Anspruch auf Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung; Beweislast des Versicherten
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Krankengeld für den Zeitraum 12. September 2010 bis 2. März 2011.
Der im Jahr 1956 geborene Kläger war seit 1977 als Verwaltungsangestellter für die Agentur für Arbeit tätig, später für ein
Jobcenter. Seit dem 2. September 2009 bescheinigte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G L dem Kläger Arbeitsunfähigkeit
mit den Diagnosen F43.0 (akute Belastungsreaktion) und F33.1 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige
Episode). Vom 15. Oktober 2009 an erhielt der Kläger von der Beklagten kalendertägliches Krankengeld in Höhe von32,94 Euro.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind fortlaufend bis 3. Mai 2011 dokumentiert.
Auf Veranlassung der Beklagten stellte der Kläger sich wiederholt dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg
e. V. (MDK) vor, der mit Gutachten vom 30. Oktober 2009 und 4. Januar 2010 fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestätigte,
basierend auf der Diagnose einer mittelgradig depressiven Episode.
In einem Gutachten vom 9. April 2010, das der TÜV Rheinland, arbeitsmedizinischer Dienst, für den Arbeitgeber des Klägers
erstellte, wurde der Kläger ebenfalls als fortdauernd arbeitsunfähig bezeichnet. Der Arbeitgeber riet dem Kläger hierauf noch
im April 2010 zur Stellung eines Rentenantrages bei der Deutschen Rentenversicherung.
Am 25. August 2010 wurde der Kläger erneut vom MDK auf seine Arbeitsfähigkeit hin untersucht. Der Gutachter Prof. Dr. K (Facharzt
für Neurologie und Psychiatrie) kam nun zur Diagnose einer Anpassungsstörung. Der Kläger habe geschildert, den Anforderungen
am Arbeitsplatz nicht standhalten zu können; die Arbeit im Jobcenter belaste ihn sehr, er komme damit nicht zurecht und sei
überfordert. Auch die private Situation sei belastend. Die Ehefrau leide unter einer Hepatitis-C-Infektion. Neben einem sechsjährigen
Sohn gebe es einen 19jährigen Sohn, mit dem es Probleme gebe. Probleme bestünden auch mit einer Tochter der Ehefrau aus erster
Ehe. Eine vom behandelnden Psychiater angeregte tagesklinische Behandlung sei nicht angetreten worden; die vom Psychiater
angebotene Psychotherapie sei abgebrochen worden. Der psychische Befund habe einen klaren, zeitlich, örtlich und zur Person
voll orientierten Patienten gezeigt. Formale oder inhaltliche Denkstörungen hätten sich nicht ergeben. Bei der Schilderung
der Arbeitssituation und der von ihm empfundenen Rückschritte habe der Kläger ernst über seine Situation berichtet. Er habe
wohl auch Probleme im Umgang mit anderen, sei jemand, der es allen Recht machen wolle, aber das werde, so der Kläger, bei
seinem Arbeitgeber nicht gerne gesehen. Affektiv sei er stabil, ein sich offen und unumwunden äußernder Patient, mit guter
affektiver Modulierbarkeit. Eine erworbene Hirnleistungsstörung ergebe sich nicht. Dieser psychische Befund rechtfertige eine
länger dauernde Arbeitsunfähigkeit nicht. Die Belastungen am Arbeitsplatz würden dabei gesehen; inwieweit der Kläger dort
unzumutbaren Bedingungen ausgesetzt sei, könne aber nicht beurteilt werden. Offen sei auch, ob er für seine Arbeit ausreichend
geeignet sei und hinreichende Vorkenntnisse besitze; all dies sei jedoch kein medizinischer Gesichtspunkt und nach den langen
Krankschriften sei es gerechtfertigt, klare Entscheidungen zu treffen. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die jetzige
Krankenschrift im Wesentlichen der Vermeidung der als belastend empfundenen beruflichen Tätigkeit diene, ohne dass sich dafür
klare medizinische Gründe ergäben. Das weitere Vorgehen solle in der interdisziplinären Konferenz des MDK besprochen werden.
In einem Nachtrag zum Gutachten vom 25. August 2010 teilte Prof. Dr. K der Beklagten mit Schreiben vom 6. September 2010 mit,
der Fall des Klägers sei der interdisziplinären Konferenz beim MDK vorgestellt worden. In den Blick genommen habe man den
langen bisherigen Krankheitsverlauf mit den nur bedingt nachvollziehbaren Krankschriften. Die teils schwierigen Arbeitsbedingungen
beim Arbeitsamt seien bekannt, es sei jedoch nicht erkennbar, dass diese außerhalb der tariflichen Anforderungen lägen. Im
Ergebnis der Konferenz werde empfohlen, dass der Kläger an seinen Arbeitsplatz zurückkehre; die Arbeitsunfähigkeit könne ab
12. September 2010 beendet werden.
Mit Bescheid vom 8. September 2010 teilte die Beklagte dem Kläger auf dieser Grundlage mit, dass die Arbeitsunfähigkeit zum
12. September 2010 beendet werde. Mit diesem Tag ende der Krankengeldanspruch. Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs
führte der Kläger an, die Untersuchung durch den MDK sei sehr oberflächlich gewesen; eine ausführliche Schilderung seiner
Erkrankung und Beschwerden sei kaum möglich gewesen. Der behandelnde Arzt Dr. L habe von einer Rentenantragstellung abgeraten,
da er befürchte, dass der Kläger dann völlig zusammenbreche. Schon jetzt traue er sich kaum noch aus dem Haus und sei ein
einziges Nervenbündel.
Zur Unterstützung seines Widerspruchs reichte der Kläger bei der Beklagten ein ärztliches Attest des Psychiaters Dr. L vom
13. September 2010 ein. Darin heißt es: Vor dem Hintergrund einer chronischen beruflichen Überforderung und erheblichen familiären
Belastungen sei der Kläger schwer depressiv entgleist und leide unter Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, innerer Leere
bei gleichzeitiger Gespanntheit und Gereiztheit, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie Störungen der Gedächtnisleistungen
in Form von Kurzzeitgedächtnisstörungen. Der Kläger klage über eine ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung, so dass er in seinem
gesamten Leistungsvermögen deutlich eingeschränkt sei und aus diesen Gründen seit September 2009 arbeitsunfähig geschrieben
werde. Trotz einer von Beginn an konsequent durchgeführten antidepressiven medikamentösen Behandlung in Verbindung mit stützenden
Gesprächen habe das depressive Zustandsbild nicht ausreichend positiv beeinflusst werden können. Von einer Psychotherapie
habe der Kläger wenig profitieren können und sie eher als zusätzliche Belastung empfunden, so dass sie beendet worden sei.
Der MDK (Dr. H) befasste sich auf dieser Grundlage am 9. Oktober 2010 erneut mit der Aktenlage und blieb bei der Einschätzung,
dass der Kläger bei bestehenden Anpassungsstörungen seit dem 12. September 2010 wieder arbeitsfähig sei.
Mit Bescheid vom 11. April 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Auf der Grundlage der Bekundungen des
MDK müsse von einer Arbeitsfähigkeit zum 12. September 2010 ausgegangen werden.
Mit seiner am 15. April 2011 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Bewilligung von Krankengeld vom 12. September 2010 bis
einschließlich 2. März 2011 (Ende der Blockfrist). Zur Begründung hat er im Wesentlichen angeführt, die Einschätzungen des
MDK basierten auf keiner sicheren Tatsachengrundlage. Sein behandelnder Psychiater halte ihn zu Recht fortlaufend für arbeitsunfähig.
Die MDK-Gutachter hätten sich überhaupt nicht mit seinem chronifizierten Leiden auseinandergesetzt. Über die Haltung der Beklagten
sei er äußerst verbittert. Sie habe dazu beigetragen, dass er seine Ersparnisse habe aufbrauchen müssen und in den Bezug von
Arbeitslosengeld II (seit 4. Januar 2011) gedrängt worden sei. Eine gesicherte psychiatrische Exploration dauere mindestens
ein bis zwei Tage.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte des Psychiaters Dr. L vom 24. Mai 2012 und des den Kläger behandelnden Internisten
A. Bias vom 18. Juni 2012 eingeholt, wegen deren Inhalt auf Bl. 40 bzw. 43 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.
Außerdem hat das Sozialgericht dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie W R mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens
über den Kläger beauftragt, dass dieser nach einer Untersuchung des Klägers am 29. Juni 2013 vorgelegt hat. Als Ergebnis formuliert
der Gutachter, dass der Kläger im streitigen Zeitraum unter einem Zustand nach mittelgradiger depressiver Episode, weitgehend
remittiert, außerdem an Migräne, Asthma Bronchiale und Bluthochdruck gelitten habe. Krankheitsbedingte Einschränkungen der
quantitativen Leistungsfähigkeit hätten nicht mehr bestanden. Mit seinen gesundheitlichen Voraussetzungen habe er im streitigen
Zeitraum vollschichtig als Verwaltungsangestellter tätig sein können. Zu Recht seien die Gutachter des MDK (lediglich) von
einer Anpassungsstörung ausgegangen. Diese Einschätzung sei nachvollziehbar und zutreffend und berücksichtige insbesondere
die biografische Anamnese. Der Kläger habe seine Krankheit instrumentalisiert, um Schutz und Rückzug vor ihn überfordernden
Lebensumständen zu suchen. Zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeiten in Gestalt einer tagesklinischen Behandlung und
einer Psychotherapie habe der Kläger abgelehnt. Zur behaupteten depressiven Symptomatik finde sich keine tiefgreifende entsprechende
Behandlung. Die vom MDK erstellten sozialmedizinischen Gutachten seien in keiner Weise oberflächlich. In Würdigung der Tatsache,
dass der Kläger seine Berufstätigkeit als belastend empfinde, dass er adäquate Behandlung unzureichend in Anspruch nehme und
angesichts der Erhebung objektiver Befunde zur Psychopathologie des Klägers, u.a. in der Untersuchung durch den MDK am 25.
August 2010, erscheine die Entscheidung des MDK gerechtfertigt, von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 12. September 2010
auszugehen. Gegenüber den Feststellungen des MDK blieben die Bekundungen des behandelnden Nervenarztes, etwa im Attest vom
13. September 2010, eher allgemein und wiesen nur auf vergangene Krankheitssymptomatik hin; herausgestellt werde dort nur
die Klage des Patienten über ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2013 hat das Sozialgericht Berlin auf dieser Grundlage die Klage abgewiesen und zur Begründung
im Wesentlichen ausgeführt: Zur Überzeugung der Kammer liege keine Erkrankung vor, die eine weitere Arbeitsunfähigkeit begründe.
Zwar habe der behandelnde Arzt die zwölfjährige Leidensgeschichte des Klägers fundiert dargestellt. Der Gutachter des MDK
sowie der Gerichtsgutachter hätten jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass nach der früheren schweren depressiven Episode mindestens
ab dem 12. September 2010 nur noch eine Anpassungsstörung vorliege, die keine weitere Arbeitsunfähigkeit begründe. Die Kammer
folge dem gerichtlichen Gutachter darin, dass sich der Kläger in seiner Krankheit eingerichtet habe, die Konflikte mit dem
Arbeitgeber scheue und deshalb in der Krankenrolle verharre. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Konfliktscheue
krankheitsbedingt sei und einer Arbeitsfähigkeit entgegenstehe. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass aus der
Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwüchsen. Der Gerichtsgutachter habe anschaulich
herausgearbeitet, dass das Behandlungsverhalten des Klägers auf einen geringen Leidensdruck schließen lasse, insbesondere
weil bis zum heutigen Tag keine tiefgreifende, etwa auch klinische Behandlung stattgefunden habe. Die Schlussfolgerungen des
Gutachters seien nach sorgfältiger Prüfung nicht zu beanstanden.
Gegen das ihm am 14. November 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Dezember 2013 erhobene Berufung des Klägers.
Nach wie vor fehle es für die Annahme einer Arbeitsfähigkeit an einer hinreichend intensiven Exploration. Demgegenüber seien
die Bekundungen des behandelnden Arztes Dr. L überzeugend. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen R hänge in der
Luft. Mit dem fundierten Befundbericht des Dr. L habe der Gutachter sich nicht auseinandergesetzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für den Zeitraum
12. September 2010 bis 2. März 2011 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Am 8. Juli 2015 hat der Berichterstatter den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis
zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten durfte der Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil
über die Berufung entscheiden (§ 155 Abs. 3 und
4 sowie §
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Krankengeld für dieZeit ab 12. September 2010.
Nach §
44 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (
SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ein Versicherter ist arbeitsunfähig,
wenn er durch Krankheit daran gehindert ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten
(vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 18/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12).
Ein Anspruch auf Krankengeld für den streitigen Zeitraum 12. September 2010 bis 2. März 2011 scheitert daran, dass das Bestehen
von Arbeitsunfähigkeit nicht erwiesen ist.
Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit, dass eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers jedenfalls bis zum 11. September 2010
angedauert hat. Für die Zeit danach lässt sich der nötige Nachweis jedoch nicht erbringen. So besteht zunächst keine Bindung
einer Krankenkasse oder eines Gerichts an die ärztliche Feststellung, und zwar unabhängig davon, ob der Arzt zur Feststellung
der Arbeitsfähigkeit oder zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gelangt ist. Sowohl die Krankenkassen als auch gegebenenfalls
anschließend die Gerichte haben vielmehr aufzuklären, ob im streitbefangenen Zeitraum Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Dabei
ist eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in diesem Sinne ein Beweismittel wie jedes andere, so dass der durch sie
bescheinigte Inhalt durch andere Beweismittel widerlegt werden kann; ob eine solche Bescheinigung dort als ausreichender und
keiner weiteren Überprüfung bedürfender Nachweis angesehen werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und
unterliegt pflichtgemäßem (richterlichem) Ermessen. Lässt sich der Nachweis von Arbeitsunfähigkeit nicht erbringen, wirkt
sich die Beweislosigkeit entsprechend den Grundsätzen der objektiven Beweislast zum Nachteil des Versicherten aus, d.h. bei
Nichterweislichkeit der Arbeitsunfähigkeit kann ihm ein Anspruch auf Krankengeld nicht zustehen (vgl. Bundessozialgericht
aaO., Rdnr. 20).
In diesem Sinne ist die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum nicht erweislich. Dies geht zu seinen Lasten.
Zwar gibt es durchaus einen Anhaltspunkt für das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit, nämlich in Gestalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
des behandelnden Psychiaters Dr. L und dessen sonstigen Äußerungen im weiteren Verlauf des Verfahrens, so im Attest vom 13.
September 2010 und zuletzt im Befundbericht vom 24. Mai 2012. Diese ärztlichen Bekundungen zeichnen sich aber durch eine schwach
dokumentierte Befunderhebung aus. So schildert Dr. L im Wesentlichen die Selbstwahrnehmung des Klägers; im Attest vom 13.
September 2010 heißt es etwa: "Mein Patient klagt über eine ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung, so dass er in seinem gesamten
Leistungsvermögen deutlich eingeschränkt ist und aus diesen Gründen von mir seit September 2009 arbeitsunfähig geschrieben
wird." Auch im Befundbericht vom 24. Mai 2012 dominiert eine Wiedergabe der Klagen des Patienten, aus denen der Arzt unmittelbar
die Diagnose einer Depression mit der Schlussfolgerung auf Arbeitsunfähigkeit ableitet, ohne gleichzeitig eine überzeugende
Erhebung psychischer Befunde zu dokumentieren. In einem psychopathologischen Befund werden üblicher Weise u.a. Orientierung,
Aufmerksamkeit und Gedächtnis, formales Denken, inhaltliches Denken (z.B. Wahnhaftigkeit), Ich-Erleben, Wahrnehmungsstörungen
(z.B. Halluzination), Affekt, Antrieb und Psychomotorik, Eigen- oder Fremdgefährdung (z.B. Autoaggressionen oder Suizidalität),
neurologischer Status und Drogenkonsum als Parameter erfasst; dem werden die genannten Stellungnahmen von Dr. L nicht gerecht.
Sehr viel mehr in diese Richtung weist dagegen das Gutachten, das Prof. Dr. K am 25. August 2010 für den MDK erstellt hat,
das einen unauffälligen psychischen Befund dokumentiert und eine abwägende Beurteilung enthält. Insgesamt kann daher den Krankschreibungen
durch Dr. L kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Seine Schlussfolgerung auf Arbeitsunfähigkeit erscheint nicht
überzeugend und wird durch die Feststellungen des MDK-Gutachters zumindest erheblich in Zweifel gezogen.
An der Stärke der Beschwerden des Klägers lassen auch seine fehlenden Therapiebemühungen zweifeln. So kam es nicht zu der
vom behandelnden Arzt angesonnenen psychiatrischen Behandlung im teilstationären Bereich. Eine angebotene Psychotherapie wurde
zudem abgebrochen.
Nach alledem erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger auch nach dem 12. September 2010 aufgrund einer depressiven
Erkrankung arbeitsunfähig war. Belegt ist dies jedoch nicht in hinreichendem Maße. Denn es erscheint ebenso möglich, dass
bei dem Kläger primär eine Überlastung im beruflichen und familiären Bereich bestand (diesen Eindruck erweckte der Kläger
auch im Erörterungstermin vom 8. Juli 2015), die aber nicht automatisch gleichzusetzen ist mit einer zur Arbeitsunfähigkeit
führenden depressiven Erkrankung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.