Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung.
Der 1957 geborene Kläger war bis Juni 1997 als Chemiemeister in der chemischen Fertigung tätig. Anschließend bestand Arbeitsunfähigkeit,
danach war der Kläger arbeitslos gemeldet.
Seinen am 20.04.1998 gestellten Rentenantrag begründete der Kläger mit einem toxischen Leberschaden. In einem zuvor gestellten
Antrag auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation hatte er angegeben, durch den Umgang mit Chemikalien an Schmerzen
im unteren Rippenbogen/Leber, an Hautproblemen und Schuppenbildung am Kopf sowie rascher Ermüdbarkeit zu leiden. In einer
für seine private Krankenkasse im November 1997 erstellten gutachtlichen Stellungnahme des Internisten Dr. W. war der Kläger
wegen eines entzündlichen Leberprozesses als weiterhin arbeitsunfähig beurteilt worden. Ein arbeitsamtsärztliches Gutachten
von Januar 1998 stellte ein vorläufiges tägliches Leistungsvermögen von unter drei Stunden fest.
Die Beklagte ließ den Kläger durch den Internisten Dr. H. untersuchen, der auf Grund seiner Untersuchung eine mäßiggradige
Erhöhung der Leberwerte und Hinweise auf eine früher abgelaufene Hepatitis A und B fand und auf Grund der Diagnosen "V.a.
Leberschädigung, Zustand nach Hepatitis A und B" ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit, allerdings
ohne Belastung mit potentiell toxischen Stoffen annahm (Gutachten vom 19.03.1998).
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.07.1998 ab. Der Kläger könne trotz "V. a. toxische Leberschädigung,
Zustand nach Hepatitis A und B" in seinem Berufsbereich weiter tätig sein.
Das anschließende Widerspruchsverfahren ruhte bis Juli 2002 und wurde dann vom Kläger wieder aufgenommen. Es war in dieser
Zeit zu einer erfolgreichen Umschulung des Klägers zum Mediengestalter gekommen; der Kläger übte diesen Beruf ab April 2001
im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbständig aus, offensichtlich bis 01.07.2002, und meldete sich dann erneut
arbeitslos.
Die Wiederaufnahme des Widerspruchsverfahrens begründete der Kläger mit anhaltender Leistungsschwäche.
Zuvor hatte er in der Zeit vom 19.02. bis 12.03.2002 eine medizinische Reha-Maßnahme durchlaufen, aus der er arbeitsfähig
mit den Diagnosen "Polycythämia vera (nicht behandlungsbedürftig), Hepatopathie unklarer Genese, chronische Müdigkeit" und
der Beurteilung eines Leistungsvermögens von sechs Stunden und mehr ohne überdurchschnittlichen Stress, ohne Akkord und Nachtschicht
entlassen worden war.
Die Beklagte ließ den Kläger internistisch und nervenärztlich untersuchen und begutachten.
Der Nervenarzt J. S. diagnostizierte im Gutachten vom 14.10.2002 - ausgehend von einer schwerwiegenden internistischen Grunderkrankung
- u. a. Anpassungsstörungen mit depressiver Rückzugssymptomatik sowie eine organisch asthenisch emotional labile Störung mit
Antriebsminderung. Er führte dazu aus, im Beruf als Mediengestalter bestehe nurmehr ein Leistungsvermögen von drei bis unter
sechs Stunden. Das gleiche gelte auch für jeden anderen Beruf. Eine Besserung sei nicht zu erwarten. Regelmäßige Psychotherapie
wurde empfohlen.
Der Internist Dr. H. beschrieb einen Kläger mit neurasthenischer Persönlichkeit, der durch seine prognostisch unklare Erkrankung
verunsichert sei und zu ängstlicher Selbstbeobachtung neige. Auch bestehe eine Selbstunwertproblematik mit Depressionen.
Er diagnostizierte ein Polycythämie, daneben eine Hepatopathie unklarer Genese, chronische Müdigkeit sowie ein neurasthenisch-depressives
Erschöpfungssyndrom. Den im Belastungs-EKG mit 150 Watt belastbaren Kläger hielt er als Mediengestalter sowie in überwiegend
sitzenden Tätigkeiten für vollschichtig einsetzbar und erwähnte eine Diskrepanz zwischen subjektiven Beschwerden und objektivierbaren
Befunden sowie eine anzunehmende psychische Überlagerung (Gutachten vom 21.10.2002).
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2003 zurück. Der Kläger könne im bisherigen Berufsbereich
wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach altem Recht vollschichtig, nach neuem Recht sechs Stunden täglich und mehr tätig
sein.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) machte der Kläger geltend, auf Grund seiner Erkrankung und der damit einhergehenden chronischen Müdigkeit und eines neurasthenisch-depressiven
Erschöpfungssyndroms zu vollschichtiger Arbeit nicht mehr in der Lage zu sein. Auch im Rahmen der Umschulungsmaßnahme habe
vollschichtige Erwerbsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden können.
Nach Einholung von Befundberichten des behandelnden Internisten Dr. W. und der praktischen Ärztin F. kam es zu einer Begutachtung
des Klägers durch Prof. Dr. S. und Dr. K. vom Klinikum A-Stadt.
In ihrem Gutachten vom 30.08.2004 nahmen diese ausführlich zu der Frage der Hepatopathie beim Kläger Stellung und wiesen darauf
hin, dass diesbezüglich laborchemische Spezialuntersuchungen nie durchgeführt worden seien. Bezüglich des geklagten Müdigkeitssyndroms
sei ein Zusammenhang mit der Hepatopathie möglich, es handle sich jedoch um ein unspezifisches Symptom, das ebenso auch psychogene
Ursachen haben könne.
Die Arbeitsfähigkeit sei im Wesentlichen durch diese ursächlich nicht abschließend geklärte Fatigue-Problematik eingeschränkt.
Der Kläger, dessen Angaben glaubhaft seien, könne übliche Arbeitsabläufe nicht einhalten und sei nicht mehr als drei Stunden
täglich leistungsfähig.
Als Mediengestalter könne der Kläger "seit 1997" vier Stunden täglich arbeiten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwei bis
unter vier Stunden bzw. 3 bis 4 Stunden am Stück, dann bedürfe es wegen des Erschöpfungssyndroms einer mehrstündigen Pause.
Die Beklagte wandte durch ihren Ärztlichen Dienst gegen dieses Gutachten ein, es sei nicht nachvollziehbar; es beruhe ausschließlich
auf subjektiven Angaben des Klägers, es fehlten wesentliche Angaben z. B. zur Tagesgestaltung, dabei habe der Kläger, der
zahlreiche medizinische Termine und auch Fortbildungen am Computer wahrnehme, offensichtlich einen strukturierten Tagesverlauf.
Die Diagnose sei fachfremd gestellt, sie bedürfe einer Abklärung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Auch seien die Leberwerte
nicht aktuell abgeklärt worden; der Kläger sehe hier offenbar selbst keinen Handlungsbedarf, denn auch von Seiten der behandelnden
Ärzte sei dies nicht erfolgt. Die Blutbildveränderungen seien offensichtlich im Verlauf über Jahre stabil.
Die Nervenärztin Dr. F. erhob im Gutachten vom 22.12.2004 nach Untersuchung des Klägers und Erhebung technischer Untersuchungen
sowie testpsychologischer Zusatzuntersuchungen die Diagnosen: "Cephalgien gemischter Genese (mit Spannungskomponente und mit
migränoider Komponente), depressive Anpassungsstörung mit asthenischen Zügen - nur leichtgradiges depressives Syndrom".
Die Gutachterin führte aus, die Feststellung einer Lebererkrankung unklarer Genese und einer Polycythämie habe zu einer Exazerbation
einer depressiven Symptomatik mit der Angst, das gleiche Schicksal wie Mutter und Onkel (Tod durch Leberversagen) zu erleben,
geführt. Sie stellte fest, dass bisher keine neurologisch-psychiatrische Behandlung stattgefunden habe, allerdings im Jahre
2004 ein halbes Jahr lang eine ambulante Gesprächstherapie, die eine gewisse Besserung gebracht habe und dann abgebrochen
worden sei. Sie äußerte Zweifel an den Ausführungen des Nervenarztes S. im Rentenverfahren zum Vorliegen einer organisch-emotionalen
Störung. Eine schwere Hepatopathie, die allein ein hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne einer organischen Wesensänderung
erklären könne, liege bei nur gering erhöhten Leberwerten nach Aktenlage eher nicht vor.
Darüber hinaus wies Dr. F. darauf hin, dass "chronic Fatigue-Syndrom" keine anerkannte Diagnose sei, offenbar seien bisher
nur wegen der Annahme der internistischen Grunderkrankung Leistungseinschränkungen angenommen worden, denn die sonstigen Befunde
und die Testpsychologie seien unauffällig.
Dr. F. hielt bei nicht hinreichend objektivierbarer subjektiv geklagter verminderter Belastbarkeit Tätigkeiten im Umfang von
sechs Stunden als Mediengestalter wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für möglich und empfahl begleitende nervenärztliche
Behandlung und Psychopharmaka-Gaben.
Der Kläger widersprach dem Gutachten. Es gehe ihm relativ gut, da er keine körperliche Arbeit verrichte, er brauche aber viel
Schlaf. Er legte eine Blutbildkontrolluntersuchung aus April 2005 vor.
Nach erneuter Einholung eines Befundberichtes der Ärztin F. vom 03.08.2005 ("Gesundheitseinbruch 1997, schleichender Leistungsabfall
in den letzten Jahren, aktuell abzuklärende Milzvergrößerung") erstellte Dr. W. im Auftrag des SG das internistische Gutachten vom 25.11.2005.
Der Gutachter erhob beim Kläger nach umfangreichen technischen Untersuchungen eine Hepatopathie, eine Polycythämie (Knochenmarkserkrankung),
einen Belastungshochdruck und eine Stoffwechselstörung (Hyperlipoproteinämie und Hyperurikämie). Bezüglich der nervenärztlichen
Diagnosen verwies er auf das Gutachten von Dr. F ... Er hielt leichte körperliche Arbeiten, auch als Mediengestalter, ohne
häufiges Heben und Tragen von Lasten, ohne Kälte-, Nässe- und Zugluftexposition und Kontakt mit lebertoxischen Substanzen
sowie ohne besondere nervliche Belastungen vollschichtig (sechs Stunden und mehr, aber auch acht Stunden) für möglich.
Auf Antrag des Klägers erstellte die behandelnde Hausärztin F. ein sechsseitiges Gutachten nach Aktenlage vom 28.12.2006,
in welchem sie die Auffassung vertrat, beim Kläger bestehe seit 1996/97 ein Leberschaden unklarer Genese, der erst durch eine
Punktion verifizierbar sei. Der Kläger könne wegen anhaltender Müdigkeit seit 1997 nur mehr 3 bis 6 Stunden täglich bzw. weniger
als drei Stunden tätig sein, gegenwärtig wegen Verschlechterung der physischen wie der psychischen Situation überhaupt nicht.
Die Beklagte machte geltend, dass die Stellungnahme eine quantitative Leistungsminderung beim Kläger nicht begründen könne,
eine vitale Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gehe daraus nicht hervor. Die Stellungnahme entspreche zudem
nicht den Qualitätsstandards eines Gutachtens; auch fehle es an ausreichender inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Vorgutachten.
Der Kläger verwies auf eine Verschlechterung seiner psychischen Situation. Er legte ein Attest der Frau F. vom 02.08.2007
über eine derzeitige tiefenpsychologische Behandlung wegen mittelgradiger Episode einer neurotischen Depression vor.
Das SG beauftragte den Neurologen und Psychiater Dr. E. mit der Erstellung des nervenärztlichen Gutachtens vom 19.10.2007.
Der Kläger gab gegenüber dem Gutachter an, er habe nie länger als einen halben Tag arbeiten können. Zur Zeit trage er täglich
morgens etwa 1 3/4 Stunden Zeitungen aus, gebe 3 bis 4x wöchentlich 2 bis 3 Stunden Unterricht bei der D. als Dozent für Medientechnik
und übernehme kleinere Aufträge.
Der Gutachter wies zunächst auf die beim Kläger seit 1984 lediglich diskret erhöhten Leberwerte hin: eine monokausale Auslösung
der Leberfunktionsstörung durch den Umgang mit chlorierten Kohlenwasserstoffen im Berufsleben sei in fachinternistischen Befunden
und Gutachten nie mit Sicherheit festgestellt worden; auch die bestehende Polycythämie sei nach internistischer Aussage keine
Erklärung für die Müdigkeit. Es fehle daher an einer griffigen organmedizinischen Grundlage für das Beschwerdebild des Klägers.
Diagnostisch ging Dr. E. auf seinem Gebiet vom Vorliegen einer Anpassungsstörung aus; er verneinte hirnorganische Störungen,
wie vom Nervenarzt S. angenommen, und auch eine klinisch relevante Depression. Ein evidenter psychopathologischer Befund könne
nicht bestätigt werden, am ehesten liege eine Fehlverarbeitung der Befindlichkeitsstörung vor. Der Kläger könne seit Antragstellung
nur leichte körperliche Arbeiten ohne Kälte-, Nässe,- Zugluftexposition und ohne besondere nervliche Belastungen sechs Stunden
täglich und mehr, auch 8 Stunden, auch als Mediengestalter, verrichten. Seelische Hemmungen gegen die Arbeitsaufnahme seien
unter ärztlicher Mithilfe überwindbar.
Das SG wies die auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung gerichtete
Klage mit Urteil vom 18.03.2008 ab.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach §§
43 Abs.2, 44 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung und ebenso nicht auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung im
Sinne von §
43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Erwerbsfähigkeit werde
zwar durch Gesundheitsstörungen auf internistischem und nervenärztlichem Gebiet sowie durch eine chronische Erschöpfung eingeschränkt.
Das berufliche Leistungsvermögen sei dadurch jedoch nur qualitativ, nicht aber auch quantitativ, eingeschränkt, wie sich aus
den Gutachten von Dr. F., Dr. W., und Dr. E. ergebe. Diese Gutachter hätten sich intensiv mit den abweichenden Meinungen der
Gutachter Prof. Dr. S., des Nervenarztes S. im Rentenverfahren und der Hausärztin F. auseinandergesetzt und die eigenen Feststellungen
und Leistungseinschätzungen plausibel begründet. Für das Ergebnis sprächen auch die vom Kläger trotz des geklagten Müdigkeitssyndroms
noch verrichteten beruflichen Tätigkeiten als Zeitungsausträger (mit gestörter Nachtruhe ab 4 Uhr morgens) und als Dozent,
die zeigten, dass er grundsätzlich leistungsfähig sei.
Der abweichenden Leistungseinschätzung von Prof. Dr. S., dem Nervenarzt J. S. und der Hausärztin F. habe das Gericht nicht
folgen können. Letztere mache in ihrer entgegen dem auf Erstellung eines Gutachtens lautenden gerichtlichen Auftrag lediglich
verfassten ärztlichen Stellungnahme in sich widersprüchliche Angaben zum Leistungsvermögen des Klägers. Die Annahme einer
hirnorganischen Störung durch den Nervenarzt J. S. sei durch die Feststellungen von Dr. E. und Dr. F. widerlegt, es erscheine
auch nachvollziehbar, dass Hr. S. hauptsächlich wegen der Annahme einer schwerwiegenden internistischen Grunderkrankung und
der daraus angeblich resultierenden organisch-emotional labilen Störung auch eine quantitative Einschränkung der Erwerbsfähigkeit
angenommen habe. Von einer schwerwiegenden internistischen Erkrankung sei beim Kläger nach dem Ergebnis der medizinischen
Beweiserhebungen aber nicht auszugehen.
Auch der Einschätzung des Prof. S., der auf die Fatigue-Symptomatik als Ursache der Leistungseinschränkung abstelle, sei nicht
zu folgen; zum einen sei das Ausmaß der Beeinträchtigung durch eine chronische Müdigkeit kaum messbar bzw. objektivierbar,
erforderlich seien neuropsychologische Testverfahren, die nicht zum Bereich der inneren Medizin gehörten. Die Beurteilung
der Leistungsminderung durch ein solches Syndrom sei daher auf nervenärztlichem Gebiet vorzunehmen. Insoweit hätten Dr. F.
und Dr. E. jedoch keine rentenrechtlich relevanten Leistungseinschränkungen gesehen.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und beruft sich auf die seines Erachtens zutreffenden Beurteilungen
durch Prof. Dr. S. und die Ärzte S. und F ... Das SG habe sich zu Unrecht über deren Beurteilungen hinweggesetzt. Er sei nicht in der Lage, mehrere Tage am Stück oder mehrere
Stunden hintereinander zu arbeiten. Auch bei seiner Umschulung habe er häufig krankheitsbedingt gefehlt (insgesamt mindestens
43 Krankheitstage zwischen April 1999 und Januar 2001). Zuletzt sei er bis Juni 2006 Hartz IV-Empfänger gewesen und habe daneben
kleinere Aufträge als Mediengestalter erledigt. Ab 2006 sei er außerdem als Zeitungsausträger bei der A. Zeitung angestellt
und verdiene monatlich 470 Euro neben seiner Tätigkeit als EDV-Dozent beim BIB A-Stadt mit monatlich 15 Unterrichtseinheiten
à 45 Minuten (monatlich etwa 350,- Euro).
Zuletzt teilt der Kläger im September 2009 mit, dass er HIV-positiv getestet worden sei.
Der Senat hat aktuelle Befundberichte und ärztliche Unterlagen der behandelnden Ärzte F. und Dr. B. eingeholt. Die Hausärztin
F. (Bericht vom 25.02.2010) teilte die von ihr gestellten Diagnosen "Syphilitischer Primäraffekt, fieberhafte Virusgrippe,
Hypertonus, Polycythämia vera, Hepatosplenomegalie unklarer Genese, akute Belastungssituation" und als neu hinzugekommen "Z.n.
Lues, HIV-Infektion" mit.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. berichtet von "Konzentrations- und Hirnleistungsstörungen, DD hirnorganisch
bei HIV-Encephalopathie, DD reaktiv bei depressivem Syndrom" und einer veranlassten vertieften neuropsychologischen Diagnostik
in der Gedächtnisambulanz des BKH A-Stadt (Bericht vom 22.12.2009).
Laut Bericht über die neuropsychologische Diagnostik - Untersuchung am 18.12.2009 -lautet die Beurteilung: "Insgesamt leichte
Beeinträchtigung des verbalen Neugedächtnisses sowie leicht reduziertes Aktivierungsniveau. Die übrigen kognitiven Funktionen
sind normgerecht und altersentsprechend unauffällig. Eine Überlagerung der Gedächtnisfunktionen durch die Depression ist wahrscheinlich,
nun noch psychiatrische Mitbehandlung".
Der Senat beauftragte den Arzt für innere Medizin M. mit der Erstellung des Gutachtens vom 11.03.2010. Der Kläger klagte bei
der Untersuchung vor allem über ausgeprägte Müdigkeit, rasche Erschöpfbarkeit bei Belastung und migränoide Kopfschmerzen.
Der Gutachter erhob bei seiner Untersuchung die Diagnosen:
"Polycythämia vera, Leberschaden unklarer Genese, HIV-Infektion, V.a. Chronique Fatique-Syndrom, Z. n. Lues im vorigen Jahr,
Cholelithiasis".
Der Gutachter beschrieb einen altersentsprechend gesund aussehenden Kläger ohne Symptome gravierender Gesundheitsstörungen
im Bereich der Innenorgane und des Bewegungsapparates. Bei den Laboruntersuchungen ergaben sich vor allem erhöhte Werte der
für die Polycythämie maßgeblichen Parameter, insoweit ergab sich auch weiterhin noch keine Notwendigkeit einer kausalen Therapie.
Die Viruslast hinsichtlich der HIV-Infektion lag mit 490 Kopien pro Milliliter so niedrig, dass sie derzeit allenfalls überwacht
werden müsse, eine kausale Therapie sei nicht erforderlich, auch bestehe dadurch zum jetzigen Zeitpunkt keine wesentliche
Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Die Hepatopathie habe sich offensichtlich weiter stabilisiert. Dem Kläger seien nach
allem leichte und fallweise mittelschwere Tätigkeiten zuzumuten.
Insgesamt ergebe sich keine wesentliche Veränderung gegenüber den bisher durchgeführten, als sehr gut zu bezeichnenden Begutachtungen,
vor allem durch Dr. W., dessen Leistungsbeurteilung einer vollschichtigen Arbeitsfähigkeit bei qualitativen Einschränkungen
(kein häufiges Heben und Tragen, keine Einwirkung von Kälte oder Nässe, Hitze/Zugluft sowie keine Arbeiten im Umgang mit lebertoxischen
Stoffen und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) übernommen werden könne. Es sei sogar insgesamt
von einer leichten Besserung auszugehen. Auch die letzten Untersuchungen des Klägers durch Dr. B. und F. sowie in der Bezirksklinik
S. im Dezember 2009, wo sich nur eine leichte Beeinträchtigung des verbalen Neugedächtnisses gezeigt habe und ansonsten keine
wesentlichen Beeinträchtigungen hätten festgestellt werden können, zeigten keine in irgendeiner Form wesentliche sonstige
Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf.
Zusammenfassend hielt der Gutachter den Kläger in seinen Tätigkeiten aus dem Berufskreis eines Mediengestalters bzw. auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt für nur leicht beeinträchtigt. Er könne seit der Vorbegutachtung im Jahr 2005, aber auch schon in
der Zeit davor, leichte Tätigkeiten in wechselnder Ausgangsposition ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie ohne
starke nervliche Belastung und ohne hohe Anforderungen an die Flexibilität noch mindestens sechs Stunden täglich und mehr
ausüben. Die HIV-Infektion stelle keinerlei Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit dar. Es sei auch nicht erforderlich, aus
gesundheitlichen Gründen Arbeitstätigkeiten, wie der Kläger angebe, nach zwei Stunden wieder zu beenden.
Weitere fachärztliche Gutachten seien "bei doch sehr umfangreicher Befundsituation und mehrfach durchgeführten Gutachten"
nicht erforderlich.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass sich die bei der Testung im Bezirkskrankenhaus A-Stadt festgestellten Störungen seiner
Merkfähigkeit bei Arbeiten mit diversen Computerprogrammen erschwerend auswirkten. Er teilt mit, wegen rezidivierender depressiver
Störung und Dysthymie in psychotherapeutische Behandlung überwiesen worden zu sein.
Auf Anforderung des Senats übersandte der behandelnde Arzt Dr. B. noch den Untersuchungsbericht vom 12.04.2010, in welchem
von einer subdepressiv bis mäßig depressiven Verstimmung im Sinne einer Dysthymie die Rede ist und psychotherapeutische Behandlung
empfohlen wird. Die Beklagte nahm zu den noch eingeholten medizinischen Unterlagen dahin Stellung, dass sich keine Änderung
in der bisherigen Leistungsbeurteilung ergebe; die durch leichte depressive Überlagerung verursachte leichte Störung des verbalen
Neugedächtnisses lasse sich durch Behandlung bessern und ergebe keine überdauernde quantitative Leistungsminderung.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 18.03.2008 sowie des Bescheids vom 29.07.1998 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2003 zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit,
hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, weiter hilfsweise wegen Erwerbsminderung, teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen
Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.
Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung.
Dies steht für den Senat auf Grund der umfangreichen Beweisaufnahme des Erstgerichts und der ergänzenden Beweisaufnahme im
Berufungsverfahren fest.
Zu Recht hat sich das Erstgericht bei seiner Entscheidung auf das Ergebnis der Gutachten von Dr. W., Dr. F. und Dr. E. gestützt.
Auf internistischem Gebiet ging Dr. W. nach gründlicher Untersuchung des Klägers und Erhebung umfangreicher technischer Untersuchungsbefunde
von einer Hepatopathie, einer (nicht behandlungsbedürftigen) Polycythämie, einem Belastungshochdruck und einer Stoffwechselstörung
aus und hielt für den Senat nachvollziehbar leichtere Arbeiten ohne Kälte-, Nässe- und Zugluftexposition und Kontakt zu lebertoxischen
Substanzen sowie ohne besondere nervliche Belastungen vollschichtig (acht Stunden täglich) für zumutbar. Bereits im Rentenverfahren
hatten die Internisten Dr. H. und Dr. H. unabhängig von einander trotz Hepatopathie unklarer Genese und Polycythämie beim
Kläger vollschichtige Erwerbsfähigkeit angenommen. Auch aus dem Heilverfahren im Februar/März 2002 war der Kläger mit einer
entsprechenden Beurteilung entlassen worden. Übereinstimmend damit waren auch die vom Erstgericht zunächst gehörten Gutachter
Prof. Dr. S./Dr. K. ebenfalls nicht von einer die Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden internistischen Erkrankung
ausgegangen. Die dennoch von ihnen angenommene, für den Senat ebenso wie für das Erstgericht nicht nachvollziehbare zeitliche
Leistungseinschränkung wurde fachfremd mit der nicht abschließend geklärten - unspezifischen - Müdigkeitssymptomatik begründet
und ohne nähere Auseinandersetzung auf die Angaben des Klägers gestützt. Diese Auffassung wurde auf nervenärztlichem Gebiet
durch die schlüssigen Ausführungen der Dr. F. widerlegt, die eine Anpassungsstörung mit asthenischen Zügen und ein allenfalls
leichtgradiges depressives Syndrom bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit annahm und die vom Kläger subjektiv geklagte verminderte
Belastbarkeit als nicht hinreichend objektivierbar bezeichnete. Die Gutachterin arbeitete heraus, dass bei Fehlen einer wirklich
schwerwiegenden internistischen Hepatopathie wie hier eine organisch-emotionale Störung beim Kläger auszuschließen sei. Sie
widerlegte damit auch klar die Auffassung des Nervenarztes S., der im Rentenverfahren ein nur mehr unter sechsstündiges Leistungsvermögen
mit einer organisch "gefärbten" Störung begründet hatte. Sein Gutachten kann damit als überholt angesehen und ebenso wie die
Leistungsbeurteilung von Prof. Dr. S./Dr. K. als nicht nachvollziehbar bezeichnet werden.
Auch der wegen geltend gemachter psychischer Verschlechterung beauftragte Gutachter Dr. E. kommt zu einem ähnlichen Ergebnis
wie Dr. F., formuliert aber noch deutlicher, dass mangels einer organmedizinischen Grundlage für die Beschwerden des Klägers
und mangels eines greifbaren psychopathologischen Befundes am ehesten wohl von der Fehlverarbeitung einer Befindlichkeitsstörung
und als Folge davon von einem verbliebenen vollschichtigen (achtstündigen) Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten
ohne besondere nervliche Belastungen auszugehen sei. Das Gutachten, das sich auch mit vorangegangenen abweichenden Beurteilungen
auseinandersetzt, überzeugt in der Befunderhebung wie in der Leistungsbeurteilung und wird durch die aktuellen Befunde des
behandelnden Arztes Dr. B. bestätigt, wonach lediglich von einem leichten depressiven Syndrom und leichter Beeinträchtigung
des Neugedächtnisses die Rede ist.
Durch die zusätzliche Beweisaufnahme im Berufungsverfahren, der erneuten internistischen Begutachtung, steht für den Senat
auch fest, dass trotz des Hinzutretens weiterer Diagnosen, insbesondere der HIV-Infektion, weiterhin ein ausreichendes Leistungsvermögen
für körperlich leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit besteht. Der Gutachter M. legte
überzeugend dar, dass er beim Kläger keine Symptome gravierender Gesundheitsstörungen im Bereich der inneren Organe und des
Bewegungsapparates gefunden habe, dass sich die Hepatopathie weiter stabilisiert habe und weder die neu festgestellte, mit
sehr geringer Viruslast verbundene HIV-Infektion noch die seit langem bestehende Polycythämie derzeit eine kausale Therapie
erforderten. Das Gutachten vom 11.03.2010 ist in sich schlüssig und überzeugend. Der Senat schließt sich seiner Leistungsbeurteilung
in vollem Umfang an und sieht keine Notwendigkeit zu weiteren medizinischen Ermittlungen, da der Sachverhalt ausreichend geklärt
ist.
Auszugehen ist damit beim Kläger mit dem Erstgericht von einem Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich und mehr, auch
von acht Stunden, für leichtere körperliche Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit.