteneinkünfte
in Höhe von 3.678,00 EUR auswies. Nachdem die Klägerin die vollständigen Einkommensteuerbescheide für 2010, 2011 und 2012
vorgelegt hatte, korrigierte die Beklagte die Beitragsbemessung mit Bescheid vom 7. Juni 2013 und berechnete die Beiträge
aus Arbeitseinkommen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2012 endgültig auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrenze.
Für die Beitragsberechnung ab 1. April 2012 legte sie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 zugrunde (Arbeitseinkommen:
2.632,58 EUR, Rente: 465,05 EUR, Versorgungsbezug: 60,53 EUR) und erhob einen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von
489,51 EUR sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 61,58 EUR. Die Beiträge erhöhte sie ab 1. Juli 2012 auf monatlich 498,66
EUR bzw. 62,74 EUR aufgrund der nunmehr gezahlten Rente in Höhe von 476,92 EUR und des Versorgungsbezuges in Höhe von 107,69
EUR. Ab 1. Dezember 2012 erhob die Beklagte einen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 491,35 EUR und einen Pflegeversicherungsbeitrag
in Höhe von 61,82 EUR. Dabei legte sie weiterhin ein Arbeitseinkommen von 2.632,58 EUR, eine Rente in Höhe von 476,92 EUR
und einen Versorgungsbezug in Höhe von 60,53 EUR zugrunde. Wegen des um 0,1 % erhöhten Pflegeversicherungsbeitrages zum 1.
Januar 2013 setzte sie ab diesem Zeitpunkt den Beitrag zur Pflegeversicherung auf 64,99 EUR fest. Die Beklagte vertrat die
Auffassung, der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 sei verspätet eingereicht worden und weise höhere Einnahmen aus,
sodass er frühestens ab 1. Juli 2013 für die Beitragsbemessung herangezogen werden könne. Da zu diesem Zeitpunkt bereits der
Einkommensteuerbescheid 2012 vorliege (Eingang 28. Mai 2013), finde der Steuerbescheid 2011 keine Anwendung für die Bemessung
der Beiträge der Klägerin. Der Einkommensteuerbescheid 2012 weise niedrigere Einnahmen aus und könne frühestens ab dem 1.
Juni 2013 für die Bemessung der Beiträge herangezogen werden. Da die Klägerin ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 31.
Mai 2013 gekündigt habe, werde dieser Bescheid nicht mehr für die laufende Beitragsbemessung herangezogen.
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch gegen die Beitragsbemessung aufrecht und führte zur Begründung aus, es sei zutreffend,
dass sie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 erst im Juni 2013 eingereicht habe, Hintergrund sei aber ihre Einschätzung
gewesen, dass mit dem Vorauszahlungsbescheid vom 9. Februar 2012 der Rückgang ihres Einkommens für das Jahr 2012 ausreichend
dokumentiert gewesen sei. Wie dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 entnommen werden könne, seien dementsprechend
auch keine Steuervorauszahlungen festgesetzt worden. Es sei bei der Einstufung aus dem Bescheid vom 9. Februar 2012 verblieben.
Zum Nachweis ihrer Einkommenssituation hätte sie somit keine andere Erklärung beibringen können. Auch wenn sie den Bescheid
vom 30. März 2012 vorher vorgelegt hätte, hätte bei der Beitragsbemessung das niedrigere Einkommen für die Zeit ab 1. April
2012 berücksichtigt werden müssen. Die Beklagte habe für das Jahr 2010 für den Zeitraum ab April 2012 Einnahmen in einer Höhe
zugrunde gelegt, die sie tatsächlich nicht erzielt habe. Deshalb sei die Beitragsbemessung unbillig und fehlerhaft.
Mit Bescheid vom 3. Juli 2013 korrigierte die Beklagte die Beitragseinstufung geringfügig wegen einer anderen Verteilung des
zu berücksichtigenden Versorgungsbezuges. Durch die Korrektur entstand eine Senkung der Beiträge in Höhe von insgesamt 36,34
EUR. Mit weiterem Bescheid vom 8. August 2013 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin teilweise ab. Da der Steuerbescheid
für das Jahr 2010 erst Ende März 2012 ausgestellt worden sei, berücksichtige sie diesen erst ab dem 1. Mai 2012. Der Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2012 werde in der Zeit des berichtigten Gewinneinbruchs bis zum 30. April 2012 zugrunde gelegt. Dadurch ergebe
sich eine Senkung des Beitragsrückstandes um 200,41 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 13. August 2013 half die Beklagte dem Widerspruch
der Klägerin erneut teilweise ab. Sie stellte fest, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine nebenberufliche Selbstständigkeit
seit dem 1. Januar 2012 erfülle und korrigierte deshalb die Beiträge im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 30. April 2012. In
der Zeit ab 1. Mai 2012 ergebe sich keine Beitragsänderung, da der Steuerbescheid 2010 für die Beitragsbemessung maßgeblich
sei. Die Beklagte forderte nunmehr Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. Januar 2012 zur Krankenversicherung in
Höhe von 130,38 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,06 EUR. Die Beiträge für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30.
April 2012 setzte sie für die Krankenversicherung auf 175,67 EUR und für die Pflegeversicherung auf 22,10 EUR fest. Dadurch
reduzierte sich der von ihr errechnete Beitragsrückstand auf 1.890,81 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurück. Zur Begründung
führte sie aus, für den Personenkreis der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen sehe der Gesetzgeber vor, dass der Beitragsbemessung
grundsätzlich monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2012 monatlich 3.825
EUR, 2013 monatlich 3.937,50 EUR) zugrunde zu legen seien. Eine am tatsächlichen Einkommen orientierte Einstufung komme nur
in Betracht, wenn der Versicherte niedrigere Einnahmen nachweise. Bei Nachweis niedrigerer Einnahmen würden diese, mindestens
jedoch ein Betrag in Höhe von 75 % der monatlichen Bezugsgröße (2012 monatlich 1.968,7 EUR 2013 monatlich 2.021,25 EUR herangezogen
(§ 240 Abs. 4 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ( SGB V, § 7 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler \226 BVSzGs \226). Bei der Bezugsgröße handele es sich um einen von der Bundesregierung
jährlich festgesetzten Wert, der dem monatlichen Durchschnittsentgelt der gesetzlich Rentenversicherten im vorvergangenen
Kalenderjahr entspreche. Die einnahmeorientierte Einstufung werde ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft mit Beginn des
auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats wirksam. Bei freiwillig Versicherten gelte als Einnahme nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V mindestens ein Drittel der monatlichen Bezugsgröße (monatlich 875,00 EUR im Jahr 2012, monatlich 898,33 EUR im Jahr 2013).
Diese fiktive Mindestgrenze dürfe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch bei einkommenslosen Mitgliedern nicht unterschritten
werden. Das BSG habe mit Urteil vom 2. September 2009 \226 B 12 KR 21/08 R - entschieden, dass der Nachweis eines geänderten Einkommens unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze nur durch Vorlage des
Einkommensteuerbescheids geführt werden könne. Es stünden den Krankenkassen für die Ermittlung des Arbeitseinkommens als beitragspflichtige
Einnahme keine anderen aussagekräftigen Unterlagen neben den Einkommensteuerbescheiden zur Verfügung. Andere Unterlagen seien
von den Krankenkassen nicht mit zumutbarem Arbeitsaufwand überprüfbar. Sie ermöglichten den Krankenkassen somit nur die vorläufige
Beitragsfestsetzung. Die Beitragsbemessung habe aber grundsätzlich endgültig zu erfolgen, wobei für die Beitragsbemessung
an das bisherige Arbeitseinkommen, so wie es nachgewiesen sei, anzuknüpfen sei. Dementsprechend sei in § 6 Abs. 3 Satz 3 Nr.
1 BVSzGs geregelt, dass der Nachweis für Arbeitseinkommen immer über den aktuellen Einkommensteuerbescheid zu führen sei.
Das über den letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibe bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides
maßgebend. Der neue Einkommensteuerbescheid sei für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats
heranzuziehen (§ 7 Abs. 7 BVSzGs). Es könnten deshalb nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums im Sinne von §
240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen so lange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt würden, bis ein
neuer Einkommensnachweis vorliege. Die damit lediglich zeitversetzte erfolgende Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen
der hauptberuflich Selbstständigen sei nicht zu beanstanden. Auf einen längeren Zeitraum gesehen werde die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolge ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesene
Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis
einer Änderung berücksichtigt werde. Beim Vorliegen der Voraussetzungen einer unverhältnismäßigen Belastung im Sinne des §
6 Abs. 3a BVSzGs seien die auf der Grundlage eines Vorauszahlungsbescheides ermittelten Beiträge einstweilig festzusetzen.
Die einstweilige Beitragsfestsetzung erfolge mit Beginn des auf die Antragstellung und Vorlage des Vorauszahlungsbescheids
folgenden Monats und ende mit Ablauf des Monats der Ausfertigung des aktuellen Einkommensteuerbescheids, es sei denn die Voraussetzungen
der unverhältnismäßigen Belastung auf der Grundlage der aktuellen Einkommensnachweise seien erneut erfüllt. Die für die Zeit
der einstweiligen Beitragsfestsetzung zu zahlenden Beiträge würden endgültig auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides
für das maßgebliche Kalenderjahr festgesetzt (§ 7 Abs. 7a BVSzGs). Das gelte analog auch für die Beitragsbemessung in der
sozialen Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch \226 SGB XI - i.V.m. § 1 Abs. 2 BVSzGs). Gemäß § 206 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und § 6 Abs. 4 Satz 1 BVSzGs hätten Mitglieder Änderungen in den Verhältnissen, die für die Beitragsbemessung erheblich sein, unverzüglich
mitzuteilen. Beitragseinstufungen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung seien Verwaltungsakte mit Dauerwirkung.
Nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die beim Erlass vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete. Wesentlich sei eine Änderung nach allgemeiner
Ansicht immer dann, wenn sie dazu führe, dass der betreffende Verwaltungsakt nun nicht mehr ergehen dürfte. Demgegenüber habe
gemäß Satz 2 des § 48 Abs. 1 eine Aufhebung mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung in den Verhältnissen in den Fällen zu
erfolgen, in denen der Betroffene die Kasse erst nach Eintritt der Änderung hierüber informiert habe. Unabhängig von der Verpflichtung
des Versicherten, eine Änderung der Verhältnisse unaufgefordert der Krankenkasse mitzuteilen, nehme die Beklagte eine jährliche
Einkommensbefragung vor. Das über dem letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibe bis zur Erteilung
des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend. Mit Erhalt des Steuerbescheids habe der Versicherte Kenntnis über seine
Einnahmehöhe und damit über eine gegebenenfalls eingetretene Änderung in seinen Einkommensverhältnissen. Der neue Einkommensteuerbescheid
sei insofern für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Lege das Mitglied
den Einkommensbescheid später vor und ergebe sich eine günstigere Beitragsbemessung, seien die Verhältnisse erst ab Beginn
des auf die Vorlage dieses Einkommensteuerbescheids folgenden Monats zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V, § 7 Abs. 7 Sätze 2 - 4 BVSzGs). Freiwillig Versicherte, deren Beiträge nach dem tatsächlichen Einkommen berechnet würden, seien verpflichtet,
eine Änderung in ihren Einkommensverhältnissen unverzüglich mitzuteilen. Hierauf sei die Klägerin auch im Bescheid vom 20.
Februar 2012 hingewiesen worden. Dennoch habe sie den Einkommensteuerbescheid für 2010, der ihr im April 2012 vom Finanzamt
zugegangen sei, erst im Juni 2013 der Beklagten übersandt. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, den Beitrag rückwirkend
vom 1. Mai 2012 an neu festzusetzen. Die mit Bescheid vom 20. Februar 2012 bewilligte Beitragsermäßigung wegen Gewinneinbruchs
habe nach Zustellung des Einkommensbescheides 2010 zum 30. April 2012 geendet. Bei umgehender Vorlage des Einkommensteuerbescheides
für das Jahr 2010 und eines erneuten Antrages hätte die Beklagte prüfen können, ob eine Beitragsermäßigung ab dem 1. Mai 2012
weiterhin möglich gewesen sei. Dies habe die Klägerin nicht getan, so dass in der Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Mai 2013
die Beklagte daher zu Recht die Beiträge nach den im Einkommensteuerbescheid 2010 ausgewiesenen Einkünften zuzüglich der gesetzlichen
Rente und des Versorgungsbezug neu festgesetzt habe.
Die Klägerin hat am 27. September 2013 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgebracht,
die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass auch über den Monat April 2012 hinaus von ihr nur eine nebenberufliche selbstständige
Tätigkeit ausgeübt worden sei mit ca. 12 Wochenarbeitsstunden. Zudem hätten sich die Einkünfte im Zeitraum von Januar 2012
bis Mai 2013 nicht weiter erhöht, sondern weit unter dem 2010 erzielten Einkommen gelegen. Andernfalls wäre auch niemals eine
vorzeitige Altersteilrente gezahlt worden. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen. Sie verweise selbst in einem eigenen Flyer
auf die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2013 sowie die Bescheide vom 3. Juli 2013, 8. August 2013 und 13. August 2013 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Bemessung der Beiträge für
den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 31. Mai 2013 den Einkommensteuerbescheid 2012 zugrunde zu legen und die Beklagte zu verurteilen,
sie auch ab Mai 2012 als Rentnerin mit nebenberuflicher, selbstständiger Tätigkeit zu versichern.
Die Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2016 die Klage abgewiesen und die Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt.
Gegen den ihr am 6. Mai 2016 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die am 3. Juni 2016
beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Sie macht weiterhin geltend, die endgültige Beitragseinstufung
ab Mai 2012 sei fehlerhaft gewesen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt Rentnerin gewesen und habe im streitgegenständlichen Zeitraum
nur eine nebenberufliche selbstständige Tätigkeit ausgeübt, genauso wie im vorangegangenen Zeitraum vom 1. Januar bis 30.
April 2012. Für den Zeitraum bis einschließlich April 2012 habe die Beklagte die von ihr mitgeteilten Gewinneinbrüche (seit
November 2011 in Höhe von 75 % wegen Wegfall des größten Auftraggebers und monatliche Einkünfte von nur noch 600,00 EUR) bei
der Beitragsbemessung berücksichtigt, sei dann jedoch ab Mai 2012 von dem längst überholten Steuerbescheid für 2010 ausgegangen,
was zu einer Beitragseinstufung geführt habe, die sie sich finanziell gar nicht habe leisten können. Sie habe die Beklagte
nach der mit Bescheid vom 20. Februar 2012 erfolgten vorläufigen Beitragsfestsetzung nach der Mindestbemessungsgrenze mehrfach
darauf hingewiesen, dass sie weiterhin aus der selbstständigen Tätigkeit nur Einkommen in Höhe von monatlich ca. 600,00 EUR
erziele. Auch über die Rentenbezüge ab 1. Februar 2012 sei die Beklagte durch den Rentenversicherungsträger informiert gewesen.
Allerdings habe dies nicht dazu geführt, dass die Beklagte sie hinsichtlich der Beitragsbemessung bzw. als nebenberuflich
Selbstständige eingestuft hätte. Die endgültige Beitragsfestsetzung der Beklagten verstoße gegen § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Veränderungen der Beitragsbemessung könnten zwar jeweils nur zum ersten Tag des auf die Vorlage eines entsprechenden Nachweises
folgenden Monats wirksam werden. Die mit einem Steuerbescheid nachgewiesenen Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit seien
als laufende Einnahmen nur so lange bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen, bis ein neuer Einkommensnachweis vorliege.
Das betreffe allerdings nur endgültige und nicht vorläufige Beitragsfestsetzungen. Abweichend hiervon sehe § 6 Abs. 3a BVSzGs
vor, dass auf Antrag des Mitglieds das Arbeitseinkommen über einen Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer gemäß § 37 Abs. 3 Einkommensteuergesetz nachzuweisen sei, wenn die Beitragsbemessung aus dem Arbeitseinkommen auf der Grundlage des aktuellen Einkommensteuerbescheides
eine unverhältnismäßige Belastung darstelle. Diese liege vor, wenn das angenommene Arbeitseinkommen um mehr als ein Viertel
des über dem Einkommensteuerbescheid zuletzt festgestellten Arbeitseinkommens reduziert sei. Fordere die Krankenkasse das
Mitglied unter Fristsetzung erfolglos zur Vorlage von Einkommensnachweisen auf, könne sie die vorläufige Festsetzung ändern
und über die Beitragshöhe eine Entscheidung nach Lage der Akten treffen. Eine solche Frist sei jedoch nur eine Verfahrensfrist.
Das Mitglied könne die geforderte Beibringung von Einkommensnachweisen während des Verfahrens nachholen mit der Folge, dass
diese hinsichtlich der rückwirkend neu festgesetzten Beiträge zu berücksichtigen seien. Hinsichtlich der rückwirkend geänderten
Beitragserhebung liege auch kein Fall des § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V vor, der bei Nachweis niedrigerer Einnahmen eine geänderte Beitragsfestsetzung nur für die Zukunft zulasse. Diese Vorschrift
erfasse nicht den Fall, bei dem die vorläufige Beitragsfestsetzung hinsichtlich derer die Korrektur nach Vorlage von Beitragsnachweisen
gerade vorbehalten gewesen sei, für die Vergangenheit durch eine endgültige ersetzt werde. Hiernach seien Nachweise zum Beispiel
über entsprechende niedrigere Einnahmen zugunsten des Versicherten auch rückwirkend zu berücksichtigen, wenn sie vor Erlass
des Widerspruchsbescheides vorlägen, in dem die endgültige Festsetzung erfolge. Insoweit stütze sie sich auf die Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 11. März 2009 \226 B 12 KR 30/07 R - und vom 30. März 2011 - B 12 KR 18/08 \226 sowie des LSG Hessen im Urteil vom 12. November 2009 \226 L 1 KR 56/09 \226. Das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass sie den Nachweis geringeren Einkommens auch
durch einen entsprechenden Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes habe führen können. Schließlich sei der Bescheid der Beklagten
vom 20. Februar 2012 hinsichtlich der Beitragseinstufung ab dem 1. Januar 2012 wegen Gewinneinbruchs auf der Basis der monatlichen
Mindestbemessungsgrundlage von 1.968,75 EUR vorbehaltlich einer späteren Korrektur nach Erlass der Steuerbescheides für das
maßgebliche Veranlagungsjahr und damit vorläufig erlassen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 2. Mai 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. April 2013 in der Fassung
der Bescheide vom 7. Juni 2013, 3. Juli 2013, 8. August 2013 und 13. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
11. September 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Bemessung der Beiträge für den Zeitraum vom 1. April 2012
bis 30. April 2013 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten
verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig und auch begründet.
Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zu Recht wendet die Klägerin
ein, im erstinstanzlichen Verfahren sei nicht beachtet worden, dass es sich bei der mit Bescheid vom 20. Februar 2012 erfolgten
Beitragsfestsetzung unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrenze um eine einstweilige Beitragsfestsetzung ab 1. Januar
2012 wegen des seit Dezember 2011 eingetretenen und nachgewiesenen Gewinneinbruchs handelte. Der MDK N hatte mit Schreiben
vom 30. November 2011 den mit der Klägerin geschlossenen Werkvertrag über die Erstattung von Gutachten mit sofortiger Wirkung
gekündigt. Daraus resultierte nach Angaben der Klägerin ein Gewinneinbruch von ca. 75 %. Vor diesem Hintergrund hatte das
Finanzamt B S mit Vorauszahlungsbescheid vom 9. Februar 2012 die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und auf den Solidaritätszuschlag
ab 1/2012 auf 0,00 EUR und ab 1/2013 ebenfalls auf 0,00 EUR festgesetzt bis zum Empfang eines neuen Steuerbescheides.
Bei einer einstweiligen Beitragsfestsetzung ist die endgültige Beitragsfestsetzung aus dem Einkommensteuerbescheid für das
maßgebliche Veranlagungsjahr zu ermitteln. Das ergibt sich aus den im streitbefangenen Zeitraum geltenden Beitragsverfahrensgrundsätzen
Selbstzahler. Hierauf hatte die Beklagte selbst auch im Bescheid vom 20. Februar 2012 hingewiesen. § 7 Abs. 7a BVSzGs bestimmte
zum damaligen Zeitpunkt, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen einer unverhältnismäßigen Belastung im Sinne des § 6 Abs.
3a die auf der Grundlage eines Vorauszahlungsbescheides ermittelten Beiträge abweichend von Abs. 7 Satz 2 einstweilig festzusetzen
seien. Die einstweilige Beitragsfestsetzung sollte mit Beginn des auf die Antragstellung und Vorlage des Vorauszahlungsbescheides
folgenden Monats erfolgen, frühestens vom 1. Mai 2009 an. Die einstweilige Beitragsfestsetzung endete mit Ablauf des Monats
der Ausfertigung des aktuellen Einkommensteuerbescheides, es sei denn, die Voraussetzungen der unverhältnismäßigen Belastung
auf der Grundlage der aktuellen Einkommensteuernachweise waren erneut erfüllt. Die für die Zeit der einstweiligen Beitragsfestsetzung
zu zahlenden Beträge waren endgültig auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das maßgebliche Kalenderjahr festzusetzen.
Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass die einstweilige Beitragsfestsetzung, bei der es sich um einen Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung handelt, nur dann mit Ablauf des Monats der Ausfertigung des aktuellen Einkommensteuerbescheides endete, wenn
die Voraussetzungen der unverhältnismäßigen Belastung auf der Grundlage der aktuellen Einkommensnachweise nicht erneut erfüllt
waren. Eine automatische Beendigung nur aufgrund der Erteilung eines neuen Einkommensteuerbescheides ist dort nicht geregelt.
Insbesondere kann dieser Vorschrift nicht entnommen werden, dass es selbst für die Fallgestaltung, dass der aktuelle Einkommensteuerbescheid
weiterhin belegt, dass die Voraussetzungen für die einstweilige Beitragsfestsetzung gegeben sind, die Beklagte erneut durch
Verwaltungsakt die Beiträge einstweilig festsetzen muss.
Unabhängig davon, was unter "aktuellem" Einkommensteuerbescheid in den BVSzGs zu verstehen ist, das kann entweder der nächste
Einkommensteuerbescheid sein oder der Einkommensteuerbescheid, der mit dem Zeitraum identisch ist, der auch die einstweilige
Beitragsfestsetzung betrifft, konnte hier der Einkommensteuerbescheid für 2010 allenfalls dann der Beitragsbemessung zugrunde
gelegt werden, wenn er gegenüber dem Einkommensteuerbescheid 2009 deutlich geringere Einkünfte auswies und deshalb nicht mehr
den für eine Beitragsreduzierung erforderlichen Gewinneinbruch von mehr als einem Viertel des im Einkommensteuerbescheid für
2009 auswies. Zwar kann nach Auffassung des Senats in der Situation einer unverhältnismäßigen Belastung wegen aktuell deutlich
geminderter Einkünfte grundsätzlich nur ein Einkommensteuerbescheid gemeint sein, der für die tatsächliche Einkommenssituation
im einstweilig geregelten Zeitraum relevant ist, selbst wenn aber unter "aktuell" auch der nächste nachfolgende Einkommensteuerbescheid
subsumiert würde, wären die Voraussetzungen für eine Beendigung der einstweiligen Beitragsfestsetzung im vorliegenden Fall
nicht erfüllt gewesen. Der nächste Einkommensteuerbescheid war der Bescheid vom 30. März 2012 für das Jahr 2010. Dieser wies
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von einer 31.581,00 EUR (monatlich 2.632,58 EUR) aus. D.h. er belegte weiterhin
den Gewinneinbruch, der Grundlage für die einstweilige Beitragsfestsetzung war. Deshalb konnte er sich auch nicht als Beendigungstatbestand
im Sinne der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler auswirken. Das Erfordernis einer erneuten Entscheidung durch Verwaltungsakt
sahen die BVSzGs in Fallkonstellation der vorliegenden Art entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vor.
Auch war der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2012 weder befristet noch unter einer auflösenden Bedingung erteilt worden.
Hierin führte die Beklagte zwar aus, dass die vorläufige Beitragsfestsetzung aus dem Arbeitseinkommen grundsätzlich mit der
Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides ende. Diese Ausführungen sind jedoch im Sinne einer allgemeinen Information
über die Regelungen in den BVSzGs und nicht als eigenständige Regelung der Beklagten durch Verwaltungsakt zu verstehen. Hinsichtlich
einer Befristung würde es bereits an der Bestimmtheit des Endzeitpunkts fehlen. So ließ sich den Ausführungen der Beklagten
nicht entnehmen, welcher Einkommensteuerbescheid für welches Jahr gemeint war oder wann der Einkommensteuerbescheid erteilt
ist. Dies ist in dem hier zu beurteilenden rechtlichen Kontext insbesondere deshalb von Bedeutung, weil es nicht allein auf
die Ausfertigung ankommen kann, sondern auch auf den Zugang bei der Klägerin, der allerdings unter Umständen nicht zweifelsfrei
ermittelbar ist. Zudem suggeriert die Verwendung des Wortes "grundsätzlich", dass es Ausnahmen gibt. Dies ist mit einer definitiven
Befristung nicht in Einklang zu bringen. Eine entsprechende Regelung der Beklagten stünde auch nicht in Einklang mit den BVSzGs,
die zwar einerseits vorsahen, dass die aktuelle Beitragsfestsetzung mit Ablauf des Monats der Ausfertigung des aktuellen Einkommensteuerbescheides
endet, andererseits aber diese Rechtsfolge nur regelten, wenn die Voraussetzungen der unverhältnismäßigen Belastung auf der
Grundlage der aktuellen Einkommensnachweise nicht erneut erfüllt waren. Letzteres war hier nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund
hatte die Regelung, dass die Beiträge ab 20. Februar 2012 auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrenze erhoben werden, trotz
Erlass des Einkommensteuerbescheides für 2010 zunächst weiterhin Bestand. Dies änderte sich auch nicht infolge des Einkommensteuerbescheides
für 2011 vom 24. Oktober 2012. Auch dieser wies Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von 26.57,00 EUR (monatlich 2.214,75
EUR) aus und damit eine finanzielle Situation, die weiterhin einen Gewinneinbruch von mehr als ein Viertel entsprechend der
BVSzGs belegte.
Auch wenn die Klägerin die Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 nicht zeitnah vorgelegt hat, hat sie doch auf die Einkommensanfragen
der Beklagten Anfang 2013 ausgeführt, dass der massive Gewinneinbruch im Dezember 2011 weiterhin Gültigkeit habe und Gewinne
aus den Jahren 2010 und 2011 nicht mehr den Tatsachen entsprächen. Einkommensteuerbescheide aus den Jahren 2010 und 2011 seien
daher nicht aussagekräftig. Das entsprach der Wahrheit. Dennoch wäre es ihre Pflicht gewesen, die Einkommensteuerbescheide
für 2010 und 2011 sofort vorzulegen und auch die Einkommensanfragen der Beklagten auf den übersandten Formblättern zu beantworten.
Allerdings lässt sich aus der Verletzung dieser Pflicht nicht die Konsequenz ableiten, dass die Beklagte nunmehr befugt war,
wie mit Bescheid vom 17. April 2013 geschehen, rückwirkend ab Januar 2013 Höchstbeiträge aus der Beitragsbemessungsgrenze
in Höhe von 3.937,50 EUR festzusetzen. Dafür fehlt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Diese kann insbesondere nicht
den BVSzGs entnommen werden. § 6 Abs. 5 Satz 1 BVSzGs bestimmte, dass sofern und solange Nachweise auf Verlangen der Krankenkasse
nicht vorgelegt werden, für die weitere Beitragsbemessung für den Kalendertag beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 1/30
der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen seien. Die "weitere" Beitragsbemessung ist ein zukunftsbezogener
Ausdruck und kann als Ermächtigungsgrundlage für eine rückwirkende Beitragsfestsetzung nicht herangezogen werden. Diese Auslegung
steht auch in Einklang mit § 6 Abs. 5 Satz 2 BVSzGs, wonach Änderungen der Beitragsbemessung nach Satz 1 aufgrund eines später
vorgelegten Nachweises erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats zu berücksichtigen sind, wenn
der Nachweis nach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung nach Satz 1 der Krankenkasse vorgelegt
wird. In den späteren BVSzGs wird sogar geregelt, dass der Beitragsbescheid nach Satz 1 mit einer Bedingung versehen werden
soll, wonach die Beitragsfestsetzung aufgehoben wird, wenn die verlangten Nachweise innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntgabe
des Beitragsbescheides vorgelegt werden. Daraus folgt also, dass auch die Beitragsfestsetzung nach § 6 Abs. 5 BVSzGs zunächst
nur eine vorläufige ist, wenn die unterbliebene Mitwirkung innerhalb der Monatsfrist der Bekanntgabe nachgeholt wird.
Entgegen der Auffassung der Beklagten im Widerspruchsbescheid kommt hier auch § 48 Abs. 1 SGB X als Anspruchsgrundlage für eine rückwirkende endgültige Beitragsfestsetzung nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist
ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die
bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Satz 2 des § 48 Abs. 1 bestimmt, dass der Verwaltungsakt
mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden soll, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift
vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob
fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2). Diese Voraussetzungen waren bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Einkommensteuerbescheide
für 2010 und 2011, wie oben ausgeführt, keine wesentliche Änderung zum Nachteil der Klägerin belegten, insbesondere noch keine
endgültige Beitragsfestsetzung für das Jahr 2012 rechtfertigten.
Auch hinsichtlich der Beitragshöhe ist der Bescheid vom 27. April 2013 in der Fassung des Bescheides vom 7. Juni 2013 zu beanstanden.
Er bemisst die Beiträge für 2012 bis einschließlich April 2013, also den Zeitraum, für den die Beiträge zu Recht erst vorläufig
festgesetzt waren, nach dem Arbeitseinkommen aus dem Einkommensteuerbescheid für 2010. Das ist rechtswidrig, denn die Beiträge
für 2012 sind aus dem Einkommensteuerbescheid für 2012 und die Beiträge für die Zeit von Januar bis einschließlich April 2013
auf der Grundlage des Arbeitseinkommens im Einkommensteuerbescheid für 2013 festzusetzen. Das ergibt sich aus der Vorschrift
des § 7 Abs. 7a BVSzGs, wonach die für die Zeit der einstweiligen Beitragsfestsetzung zu zahlenden Beträge endgültig auf der
Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das maßgebliche Kalenderjahr festgesetzt werden. Der Einkommensteuerbescheid für
2012 weist Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 7.293,00 EUR aus und belegt, dass die endgültige Beitragsfestsetzung
ebenfalls auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrenze zu erfolgen hat.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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