Zulässigkeit einer Anhörungsrüge
Verletzung der richterlichen Hinweispflichten
Verletzung rechtlichen Gehörs
Gründe:
I
Der Senat hat mit Beschluss vom 18.1.2017 den Antrag des Klägers, die Revision gegen das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg
vom 7.4.2016 zuzulassen, als unzulässig verworfen: Der Kläger habe entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen der Revisionszulassungsgründe des §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG hinreichend dargelegt oder bezeichnet. Insbesondere habe er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund
nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht entsprechend den diesbezüglich geltenden Anforderungen dargelegt. So habe er schon keine Rechtsfrage formuliert, da
nicht angegeben sei, aus welcher Norm des Bundesrechts, die allein Gegenstand der angestrebten Revision sein könne, er die
von ihm formulierte Frage herleiten wolle. Zudem habe er es versäumt, die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der
aufgeworfenen Frage aufzuzeigen und deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht dargelegt. Ebenso sei der Zulassungsgrund
der Divergenz (Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht in die Zulässigkeit der Beschwerde begründender Weise dargelegt, weil der Kläger insoweit lediglich die inhaltliche
Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung rüge. Auf diese könne die Beschwerde aber ebenso wenig gestützt werden, wie auf
eine ebenfalls gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des BAG. Auch Verfahrensmängel des LSG (Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG) seien nicht ausreichend dargetan worden: Weder habe der Kläger dargelegt, dass das angegriffene Urteil überhaupt keine Begründung
enthalte oder aus den Entscheidungsgründen die maßgeblichen Gesichtspunkte nicht hervorgingen, noch seien der Beschwerdebegründung
Umstände zu entnehmen, wonach das LSG seine Pflicht verletzt habe, die Darlegungen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und
in Erwägung zu ziehen. Schließlich erfülle die Beschwerdebegründung auch nicht die Anforderungen an die Zulässigkeit der Rüge
einer Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen), da nicht dargelegt sei, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln
Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind, dass damit zu einer
weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und dass die so zu ermittelnden Tatsachen nach der
Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich waren. Vielmehr habe der Kläger lediglich behauptet, aber nicht dargelegt,
weshalb sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus konkret hätte gedrängt fühlen müssen, weiteren Beweis
zu erheben.
Mit einem am 27.2.2017 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 18.1.2017 eingelegt: Der angegriffene
Beschluss verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Er habe ausreichend vorgetragen, dass das LSG seine Urteilsgründe
nicht so sorgfältig und strukturiert abgefasst habe, dass die gerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen
Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich sei. Zudem habe er vorgetragen, dass das LSG die wesentlichen Beweismittel
(Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie Anerkenntnis des Arbeitnehmers) im Rahmen seiner Beweiswürdigung
weder herangezogen noch einer erschöpfenden Würdigung unterzogen habe, und damit die Gehörsrüge ausreichend begründet. Die
Etikettierung dieser Urkunden als "versuchte rückwirkende Manipulation" durch das LSG sei eine rein willkürliche Wertung und
verstoße gegen das "Willkürverbot des Art.
3 Abs.
1 GG". Damit habe das LSG Tatsachenvortrag, der für das Verfahren von zentraler Bedeutung sei, aus Gründen, die außerhalb des
Prozessrechts lägen, unberücksichtigt gelassen. Zudem sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör auch dadurch verletzt worden,
dass der Senat ihn (den Kläger) nicht auf die Defizite seines Sachvortrags hingewiesen habe, obwohl er einen solchen Hinweis
ausdrücklich erbeten habe. Dies verletze auch sein Recht auf ein faires Verfahren.
II
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 18.1.2017 ist unzulässig und daher nach §
178a Abs
4 S 1
SGG zu verwerfen. Hierüber entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung und daher ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter
(§
12 Abs
1 S 2 iVm §
124 Abs
3 SGG; s dazu BSG Beschluss vom 28.9.2006 - B 3 P 1/06 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 5 RdNr 16 f; BSG Beschluss vom 8.11.2006 - B 2 U 5/06 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 7 f).
1. Nach §
178a Abs
1 S 1
SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein
Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr 1) und das Gericht den Anspruch dieses
Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr
2). Die Rüge muss nach §
178a Abs
2 S 5
SGG ua das Vorliegen der in Abs
1 S 1 Nr 2 genannten Voraussetzungen darlegen. Dem Vorbringen müssen daher zumindest konkrete Umstände zu entnehmen sein, die
im Falle ihres Vorliegens tatsächlich eine Verletzung des Anspruchs des Rügeführers auf rechtliches Gehör ergeben. Zugleich
ist darzulegen, weshalb ohne die vermeintliche Gehörsverletzung eine für den Rügeführer günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen
werden kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
178a RdNr 6a f mwN). Diesen Darlegungserfordernissen genügt die Rügebegründung des Klägers nicht.
2. Die Anhörungsrüge verfehlt die Zulässigkeitsanforderungen zunächst, soweit sich der Kläger gegen die Verwerfung seiner
Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf den damit geltend gemachten Verfahrensmangel in Form einer Gehörsverletzung durch
das LSG wendet. Hierzu greift der Kläger den Beschluss des Senats vom 18.1.2017 mit der Formulierung an, er habe "ausreichend
die Gehörsrüge begründet" und legt insbesondere im Folgenden dar, weshalb die Begründung des LSG für die Nichtberücksichtigung
der Vereinbarung zwischen ihm (dem Kläger) und Herrn Schulz vermeintlich ungenügend und willkürlich sei. Damit rügt er aber
nicht - wie im Verfahren nach §
178a SGG ausschließlich zulässig - eine Gehörsverletzung durch den Beschluss vom 18.1.2017, sondern allein ein vermeintlich falsches
Verständnis des BSG-Senats von der Reichweite der Begründungspflicht des LSG bei der Abfassung des Urteils und seiner Rechte aus Art
103 Abs
1 GG während des Berufungsverfahrens. Ein solcher vermeintlicher Rechtsanwendungsfehler kann aber im Anhörungsrügeverfahren nicht
zulässig geltend gemacht werden.
3. Die Rüge einer Verletzung der Hinweispflichten des Senats im Vorfeld des Beschlusses vom 18.1.2017 ist ebenfalls unzulässig.
Zwar kann eine solche Verletzung der richterlichen Hinweispflichten (§
106 Abs
1 SGG), die eine spezielle Ausprägung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen, grundsätzlich Gegenstand der Anhörungsrüge
nach §
178a SGG sein. Jedoch versäumt es der Kläger - anders als für die Zulässigkeit seiner Rüge erforderlich - darzulegen, dass das Unterbleiben
eines Hinweises, dass die Beschwerdebegründungen vom 20.6.2016, 19.7.2016 und 19.8.2016 nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen
nach §
160a Abs
2 S 3
SGG genügten, für die Verwerfung der Beschwerde im angefochtenen Beschluss entscheidungserheblich gewesen sein könnte. Dabei
kommt es vorliegend nicht darauf an, dass es der Kläger nicht darlegt, was er bei einem entsprechenden Hinweis ergänzend vorgetragen
hätte. Auf die Frage der Entscheidungserheblichkeit eines solchen Hinweises hätte der Kläger nämlich schon deshalb vertieft
eingehen müssen, weil seine in den vorangegangenen Schriftsätzen angekündigte abschließende Beschwerdebegründung erst am letzten
Tag der bereits einmal verlängerten und somit nicht weiter verlängerbaren Beschwerdebegründungsfrist beim BSG eingegangen ist. Er hätte daher darlegen müssen, wieso der Senat entgegen der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Beschluss vom 28.7.2005 - B 13 RJ 178/05 B - SozR 4-1500 § 178a Nr 3; BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 1 KR 19/06 B - SozR 4-1500 §
160 Nr 10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160a RdNr 13b; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 227 f, jeweils mwN) bei seiner Entscheidung über die
Nichtzulassungsbeschwerde eine, im Anschluss an den angemahnten Hinweis ggf erfolgte, ergänzende Begründung ausnahmsweise
hätte berücksichtigen müssen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.