Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Ruhen von Pflegesachleistungsansprüchen bei einem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union
Erlöschen von Sachleistungsansprüchen mit dem Tod des Versicherten
Keine Rechtsnachfolge
Gründe:
I
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin des während des Berufungsverfahrens am 20.10.2018 verstorbenen Versicherten, der bis dahin
in Spanien lebte und von der Beklagten Pflegegeld nach der Pflegestufe I bezog. Sein Begehren, ihm ab 17.10.2014 anstelle
des Pflegegeldes Sachleistungen zu gewähren, da die Klägerin - seine ihn pflegende Ehefrau - sich nach Deutschland begeben
müsse, ist bei der Beklagten und vor dem SG erfolglos geblieben, weil ein Anspruch auf Sachleistungen im Ausland bei mehr als sechswöchigem Auslandsaufenthalt nicht
bestehe (Bescheid vom 3.11.2014, Widerspruchsbescheid vom 22.1.2015, Gerichtsbescheid des SG vom 27.11.2017). Die Klägerin hat das vom Versicherten dagegen gerichtete Berufungsverfahren nach seinem Tod als seine Rechtsnachfolgerin
fortgesetzt und nach ihrem schriftlichen Vorbringen beantragt,
"1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27.11.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 3.11.2014 und den Widerspruchsbescheid
vom 22.1.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten S. antragsgemäß
Pflegeleistungen als Sachleistung an seinem Wohnort in ./Spanien zu gewähren und
2. das Verfahren nach Art.
100 Abs.
1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit von §§
34 Abs.
1 Nr.
1,
36 SGB XI mit Art.
2,
3 und weiteren Grundrechten des
Grundgesetzes vorzulegen."
Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, weil aus den vom SG bereits zutreffend dargelegten Gründen kein Anspruch auf die Gewährung von Pflegesachleistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung
bestanden habe und somit nach dem Tod des Versicherten auch kein Erstattungsanspruch.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus -
aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung
erwarten lässt (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn es geht in dem Beschwerdeverfahren gegen
die Nichtzulassung der Revision nicht darum, ob die Entscheidung des LSG richtig oder falsch ist. Eine mögliche Unrichtigkeit
der Berufungsentscheidung kann die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung allein noch nicht begründen. Es
fehlt an Darlegungen zur konkreten Klärungsfähigkeit des aufgeworfenen Rechtsproblems. Aus den Ausführungen in der Beschwerdebegründung
ergibt sich nicht, dass das angestrebte Revisionsverfahren zur Klärung möglicher Rechtsfragen beitragen könnte, die im Zusammenhang
mit dem Ruhen von Pflegesachleistungsansprüchen bei einem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den
Regelungen des §
34 SGB XI stehen könnten. Denn mit dem Tod des Versicherten, waren die ausdrücklich als Sachleistung beantragten Ansprüche auf Pflege(sach)leistungen
nach §
59 S 1
SGB I unabhängig von dessen Aufenthaltsort erloschen und Kostenerstattungsansprüche sind weder dargelegt noch geltend gemacht.
Im Gegensatz zu Ansprüchen auf Geldleistungen, die mit dem Tod des Berechtigten nicht zwingend erlöschen (§
59 S 2
SGB I), sondern nach den §§
56,
57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen oder gemäß §
58 SGB I nach den Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt werden können, ist für Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten jegliche Rechtsnachfolge
ausgeschlossen. Diese Ansprüche erlöschen nach §
59 S 1
SGB I ausnahmslos. Das ist ihrem höchstpersönlichen Charakter geschuldet, weil die Gewährung von Dienst- und Sachleistungen nach
dem Tod des Berechtigten in der Regel keinen Sinn mehr macht (vgl hierzu Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB I, 3. Aufl 2018, §
59 SGB I RdNr 11, 13). Auch vorliegend ist es nicht nachvollziehbar, der Klägerin persönlich Pflegesachleistungen zu gewähren. Denn
es handelt sich bei der Pflegesachleistung nicht um eine Geldleistung, sondern um die Erbringung pflegerischer Hilfen durch
geeignete Pflegkräfte (vgl §
36 Abs
1, Abs
4 SGB XI). Eine antragsgemäße Verurteilung der Beklagten, "der Klägerin (...) antragsgemäß Pflegeleistungen als Sachleistung an seinem
Wohnort in ./Spanien zu gewähren" kommt daher von vorne herein nicht in Betracht.
Zwar können sich Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen im Falle einer Vorfinanzierung durch den Berechtigten oder Dritte
in Kostenerstattungsansprüche umwandeln (vgl dazu Lebich in: Hauck/Noftz,
SGB I, K §
59 RdNr 4, Stand Dezember 2005); zu einer entsprechenden Vorfinanzierung enthält aber die Beschwerdebegründung keine Darlegungen,
der Sachverhalt des Berufungsurteils keine Feststellungen und ein auf Kostenerstattung gerichteter Antrag wurde im Berufungsverfahren
nicht gestellt. Die Beschwerdebegründung enthält auch keine darauf gerichtete Rüge.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160 Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Kostenprivilegierung nach §
183 S 1
SGG greift vorliegend nicht, da sich die Sonderrechtsnachfolge nach §
56 SGB I nur auf Ansprüche auf laufende Geldleistungen bezieht, im Verfahren der Klägerin aber ausdrücklich lediglich Sachleistungsansprüche
geltend gemacht werden (vgl auch BSG Beschluss vom 27.10.2016 - B 2 U 45/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 13).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG.