Klage gegen die endgültige Festsetzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und gegen einen Erstattungsbescheid
Abzugsfähigkeit von Unterhaltszahlungen an den Sohn und die Mutter des Leistungsempfängers
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine endgültige Festsetzung und eine Erstattungsforderung des Beklagten für die Zeit vom 01.02.2010
bis zum 31.07.2010 in Höhe von jeweils 2.368,08 EUR.
Der 1970 geborene Kläger zu 2) ist selbstständig tätig und betreibt seit dem 01.02.2009 eine Detektei und einen Hausmeisterservice.
Er lebt mit seiner 1978 geborenen Ehefrau, der Klägerin zu 1), in einer Bedarfsgemeinschaft. Mit Bescheid vom 19.02.2010 bewilligte
der Beklagte ihnen für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010 vorläufig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich je 553,18 EUR (323,- EUR Regelleistung und 230,18 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung). Dabei legte
er ein in dieser Höhe anrechnungsfreies Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers von 69,67 EUR zugrunde. Der Beklagte
führte aus, eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch sei erst möglich, wenn die tatsächlichen Einnahmen
und Ausgaben des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit im Bewilligungszeitraum feststünden. Im März 2010 wurden aufgrund
einer Heizkostennachforderung weitere 4,80 EUR bewilligt (Bescheid vom 01.03.2010).
Im Oktober 2010 machte der Kläger abschließende Angaben zum Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit in der Zeit von Januar
bis Juli 2010. Nach seinen Angaben lagen die Betriebseinnahmen in der Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010 bei 46.486,53
EUR, die Betriebsausgaben bei 40.157,42 EUR.
Mit Bescheid vom 13.01.2012 setzte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für die Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010 endgültig fest. Der Bescheid war an die Klägerin
gerichtet, die auch den Antrag für die Bedarfsgemeinschaft gestellt hatte. Unter Anrechnung eines berücksichtigungsfähigen
monatlichen Einkommens in Höhe von 789,36 EUR (monatliches Durchschnittseinkommen in Höhe von 1.054,85 EUR abzüglich der Freibeträge
in Höhe von 265,49 EUR) bewilligte der Beklagte den Klägern Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 158,50 EUR
monatlich für die Monate Februar und April bis Juli 2010 sowie für den März jeweils 160,90 EUR.
Mit weiteren Bescheiden vom 13.01.2012 forderte der Beklagte von den Klägern nach endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs
für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010 Regelleistungen in Höhe von 1.938,- EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung
in Höhe von 430,08 EUR, mithin insgesamt von jedem der beiden Kläger 2.368,08 EUR zurück.
Gegen den an ihn gerichteten Erstattungsbescheid legte der Kläger - vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte - mit Schreiben
vom 24.01.2012 Widerspruch ein. Die durch dieselbe Bevollmächtigte vertretene Klägerin hingegen legte am selben Tag sowohl
gegen den an sie gerichteten Erstattungsbescheid als auch gegen den Bescheid vom 13.01.2012 über die endgültige Festsetzung
der Leistungen für die Zeit von Februar bis Juli 2010 Widerspruch ein. In den Widersprüchen wurde der Regelungsgegenstand
des jeweils angefochtenen Bescheides angegeben, so wie er im Betreff der Bescheide des Beklagten im Einzelnen aufgeführt war
(Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs; Änderung zum Bescheid vom 19.02.2010 über Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes). In dem letztgenannten Widerspruchsschreiben führte die Bevollmächtigte aus, sie zeige
die Interessenvertretung der Klägerin, vertreten durch ihren Sohn N T, an. Auf Hinweis des Beklagten korrigierte sie diesen
Fehler aber noch im Widerspruchsverfahren.
Mit Schreiben vom 11.04.2012 führte die Bevollmächtigte der Kläger zur Begründung der Widersprüche aus, es sei unklar, wie
der Beklagte den Gewinn in Höhe von 6.329,11 EUR berechnet habe. Darüber hinaus habe der Beklagte vor Erlass und Bekanntgabe
des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides zehn Monate Kenntnis von den Tatsachen gehabt, die zur Aufhebung und Erstattung
berechtigt hätten. Gemäß §§ 45, 48 Sozialgesetzgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) müsse ein Erstattungsbescheid innerhalb eines Jahres seit Kenntnis erlassen werden, sonst sei er rechtswidrig. Vor Erlass
eines Erstattungsbescheides sei zudem eine Anhörung unterblieben. Schließlich habe der Kläger im streitbefangenen Zeitraum
seinem Sohn Unterhalt in Höhe von 200,- EUR geleistet und sei auch seiner Mutter, Frau E, zum Unterhalt verpflichtet gewesen,
die neben ihrer Rente in Höhe von 78,- EUR keine Leistungen bezogen habe. Die Unterhaltsleistungen seien von seinem Einkommen
abzuziehen.
Mit Schreiben vom 08.05.2012 legte der Beklagte im Einzelnen dar, wie sich das zu berücksichtigende Einkommen des Klägers
aus seiner selbstständigen Tätigkeit für die Zeit von Februar bis Juli 2010 errechne. Weiter führte er aus, dass es sich bei
dem Bescheid vom 13.01.2010 nicht um einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nach §§ 45, 48 SGB X, sondern um eine endgültige Festsetzung von Leistungen gemäß §
328 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) gehandelt habe. Der Erstattungspflichtige könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen und der Anspruch verjähre erst vier
Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der endgültige Bescheid unanfechtbar geworden sei. Darüber hinaus lägen keine
Nachweise dafür vor, dass der Kläger seinem Sohn zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei. Eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber
der Mutter sei ebenfalls nicht erkennbar. Aus den vorliegenden Kontoauszügen ergäben sich auch keine Unterhaltszahlungen im
Bewilligungsabschnitt. Sollten bezüglich beider Unterhaltszahlungen Nachweise vorhanden sein, werde um Vorlage gebeten.
Der Kläger legte daraufhin eine schriftliche Erklärung seiner geschiedenen Ehefrau vom 24.05.2012 vor, wonach er in der Zeit
von Februar bis Juli 2010 Geld- und Sachleistungen (Kleidung, Schulausflüge etc.) im Wert von 250,- EUR monatlich für den
Unterhalt seines Sohnes Q T (geb. 00.00.1997) geleistet habe. Weiter legte er eine gegenüber der Ausländerbehörde erteilte
Erklärung vom 11.05.2009 vor, in der er sich verpflichtete, nach dem Zuzug seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland
für alle Kosten aufzukommen, die während ihres Aufenthaltes anfielen.
Der Beklagte wies die Widersprüche gegen die Bescheide vom 13.01.2012 mit drei Widerspruchsbescheiden vom 24.09.2012 zurück.
Der an den Kläger gerichtete Widerspruchsbescheid bezog sich im Betreff und in der Begründung auf den Bescheid vom 13.01.2012
über die Erstattung der zu viel erhaltenen Leistungen. Zwei Widerspruchsbescheide richteten sich an die Klägerin. Sie betrafen
die Höhe der endgültig festgesetzten Leistungen (W-000; hier wurde über den Widerspruch allein der Klägerin als Widerspruchsführerin
entschieden) und die Rückforderung der überzahlten Leistung (W-000).
Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, nach eigenen Angaben habe der Kläger in der Zeit vom 01.02.2010 bis
zum 31.07.2010 aus seiner selbständigen Tätigkeit einen Gewinn in Höhe von 46.486,53 EUR - 40.157,42 EUR = 6.239,11 EUR erzielt.
Dies entspreche einem monatlichen Gewinn von 6.239,11 EUR: 6 Monate = 1.054,85 EUR. Abzüglich eines Freibetrages von 265,49
EUR sei als Einkommen monatlich ein Betrag von 789,36 EUR zu berücksichtigen. Bei einem Gesamtbedarf von 1106,36 EUR bzw.
1111,16 EUR für den Monat März ergebe sich ein Anspruch lediglich in Höhe von 317 EUR bzw. 321,80 EUR, für jedes Mitglied
der Bedarfsgemeinschaft, mithin 158,50 EUR bzw. 160,90 EUR (März). Daraus ergebe sich für jeden Monat dann eine Überzahlung
von jeweils 394,68 EUR.
Der Unterhalt an den Sohn des Klägers sei nicht abzugsfähig, da es sich um einen freiwillig geleisteten Unterhalt gehandelt
habe. Einen vom Jugendamt oder durch ein Gericht festgestellten Titel habe der Kläger nicht vorgelegt. Unterhalt an seine
Mutter könne ebenfalls nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Zwar habe der Kläger eine Erklärung unterschrieben, nach der
er sich gegenüber der Ausländerbehörde verpflichtet habe, für seine Mutter nach § 68 Aufenthaltsgesetz die Kosten für den Lebensunterhalt zu tragen; dies sei jedoch eine freiwillige Unterhaltsleistung, gesetzlich bestehe hierzu
keine Verpflichtung. Die Rückforderung sei nicht verfristet, da der Erstattungsanspruch nach einer endgültigen Festsetzung
von Leistungen erst nach vier Jahren verjähre.
Am 11.10.2012 hat der Kläger gegen den an ihn ergangenen Widerspruchsbescheid Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen SG
Köln - S 25 AS 4097/12/LSG NRW - L 6 AS 975/14 geführt wird. Am 12.10.2012 hat die Klägerin gegen beide (Widerspruchs-) Bescheide Klage beim Sozialgericht Köln (SG) erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Erweiterung der Klage auf ihn im Hinblick auf die endgültige
Festsetzung der Leistungen beantragt.
Mit Urteil vom 13.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen.
Die Klage des Klägers sei unzulässig. Selbst wenn - was zweifelhaft sei - davon auszugehen sei, dass der Kläger Widerspruch
gegen den Leistungsbescheid vom 13.01.2012 erhoben habe, habe er gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.09.2012 nicht innerhalb
der einmonatigen Frist des §
87 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Klage erhoben. Eine erweiternde Auslegung der fristgerecht von der Klägerin eingelegten Klage auf den Kläger über die Regelung
des § 38 SGB II komme nicht in Betracht, da die Vorschrift im Klageverfahren keine Anwendung finde.
Die Klage der Klägerin sei zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte habe ihr für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010
zutreffend Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 158,50 EUR monatlich bzw. für März i.H.v. 160,90 EUR bewilligt. Sie habe in diesem Zeitraum keinen höheren Hilfebedarf
gehabt. Die vom Beklagten vorgenommene Anrechnung des Einkommens aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers i.H.v. 394,68
EUR auf den Bedarf der Klägerin sei nicht zu beanstanden. Die Unterhaltszahlungen des Klägers an seinen Sohn i.H.v. 200-250
EUR monatlich und an seine Mutter i.H.v. 250 EUR monatlich seien nicht vom Einkommen in Abzug zu bringen. Denn diese Zahlungen
seien weder in einem Unterhaltstitel noch in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegt, sodass die Voraussetzungen
für einen Abzug nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II (a. F.) nicht vorlägen. Auch die Verpflichtungserklärung des Klägers gegenüber der Ausländerbehörde sei kein vollstreckbarer
Unterhaltstitel. Dabei handele es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung zu Gunsten
eines Dritten. Die Konkretisierung der zu erstattenden Kosten erfolge durch Verwaltungsakt.
Aufgrund der geringeren Leistungshöhe in der endgültigen Feststellung sei auch der Erstattungsbescheid vom 13.01.2012 rechtmäßig.
Der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin vor dem Erlass des Bescheides nicht nach
§ 24 SGB X angehört worden sei. Die Anhörung sei im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden.
Am 13.05.2014 haben die Kläger gegen das ihrer Bevollmächtigten am 28.04.2014 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie sind
der Auffassung, der Kläger sei durch die Entscheidung des SG in seinem Recht auf Gehör verletzt worden. Die Kläger seien erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit einer Rechtsfrage
konfrontiert worden, auf die sie sich nicht hätten vorbereiten können. Dem Antrag auf Vertagung des Rechtsstreits sei das
Gericht nicht nachgekommen. Die Kläger verbleiben auch bei der Ansicht, dass die monatlichen Unterhaltsaufwendungen des Klägers
für seinen Sohn i.H.v. 200-250 EUR vom Einkommen in Abzug zu bringen seien. Die Anknüpfung an einen Unterhaltstitel für die
Ermittlung der vom Einkommen absetzbaren Unterhaltszahlungen verstoße gegen Art.
3 des
Grundgesetzes (
GG).
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.03.2014 zu ändern und den Klägern unter Abänderung des Bescheides vom 13.01.2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2012 über die endgültige Festsetzung der Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010 höheres Arbeitslosengeld II unter einkommensmindernde Berücksichtigung
von Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 500 EUR zu zahlen und den Erstattungsbescheid vom 13.01.2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsakte Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet.
Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
Es kann offen bleiben, ob das SG den Anspruch des Klägers des Klägers dadurch verletzt hat, dass es seiner Entscheidung eine bis zur mündlichen Verhandlung
nicht erörterte rechtliche Erwägung zugrunde gelegt und dadurch möglicherweise eine sog. Überraschungsentscheidung getroffen
hat. Ein solcher Verstoß bliebe jedenfalls folgenlos, da die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an
das SG nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG schon deshalb nicht vorliegen, weil keine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig war, und eine Zurückverweisung nach §
159 Abs.
1 Nr.
1 SGG nur dann in Betracht kommt, wenn das erkennende Gericht die Auffassung des SG nicht teilt und die Klage des Klägers für zulässig hält. Der Kläger hatte im Berufungsverfahren ausreichend Gelegenheit,
sich zu der vom SG vertretenen Rechtsauffassung zu äußern.
Die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 13.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2012, mit dem
die Leistungen der Kläger für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010 endgültig festgesetzt wurden, ist unzulässig, da
sie nicht innerhalb der einmonatigen Frist des §
87 Abs.
1 S. 1
SGG erhoben worden ist. Der Kläger hat die Klage gegen den seiner Bevollmächtigten am 25.09.2012 bekannt gegebenen Widerspruchsbescheid
erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.03.2014 erhoben.
Einer Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bedurfte es nicht, da der Kläger schon gegen
den Ausgangsbescheid vom 13.01.2012 über die endgültige Festsetzung keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Widersprüche seiner
Bevollmächtigten sowohl gegen die endgültige Festsetzung als auch gegen die Rückforderung erfolgten ausdrücklich nur im Namen
der Klägerin. Eine Auslegung in dem Sinne, dass der Widerspruch gegen die endgültige Festsetzung auch im Namen des Klägers
eingelegt werden sollte, ist nicht möglich. In den Ausführungen der anwaltlich vertretenen Klägerin fehlt es schon an einem
ausreichenden Bezug zur Person des Klägers. In der Betreff-Zeile wird lediglich der Name der Klägerin genannt, die Interessenvertretung
wird nur für diese angezeigt. Diese Erklärung eines rechtskundigen Bevollmächtigten kann als Widerspruch nur für die ausdrücklich
genannte Klägerin aufgefasst werden. Soweit der Kläger im Widerspruchsschreiben Erwähnung findet, beruht dies auf dem Versehen
der Bevollmächtigten, die den Kläger irrtümlich als Sohn und Vertreter seiner Ehefrau angegeben hatte. Diesen Irrtum hat die
Bevollmächtigte später korrigiert, ohne aber auch in diesem Zusammenhang auf die (unterlassene) Einlegung eines Widerspruchs
in seinem Namen einzugehen. Dem entsprechend hat auf den nur für sich eingelegten Widerspruch der Beklagte im Widerspruchsbescheid
nur über den Leistungsanspruch der Klägerin entschieden.
Die Klage der Klägerin ist unbegründet. Die von ihr angefochtenen Bescheide vom 13.01.2012 sind rechtmäßig und verletzen sie
nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 SGG in ihren Rechten.
Der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 13.01.2012 steht nicht entgegen, dass der Beklagte es unterlassen hat, die Klägerin gemäß
§ 24 SGB X anzuhören. Er hat ihr zwar nicht Gelegenheit gegeben, sich vor deren Erlass zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen
zu äußern. Die Verletzung der Anhörungspflicht ist hier jedoch nach Maßgabe des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich, denn der Beklagte hat die erforderliche Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt, indem er der Klägerin
in diesem Rahmen Gelegenheit gegeben hat, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen sachgerecht zu äußern (vgl.
hierzu BSG SozR 4-2600 § 77 Nr 10 mwN). Er hat ihr im Widerspruchsverfahren die Informationen erteilt, die im Rahmen der Pflichten nach § 24 Abs. 1 SGB X zu erteilen gewesen wären. Mit den Bescheiden vom 13.01.2012 und dem ergänzenden Schreiben vom 08.05.2012 hat er ihr alle
für die Entscheidung relevanten tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen mitgeteilt. Mit dem Bescheid vom 13.01.2012
über die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs sind ihr die rechnerischen Grundlagen für die abweichende Leistungsfestsetzung
mitgeteilt worden. Der Beklagte hat in diesem Bescheid das Zahlenwerk, das der Berechnung des monatlichen Einkommens des Klägers
zugrunde lag, dargelegt. Die mitgeteilten Einnahmen und Ausgaben aus der selbstständigen Tätigkeit entsprachen dabei den Angaben
des Klägers, sodass sie keiner weiteren Erläuterung bedurften. Unter Hinweis auf diese endgültige Leistungsfestsetzung teilte
der Beklagte mit dem Erstattungsbescheid vom 13.01.2012 darüber hinaus mit, dass gegenüber der vorläufigen Bewilligung ein
geringerer Anspruch auf Leistungen bestand und dass der darüber hinausgehende Betrag vom Kläger gemäß §
328 SGB III zu erstatten sei. Nach Einlegung des Widerspruchs ist der Klägerin mit Schreiben an Ihre Bevollmächtigte vom 08.05.2012 darüber
hinaus nochmals ausführlich dargelegt worden, aus welchen Beträgen der Beklagte das monatliche Einkommen des Klägers errechnete
und dass die Erstattung aufgrund einer endgültigen Festsetzung nach §
328 SGB III erfolge. Der Erstattungspflichtige könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen und der Anspruch verjähre erst nach vier
Jahren. Die sachlichen und rechtlichen Informationen sind hier so erfolgt, dass die Klägerin sie als solche erkennen und sich
zu ihnen sachgerecht äußern konnte (vgl BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 58).
Der Bescheid über die endgültige Festsetzung von Leistungen vom 13.01.2012 ist nicht zu beanstanden. Der Bedarf der Kläger
als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wurde zutreffend ermittelt. Die Regelleistung für die als Partner zusammenlebenden
Kläger im Zeitraum von Februar 2010 bis Juli 2010 betrug 323 EUR pro Person und Monat. Der Anspruch auf Leistungen für Kosten
der Unterkunft und Heizung betrug 230,18 EUR, im März 2012 232,58 pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Daraus ergab sich
für die Klägerin ein Gesamtbedarf von 553,18 EUR bzw. 555,58 EUR im März 2012. Das monatliche Einkommen des Klägers betrug
im streitgegenständlichen Zeitraum (unstreitig) 1.054,85 EUR monatlich. Der hiervon abzuziehende Freibetrag beträgt 265,59
EUR und wurde vom Beklagten zutreffend berechnet. Somit ergibt sich ein anrechenbares Einkommen i.H.v. 789,36 EUR, wovon auf
die Klägerin ein hälftiger Anteil von 394,68 EUR entfällt. Auch insoweit ist die Berechnung des Beklagten nicht zu beanstanden.
Die vom Kläger geltend gemachten Unterhaltszahlungen an Sohn und Mutter sind hiervon nicht in Abzug zu bringen. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl I Nr. 36 S 1706-1720)
(a. F.) sind (nur) Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in
einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzusetzen.
Die behaupteten Unterhaltszahlungen an den Sohn des Klägers mögen zwar auf einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung beruhen.
Sie können jedoch nicht zu einem entsprechenden Abzug vom Einkommen des Klägers führen, weil sie weder in einem Unterhaltstitel,
noch in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegt sind. Entgegen der Auffassung der Kläger kann eine
Berücksichtigung der Zuwendungen ohne Unterhaltstitel oder notarielle Beurkundung nicht erfolgen. Die auch nach Auffassung
des Senats zutreffende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist in dieser Hinsicht eindeutig. Danach können dem Wortlaut der Vorschrift folgend nur Aufwendungen bis zur Höhe des in
einem Unterhaltstitel festgelegten Betrag abgesetzt werden, nicht aber darüber hinausgehende, nicht titulierte Beträge (BSG Urteil vom 20.02.2014 = SozR 4-4200 § 11b Nr 4; BSGE 107, 106). Eine - wie die Klägerin meint - insoweit zurückhaltende Rechtsprechung des BSG vermag der Senat in diesen Entscheidungen nicht zu erkennen. Offen gelassen hat das BSG in seiner Entscheidung vom 19.09.2008 jedenfalls nicht die Frage, ob auch nicht titulierte Ansprüche das zu berücksichtigende
Einkommen mindern, sondern lediglich ob gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II auch aus anderen Gründen (als Unterhaltsverpflichtungen) bestehende und titulierte Ansprüche oder gepfändete oder auf andere
Weise der Disposition entzogene Einkommensanteile zu einer Minderung des Einkommens führen.
Einen Verstoß der gesetzlichen Regelung in dieser Auslegung gegen den Gleichheitssatz aus Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Klägerin kann die Gleichbehandlung des Klägers, der sich keinen titulierten Unterhaltsforderungen
ausgesetzt sieht, mit solchen Hilfebedürftigen nach dem SGB II, die Unterhaltsverpflichtungen aufgrund eines Titels oder einer notariellen Urkunde bedienen, nicht verlangen. Die zu vergleichenden
Sachverhalte sind nicht im Wesentlichen gleich gelagert (zu den Voraussetzungen etwa BVerfGE 47, 109; s auch LSG NW Urteil vom 18.12.2014 - L 6 AS 1732/13).
Hintergrund für die Einführung von § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende war, dass schon nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz anerkannt war, dass gepfändete Einkommensanteile nicht als bereite Mittel zur Verfügung stehen und somit nicht zu einer Verminderung
des Sozialhilfeanspruchs führen dürfen (siehe bereits BVerwGE 55, 148). Dem folgend hatte sich bereits vor der Aufnahme der Nr. 7 in den § 11 Abs. 2 S. 1 SGB II bei der Bundesagentur für Arbeit und in der Kommentarliteratur die Auffassung durchgesetzt, dass solchen gepfändeten Einkommensanteilen
diejenigen dem Hilfebedürftigen gegenüber geltend gemachten Forderungen gleichzustellen sind, die allein deshalb nicht gepfändet
werden, weil der Hilfebedürftige Ihnen Monat für Monat nachkommt (vgl. Söhngen in: jurisPK-SGB II, 1. Aufl. 2005, § 7 Rn. 30 unter Hinweis auf die Durchführungshinweise der BA zu § 11 SGB II). Damit sollte insbesondere vermieden werden, dass der Hilfebedürftige eine mit weiteren Kosten verbundene Pfändung seines
Einkommens durch Nichtzahlung der Unterhaltsforderung herbeiführen muss, um eine einkommensmindernde Berücksichtigung zu erreichen.
Entscheidender Gesichtspunkt für die Gleichstellung der geltend gemachten Forderung mit gepfändetem Einkommen war dabei, dass
eine Pfändung für den Gläubiger bei Nichtzahlung jederzeit möglich war (vgl. BT-Drs 16/1410, 20). Dieser jederzeitigen Pfändungsmöglichkeit,
die eine Gleichbehandlung mit bereits gepfändeten Einkommensanteilen rechtfertigt, ist aber ein Unterhaltsschuldner dann nicht
ausgesetzt, wenn seine Schulden nicht tituliert sind.
Darüber hinaus soll diese Regelung die Leistungsträger und die Sozialgerichte davon entlasten, den tatsächlich bestehenden
Unterhaltsanspruch des Dritten zu berechnen (vgl etwa Schmidt in Eicher SGB II 3. Aufl. § 11b Rn 28; Löns in Löns/Herold-Tews SGB II 3. Aufl. § 11b Rn 13). Auch dieser gesetzliche Zweck kann grundsätzlich nur bei Vorliegen eines Titels oder einer notariellen Urkunde erreicht
werden. Diese sich wesentlich unterscheidende Ausgangslage führt dazu, dass eine Ungleichbehandlung beider Sachverhalte geboten
ist.
Auch die vom Kläger behaupteten Unterhaltszahlungen an seine Mutter sind nicht als Unterhaltsverpflichtungen im Sinne von
§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II a. F. anzuerkennen. Zwar mögen vor dem Hintergrund des §
1601 BGB diese Zahlungen aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erfolgen. Das SG hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die vom Kläger gegenüber dem Ausländeramt abgegebene Verpflichtungserklärung
nach § 68 AufenthG weder selbst einen Unterhaltstitel darstellt, noch einem solchen gleichzustellen ist. Vor dem Hintergrund des oben dargestellten
Ziels, unmittelbar pfändbare Unterhaltsverpflichtungen gepfändeten Einkommensanteilen als nicht bereite Mittel gleichzustellen,
ist eine Gleichstellung nicht gerechtfertigt, selbst wenn unterstellt wird, dass die Zahlungen gleichzeitig aufgrund einer
gesetzlichen Unterhaltspflicht und zur Erfüllung der gegenüber der Ausländerbehörde übernommenen Verpflichtung erfolgte. Denn
nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG hat derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, Kosten für den Lebensunterhalt
eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich
der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit
die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Die Erstattungsforderung ist aber u.a. deshalb durch
einen Leistungsbescheid geltend zu machen, da die Vollstreckung nach den Regeln des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes erfolgen soll (§
3 Abs.
2 Buchstabe a)
VwVG). Erst mit der Vollziehbarkeit eines solchen Leistungsbescheides und der sich daraus ergebenden Möglichkeit der Vollstreckung
(Titel) kommt die Berücksichtigung solcher Zahlungsverpflichtungen im Rahmen der Einkommensberechnung nach dem SGB II in Betracht.
Der Beklagte hat die im angefochtenen Bescheid vom 13.01.2012 erhobene Erstattungsforderung i.H.v. 2.368,08 EUR auch zu Recht
in dieser Höhe geltend gemacht. Der Anspruch ergibt sich aus §
328 Abs.
3 SGB III. Gemäß §
328 Abs.
3 S. 1
SGB III sind aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen. Nach S. 2 der
Vorschrift sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung
ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. In rechtmäßiger Weise sind die Leistungen der Klägerin
im Bewilligungszeitraum vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010 durch die abschließende Entscheidung vom 13.01.2012 in geringerer
Höhe festgestellt worden als mit der vorläufigen Bewilligung vom 19.02.2010 (s.o.). Damit sind die Voraussetzungen für den
Erstattungsanspruch erfüllt. Der Beklagte hat auch die Höhe des Erstattungsbetrages in Anbetracht der rechtmäßigen endgültigen
Festsetzung des Leistungsanspruchs zutreffend berechnet und die Forderung innerhalb der Frist des § 50 Abs. 4 SGB X geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.