Sozialversicherungspflicht eines im Handwerksbetrieb des Vaters mitarbeitenden Sohnes
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers vom 18.08.1987 bis 31.12.2003 in der (ehemaligen)
Firma seines Vaters streitig.
Der 1965 geborene Kläger, von Beruf Dachdecker und Spenglermeister, war vom 18.08.1987 bis 31.12.2003 Mitglied der Beklagten.
In dem genannten Zeitraum war er bei der Firma F. A., Verdachungen und Dachtechnik, seinem Vater, beschäftigt. Die Tätigkeit
des Klägers basierte auf dem Anstellungsvertrag vom 27.01.1988, der am 24.06.2003 einen Nachtrag bezüglich der Höhe des Grundgehalts
erfuhr. Nach dem Anstellungsvertrag vom 27.01.1988 erhielt der Kläger ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt in Höhe
von 4.200,00 EUR brutto, wohingegen er nach dem Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 24.06.2003 ein Grundgehalt von 3.136,69
EUR erhielt. Der Kläger hatte einen Urlaubsanspruch, erhielt bei Arbeitsunfähigkeit eine Fortzahlung des Arbeitsentgelts für
mindestens sechs Wochen und ein Weihnachts- und Urlaubsgeld nach Tarif. Nach dem Darlehensvertrag vom 01.09.1987 gewährte
der Kläger der Firma seines Vaters ein Darlehen in Höhe von 20.000,00 DM. Nach weiteren Darlehensverträgen vom 20.02. und
29.07.2004 wurden vom Kläger weitere Darlehen in Höhe von 15.000,00 bzw. 12.900,85 EUR gewährt. Nach den vorliegenden Einkommenssteuerbescheiden
wurde das Arbeitsentgelt des Klägers jeweils als Einkunft aus nicht selbständiger Arbeit angegeben. Zum 01.01.2004 übernahm
der Kläger die Firma seines Vaters, wobei ab 06.07.2004 der Eintrag in die Handwerksrolle mit zulassungspflichtigem Handwerk
erfolgte.
Mit Schreiben vom 18.06.2004 bevollmächtigte der Kläger die Firma P. Gesellschaft für Consulting in B. mit der Wahrnehmung
seiner Rechte bezüglich des sozialversicherungsrechtlichen Statusverfahrens.
Mit streitigem Bescheid vom 26.08.2004 nahm die Beklagte Sozialversicherungspflicht an. Zur Begründung führte sie unter anderem
aus, von seinem Arbeitgeber (seinem Vater) seien über Jahre hinweg die Meldungen zur Sozialversicherung abgegeben sowie die
Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Die Betriebsprüfung durch die Beigeladene zu 2) am 09.07.2001 habe keine
Beanstandung der Arbeitnehmereigenschaft ergeben.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wurde insbesondere geltend gemacht, der Kläger sei faktisch als selbständiger Unternehmer
tätig gewesen. Abweichend vom Anstellungsvertrag vom 27.01.1988 sei er weder an Weisungen noch an feste Arbeitszeiten gebunden
gewesen, noch habe er den Urlaubsanspruch geltend gemacht. Durch die Darlehensgewährung habe er erhebliche Risiken im Interesse
der Firmenliquidität auf sich genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2005 bestätigte die Beklagte ihre Auffassung im Ausgangsbescheid.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen. Mit Urteil vom 07.03.2007 hat das
SG die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, hier sei zu berücksichtigen, dass der Aufgabenbereich und
die Tätigkeit des Klägers im Anstellungsvertrag vom 27.01.1988 in allen Einzelheiten geregelt worden seien. So habe der Kläger
Treue-Pflicht gegenüber seinem Arbeitgeber gehabt, was auch der Eintragung ins Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt entsprach,
wonach als Firmeninhaber "lediglich" der Vater gestanden habe. Insgesamt ergebe sich, dass der Kläger keinen beherrschenden
Einfluss auf das Unternehmen hatte. Er habe nicht "schalten und walten" können, wie er wollte. Zwar seien Darlehensgewährung
an die Firma und teilweiser Lohnverzicht Anhaltspunkte dafür, dass keine abhängige Beschäftigung, sondern eine selbständige
Tätigkeit für ein eigenes Unternehmen vorlag, jedoch bedeute dies auch Erhalt des Arbeitsplatzes in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten. Im Übrigen schloss sich das SG den Gründen des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2005 an, die es seiner Entscheidung nach §
136 Abs.3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) voll umfänglich zu Grunde legte.
Gegen das Urteil vom 07.03.2007 richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Erneut weist
er darauf hin, dass sich das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimme.
Der Vertreter des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.03.2007 sowie den zu Grunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 26.08.2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger vom 18.08.1987 bis 31.12.2003
nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
Der Vertreter der Beklagten und der Beigeladenen zu 4) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß §
144 SGG bedarf, ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Der Kläger war in der Zeit vom 18.08.1987 bis 31.12.2003 im Betrieb
seines Vaters versicherungspflichtig beschäftigt.
Dies hat das SG im angefochtenen Urteil vom 07.03.2007 zutreffend festgestellt. Es durfte auch die Klage als zulässig erachten, denn nach
Auffassung des Senats (vgl. u.a. Urteil vom 18.10.2007, L 4 KR 79/06 und weitere Urteile) ist dem Kläger ein Rechtsschutzinteresse auf gesonderte Statusfeststellung zuzubilligen. Es handelt
sich nicht um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage hinsichtlich des möglichen späteren Begehrens auf Beitragserstattung.
Dabei kommt dem Ergebnis der durchgeführten Betriebsprüfung wohl eine Bedeutung bei der materiellen Würdigung des klägerischen
Anlegens zu, hindert aber nicht das Rechtsschutzinteresse an der endgültigen Klärung des am 24.06.2004 gestellten Antrags
(vgl. dazu BSG vom 24.06.2008, B 12 KR 24/07 R Rdnr.18).
Maßstab für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist §
7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) und die hierzu ergangene vielfältige Rechtsprechung. Danach ist unter Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, vorrangig
in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen. Ein solches ist anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig
ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies anzunehmen, wenn der Beschäftigte in dem Betriebsablauf eingegliedert
ist und dabei einem Zeit-, Dauer-, Art und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegt, wobei
der zugewiesene Verantwortungsbereich sich in einem engen aber auch weitem Rahmen bewegen kann. Der Arbeitnehmer ist frei
von Geschäftsrisiken bzw. wirtschaftlichem Engagement und besitzt keine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über
die eigene Arbeitskraft liegt beim Arbeitgeber. Ist dies alles nicht der Fall, ist von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
Somit hängt die Statusfeststellung davon ab, welche Merkmale im Einzelnen überwiegen, wobei maßgeblich das Gesamtbild der
Arbeitsverrichtung ist (vgl. hierzu BSG vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R -, abgedruckt in Beiträge Beil.07, 212, 215). Liegt ein derartiges Beschäftigungsverhältnis nach §
7 Abs.1
SGB IV vor, zieht dies die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung nach sich (§
1 Satz 1 Nr.1
SGB VI bezüglich der Rente, §
25 Abs.1
SGB III und deren Vorläufervorschrift § 168 Abs.1 AFG für die Arbeitslosenversicherung, §
5 Abs.1 Nr.1
SGB V für die Krankenversicherung und §
20 Abs.1 Nr.1
SGB IX für die Pflegeversicherung).
Der Kläger selbst ist offensichtlich bis zur Antragstellung davon ausgegangen, dass er sozialversicherungspflichtig in der
Firma seines Vaters über den gesamten Zeitraum beschäftigt war. So war der Kläger entsprechend gemeldet und es wurden dementsprechend
auch die Beiträge (Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung) abgeführt. Hinzukommt,
dass ausweislich der vorliegenden Einkommenssteuerbescheide die Einkünfte als mit - aus nicht selbständiger Arbeit - bezeichnet
wurden.
Der Senat vermag auch nicht die Auffassung einer vollständigen Unabhängigkeit der steuerrechtlichen von der sozialversicherungsrechtlichen
Beurteilung der klägerischen Tätigkeit zu folgen. Richtig ist zwar, dass bei den Rechtsgebieten keine Bindungswirkung besteht,
also der Einzugsstelle jeglicher Beurteilungsspielraum und Entscheidungskompetenz bei Vorlage eines Steuerbescheides genommen
wäre, doch besteht eine starke Indizwirkung im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses. Das hat der Gesetzgeber in § 28p
SGB IV berücksichtigt, wonach bei Betriebsprüfungen auf die Lohnsteuerprüfungen zurückgegriffen werden kann (§
10 Abs.2 Beitragsverfahrensordnung). Auch findet sich der Bezug in § 1 Abs.1 Nr.1 Sozialversicherungsentgeltverordnung, als Nachfolgevorschrift der früheren Arbeitsentgeltverordnung. Der Senat kann also nicht darüber weggehen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Steuererklärung stets seine Arbeitnehmereigenschaft
vorgetragen hat. Auch bei der Betriebsprüfung im Jahre 2001 ergaben sich daran keine Zweifel.
Für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spricht im Übrigen auch der am 27.01.1988 abgeschlossene Anstellungsvertrag. Hieraus
ergibt sich insbesondere, dass der Kläger im Falle der Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsentgelt für mindestens sechs Wochen fortgezahlt
bekommen hätte. Zudem bestand auch ein Urlaubsanspruch. Darüber hinaus hatte der Kläger auch einen Anspruch auf Weihnachtsgeld.
An dieser rechtlichen Beurteilung ändert auch die Tatsache der Darlehensgewährung nichts. Daraus kann nicht geschlussfolgert
werden, dass der Kläger ein Unternehmerrisiko trug, denn er war nicht Mitinhaber der Firma seines Vaters.
Es sprechen keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrelang mit Billigung der Beteiligten
bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen. Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder Erschleichung eines Versicherungsschutzes
sind auszuschließen. Gerade weil eine solche in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel
verschiedenster Beteiligter zutreffenden Rechtszustandes zu solchen Unklarheiten und Unsicherheiten wie hier führt, hat das
BSG den einleuchtenden Rechtssatz formuliert, dass die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich nicht nachträglich geändert
werden sollen (BSG vom 08.12.1999 - BSGE 85, 208, 213). Der Gedanke von der Kontinuität eines Versicherungslebens, wonach Änderungen darin erst für die Zukunft gelten sollen,
ist ein beachtlicher Grundsatz und Grundlage einer soliden Zukunftssicherung, wie sie von der Beigeladenen zu 1) ohne Rücksicht
auf Konjunktur bestimmter oder anderer Gestaltungsmöglichkeiten konstant zu leisten ist (so der Senat in zahlreichen Entscheidungen).
Dass Änderungen in die Vergangenheit schon aus Abgrenzungsschwierigkeiten problematisch sind, zeigt der vorliegende Fall.
Hinzukommt des Weiteren, dass der Kläger mit seinem Vater schließlich ab 01.01.2004 eine Änderung herbeigeführt hat, indem
er die Firma übernommen hat. Allein aus dieser Tatsache ist zu schlussfolgern, dass eine "frühere" Übernahme der Firma nicht
gewünscht war.
Somit ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 07.03.2007 als unbegründet zurückzuweisen.
Angesichts des Verfahrensausgangs und weil die Beklagte keinen Anlass für das Rechtsmittel gesetzt hat, sind dem Kläger seine
außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten. Dies gilt auch hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) und 2), die sich im Verfahren
nicht geäußert haben. Der Beigeladene zu 3) wurde mit Beschluss vom 30.07.2009 aus dem Verfahren entlassen.
Im Hinblick auf die bestehende Rechtsprechung, wie sie in den Schriftsätzen der Beteiligten und im vorangegangenen SG-Urteil zitiert worden und im vorliegenden Urteil aufgegriffen worden ist, besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Dass
die den Kläger beratende Firma P. im Verwaltungsverfahren an einer ganzen Reihe solcher Rechtsstreitigkeiten vor dem Senat
namens Angehöriger einer Familienfirma beteiligt war, macht den anhängigen Rechtsstreit nicht zu einem, der grundsätzliche
Fragen aufwirft, so dass die Revision gemäß §
160 SGG nicht zuzulassen ist.