Rückforderung einer Erwerbsminderungsrente nach der Alterssicherung der Landwirte; Beendigung der Abgabe des landwirtschaftlichen
Unternehmens durch Aufnahme einer gewerblichen Viehzucht; Verfassungsmäßigkeit
Tatbestand:
Der 1951 geborene Kläger wendet sich gegen eine Rückforderung der ihm von der beklagten landwirtschaftlichen Alterskasse gewährten
Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger bewirtschaftete als Landwirt einen über 100 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Betriebsflächen hatte er
insbesondere von seiner Ehefrau angepachtet.
Im Februar 2008 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Dabei unterzeichnete er auch eine formularmäßige
Erklärung, wonach ihm seine dort im Einzelnen erläuterten Mitwirkungspflichten gemäß §
60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) bekannt seien und er namentlich verpflichtet sei, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich seien,
unverzüglich anzuzeigen.
Nachdem die medizinischen Voraussetzungen der begehrten Erwerbsminderungsrente festgestellt worden waren und der Kläger die
angepachteten Betriebsflächen an die Eigentümer zurückgegeben hatte, sprach ihm die Beklagte mit Bescheid vom 26. September
2008 ab Oktober 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 372,20 EUR brutto (entsprechend 335,54
EUR netto) zu.
Auf Nachfrage des Klägers teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 noch einmal ausdrücklich mit, dass er
vor Ablauf von neun Jahren auf den vor der Rentenbewilligung bewirtschafteten Flächen und Betriebsteilen keine gewerbliche
Tierzucht bzw. Tierhaltung betreiben dürfe.
Mit notarieller Urkunde vom 9. Februar 2009 gründete der Kläger als Alleingesellschafter eine auf seinen Namen lautende GmbH
(im Folgenden: GmbH), wobei er sich zugleich zum Geschäftsführer bestellte. Ausweislich eines von der GmbH für die Landwirtschaftliche
Berufsgenossenschaft ausgefüllten Betriebsfragebogens betrieb diese seit dem 9. Februar 2009 eine Mastschweinehaltung mit
260 Tieren, wobei sie 3,28 ha Stilllegungsflächen und 2,20 ha extensiv genutztes Gründland angepachtet hatte.
Nachdem der Kläger Nachfragen der Beklagten hinsichtlich der Identität der von der GmbH genutzten Flächen und Betriebsteile
mit den von ihm während seiner früheren landwirtschaftlichen Tätigkeit genutzten Flächen und Betriebsteilen zunächst unbeantwortet
gelassen hatte, entzog ihm die Beklagte mit Bescheid vom 19. August 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3.
November 2009 die Rente wegen Erwerbsminderung ab September 2009 wegen fehlender Mitwirkung.
Diesbezüglich hat der Kläger am 2. Dezember 2009 die vorliegende Klage erhoben. Im August 2010 stellte die GmbH die Mastschweinhaltung
ein.
Im Klageverfahren teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2010 mit, dass die von der GmbH angepachteten 5,64 ha
Betriebsflächen, die im Eigentum seiner Ehefrau stünden, früher auch von ihm im Rahmen seines damaligen landwirtschaftlichen
Betriebes genutzt worden seien, und zwar Teilflächen im Umfang von 1,27 ha bis zum 30. September 2007 und die weiteren 4,37
ha bis zum 30. September 2008. In der Zeit zwischen der Rückgabe dieser Flächen an die Eigentümerin und der Beginn der Nutzung
durch die GmbH hätten Dritte die Flächen bewirtschaftet.
Unter Berücksichtigung der damit aus ihrer Sicht nachträglich erfolgten Mitwirkung des Klägers hob die Beklagte ihren Bescheid
vom 19. August 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2009 mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011 auf.
Unter dem gleichen Datum erließ sie einen weiteren Bescheid, mit dem sie gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ihren Rentenbewilligungsbescheid vom 26. September 2008 für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2010 aufhob.
Die GmbH, deren Alleingesellschafter der Kläger sei, habe in diesem Zeitraum auf Gebäude- und Freiflächen, die Stammsitz des
vom Kläger bis Herbst 2008 angepachteten landwirtschaftlichen Unternehmens gewesen seien, eine gewerbliche Tierhaltung betrieben.
Daraus folge, dass der Rentenanspruch des Klägers in diesem Zeitraum nach § 30 Abs. 2 ALG geruht habe.
Die daraufhin nur noch gegen diesen Bescheid vom 3. Mai 2011 fortgeführte Klage ist vom Sozialgericht Stade mit Urteil vom
22. Februar 2012, dem Kläger zugestellt am 29. Februar 2012, abgewiesen worden. Der Kläger habe ab Februar 2009 in denjenigen
Stallungen Schweinemast in Form einer gewerblichen Tierhaltung aufgenommen, die er zuvor bis zum 30. September 2008 als Landwirt
angepachtet habe. Dies habe eine Beendigung der Flächenabgabe nach § 30 Abs. 2 Satz 1 ALG bewirkt. Hinsichtlich der abgegebenen Flächen stelle das Gesetz die gewerbliche Tierhaltung einer landwirtschaftlichen Nutzung
gleich.
Mit der am 26. März 2012 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass die von der GmbH betriebene Schweinemast über
eine eigene Betriebsnummer verfügt habe; die für seinen früheren landwirtschaftlichen Betrieb vergebene Nummer sei mit der
Aufgabe dieses Betriebes gelöscht worden. Angesichts der geringen Größe der von der GmbH (und nicht etwa von ihm selbst) 2009
angepachteten Flächen sei ihm durch deren Anpachtung gar nicht die Möglichkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung eröffnet
worden; in Betracht sei lediglich eine gewerbliche Tierhaltung gekommen.
Eine gewerbliche Tierhaltung stehe der Annahme einer Flächenabgabe nur in Fällen einer kontinuierlichen Tierhaltung entgegen;
der gesetzliche Ausnahmetatbestand erfasse keine Fallgestaltungen der vorliegend zu beurteilenden Art. Die vom Gesetzgeber
angestrebten agrarstrukturellen Ziele seien bereits mit der Rückgabe der Pachtflächen an die Eigentümerin erfüllt worden.
Bezeichnenderweise hätte es ihm auch nach Auffassung der Beklagten freigestanden, auf anderen (von ihm früher nicht als Landwirt
bewirtschafteten) Flächen eine gewerbliche Tierzucht aufzunehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 22. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid vom 3. Mai 2011, der an die Stelle des Ausgangsbescheides vom 19. August
2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2009 getreten und nach §
96 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in das vorliegende Verfahren einbezogen worden ist, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
In formeller Hinsicht begegnet der Bescheid vom 3. Mai 2011 keinen Bedenken. Insbesondere hat die Beklagte den Kläger bereits
mit Schreiben vom 6. Juli 2009 ausdrücklich zu einer bereits seinerzeit in Aussicht genommenen Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides
gemäß § 24 SGB X angehört. Dementsprechend bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die von Seiten der Beklagten vorsorglich mit Schreiben vom
17. Februar 2012 überdies vorgenommene Nachholung einer Anhörung ihrerseits allen rechtlichen Anforderungen (vgl. BSG, U.v. 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2) zu genügen vermag.
Die erforderliche Ermächtigungsgrundlage für den Aufhebungsbescheid vom 3. Mai 2011, auf dessen zutreffende Begründung der
Senat im Übrigen Bezug nimmt, ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen
haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll (Satz 2) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse
aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht
zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen
ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder
zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum
Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Einen entsprechenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung beinhaltete der Rentenbewilligungsbescheid der Beklagten vom 26. September
2008. Der mit diesem Bescheid dem Kläger zuerkannte Erwerbsminderungsrentenanspruch ist mit Wirkung zum 1. März 2009 bedingt
durch die Aufnahme einer gewerblichen Viehzucht durch die vom Kläger als Alleingesellschafter und Geschäftsführer geführte
GmbH auf einem Teil der Betriebsflächen, die der Kläger bis September 2008 für seinen damaligen landwirtschaftlichen Betrieb
von seiner Ehefrau angepachtet hatte, in Wegfall geraten.
Diese wesentliche Änderung in den dem Rentenbewilligungsbescheid zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnissen in Form eines
Wegfalls der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen ergibt sich aus § 30 Abs. 2 Satz 1 ALG. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf die Rente vom Beginn des folgenden Kalendermonats an, sofern der Rentenempfänger
ein oder mehrere Unternehmen der Landwirtschaft oder Unternehmensteile, deren Wirtschaftswert allein oder zusammen mit demjenigen
nicht abgegebener Unternehmensteile die Grenzwerte nach § 21 Abs. 7 überschreitet, übernimmt oder er Mitunternehmer eines
Unternehmens der Landwirtschaft, Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Mitglied einer juristischen Person
wird, die ein Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 betreibt, oder wenn die Abgabe nach § 21 Abs. 2 und 4
vor Ablauf von neun Jahren endet, wobei Zeiten einer vorhergehenden Abgabe nach § 21 Abs. 2 oder 4 berücksichtigt werden.
Im vorliegenden Fall hat die Aufnahme einer gewerblichen Viehzucht durch die (vom Kläger als Alleingesellschafter und Geschäftsführer
geführte) GmbH auf einem Teil der früheren landwirtschaftlichen Betriebsflächen zu einer Beendigung der Abgabe des landwirtschaftlichen
Unternehmens im Sinne dieses gesetzlichen Ruhenstatbestandes geführt. Diese Beendigung ist nur wenige Monate nach der Betriebsabgabe
und damit (erheblich) vor Ablauf der maßgeblichen Neunjahresfrist erfolgt.
Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 ALG gilt ein Unternehmen der Landwirtschaft als abgegeben, wenn
1. die landwirtschaftlich genutzten Flächen verpachtet sind, 2. diese mit einem Nießbrauch zugunsten Dritter belastet sind
oder 3. in ähnlicher Weise die landwirtschaftliche Nutzung auf eigenes Risiko auf längere Dauer unmöglich gemacht ist.
Sofern die landwirtschaftlich genutzten Flächen Gegenstand eines Vertrages sind, bedarf dieser (Satz 2) der Schriftform; der
Vertrag oder die Unmöglichkeit der Nutzung im Sinne des Satzes 1 Nr. 3 muss sich auf einen Zeitraum von mindestens neun Jahren
erstrecken. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 gilt das Unternehmen nach § 21 Abs. 2 Satz 4 ALG (in der in dem zu beurteilenden Zeitraum maßgeblichen Fassung vom 29. Juli 1994, BGBl. I 1890) nicht als abgegeben, wenn
weiterhin gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich im Sinne des
Bewertungsgesetzes betrieben wird.
Der Abgabe steht nach § 21 Abs. 4 ALG gleich, wenn die landwirtschaftlich genutzten Flächen stillgelegt sind. Flächen gelten als stillgelegt, wenn die landwirtschaftliche
Nutzung ruht und nicht die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 vorliegen.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger den ursprünglich von seiner Ehefrau gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb vor Bewilligung
der Erwerbsminderungsrente dadurch im Sinne des § 21 ALG "abgegeben", dass er das Pachtverhältnis mit der Ehefrau beendet hatte.
Der Gesetzeswortlaut des § 21 ALG kennt keine Abgabe in dieser Form. Gleichwohl wird sie in ständiger Rechtsprechung über den Gesetzeswortlaut hinaus anerkannt.
Nach der Rechtsprechung des BSG erfasst der Wortlaut nicht alle Abgabeformen; dies gilt insbesondere für die Abgabe durch einen Pächter. So lasse sich die
hier regelmäßig in Betracht kommende Rückgabe des Pachtlandes an den Verpächter nicht ohne weiteres in den Wortlaut des Gesetzes
einordnen; mit ihr sei weder ein Eigentumsübergang noch eine schriftliche Überlassungsvereinbarung für neun Jahre verbunden.
Gleichwohl müsse sie nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine Abgabe darstellen. Die Unternehmensabgabe bedeute nach dem ihr
zugrunde liegenden Sinn und Zweck den dauerhaften Verlust der Unternehmereigenschaft. Es müsse dem bisherigen Unternehmer
verwehrt sein, aus eigener Rechtsmacht alsbald oder jederzeit die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen und so die Unternehmereigenschaft
wieder zu erlangen; für eine Abgabe sei es daher erforderlich, aber auch genügend, dass sich der bisherige Unternehmer "prinzipiell
endgültig" von dem Land getrennt habe (BSG, Urteil vom 26. August 1987 11a RLw 5/86 SozR 5850 § 2 Nr 13 zur Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 3 GAL).
Ist schon die Form der Abgabe als solche im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, dann kann die Antwort auf die Frage, ob eine
solche Abgabe im Sinne des § 30 Abs. 2 ALG vor Ablauf von neun Jahren "endet", auch nicht allein am Wortlaut des Gesetzes haften bleiben. Vielmehr ist der maßgebliche
Tatbestand einer Beendigung der Abgabe insbesondere unter Einbeziehung der gesetzgeberischen Zielsetzung zu bestimmen.
Mit der gesetzlich vorgegebenen Langfristigkeit der Abgabe soll das Ziel erreicht werden, für den Abgebenden in Zukunft eine
(landwirtschaftliche) Bewirtschaftung der Flächen auszuschließen und so eine sinnvolle Weiterbewirtschaftung durch den Übernehmer
zu gewährleisten (BSG, U.v. 30. August 2007 - B 10 LW 4/06 R - SozR 4-5868 § 30 Nr 1). Anzustreben ist ein tatsächlicher Ausschluss des Abgebenden von einer (landwirtschaftlichen oder
dieser gleichgestellten) Bewirtschaftung der Flächen für einen Zeitraum von jedenfalls neun Jahren; dabei kommt es für die
Umsetzung dieser gesetzgeberischen Zielvorgabe nicht darauf an, ob eine solche Bewirtschaftung weiterhin unter der alten oder
ggfs. unter einer neuen Betriebsnummer erfolgt.
Das Gesetz sieht einen Übergang zu einer (einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich betriebenen) gewerblichen Tierzucht oder
gewerblichen Tierhaltung nicht als Abgabe an, "da anderenfalls die agrarstrukturelle Zielsetzung (der Abgabe) konterkariert
würde" (so die Begründung des Gesetzesentwurfs: BT-Drucks 12/5700 S 73 zu § 21). Das Gesetz stellt also hinsichtlich der abgegebenen
Flächen die einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich betriebene gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung der landwirtschaftlichen
Nutzung gleich (BSG, U.v. 30. August 2007, aaO.). Insoweit unterscheidet das Gesetz zwischen einer gewerblichen Tierhaltung, die auf den früheren
landwirtschaftlichen Flächen betrieben wird, und einer solchen Tierhaltung, die auf anderen Flächen erfolgt. Nur ersterer
wird eine Relevanz im Sinne einer Konterkarierung der agrarstrukturellen Zielsetzung beigemessen; die Beteiligung an einer
gewerblichen Tierhaltung auf Flächen, die (anders als im vorliegenden Fall) zuvor nicht zum landwirtschaftlichen Unternehmen
des Rentenbeziehers (oder seines Ehegatten) gehört haben, führt hingegen nicht zum Ruhen der Altersrente (BSG, aaO.).
Hiervon ausgehend wird eine Abgabe der landwirtschaftlichen Flächen dadurch im Sinne des § 30 Abs. 2 ALG "beendet", wenn der abgebende Landwirt (innerhalb der erläuterten Neunjahresfrist) nach Beendigung des bisherigen Pachtverhältnisses
die Flächen (oder jedenfalls einen Teil derselben) erneut für den Betrieb einer gewerblichen Tierzucht anpachtet.
Im vorliegenden Fall hat allerdings nicht der Kläger persönlich, sondern die Dr. I. GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer
der Kläger war, einen Teil der vom Kläger zurückgegebenen Flächen einschließlich der (bis September 2008 ebenfalls im Rahmen
des damaligen landwirtschaftlichen Betriebes genutzten) Stallungen von der Eigentümerin für den Betrieb einer gewerblichen
Tierzucht angepachtet.
Jedenfalls angesichts der wirtschaftlichen Beherrschung dieser GmbH durch den Kläger ist ihm damit auf diesem Wege ein erneuter
Zugriff auf die abgegebenen Flächen (vor Ablauf der Neunjahresfrist) eröffnet worden, der einer Annahme einer fortdauernden
Abgabe entgegensteht. Für diese Einschätzung sprechen auch die den Regelungen in §§ 21 Abs. 8 und 30 Abs. 2 ALG zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen.
Eine anderweitige Interpretation der gesetzlichen Vorgaben würde einer Umgehung der (bis zum 18. April 2012 maßgeblichen)
gesetzlichen Vorgaben des § 21 Abs. 2 Satz 4 ALG weiten Raum lassen und damit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen widersprechen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorstehend herangezogenen gesetzlichen Vorgaben sind nicht ersichtlich. Die sog.
Hofabgabepflicht nach dem GAL und dem ALG ist durch die Rechtsprechung des BSG bisher stets als wirksam und mit höherrangigem Recht vereinbar angesehen worden (BSG, U.v. 25. Februar 2010 B 10 LW 1/09 R SozR 4-5868 § 13 Nr 5).
Die Verknüpfung eines (Erwerbsminderungs-)Rentenanspruchs mit der vorausgegangenen Abgabe des Hofes durch den Landwirt in
§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ALG ist nicht verfassungswidrig; denn diese Regelung dient der Erreichung eines mit der landwirtschaftlichen Altersversicherung
verfolgten strukturpolitischen Zieles, nämlich die Übergabe landwirtschaftlicher Unternehmen an jüngere Inhaber zu fördern
(vgl BSG, U.v. 25. Februar 2010, aaO., U.v. 19. Februar 2009 - B 10 LW 3/07 R - SozR 4-5868 § 1 Nr 7; BVerfG, B.v. 1. März 2004 - 1 BvR 2099/03 - SozR 4-5868 § 1 Nr 3 RdNr 18).
Die Beklagte hat den Rentenbewilligungsbescheid auch zutreffend rückwirkend bereits ab dem 1. März 2009 und damit ab dem Beginn
des der Änderung im Sinne des § 30 Abs. 2 ALG folgenden Monats aufgehoben. Die erforderliche Ermächtigung ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Der Kläger war nach §
60 Abs.
1 Nr.
2 SGB I als Bezieher einer Erwerbsminderungsrente aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen,
die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich
mitzuteilen. Aus den dargelegten Gründen war insbesondere die Aufnahme einer gewerblichen Tierzucht durch die (vom Kläger
als Alleingesellschafter und Geschäftsführer geführte) GmbH auf einem Teil der früheren landwirtschaftlichen Betriebsflächen
vom Kläger unverzüglich der Beklagten anzuzeigen.
Dieser Mitteilungspflicht ist der Kläger nicht nachgekommen. Diesbezüglich ist auch der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit
zu machen. Der Kläger ist bereits bei Rentenantragstellung ausdrücklich auf die Mitteilungspflichten nach §
60 SGB I hingewiesen worden; er hat das entsprechende Hinweisformular im Übrigen auch unterzeichnet. Die Relevanz der Aufnahme einer
gewerblichen Tierzucht ist ihm überdies noch einmal mit Schreiben der Beklagten vom 2. Dezember 2008 verdeutlicht worden.
Gleichwohl hat der Kläger sehenden Auges von einer Unterrichtung der Beklagten Abstand genommen.
Da der Beklagten erst durch den Schriftsatz des Klägers vom 8. Dezember 2010 die erforderliche Kenntnis der Tatsachen vermittelt
worden ist, aufgrund derer sie zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 Abs. 1 SGB X berechtigt war, hat sie auch die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 SGB X gewahrt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht gegeben. Soweit im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Bedeutung der Auslegung des früheren § 21 Abs. 2 Satz 4 ALG zukommt, fehlt inzwischen eine Klärungsbedürftigkeit als Voraussetzung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, da
§ 21 Abs. 2 Satz 4 ALG mit Wirkung vom 19. April 2012 mit Art. 4 Nr. 5 lit. a) des Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz
- LSV-NOG) vom 12. April 2012 (BGBl. I 579) aufgehoben worden ist und es sich damit um außer Kraft getretenes Recht handelt
(vgl. dazu auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., §
160 Rn. 8d).