Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung wegen fehlender Mitwirkung; Ermessensausübung des Rentenversicherungsträgers
bei stark eingeschränkter Wegefähigkeit des Versicherten
Tatbestand:
Der im Jahr 1960 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben keine Berufsausbildung abgeschlossen. Von 1975 bis 1979 war
er als Knopfarbeiter, 1980 als Lagerbuchhalter und im Anschluss daran bis 1987 als Ofenbauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt.
Nach Zeiten der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter war er von 1990 bis 1992 als Lagerist und zuletzt von 1992
bis 1993 als Wareneingangsleiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit
ab Februar 1993 nahm der Kläger von Juni 1998 bis März 2000 an einer Umschulungsmaßnahme des Arbeitsamtes L. zum Sozialversicherungsfachangestellten
teil, die er jedoch nicht erfolgreich beendete. Von Februar 2000 bis Februar 2004 war der Kläger in Haft.
Der Kläger begehrte mit Antrag vom 11. August 2004 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Er machte
geltend, seit 1993 u.a. an einer primär chronischen Polyarthritis erkrankt zu sein. Ab dem Jahr 2000 habe sich eine Verschlechterung
ergeben.
Der ärztliche Dienst der Beklagten erachtete ein rheumatologisches Gutachten für erforderlich. Mit Schreiben vom 19. Januar
2005 beauftragte die Beklagte den Orthopäden Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens. In dem Schreiben ist der Wortlaut
der §§
62 und
66 Abs.
1 SGB I als Fußnote abgedruckt. Daraufhin sprach der Kläger am 25. Januar 2005 in der Auskunfts- und Beratungsstelle A-Stadt vor
und bat um Einholung eines rheumatologisch-internistischen Gutachtens. Wie sich bereits aus einem im Jahr 1996 durchgeführten
Rentenverfahren ergebe, seien aus orthopädischer Sicht niemals Beeinträchtigungen festgestellt worden. Bei ihm bestehe eine
rheumatisch-internistische Erkrankung.
Die Beklagte gewährte dem Kläger sodann eine Maßnahme zur stationären medizinischen Rehabilitation. Der Rentenantrag wurde
daher zunächst bis zum Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme zurückgestellt. Nachdem der Kläger die ihm bewilligten Leistungen
zur medizinischen Rehabilitation an den vorgesehenen Terminen nicht angetreten und die Beklagte den Reha-Bewilligungsbescheid
mit Bescheid vom 29. August 2005 zurückgenommen hatte, nahm die Beklagte das Rentenverfahren wieder auf und zog einen Befundbericht
der Benediktinerabtei St. B. vom 3. Juni 2004 sowie den Entlassungsbericht der Reha-Klinik W. vom 18. März 1998 über einen
stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. Februar 1998 bis 3. März 1998 bei. Der ärztliche Dienst der Beklagten hielt nach
Auswertung dieser Unterlagen ein rheumatologisches Gutachten nach wie vor für erforderlich.
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Internisten Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser lud den Kläger für den
26. Oktober 2005 zur Untersuchung vor. Der Kläger machte daraufhin gegenüber Dr. H. geltend, er sei von der Beklagten nicht
unterrichtet worden, dass, ggf. bei wem und in welcher Angelegenheit eine Untersuchung stattfinden solle. Auch lasse sein
desolater Gesundheitszustand die Wahrnehmung des Untersuchungstermins nicht zu. Er habe einen GdB von 80 und die Merkzeichen
B, G und aG. Er benötige ständige Begleitung. Der Weg bis zur Arztpraxis sei ihm allein zu riskant. Es solle bei einem ggf.
erforderlichen weiteren Termin ein Fahrdienst sowie eine Begleitperson zur Verfügung gestellt werden. Dr. H. gab daraufhin
mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 die Akten mit der Bitte zurück, das weitere Vorgehen zu klären.
Die Beklagte bat den medizinischen Dienst um Stellungnahme. Dieser hielt an seiner Einschätzung fest, dass ein internistisch-rheumatologisches
Gutachten notwendig sei. Eine Taxifahrt zur Begutachtung sei medizinisch begründet erforderlich.
Die Beklagte zog sodann die Schwerbehindertenakten beim Versorgungsamt A-Stadt sowie ein Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit
nach dem
SGB XI vom 12. September 2005 des MDK in Bayern bei. Daraus geht hervor, dass beim Kläger keine erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegt.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei die Erstellung eines rheumatologischen Gutachtens
durch Dr. H. erforderlich. Die notwendigen Kosten für eine Taxifahrt zum Untersuchungsort würden erstattet. Die Zahlung eines
Vorschusses könne nicht erfolgen. Es werde um Mitteilung innerhalb von 3 Wochen gebeten, ob unter diesen Voraussetzungen der
Untersuchungstermin wahrgenommen werde. Andernfalls müsse der Rentenantrag nach Aktenlage weiter bearbeitet werden.
Nachdem keine Reaktion des Klägers erfolgte, lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 5. April 2006 den Antrag auf
Zahlung einer Versichertenrente wegen Erwerbsminderung nach §
66 SGB I ab. Der Rentenversicherungsträger habe den Sachverhalt zu ermitteln, der zu einer Rentenzahlung führen könne. Hierbei habe
der Antragsteller in verschiedener Form mitzuwirken (§
60-62, 65
SGB I). Komme er seinen Mitwirkungspflichten nicht in angemessener Frist nach, könne der Rentenversicherungsträger ohne weitere
Ermittlungen die Leistungen ganz oder teilweise versagen bzw. ablehnen, soweit ihre Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind.
Der Kläger sei trotz der Aufforderung vom 4. Februar 2006 seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und habe die Bereiterklärung
zur medizinischen Begutachtung nicht erteilt. Die für die Rentenbewilligung erforderlichen Voraussetzungen hätten deshalb
nicht geklärt werden können. Der Rentenversicherungsträger habe aus diesem Grunde keine andere Möglichkeit, als den Rentenantrag
abzulehnen. Würde die Mitwirkung nachgeholt und lägen die Leistungsvoraussetzungen vor, könne der Rentenversicherungsträger
die Leistung nachträglich ganz oder teilweise erbringen.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2006 Widerspruch. Das notwendige Bearbeitungskennzeichen sei nicht angegeben
worden. Eine Zuordnung sei daher unmöglich. Außerdem sei es erlogen, dass er seine Einwilligung zu einer medizinischen Begutachtung
nicht erteilt habe. Es seien mehrfach hinreichende Begründungen mitgeteilt worden, weshalb unter den gegebenen Voraussetzungen
eine Untersuchung nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger auf die Mitwirkungspflichten nach §§
60 bis
62,
65 SGB I hin. Komme der Antragsteller dieser Verpflichtung in angemessener Frist nicht nach, habe die Beklagte das Recht, über den
Rentenantrag nach Lage der Sache zu entscheiden. Eine Entscheidung über den Rentenantrag vom 1. August 2004 sei ohne weitere
Begutachtung nicht möglich. Es sei eine internistisch-rheumatologische Begutachtung bei Dr. H. vorgesehen worden. Eine entsprechende
Mitteilung sei auch mit Datum 13. Oktober 2005 an den Kläger ergangen. Warum diese beim Kläger nicht eingegangen sei, sei
nicht nachvollziehbar. Mit Schreiben vom 14. Februar 2006 sei der Kläger nochmals über die Notwendigkeit der Begutachtung
unterrichtet worden. Gleichzeitig sei die Übernahme der Fahrtkosten zugesichert worden. Dieser Bitte sei der Kläger nach Erinnerung
vom 14. März 2006 nicht nachgekommen. Die für eine Rentengewährung erforderlichen Voraussetzungen hätten nicht geklärt werden
können. Der Antrag hätte aus diesem Grund abgelehnt werden müssen. Würde die Mitwirkung nachgeholt und lägen die Leistungsvoraussetzungen
vor, könne die Beklagte die Leistung ggf. unter Beachtung der Verjährungsvorschriften ganz oder teilweise erbringen. Es werde
um Mitteilung gebeten, ob der Kläger nunmehr bereit sei, die für erforderlich gehaltene Begutachtung durchführen zu lassen,
ggf. welche Gründe dem entgegenstünden. Antwort werde bis 30. Juni 2006 erwartet. Sollten medizinische Gründe für eine Ablehnung
der Begutachtung vorliegen, werde um Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen gebeten.
Der Kläger teilte hierzu mit, er sei seinen Mitwirkungspflichten stets im vertretbaren Umfang nachgekommen. Im übrigen verwies
er auf einen Schreibfehler (falsches Bescheidsdatum).
Mit Schreiben vom 30. Juni 2006 bat die Beklagte nochmals unter Übersendung des Wortlautes der §§
60 bis
67 ff.
SGB I um Mitteilung, ob der Kläger nunmehr bereit sei, die für erforderlich gehaltene Begutachtung durchzuführen zu lassen, ggf.
welche Gründe dem entgegenstünden bzw. um Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen. Sollte innerhalb von vier Wochen
kein Eingang zu verzeichnen sein, werde der Vorgang an die zentrale Widerspruchsstelle weitergeleitet.
Hierzu hat der Kläger mit Schreiben vom 27. Juli 2006 unsubstantiiert Stellung genommen. Die Beklagte wies darauf hin mit
Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2006 den Widerspruch zurück. Mit dem Widerspruch werde die Zahlung einer Rente wegen
teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung begehrt. Dem Begehren könne nicht entsprochen werden. Nach Wiedergabe der gesetzlichen
Bestimmungen der §§
60-
62,
65 SGB I verwies die Beklagte darauf, dass der Antrag abzulehnen sei, wenn der berechtigte Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten
nicht nachkomme. Der medizinische Sachverhalt habe nicht ausreichend geklärt werden können. Die bewilligten Maßnahmen zur
medizinischen Rehabilitation seien vom Kläger nicht angetreten worden. Zu einer Untersuchung bei Dr. H. sei der Kläger nicht
bereit gewesen. Der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage unter dem Az. S 47 R 3026/06 begehrt der Kläger rückwirkend ab Beginn des Monats der Antragstellung Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung
nebst gesetzlichen Zinsen. Er sei seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen und habe zu keiner Zeit einer ärztlichen Untersuchung
nicht zugestimmt. Diese sei lediglich daran gescheitert, dass keine Begleitperson vorhanden sei, die aus versorgungsärztlicher
Sicht für notwendig erachtet werde, da der Kläger einen elektrischen Rollstuhl benutze und außer dem Autobus kein öffentliches
Verkehrsmittel nutzen könne. Mit etwaigen Taxikosten könne er nicht in Vorlage treten, da er Sozialhilfe beziehe. Auch könne
keine Erstattung durch die Beklagte erfolgen, da er kein Bankkonto habe.
Mit Urteil vom 17. September 2009 wurden die Klagen abgewiesen. Soweit der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung
begehre, sei die Klage unzulässig. Streitgegenstand des Bescheides vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 12. Oktober 2006 sei allein die Versagung der Leistung wegen mangelhafter Mitwirkung des Klägers. Über den geltend gemachten
Anspruch auf Rente habe die Beklagte nicht entschieden. Diese Klage sei daher mangels Beschwer unzulässig. Die Klage auf Aufhebung
des Versagensbescheides sei zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Rentengewährung gemäß §§
62,
66 SGB I zu versagen. Die der Beklagten vorliegenden Befundberichte hätten keine ausreichende Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit
des Klägers erlaubt. Eine persönliche Untersuchung des Klägers sei für die Entscheidung über den Rentenantrag erforderlich
gewesen. Die vorliegenden medizinischen Befunde hätten auch keinerlei Anhalt dafür geboten, dass der Kläger die Begleitung
einer Person benötige bzw. er nicht öffentliche Verkehrsmittel hätte beanspruchen können. Eine Versagungsentscheidung setze
zwar grundsätzlich eine Ermessensausübung voraus. Es sei jedoch eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten. Der Kläger
habe sich beharrlich geweigert, sich einer Untersuchung durch Dr. H. zu unterziehen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers habe
deshalb nicht geklärt werden können. Es sei daher nur eine einzige Maßnahme infrage gekommen, nämlich die Versagung der Leistung.
Schließlich habe die Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens die in §
66 Abs.
3 SGB I geforderte Anhörung nachgeholt.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe der Beklagten mehrfach angeboten, eine
Untersuchung in häuslicher Umgebung durchzuführen. Dies sei von der Beklagten jedoch ignoriert worden. Es bestehe auch aufgrund
des versorgungsärztlich festgestellten Grads der Behinderung von 80 (bis März 2009, danach 100) sowie mit den Merkzeichen
B (Notwendigkeit ständiger Begleitung), G (gehbehindert) und aG (außergewöhnlich gehbehindert) kein Zweifel, dass er eine
ständige Begleitung benötige. Schließlich sei zu prüfen, ob Ansprüche nach dem BVG bestünden. Der Kläger sei ohne Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils in Haft gewesen. Durch Ingewahrsamnahme von mindestens
vier Jahren erlösche die allgemeine Wartezeiterfüllung in der Rentenversicherung. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Deswegen
bestünde Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Ob die Leistung durch die Beklagte zu erbringen sei oder
ob versorgungsrechtliche Ansprüche bestünden, habe das Gericht zu entscheiden.
Zudem begehrte er die Verbindung der Verfahren L 14 R 974/09 und L 14 R 975/09. Streitgegenstand des Verfahrens L 14 R 974/09 ist der Rücknahmebescheid vom 29. August 2005.
In der mündlichen Verhandlung am 17. Juni 2009 ist der Kläger nicht erschienen.
Er beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 17. September 2009 sowie des Bescheides der Beklagten
vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2006 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente
wegen Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen nebst Zinsen zu gewähren, hilfsweise Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zuzusprechen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Klage ist insoweit begründet, als sie auf die Aufhebung des Bescheids
vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2006 gerichtet ist. Soweit der Kläger jedoch die
Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, Zinsen oder von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz begehrt, ist die Klage unzulässig.
Die vom Kläger begehrte Verbindung der Verfahren L 14 R 974/09 und L 14 R 975/09 kommt nicht in Betracht, da unterschiedliche Streitgegenstände (Rente wegen Erwerbsminderung auf der einen und Leistungen
zur Teilhabe in Form der stationären Maßnahme der Rehabilitation auf der anderen Seite) vorliegen, die keine derartig enge
Verknüpfung aufweisen, dass eine Verbindung der Verfahren sinnvoll wäre (vgl. §§
153 Abs.
1,
113 Abs.
1 SGG).
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2006.
Die streitgegenständlichen Bescheide werden vom Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen
(vgl. §
54 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz). Hierbei handelt es sich nicht um eine einheitliche Klage, sondern um die Verbindung zweier Klagen, über die vom Gericht
gesondert entschieden werden kann (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum
Sozialgerichtsgesetz, §
54 Rn. 38).
Die in ihrem ersten Antrag zulässige Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide ist begründet. Die Bescheide
verstoßen gegen §
66 Abs.
3,
1 SGB I. Sie sind damit rechtswidrig und daher aufzuheben.
Gem. §
66 Abs.
3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich
hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Der in § 66 Abs 3 SGB 1 vorgesehene vorherige Hinweis ist eine zwingende Voraussetzung der Versagung. Er soll sicherstellen,
dass der Betroffene in Kenntnis der ihm drohenden Folgen seine Haltung überdenkt und durch die spätere Entscheidung nach §
66 SGB I nicht überrascht wird. Der Hinweis darf sich daher, wie vom BSG bereits entschieden wurde, nicht auf die Wiederholung des
Gesetzeswortlauts oder Belehrungen allgemeiner Art beschränken (BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1). Er muss vielmehr anhand der dem
Leistungsträger durch § 66 Abs 1 und 2 SGB 1 eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten unmissverständlich und konkret die Entscheidung
bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist
nicht nachkommt (vgl. BSG aaO., m.w.N.). Im vorliegenden Falle hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass sie die Rente
gemäß §
66 SGB I ganz versagen wird, wenn der Kläger sich nicht innerhalb einer gesetzten Nachfrist einer Untersuchung unterzieht. Das ist
hier nicht geschehen. Vor Erlass des angefochtenen Bescheids hat der Kläger keinerlei konkrete Belehrung über die Folgen seiner
Weigerung, sich einer Untersuchung bei Dr. H. zu unterziehen, erhalten. Eine Nachholung dieser ordnungsgemäßen Belehrung ist
auch nicht im Widerspruchsverfahren erfolgt. Auch hier ist dem Kläger nicht verdeutlich worden, dass er mit einer Versagung
der Leistung zu rechnen hat. Der Hinweis, dass bei Verstreichenlassen der Frist zur Äußerung die Akte an die Widerspruchsstelle
weitergeleitet wird, genügt dazu nicht. Denn daraus geht nicht unmissverständlich die konkrete Absicht der Beklagten hervor,
dass nach Ablauf der Frist die Leistung gemäß §
66 SGB I ganz oder teilweise versagt wird. Schließlich ist auch eine andere Entscheidung der Widerspruchsstelle als die Zurückweisung
des Widerspruchs denkbar.
Die angefochtenen Bescheide sind darüber hinaus rechtswidrig, weil sie in ihrem Verfügungssatz den Rentenantrag ablehnen,
und nicht nur Rentenleistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen. Ein Rentenablehnungsbescheid, der wie hier auf
fehlende Mitwirkung gestützt wird, enthält keine Entscheidung über die materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten
Anspruchs und wirkt nur bis zur Nachholung der Mitwirkung. Dies ist im Verfügungssatz des Bescheids auszusprechen (vgl. Landessozialgericht
Baden-Württemberg 1. Senat, Urteil vom 16. Mai 1990, Az: L 1 J 1789/89, in juris). Grund hierfür ist das unterschiedliche Ausmaß der Bestandskraft. Anders als die Ablehnung einer Leistung wegen
des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung ist die Versagung nämlich nach § 66 Abs 1 Satz 1 SGB 1 ausdrücklich "bis zur Nachholung
der Mitwirkung" begrenzt und, weil der Leistungsträger versagte Leistungen nach Mitwirkung nachträglich erbringen kann (§
67 SGB I), auch für die Zeit bis zur Nachholung vorläufiger Natur. In den hier streitgegenständlichen Bescheiden wird der Rentenantrag
jedoch ohne jede diesbezügliche Einschränkung abgelehnt. Damit hat die Beklagte ihr Ermessen überschritten. Nach §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I "kann" der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung nur bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen bzw. ganz
oder teilweise entziehen. Die Beklagte hat jedoch in dem Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids die Rentengewährung ohne
diese Einschränkung abgelehnt und damit gegen das (keinen Entscheidungsspielraum lassende) Verbot verstoßen, eine vom Gesetz
nicht zugelassene Rechtsfolge zu setzen (Verbot der Ermessensüberschreitung); die einschränkungslose Ablehnung der Leistungsgewährung
ist in §
66 Abs
1 Satz 1
SGB I nicht vorgesehen, nur eine solche "bis zur Nachholung der Mitwirkung". Eine derartige Klarstellung erfolgte auch im Widerspruchsbescheid
nicht. In diesem ist vielmehr erneut ohne Einschränkung von einer Ablehnung des Rentenantrags die Rede.
Schließlich hat die Beklagte auch das ihr zustehende Ermessen, ob sie weitere Ermittlungen anstellt oder die Versagungsentscheidung
trifft, nicht ausgeübt. Es mag zwar sein, dass die Erfüllung der dem Kläger von der Beklagten angesonnenen Mitwirkungspflicht
für ihn nicht aus einem wichtigen Grund unzumutbar im Sinne des §
65 Abs.
1 Nr.
2 SGB I war. Insoweit bestehen schon gewisse Bedenken. Denn der Kläger hat - ausweislich des der Beklagten bereits bei Antragstellung
vorliegenden Schwerbehindertenausweises - seit Oktober 1997 einen GdB von 80. Bei ihm ist die Notwendigkeit ständiger Begleitung
nachgewiesen; außerdem wurden die Merkzeichen G und aG anerkannt. Angesichts dessen ist der Vortrag des Klägers nachvollziehbar,
er sei nicht in der Lage, ohne Begleitung den Untersuchungstermin wahrzunehmen, so dass ein zumutbarer Grund vorläge, die
Untersuchung bei Dr. H. zu verweigern, falls eine Begleitung nicht sichergestellt ist. Geht man davon aus, ein solcher zumutbarer
Grund liege nicht vor, weil die Beklagte sich zur Übernahme der Taxikosten bereiterklärt hat und der Taxifahrer die nötige
Begleitung des Klägers zum Sachverständigen und zurück übernehmen kann, so bieten jedoch diese gesundheitlichen Verhältnisse
des Klägers jedenfalls hinreichend Anlass, Ermessenserwägungen dahingehend anzustellen, ob nicht eine Untersuchung im Wege
des Hausbesuchs möglich ist. Eine Ermessensreduzierung auf Null kann angesichts dieser Umstände nach Auffassung des Senats
nicht angenommen werden. Ein Hausbesuch wurde von Dr. H. als möglich bezeichnet, wenn ein solcher auch naturgemäß mit bestimmten
Einschränkungen in Bezug auf die medizinische Aufklärung verbunden ist. Derartige Erwägungen, ob ein Hausbesuch in Betracht
kommt, wurden von der Beklagten jedoch ausweislich des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids in keiner Weise
angestellt. Die Beklagte hielt sich vielmehr zu einer Ablehnung der Leistung verpflichtet. Dies ist ein rechtswidriger Nichtgebrauch
des Ermessens.
Nach alledem sind die streitbefangenen Bescheide aufzuheben.
Im Übrigen war die Berufung jedoch zurückzuweisen. Die auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gerichtete Klage ist
- wie das SG zutreffend entschieden hat - unzulässig. Dies gilt auch für die auf Gewährung von Zinsen gerichtete Klage.
Ein Leistungsantrag auf Gewährung der begehrten Rente wegen Erwerbsminderung setzt nämlich voraus, dass die Verwaltung gerade
über die begehrte Leistung entschieden hat, hier also über die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen voller
bzw. teilweiser Erwerbsminderung sowie Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Davon kann keine Rede
sein, wenn die Verwaltung einen Rentenantrag zwar unzutreffenderweise im Verfügungssatz ablehnt, dies ausweislich der Begründung
der angefochtenen Bescheide jedoch nicht aus materiellen Gründen, sondern weil der Kläger seine Mitwirkungspflichten nicht
erfüllt hat. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Beklagte nicht festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen der geltend
gemachten Sozialleistung nicht erfüllt sind. Mit der Ablehnung einer Rentenleistung mangels Mitwirkung hat die Beklagte eine
Entscheidung getroffen, die sich ihrem Wesen nach von der Ablehnung des Leistungsanspruchs wegen des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung
unterscheidet. Die Anfechtung einer Versagung einer Rentenleistung kann daher nicht zulässigerweise zusätzlich mit einer Leistungsklage
verbunden werden, die Versagung ist vielmehr allein mit der Anfechtungsklage anzugreifen.
Mangels Vorliegens einer Entscheidung der Verwaltung über die Anspruchsvoraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf
Rente wegen Erwerbsminderung ist die Klage in ihrem zweiten Antrag damit unzulässig (vgl. Meyer-Ladewig,
SGG, §
54 Rn. 39 a). Dasselbe gilt für den im Rahmen des Klageverfahrens geltend gemachten und mit der Berufung weiterverfolgten Zinsanspruch.
Auch insoweit liegt keine Entscheidung der Beklagten vor.
Soweit der Kläger "Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz" begehrt, ist er gehalten, einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde zu stellen. Die erst im Berufungsverfahren
hierauf erhobene Klage ist mangels vorliegender Entscheidung des zuständigen Verwaltungsträgers unzulässig. Eine notwendige
Beiladung des Freistaats Bayern gem. §
75 Abs.
2 SGG und Verurteilung des Beigeladenen scheidet aus, da sich hier nicht ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs in Angelegenheiten
des sozialen Entschädigungsrechts der Freistaat Bayern als leistungspflichtig in Betracht kommt. Dies schon deshalb, weil
über die Frage, ob tatsächlich ein Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht, mit dieser Entscheidung nicht im
Sinne einer Ablehnung befunden wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,193
Sozialgerichtsgesetz und berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger zum Teil erfolgreich war.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.