Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der verstorbenen Versicherten, deren Rechtsnachfolger der Kläger ist.
Die am xxxxx 1942 geborene und am xxxxx 2014 verstorbene Versicherte (im Folgenden: Versicherte) führte bis 1997 gemeinsam
mit ihrem Ehemann - dem jetzigen Kläger - ein Gartenbauunternehmen und war bei der Beklagten freiwillig versichert. Danach
war sie zunächst über den Kläger familienversichert und ab März 2006 als Rentenantragstellerin bei der Beklagten pflichtversichert.
Seit dem 1. Mai 2006 bezog sie eine Rente von der Alterskasse für Landwirte in Höhe von seinerzeit EUR 206,93 monatlich und
seit dem 1. Dezember 2007 außerdem eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von seinerzeit EUR 140,52
monatlich. Sie war außerdem mit einer Kommanditeinlage von 10 Prozent des Stammkapitals Kommanditistin der T. GmbH & Co. KG,
deren Gegenstand nach dem Gesellschaftsvertrag die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere eines Grundstücks ist. Das restliche
Stammkapital hielt der Kläger.
Die Beklagte stellte als zuständige Kranken- und Pflegekasse mit Bescheid vom 20. März 2006 fest, dass die Versicherte ab
Mai 2006 als Bezieherin einer Rente der gärtnerischen Alterssicherung pflichtversichert sei. Da sie in ihrem diesbezüglichen
Antrag angegeben hatte, außerhalb des Gartenbaus gewerblich selbständig tätig zu sein, forderte die Beklagte vom zuständigen
Finanzamt eine Auskunft über die Höhe des Arbeitseinkommens in den Jahren 2002 bis 2004 an. Danach hatte die Versicherte Einkünfte
aus Gewerbebetrieb erzielt, die 2002 EUR 44.551, 2003 EUR 33.821 und 2004 EUR 8.238 betragen hatten. Aus dem von der Versicherten
übersandten Einkommenssteuerbescheid 2005 ergaben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 8.870.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 6. November 2007 fest, dass die Pflichtmitgliedschaft der Versicherten in
der Kranken- und Pflegekasse als Bezieherin einer Rente der gärtnerischen Alterssicherung mit dem 30. November 2007 beendet
werde und die Krankenversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fortgesetzt werde. Sie führte dazu aus, die Umstellung müsse
erfolgen, weil die Versicherte aufgrund ihrer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht
als Rentenbezieherin nicht erfülle.
Die Versicherte erhob dagegen Widerspruch und teilte mit, sie sei nicht selbständig tätig, sondern lediglich mit 10 Prozent
an der GmbH & Co. KG beteiligt. Eine aktive Tätigkeit sei damit jedoch nicht verbunden.
Mit Bescheid vom 29. November 2007 erhob die Beklagte für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. November 2007 Beiträge auf das
außerlandwirtschaftliche Arbeitseinkommen in Höhe von insgesamt EUR 2.798,51. Mit Bescheid vom 7. Januar 2008 erhob die Beklagte
für die Zeit ab 1. Januar 2008 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von EUR 196 monatlich und zur Pflegeversicherung
in Höhe von EUR 30,60 monatlich. Auch gegen diese Bescheide erhob die Versicherte Widerspruch.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit drei Widerspruchsbescheiden vom 17. Dezember 2008 zurück. Die Versicherungspflicht
in der Krankenversicherung sei ausgeschlossen, weil die Versicherte hauptberuflich selbständig erwerbstätig sei. Hauptberuflich
sei eine selbständige Erwerbstätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die
übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteige oder den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Wenn das Kriterium
des zeitlichen Aufwands völlig fehle, könne es nur auf die wirtschaftliche Bedeutung ankommen, sodass die selbständige Tätigkeit
dann hauptberuflich sei, wenn daraus die überwiegenden Einnahmen erzielt würden. Dies sei der Fall, da das Einkommen aus Gewerbebetrieb
die Renteneinkünfte der Versicherten weit überstiegen. Für den Zeitraum von Mai 2006 bis November 2007 unterliege das neben
dem Rentenbezug erzielte Einkommen der Beitragspflicht. Auch die Festsetzung der ab Januar 2008 zu entrichtenden Beiträge
sei zu Recht erfolgt.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Versicherte vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung
von 10 Prozent keine hauptberuflich selbständige Tätigkeit ausübe. Sie habe keinen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen
und wende keinerlei Arbeitskraft auf. Es handele sich vielmehr um eine reine Kapital- und Gewinnbeteiligung, welche keine
selbständige Tätigkeit im beitragsrechtlichen Sinne begründe.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 15. März 2011 die Bescheide vom 6. November 2007 und 7. Januar 2008 in der Fassung der
Widerspruchsbescheide vom 17. Dezember 2008 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Versicherte
sei auch über den 30. November 2007 hinaus als Bezieherin einer Rente der gärtnerischen Alterssicherung versicherungspflichtig.
Ein Ausschlusstatbestand liege nicht vor, denn es liege keine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit vor. Eine selbständige
Tätigkeit sei nämlich nur dann hauptberuflich, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her
die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteige, wobei der Zeit- und der Entgeltfaktor kumulativ vorliegen müssten. Vorliegend
sei ein zeitlicher Aufwand aber nicht gegeben, da die Versicherte keinerlei Arbeitstätigkeiten entfalte, sondern ihre Einkünfte
lediglich auf Beteiligungsrechten beruhten. Die Beklagte habe aber zu Recht die Beitragspflicht der Einkünfte aus Gewerbebetrieb
für die Zeit von Mai 2006 bis November 2007 festgestellt.
Die Beklagte hat am 2. Mai 2011 gegen das am 5. April 2011 abgesandte Urteil Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ein Vergleich
des zeitlichen Aufwandes scheide aus, wenn neben der selbständigen Tätigkeit keine andere Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.
Maßgebend für die Prüfung der Hauptberuflichkeit sei daher bei Rentnern das Arbeitseinkommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. März 2011 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf den bisherigen Vortrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits allein durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin
einverstanden erklärt (§
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige (§§
143,
151 SGG) Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Bescheide vom 6. November 2007 und 7. Januar 2008
zu Recht und mit zutreffender Begründung aufgehoben, denn die Versicherte war über den 30. November 2007 hinaus versicherungspflichtiges
Mitglied der Beklagten.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) sind Personen, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte erfüllen und diese Rente beantragt haben, in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig. Diese Voraussetzungen
waren ab 1. Mai 2006 erfüllt, da die Versicherte seit diesem Zeitpunkt eine Rente von der Alterskasse für Landwirte bezog.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Versicherungspflicht auch nicht nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist nicht versicherungspflichtig, wer außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich
selbständig erwerbstätig ist. Die Versicherte hat eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit aber nicht ausgeübt.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist eine selbständige Erwerbstätigkeit
dann als hauptberuflich anzusehen, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrigen Erwerbstätigkeiten
deutlich übersteigt (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 29.04.1997 - 10/4 RK 3/96 - Juris). Der Entgeltfaktor und der Zeitfaktor müssen also, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, kumulativ vorliegen.
Diese Grundsätze gelten nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch für den Bereich des hier maßgeblichen KVLG 1989 (BT-Drs. 12/5700 S. 95).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dabei ist bereits fraglich, ob die Versicherte, die in der T. GmbH & Co. KG nicht
aktiv mitgearbeitet hat, allein aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung als Kommanditistin überhaupt eine sozialversicherungsrechtliche
"Tätigkeit" ausgeübt hat. Jedenfalls aber hat sie eine etwaige Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt. Denn entgegen der
Auffassung der Beklagten ist der Zeitfaktor für die Beurteilung des Tatbestandselements "hauptberuflich" nicht nur für die
gewichtende Abgrenzung gegenüber parallel ausgeübten Beschäftigungen von Bedeutung. Vielmehr ist insoweit auch bei alleiniger
Ausübung einer selbständigen Tätigkeit deren Umfang maßgeblich (BSG, Urteil vom 29.02.2012 - B 12 KR 4/10 R; BSG, Urteil vom 10.03.1994 - 12 RK 3/94; beide Juris). Demzufolge kann nicht jede selbständige Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird, nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 zum Ausschluss der Pflichtversicherung führen, zumal anderenfalls die Regelung über die Beitragserhebung auf Arbeitseinkommen
bei Pflichtversicherten in § 45 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 leer liefe. Auf eine abweichende Darstellung der Rechtslage im "Leitfaden zur Beurteilung der Voraussetzungen über den Ausschluss
der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989" des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Krankenkassen kann sich die Beklagte mangels rechtlicher Bindungswirkung nicht
berufen.
Das Bundessozialgericht hat zwar bisher offengelassen, welchen zeitlichen Umfang eine Erwerbstätigkeit mindestens haben muss,
um als "hauptberuflich" gelten zu können. Jedenfalls nicht ausreichend ist insoweit aber, wenn - wie hier - die Tätigkeit
einer Versicherten nicht über die mit ihrer Gesellschafterstellung verbundenen notwendigen Aufgaben hinausging (BSG, Urteil vom 29.02.2012, aaO.).
Die Versicherungspflicht der Versicherten in der sozialen Pflegeversicherung ergibt sich aus §
20 Abs.
1 Nr.
3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs.
2 Nr.1
SGG) vor, da die maßgebliche Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist.