Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren; Anordnungsgrund beim Anspruch auf Arbeitslosengeld II in einer
Bedarfsgemeinschaft ohne Berücksichtigung einer eheähnlichen Gemeinschaft
Gründe:
I. Streitig ist, ob dem Antragsteller Arbeitslosengeld II ohne Berücksichtigung einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Frau S.
zu zahlen ist.
Der 1966 geborene Antragsteller zog zusammen mit seiner 1988 geborenen Mitbewohnerin Frau S. im Sommer 2009 in den Zuständigkeitsbereich
der Antragsgegnerin. Davor waren beide ab November 2008 in einer gemeinsamen Wohnung in M. gemeldet. Der Antragsteller ist
als selbstständiger Mediengestalter tätig, erzielt aber keine anrechenbaren Einkünfte. Frau S. absolviert bis Herbst 2010
eine Ausbildung zur Krankenschwester in einem Krankenhaus. Sie erhält eine Ausbildungsvergütung.
Am 26.11.2009 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Arbeitslosengeld II. Dabei bezeichnete er Frau S. im Antrag
als Partnerin in Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und "best friend". Im Schreiben vom 09.12.2009 bezeichnete der
Antragsteller Frau S. als "meine Partnerin". Frau S. schloss Verträge für Mobiltelefon und Internetanschluss auch für die
geschäftliche Nutzung Antragsteller ab, die dieser wegen einer eidesstattlichen Versicherung nicht selbst abschließen könne.
Für die gemeinsame Wohnung werden eine Grundmiete von 420,- Euro monatlich und Neben- und Heizkosten von insgesamt 145,- Euro
bezahlt.
Mit Bescheid vom 25.01.2010 wurde dem Antragsteller und Frau S. Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.12.2009 bis 31.05.2010
bewilligt. Es wurden zwei Regelleistungen zu je 323,- Euro und Kosten der Unterkunft von insgesamt 553,36 Euro als Bedarf
anerkannt. Ab Januar 2010 wurde ein Erwerbseinkommen in Höhe von 730,- Euro von Frau S. vom Gesamtbedarf in Höhe von 1199,36
Euro abgezogen und monatlich 469,36 Euro bewilligt. Im dagegen erhobenen Widerspruch machte der Antragsteller geltend, dass
die Ausbildungsvergütung von Frau S. niedriger sei. Frau S. wurde wiederum als Partnerin bezeichnet.
Am 11.03.2010 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Es besteht
keine eheähnliche Partnerschaft mit Frau S. Er habe lediglich für sich selbst Leistungen beantragen wollen. Frau S. wolle
keine Leistungen von der Antragsgegnerin.
Mit Änderungsbescheid vom 19.03.2010 wurde die Leistung erhöht, indem das Einkommen von Frau S. nur mehr in Höhe von 600,-
Euro monatlich angerechnet wurde. Für Januar 2010 wurde Arbeitslosengeld II in Höhe von 659,37 Euro bewilligt, für Februar
bis Mai 2010 monatlich jeweils 629,36 Euro.
Mit Beschluss vom 12.04.2010 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Es bestehe eine
eheähnliche Gemeinschaft. Das Einkommen der Partnerin sei zu Recht angerechnet worden.
Am 12.05.2010 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe
beantragt.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, die Beschwerdegegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München
vom 12.04.2010 vorläufig zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung des Einkommens
von Frau S. zu gewähren.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht
abgelehnt hat.
Das Beschwerdegericht schließt sich gemäß §
142 Abs.
2 S. 3
SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Aufgrund
diverser Anhaltspunkte ist das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine eheähnliche Partnerschaft zwischen dem
Antragsteller und Frau S. besteht. Zu erwähnen ist etwa der gemeinsame Umzug, die mehrfache Bezeichnung von Frau S. als "Partnerin"
und die wirtschaftliche Unterstützung der selbstständigen Tätigkeit des Antragstellers durch Frau S. Es fehlt deshalb an einem
Anordnungsanspruch, d.h. an einem Anspruch auf eine höhere Leistung.
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass es auch an einem Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) fehlt, wenn man den Vortrag des
Antragstellers für zutreffend halten würde. Ohne eheähnliche Gemeinschaft hätte der Antragsteller einen Leistungsanspruch
in Höhe von rund 635,- Euro (Regelleistung von 359,- Euro und die Hälfte der Kosten der Unterkunft, abzüglich Kosten für Warmwasser).
Im Änderungsbescheid vom 19.03.2010 wurden ab Februar 2010 insgesamt monatlich 629,36 Euro bewilligt. Wenn, wie der Antragsteller
vorträgt, Frau S. ohnehin keine Leistungen von der Antragsgegnerin begehrt, steht dem Antragsteller die gesamte bewilligte
Leistung zur Verfügung. Wegen 6,- Euro monatlich ist eine einstweilige Anordnung nicht notwendig.
Sofern die Weitergewährung von Leistungen beantragt wird, wird die Antragsgegnerin zu prüfen haben, ob Frau S. trotz Mitgliedschaft
in der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen ist. Bei der Ausbildung zur Krankenschwester
handelt es sich um eine Ausbildung in einer Berufsfachschule, die grundsätzlich nach
BAföG gefördert werden kann. Eventuell besteht ein besonderer Härtefall mit einem Darlehensanspruch, weil die Abschlussprüfung
demnächst erfolgt. Dies setzt jedoch einen Leistungsantrag von Frau S. voraus.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dem Antragsteller ist für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren, weil der Antragsteller
vermögensloser Bezieher von Arbeitslosengeld II ist und der Rechtsstandpunkt des Antragstellers nicht unvertretbar war. Wegen
der Schwierigkeiten der Rechtsfragen und der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger war ihm antragsgemäß Rechtsanwältin
R. nach §
121 Abs.
2 ZPO beizuordnen.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.