Streit über die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs
Geltendmachung höherer Fahrkosten im öffentlichen Personennahverkehr im Zusammenhang mit einer Methadonbehandlung und regelmäßigen
Arztterminen
Vorliegen einer atypischen Bedarfslage
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs in der Zeit von August 2012 bis Mai 2013 im Streit;
der Kläger macht höhere Fahrkosten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Zusammenhang mit einer Methadon - Substitutionsbehandlung
und regelmäßigen Arztterminen geltend.
Der 1981 geborene Kläger leidet unter den Auswirkungen u.a. einer Hepatitis C -Erkrankung und einer HIV - Infektion. Seine
Eltern sind verstorben, nach eigenen Angaben hat er auch keine weiteren nahen Angehörigen. Nach seiner Haftentlassung im März
2012 wohnte er im C. D. - Haus, einer stationären Einrichtung der Wohnungshilfe in Trägerschaft der Caritas. Durch Bescheid
vom 15.05.2012, geändert durch Bescheid vom 27.07.2012 bewilligte der Beklagte ihm für die Zeit vom 07.05.2012 bis 30.11.2012
und durch Bescheid vom 21.11.2012, geändert durch Bescheid 21.01.2013 für die Zeit vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Arbeitslosengeld
II in Höhe von 717,40 EUR monatlich (Regelbedarf 374 EUR; Mehrbedarf für Ernährung 37,40 EUR; Kosten der Unterkunft und Heizung
306,00 EUR).
Am 29.11.2012 beantragte der Kläger die Übernahme von Fahrkosten für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 01.08.2013 im Zusammenhang
mit seiner Substitutionsbehandlung. Er müsse täglich morgens zur Methadon - Ambulanz der Krisenhilfe in C., um die Substitutionsbehandlung
durchzuführen. Zur Behandlung der Hepatitis C-Erkrankung und der HIV-Infektion müsse er zusätzlich alle 14 Tage in das T.
K. - Hospital in C. Die Fahrkosten bezifferte er mit 144,00 EUR monatlich (7 Tage pro Woche je 4,80 EUR Hin- und Rückfahrt
zur Substitution; 2 x im Monat 4,80 EUR Hin- und Rückfahrt zum T. K.-Hospital). Er bekomme vom Träger des Wohnheimes nur ein
Taschengeld ausgezahlt. Die Übernahme der Fahrkosten durch einen "Taxischein" habe seine Krankenkasse nicht bewilligt. Es
bestehe deshalb eine besondere Bedarfslage, die durch den Regelsatz nicht abgedeckt sei. Der Bedarf sei unabweisbar, da er
auf die Behandlung angewiesen sei.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vorn 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013 mit
der Begründung ab, die geltend gemachten Fahrkosten seien schon objektiv nicht erforderlich, da die Möglichkeit bestehe, für
das Gebiet der Stadt C. ein Sozialticket zum Preis von 29,90 EUR monatlich zu erwerben. Diese Kosten seien aus der Regelleistung
zu tragen. Der Kläger könne sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die ihm bewilligten Sozialleistungen an den Träger
seiner Wohneinrichtung überwiesen würden und er nur ein Taschengeld zur freien Verfügung habe. Der Träger der Wohneinrichtung
könne vom Alg II nur Einbehaltungen machen, soweit er Sachleistungen erbracht habe, die ansonsten aus der Regelleistung zu
tragen wären. Bei Unklarheiten sei der Träger ggf. zur Rechnungslegung verpflichtet. Die Kosten für Unterkunft und Heizung
würden besonders abgerechnet und dem Träger der Einrichtung überwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 30.04.2013 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Wegen seiner Unterbringung stehe ihm nicht der gesamte Regelbedarf zur Verfügung. Von seinem Taschengeld
(103,14 EUR) und Bekleidungsgeld (38,10 EUR) könne er die Kosten für ein Sozialticket nicht aufbringen. Die Kosten für das
Ticket überstiegen auch den in Abteilung 7 der Verbrauchsausgaben errechneten Anteil von 6,3 % erheblich. Nachweise für angefallene
Fahrtkosten könne er nicht vorlegen. Manchmal sei er ohne Fahrschein gefahren, einige Termine habe er auch ausfallen lassen
müssen. Gelegentlich habe ihn ein Mitarbeiter des Hauses mit in die Stadt genommen. Konkrete Angaben könne er nicht machen.
Das SG hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage durch Urteil vom 12.09.2014 abgewiesen.
Angefochten sei der Bescheid des Beklagten vom 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013. Der Kläger
habe den Streitgegenstand insoweit beschränkt, als Kosten der Unterkunft nicht im Streit stünden. Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts im Übrigen ließen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Gegenstände aufspalten, so dass
die Gewährung eines Mehrbedarfs allein nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könne. Die Klage
sei für den Zeitraum von Juni 2013 bis August 2013 unzulässig. Der angefochtene Bescheid lasse zwar keine ausdrückliche Bezugnahme
auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt erkennen. Der Beklagte habe aber nur eine Entscheidung über Bewilligungsabschnitte
getroffen, die zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit bzw. der Gegenwart lagen. Im Übrigen sei die Klage
unbegründet. Der Beklagte habe zu Recht auf den Antrag vom 29.11.2012 hin die Gewährung eines Mehrbedarfs nach §.48 Zehntes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.05.2013 abgelehnt. Der vom Kläger geltend gemachte Bedarf sei nicht unabweisbar iSv §
21 Abs. 6 SGB II, da in Bochum die Möglichkeit zum Erwerb eines Sozialtickets bestehe. Das Sozialticket koste monatlich 29,90 EUR. Da dieses
Ticket für das gesamte Stadtgebiet C. gelte, seien höhere Kosten nicht übernahmefähig. Der Regelbedarf berücksichtige bereits
Ausgaben für den Verkehr. Auf die Verbrauchsausgaben für den Verkehr entfielen ca. 6,3 % des Regelbedarfs. Dies bedeute, dass
im Jahr 2011 ca. 23,56 EUR und im Jahr 2012 ca. 24,07 EUR aus dem Regelbedarf auf die Ausgaben für den Verkehr entfielen.
Die tatsächlichen Kosten für ein Sozialticket überstiegen diesen Betrag nur unerheblich. Die Unterschreitung betrage rechnerisch
weniger als 2 % des Regelbedarfs. Damit weiche der "ungedeckte" Bedarf nicht erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf
ab. Der Kläger müsse die Fahrkosten schließlich ungeachtet seiner Wohnsituation aus dem Regelsatz bestreiten. Es sei insbesondere
nicht beachtlich, dass ihm nicht der komplette Regelsatz, sondern lediglich das vom Einrichtungsträger ausgezahlte Taschengeld
zur Verfügung stehe. Die Einbehaltung führe nicht zu einem ungedeckten Bedarf. Sollte der ausgezahlte Betrag nicht zur Bestreitung
des Lebensunterhalts reichen, sei der Kläger gehalten, sich an den Träger der Wohneinrichtung zu wenden.
Nach Zustellung des Urteils am 23.09.2014 hat der Kläger am 15.10.2014 Berufung eingelegt. Sein im Berufungsverfahren anfänglich
weiter verfolgtes Begehren auf Zahlung eines Mehrbedarfs in Höhe von 144,00 EUR hat er in der mündlichen Verhandlung auf Übernahme
der Kosten für ein Sozialticket (29,90 EUR) beschränkt. Er sieht weiterhin eine besondere Bedarfslage, die der Regelsatz nicht
abdecke. Die Besonderheit liege darin, dass er seit der Haftentlassung im Caritas-Übergangswohnheim "D.-Haus" in C. lebe und
den Bewohnern dort nicht der Regelsatz gemäß § 21 SGB II, sondern monatlich nur ein Taschen- und Bekleidungsgeld zur Verfügung stehe. Der Bedarf sei unabweisbar, da er medizinisch
auf die Substitutionsbehandlung angewiesen sei. Das monatliche Taschengeld setze er für Gegenstände des persönlichen Bedarfes
ein, wie z.B. Zahnpasta, besondere Lebensmittel in Bezug auf seine Erkrankungen, Hygieneartikel und Medikamente, die nur auf
Privatrezept erhältlich seien. Der Betrag ermögliche ihm ferner in geringem Umfang eine Teilnahme am kulturellen Leben. Er
bezahle davon Eintrittsgelder zu Veranstaltungen oder für einen Freibadbesuch. Als Mensch mit Behinderung habe er zudem einen
erhöhten Bedarf zur Deckung seiner persönlichen Bedürfnisse. Zudem überstiegen die Kosten des Sozialtickets den Anteil, der
in Abteilung 7 der Verbrauchsausgaben für Mobilität errechnet worden sei. Bei 6,3 % vom Regelsatz sei das möglicherweise nur
eine geringfügige Differenz, nicht aber unter Berücksichtigung des ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Teils der Regelsatzleistung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2014 zu ändern und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 07.03.2013
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.05.2013
einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II in Höhe von 29,90 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Er hält seine Verwaltungsentscheidung weiterhin für zutreffend und verweist ergänzend auf die ihn überzeugenden Ausführungen
im angefochtenen Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte des Beklagten; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die bei Einlegung des Rechtsmittels statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat durch das angefochtene Urteil vom 12.09.2014 die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten
vom 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013 ist, soweit er noch zur gerichtlichen Überprüfung
steht, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG). Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, dem Kläger neben dem Regelbedarf auch einen Mehrbedarf zu zahlen. Ein solcher
Mehrbedarf steht ihm für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.05.2013 in Höhe von 29,90 EUR zu.
Dabei kann es hier dahinstehen, ob angesichts des bei Antragstellung am 29.11.2012 bereits bekannt gegebenen Bescheides vom
21.11.2012 ein positiver Bescheid nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erteilen oder ob einer eingetretenen (tatsächlichen oder rechtlichen) Änderung durch einen Bescheid gem. § 48 GB X Rechnung zu tragen war (vgl BSG, 20.07.2005 - B 13 RJ 37/04 R - [...] Rn.2; zur Prozessökonomie Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2104, §
96 Rn. 1 ff.). Jedenfalls hat der Beklagte sowohl nach Maßgabe des § 44 Abs. 1 SGB X. als auch gem. § 48 Abs. 1 SGB X zu Unrecht die dem Kläger zustehenden Leistungen um einen Mehrbedarf von 29.90 EUR monatlich zu niedrig festgesetzt.
Nach § 21 Abs. 6 SGB II erhalten Leistungsberechtigte einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer
Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter
Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen (Leistungsberechtigten) gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich
von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2).
Diese Voraussetzungen sind für die Fahrkosten des Klägers zur Methadonbehandlung und zu den Klinik-Terminen dem Grunde nach
erfüllt.
Es handelt sich um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II, denn die Fahrkosten innerhalb des Bewilligungszeitraum fielen - auch prognostisch aus damaliger Sicht (vgl zu den Anforderungen
BSG Urteile vom 04.06.2014 - B 14 AS 30/13 R; vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R [...] Rn 17) - wiederkehrend, langfristig und dauerhaft an. Durch die tägliche Methadonsubstitution unter ärztlicher Aufsicht
- nur das ist im Rahmen allgemeiner Verbote nach dem BtmG straffrei und als spezifische Behandlung nach dem Leistungskatalog des
SGB V von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung für besonders stark abhängigkeitskranke Versicherte anerkannt - sind
diese täglichen Fahrten ebenso regelmäßig wie die zweiwöchentlichen Kliniktermine. Der Bedarf war angesichts der Art der gesundheitlichen
Beeinträchtigungen, die Gegenstand der Behandlung waren (und weiterhin sind), ein dauernder und langfristiger.
Nach Auffassung des Senats stellen die Fahrkosten ungeachtet des Umstandes, dass im Regelbedarf ein Anteil für Fahrkosten
enthalten ist, auch einen besonderen Bedarf dar (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R [...] Rn 18). Sie entspringen einer atypischen Bedarfslage, da die Fahrkosten für Arztbesuche in dieser Häufigkeit wesentlich
über das hinausgehen, was für "normale" Empfänger von Grundsicherungsleistungen gilt (vgl BSG Urteile vom 04.06.2014 - B 14 AS 30/13 R; vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R [...] Rn 17). Dies betrifft im Ausgangspunkt sowohl die Anzahl der Fahrten als auch die dadurch verursachten Kosten. Die
Behandlungsstellen (Krisenhilfe und T.K.-Hospital) sind vom Wohnort (T. D.-Haus) nicht fußläufig erreichbar. Die Fahrten zur
Methadon-Ambulanz und zur Klinik betreffen zudem erkennbar nicht die üblichen Fahrten im Alltag, sondern sind der speziellen
Situation des Klägers geschuldet, der als Abhängigkeitskranker die Substitution engmaschig täglich durchführen und alle 14
Tage regelmäßig zur Behandlung der Hepatitis C- und HIV-Erkrankung das T. K.-Hospital in C. aufsuchen muss. Insofern handelt
es sich hier um grundsätzlich zusätzliche Fahrten und Kosten.
Der Bedarf ist zur Überzeugung des Gerichts auch unabweisbar. Unabweisbar sind zunächst die medizinischen Behandlungen in
dem genannten Umfang, auf die der Kläger wegen seines durch die Auswirkungen der Dauererkrankungen bereits reduzierten gesundheitlichen
Zustandes zwingend angewiesen ist. Unabweisbar ist ebenfalls die Benutzung des ÖPNV, da die Orte der Behandlung mit einer
Entfernung von mehreren Kilometern für den Kläger nicht fußläufig erreichbar waren. Wenn auch nicht in der Höhe der ursprünglich
geltend gemachten - bei Abrechnung von Einzelfahrten - (tatsächlichen) Kosten von 144,00 EUR, sondern nur in Höhe der Kosten
des Sozialtickets (29,90 EUR) ist der Bedarf ebenfalls unabweisbar. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hält der Senat
diese Kosten nicht für unerheblich, auf Einsparmöglichkeiten (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II) kann der Kläger nicht verwiesen werden (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R [...] Rn 18).
Im Regelbedarf sind zwar Ausgaben für den Verkehr (6,3 Prozent des Regelbedarfs, vgl. § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung
des Regelbedarfs) berücksichtigt, denn in der Abteilung 7 der Verbrauchsausgaben für Mobilität ist ein Anteil der Fahrkosten
für die alltägliche Mobilität am Wohnort bzw. Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ("ohne Reisen") enthalten. Damit wird aber
der Preis für das Sozialticket nicht abgedeckt. Es fehlt - ausgehend von der hier noch anwendbaren Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
2008 (EVS 2008, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2008, www.destatis.de) ein Betrag von 6,34 EUR (2011) bzw. 5,83 EUR (2012).
Möglichkeiten einer Bedarfsdeckung durch Dritte sind hier nicht ersichtlich. Mitnahmemöglichkeiten etwa durch Familienangehörige
scheiden aus; soweit Mitarbeiter des D.-Hauses dem Kläger nur gelegentlich einmal Fahrgelegenheiten geboten haben, war dies
bei weitem nicht ausreichend. Einsparmöglichkeiten bestehen im engeren Sinne und bezogen auf den Preis der Einzelfahrten nur
durch die Anschaffung eines Sozialtickets. Im Besitz einer solchen Monatskarte war der Kläger tatsächlich nicht. Reichen hypothetische
Einsparmöglichkeiten schon grundsätzlich nicht aus (BSG Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 30/13 R [...] Rn. 24), so handelt es sich bei der Anschaffung des Sozialtickets auch deshalb nicht um ein realistische, jedem vernünftigen,
wirtschaftlich denkenden Leistungsbezieher einleuchtende Möglichkeit, weil der Erwerb der Monatskarte durch den Regelbedarfsanteil
von vorneherein nicht gedeckt ist. Jedenfalls aus diesem Grund kann der Erwerb einer Monatskarte auch im Sozialtarif von einem
Empfänger von Grundsicherungsleistungen typischerweise nicht erwartet werden. Die rechnerische Verschiebung seiner Mittel
auf den gedeckten und aller ungedeckten Anteil der Monatskarte hält das Gericht schon im Ausgangspunkt für unzulässig, da
es sich, wie festgestellt, bei den Fahrkosten um einen insgesamt ungedeckten besonderen Bedarf handelt. Sie bedeutete eine
ständige ungewollte Unterdeckung, die letztlich dazu führte, dass die vorgesehenen sog Ansparbeträge aufgezehrt würden (vgl
BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R [...] Rn 20). Unerheblich wäre diese Unterdeckung von vorneherein nicht, denn nach Auffassung des Gerichts können Unterschreitungen
nur im Bagatellbereich als unerheblich eingestuft werden (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R [...] Rn 19 nicht nur unbedeutender wirtschaftlicher Umfang). Bei fehlenden allgemein gültigen materiellen Bagatellgrenzen
(vgl. BSG Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 30/13 R [...] Rn. 28; dazu auch Anmerkung zu diesem Urteil von Berlit, jurisPR-SozR 9/2015 Anm. 2) kommt die Ablehnung auch nur
geringfügiger Fahrkosten nicht in Betracht. Der Verweis auf die Inanspruchnahme des Ansparbetrags für notwendige Anschaffungen
(§ 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II) ist hier im Ansatz auch deshalb unzulässig, weil dieser nur dazu dient, einmalige Bedarfe abzufangen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R; iuris Rn 20).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 SGG und trägt dem Anteil, mit dem der Kläger mit der Klage durchgedrungen ist, Rechnung.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da jedenfalls die Frage nach dem Mehrbedarf wegen entstehender Fahrtkosten angesichts
hochfrequent notwendiger medizinischer Behandlungen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und grundsätzliche Bedeutung
hat (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).