Auferlegung von Verschuldenskosten im sozialgerichtlichen Verfahren; Notwendigkeit der Anwesenheit des Beteiligten in der
mündlichen Verhandlung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Beihilfe für Heizmaterial (Heizöl) für die Heizperiode 2005/2006 streitig.
Am 30. August 2005 beantragten die Kläger eine "Brennstoffbeihilfe" mit der Begründung, ihre 3000 l große Tankanlage für Heizöl
sei leer.
Der Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 16. September 2005 eine einmalige Beihilfe für Brennstoff in Höhe von 273,33
EUR. Der monatliche Bedarf der Kläger für den laufenden Lebensunterhalt betrage zusammen 891,95 EUR. Dem stehe monatliches
Einkommen in Höhe von 1.156,62 EUR gegenüber. Damit überschreite das Einkommen den Bedarf um 264,67 EUR. Als Bedarf an Brennstoff
sei ein Betrag von 538,00 EUR anerkennungsfähig. Somit ergebe sich ein Beihilfebetrag von 273,33 EUR. Den hiergegen erhobenen
Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2007 zurück. Hierzu führte er ergänzend aus, bezüglich
der Höhe der Heizungsbeihilfe orientiere sich der Beklagte an den vom Landkreistag Baden-Württemberg festgesetzten Pauschalen
für Leistungsempfänger nach dem SGB II und dem SGB XII. Für die Heizperiode 2005/2006 habe der Landkreistag einen Beihilfesatz
in Höhe von 538,00 EUR für einen Haushalt mit drei und vier Personen empfohlen. Dieser Betrag sei seiner Bewilligung im Bescheid
vom 16. September 2005 zugrunde gelegt worden. Zwar habe der Landkreistag später mit Rundschreiben vom 21. November 2005 den
Beihilfesatz auf 692,00 EUR angehoben, dies führe aber nicht zu einem weitergehenden Anspruch, weil neben den Klägern auch
der Volljährige Sohn C. im Haushalt wohne, der über eigenes Einkommen verfüge. Angesichts dessen sei lediglich ein Anteil
von zwei Dritteln zu berücksichtigen gewesen, also ein Betrag in Höhe von 461,00 EUR.
Hiergegen haben die Kläger am 26. Februar 2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Mit Schreiben vom 26. April 2007 hat das SG angefragt, ob im Sommer 2005 Heizöl gekauft worden sei, falls ja werde um Übersendung der entsprechenden Rechnung gebeten.
Dieses Schreiben haben die Kläger nicht beantwortet. Mit Gerichtsbescheid vom 1. Oktober 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es unter anderem ausgeführt,
tatsächliche Aufwendungen für Heizmaterial im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II entstünden erst infolge einer Lieferung.
Der Grundsicherungsträger sei nicht verpflichtet, vor der Lieferung eine Kostenübernahmeregelung abzugeben. Die Kläger hätten,
trotz Nachfrage des Gerichts vom 26. April 2007, nicht dargelegt, ob und welche den bewilligten Leistungen hinausgehenden
Kosten für Heizmaterial entstanden seien.
Hiergegen richtet sich die am 4. November 2007 eingelegte Berufung der Kläger. Trotz entsprechender Aufforderung des Senats
haben die Kläger weder Prozessanträge gestellt, noch eine Begründung der Berufung vorgelegt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 1. Oktober 2007 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19. Januar 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen entsprechend ihres Antrags vom 30. August 2005 weitere
Beihilfe für die Beschaffung von Brennstoffen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet den Klägern über den geleisteten Betrag hinaus weitere Beihilfe zur Beschaffung von Heizmaterial
zu bewilligen. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der angefochtene Bescheid der Beklagten erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Kläger
nicht in ihren Rechten.
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen er bracht, soweit diese angemessen sind
(§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Die Kläger haben zu keinem Zeitpunkt ihre tatsächlichen Aufwendungen beziffert, noch belegt.
Der bloße Hinweis bei Antragstellung, ihr Heizöltank, der 3000 l umfasse, sei leer, genügt diesen Anforderungen nicht. Auch
das Schreiben des SG vom 26. April 2007, mit dem sie aufgefordert worden waren, Rechnungen über die Heizöllieferung vorzulegen, blieb unbeantwortet.
Die Kläger haben ihre tatsächlichen Aufwendungen nicht belegt, so dass ein weitergehender Anspruch, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ausscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
192,
193 SGG. Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten
auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit
der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites
hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist durch den Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai
2010 erfolgt. Die Anwesenheit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ist hierfür nach Auffassung des Senats nicht erforderlich
(vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 21. Februar 2006 - L 6 (3) P 4/04; SG Leipzig, Urteil v. 18. Februar 2009 - S 1 KR 100/07 - veröffentlicht in Juris). Denn die Hinweispflicht - hier insofern speziell geregelt, als sie durch den Vorsitzenden zu
erfüllen ist - basiert auf dem Verfassungsgrundsatz des rechtlichen Gehörs (Art.
103 Grundgesetz, siehe auch §
62 SGG; siehe nur Hennig, Kommentar zum
SGG, §
192 SGG Rdnr. 17), der aber lediglich besagt, dass der Beteiligte Gelegenheit haben muss, sich vor der Entscheidung hierzu zu äußern
(vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, §
62 SGG Rdnr. 2 m.w.N.). Diese Gelegenheit wird geradezu idealerweise in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Zwar ist seit 1.
April 2008 auch ein - hier nicht erteilter - schriftlicher Hinweis möglich (Gesetz vom 26. März 2008, BGBl I S. 444), aber nicht zwingend, zumal gerade in einer mündlichen Verhandlung die Missbräuchlichkeit noch ausgeräumt werden kann. Im
Übrigen belegt auch die neu eingeführte Möglichkeit der schriftlichen Belehrung die Rechtsauffassung des Senats. Denn auch
bei einem schriftlichen Hinweis kann - auch bei seiner Zustellung - nicht sichergestellt werden, dass der Empfänger das gerichtliche
Schreiben auch liest, sondern nur, dass er die Gelegenheit hat, es zu lesen, womit das rechtliche Gehör ebenso gewahrt ist,
wie mit der zugestellten Ladung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Da lediglich die Gelegenheit eingeräumt werden
muss, die Belehrung nach §
192 SGG in der Verhandlung durch den Vorsitzenden zu erhalten, ist auch - sofern überhaupt eine Anordnung des persönlichen Erscheinen
des Beteiligten für diesen Fall für zulässig zu erachten wäre (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., §
111 SGG Rdnr. 2 ff.) - eine solche Anordnung nicht erforderlich, zumal dies eine unangemessene Begünstigung dieses Personenkreises
darstellen würde, da diese Kosten mangels Kausalität (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO., §
192 SGG Rdnr. 12 ff.) nicht gemäß §
192 SGG auferlegt werden können, sodass gerade diesem Personenkreis eine kostenfreie Wahrnehmung der Verhandlung zugebilligt würde.
Hätte der Gesetzgeber die Anwesenheit voraussetzen wollen, hätte er dies mit einer entsprechend klaren Formulierung zum Ausdruck
bringen können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, aaO.). Da der Gesetzgeber aber den Gerichten keine Möglichkeit einräumt, die
Anwesenheit des Beteiligten (z.B. durch Vorführung, vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 111 Rdnr. 6 b) sicherzustellen,
ist eine Absicht des Gesetzgebers, nur diejenigen zu einem Schadensersatz zu verpflichten, die an ihrem Prozess durch Anwesenheit
in der Verhandlung mitwirken, unwahrscheinlich und würde auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Die
Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung
offensichtlich unzulässig oder (wie hier) unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen
werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr
in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des §
192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juni
2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18. September 2003 - L 2 RA 379/03 - beide veröffentlicht in Juris). Für jeden verständigen Beteiligten ist offensichtlich, dass nur dann weitere Kosten für
die Beschaffung von Heizmaterial übernommen werden können, wenn dargelegt wird, ob und in welcher Höhe tatsächliche Kosten
angefallen sind. Nachdem das SG die Kläger danach gefragt hatte, die Kläger diese Anfrage nicht beantwortet haben und das SG in dem Gerichtsbescheid ausdrücklich dargelegt hat, dass dann der tatsächliche Verbrauch bzw. der Aufwand nicht ermittelt
werden kann, haben die Kläger im Berufungsverfahren hierzu nichts vorgetragen. Das Aufrechterhalten der Berufung in Kenntnis
dieser Umstände stellt nach Auffassung des Senats einen gravierenden Fall des Missbrauchs verfahrensrechtlicher und prozessualer
Rechte dar. Der Senat hält im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens deshalb die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten.
Die Höhe der auferlegten Kosten entspricht der gesetzlichen Mindestgebühr (§
192 Abs.
1 Satz 3
SGG in Verbindung mit §
184 Abs.
2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.