Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der zuständige Versicherungsträger des Klägers ist.
Der 1951 im Kosovo geborene Kläger lebt seit 1992 in Deutschland und hat die deutsche Staatsangehörigkeit.
In der Zeit vom 28.05. bis 30.07.1996 war der Kläger bei der Deutschen Bahn S. GmbH (Betriebsnummer ...) versicherungspflichtig
beschäftigt. Die Zeit ist im Versicherungsverlauf als Pflichtbeitragszeit gespeichert.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrg) vom 09.12.2004 (BGBl.
I 2004, 3242) übernahm die Beklagte, die aus der Fusion von Bundesknappschaft, Bahnversicherungsanstalt und Seekasse zum 01.10.2005 entstanden
ist, die Kontoführung für den Kläger.
Der Kläger hat mehrfach telefonisch gegenüber der Beklagten und anderen Stellen geäußert, dass er nicht bei ihr, sondern der
Beigeladenen versichert sein möchte. Am 05.05.2009 beantragte er ausdrücklich den Wechsel der Kontoführung zur Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 15.05.2009 hat die Beklagte erklärt, dass sie aufgrund der Beitragszeit vom 28.05. bis 30.07.1996 bei der
Deutschen Bahn S. GmbH für die Rentenangelegenheiten des Klägers zuständig sei. Ein Abweichen von der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung
und ein Wechsel zur Beigeladenen seien nicht möglich. Es ergäben sich dadurch für den Kläger keine Nachteile. Entscheidungen
über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung würden unabhängig von der Zuständigkeit einheitlich auf der gesetzlichen
Grundlage des Sozialgesetzbuchs getroffen. Außerdem könne der Kläger neben den Auskunfts- und Beratungsstellen der Beklagten
auch die entsprechenden Stellen der Regionalträger (etwa in Aschaffenburg) aufsuchen.
Auf erneute Vorsprachen des Klägers vom 12.10.2009 und vom 27.10.2010 hat die Beklagte mit Schreiben vom 05.01.2011 zur Sach-
und Rechtslage auf das Schreiben vom 15.05.2009 verwiesen. Es ergäben sich keine neuen Erkenntnisse.
Am 18.01.2011 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Er könne es nicht nachvollziehen und auch nicht hinnehmen, dass seine Rentenversicherung zur Beklagten nach Bochum
verschoben worden sei. Die Entscheidung der Beklagten sei zu überprüfen. Im Übrigen hat er auf seinen schlechten Gesundheitszustand
hingewiesen (Herzinfarkt 1999).
Die Klage ist mit Gerichtsbescheid vom 09.08.2011 als unzulässig abgewiesen worden. Es liege eine kombinierte Anfechtungs-
und Feststellungsklage vor. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 05.01.2011 handele es sich unzweifelhaft um einen Verwaltungsakt,
mit dem die Beklagte einen Zuständigkeitswechsel abgelehnt habe. Hierzu fehle ein Widerspruchsverfahren. Von einer Aussetzung
zur Nachholung habe das SG aber abgesehen, weil es an einem Feststellungsinteresse für das Begehren des Klägers fehle. Der Kläger habe kein berechtigtes
Interesse an der baldigen Feststellung. Jedenfalls solange der Kläger keine konkreten Leistungen vom Rentenversicherungsträger
begehre, sei ein weiteres Abwarten ohne weiteres zumutbar. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass die Klage auch unbegründet wäre. Die Beklagte sei für Leistungen in der allgemeinen Rentenversicherung
zuständig, wenn ein Beitrag aufgrund einer Beschäftigung bei der Deutschen Bahn AG, deren Tochterunternehmen oder Rechtsvorgängern
gezahlt worden sei (§§
129,
130 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI). Ein Abweichen von diesen Zuständigkeitsregelungen sei nicht möglich.
Gegen den am 12.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger sein Anliegen mit der am 22.08.2011 erhobenen Berufung
weiterverfolgt.
Im Erörterungstermin am 25.01.2012 hat der Kläger erklärt, dass er auf den Beitrag wegen seiner Beschäftigung bei der Bahn
(28.05.1996 - 30.07.1996) verzichten möchte, um die von ihm gewünschte Zuständigkeit herbeizuführen.
Es ist ein Beschluss zur Beiladung der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern ergangen. Außerdem ist der richterliche Hinweis
gegeben worden, dass es sich bei den Schreiben vom 15.05.2009 und vom 05.01.2011 um Verwaltungsakte handele. Das Verfahren
wurde bis zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2012 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 05.01.2011 zurückgewiesen.
Bereits ein geleisteter Beitrag führe zur Sonderzuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Insofern
bestehe kein Wahlrecht.
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass der Widerspruchsbescheid Gegenstand des laufenden Verfahrens werde.
Ein zwischenzeitlich vom Kläger eingeschaltete Rechtsanwalt hat sein Mandat nach Akteneinsicht wieder niedergelegt. Der Kläger
hat nach Ladung zur mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 11.05.2012 erklärt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht
teilnehmen werde. Er gehe davon aus, dass der Zuständigkeitswechsel unternommen worden sei, um ihm eine niedrigere Rente zu
zahlen, und bitte um erneute richterliche Prüfung.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 9. August 2011 sowie den Bescheid vom 5. Januar 2011 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 15. Mai 2009 aufzuheben,
sowie festzustellen, dass die Beigeladene der für den Kläger zuständige Rentenversicherungsträger ist.
Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Vertreterin der Beigeladenen hat den Antrag gestellt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Akten des gerichtlichen Verfahrens Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung konnte auf die mündliche Verhandlung vom 23.05.2012 auch in Abwesenheit des Klägers ergehen; darauf ist in
der Ladung hingewiesen worden (§
126 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 05.01.2011 zutreffend an ihrem bestandskräftigen Bescheid vom 15.05.2009 festgehalten.
Die Feststellung der Beklagten über ihre Zuständigkeit und die Ablehnung eines Zuständigkeitswechsels des Klägers zur Beigeladenen
sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den dagegen erhobenen Widerspruch, der
zugleich in der Erhebung der Klage vor Durchführung eines Widerspruchsverfahrens liegt (vgl. Leitherer in MeyerLadewig/Keller/
Leitherer,
SGG, 10. Aufl., §
78 Rn. 3b), zu Recht zurückgewiesen.
Durch den erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens ergangenen Widerspruchsbescheid vom 14.03.2012 ist die Anfechtungsklage
nunmehr zulässig. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach §§
153 Abs.
1,
95 SGG der Bescheid vom 05.01.2011 in der Gestalt geworden, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Die Berufung ist
daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage gegen den Bescheid vom 05.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 14.03.2012 abgewiesen wird.
Nach §
130 SGB VI ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See für Leistungen und für die Durchführung der Versicherung zuständig,
wenn ein Beitrag auf Grund einer Beschäftigung nach §
129 SGB VI gezahlt worden ist. Nach §
129 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI betrifft dies die Beschäftigung in Unternehmen, die aus der Deutschen Bahn AG ausgegliedert worden sind, von dieser beherrscht
werden und eine Eisenbahninfrastruktur betreiben. Die DB S. GmbH ist ein solches Tochterunternehmen.
Von diesem Arbeitgeber sind Beiträge für den Zeitraum 28.05. bis 30.07.1996 geleistet worden.
Die genannten Vorschriften wurden mit dem Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrg) vom
09.12.2004 (BGBl. I 2004, 3242) eingeführt. Mit dieser Reform wurden die Aufgaben der Deutschen Rentenversicherung Bund neu strukturiert und gebündelt.
Die bisherige Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten wurde abgeschafft; die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
(DRV KBS) wurde als zweiter Bundesträger gebildet. Sie erhielt (s. Gesetzesbegründung, BTDrucks 15/3654 S. 63) die bis dahin
nach Branchen zugeordneten Versicherten der Bundesknappschaft, der Bahnversicherungsanstalt und der Seekasse sowie ein bestimmtes
Kontingent aus der Quote der Bundesträger. Hierdurch sollte der Auszehrungsprozess bei den bisherigen drei kleinen Bundesträgern
gestoppt und für alle Rentenversicherungsträger stabile Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dabei wird in der Gesetzesbegründung
zu §
130 SGB VI sogar ausdrücklich vermerkt (BTDrucks 156/3653 S. 68), dass "bereits ein geleisteter Beitrag" die Zuständigkeit der DRV KBS
begründet.
Mit diesem gesetzgeberischen Anliegen bewegt sich der Gesetzgeber in dem ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraum.
Eine relevante Beeinträchtigung der Versicherten und speziell des Klägers durch die Regelung ist nicht ersichtlich. Wie die
Beklagte ausgeführt hat, kann sich der Kläger weiterhin an die regionalen Auskunftsstellen wenden. Alle Rentenversicherungsträger
sind gleichermaßen an die Gesetze gebunden. Es besteht daher für den Kläger kein Grund, eine irgendwie geartete Schlechterstellung
durch den Zuständigkeitswechsel zu befürchten.
Die Übergangsregelung des §
273 Abs.
3 SGB VI, wonach die bis 31.12.2004 geltende Zuständigkeitsregelung weiter gilt, ist nicht einschlägig. Sie setzt voraus, dass zum
Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels bereits eine Rente bezogen wird (Beginn vor dem 01.01.2005) oder ein laufender Geschäftsvorfall
bestand. Dies ist nicht der Fall. Die Zuständigkeit gilt im Übrigen auch nach dieser Vorschrift nur solange die Rente bezogen
wird bzw. bis der Geschäftsvorfall abgeschlossen ist.
Soweit der Kläger durch einen Verzicht auf die fragliche Beitragszeit die Zuständigkeitsänderung herbeiführen möchte, ist
dies nicht möglich. Die Versicherungspflicht unterliegt nicht der Disposition des Klägers.
Im Übrigen ist der Tatbestand des §
130 SGB VI bereits dadurch verwirklich worden, dass ein Beitrag "gezahlt worden" ist. Auch ein Verzicht auf Leistungen aus den genannten
Beitragszeiten würde daher nicht weiterführen; im Übrigen ist ein Verzicht auf Sozialleistungen unwirksam, soweit durch ihn
Rechtsvorschriften umgangen werden sollen (§
46 Abs.
2 SGB I).
Da bereits im Rahmen der Anfechtungsklage über die vom Kläger aufgeworfene Sachfrage negativ zu entscheiden ist und jedenfalls
kein darüber hinausgehendes Feststellungsinteresse erkennbar ist, ist das Feststellungsbegehren des Klägers unzulässig (vgl.
Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
55 Rn. 19a).
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht ersichtlich.