Tatbestand
Streitig ist die Versorgung der 1998 geborenen Tochter S (S) des Klägers mit einer individuell angefertigten Sitzschale und
einem dazu passenden und über einen Adapter verbundenen Standard-Fahruntergestell als Hilfsmittel der privaten Pflegeversicherung.
Der Kläger ist bei der Beklagten zu 100 % privat kranken- und pflegepflichtversichert. In diesen Vertrag ist auch seine Tochter
einbezogen. Diese leidet ua an einer schweren psychomentalen und motorischen Entwicklungsstörung bei Hirnfehlbildung mit spastischer
Tetraparese. Ohne fremde Hilfe kann sie weder sitzen noch stehen. Zudem besteht eine Fehlanlage des Gaumens, die in Verbindung
mit einer motorischen Schluckstörung erhebliche Ernährungsprobleme verursacht und ua dazu führt, dass S gefüttert werden muss
und Flüssigkeit ebenfalls nur mit Hilfe der Pflegeperson zu sich nehmen kann. Der Kläger erhält für S von der Beklagten Leistungen
aus der privaten Pflegeversicherung (PPV) nach der Pflegestufe III.
Im Jahr 2004 ließ der Kläger für S eine individuell angepasste Sitzschale anfertigen. Nach einer vergleichsweisen Regelung
im Klageverfahren S 3 P 161/02, Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erstattete die Beklagte die Kosten für ein High-Low-Fahrgestell mit anatomisch angepasster Sitzschale. Im
November 2005 erstattete die Beklagte dem Kläger für eine Neuanschaffung 5.090,31 Euro. Im Juni 2006 beantragte der Kläger
erneut die Kostenerstattung für eine wachstumsbedingte Anpassung der Sitzschale, damit S am Schulbetrieb teilnehmen könne.
Dies lehnte die Beklagte ab, weil Sitzschalen nicht im Versicherungsschutz enthalten seien. Jedoch beteiligte sie sich freiwillig
mit 1.000 Euro an den Kosten. Ein weiterer Antrag des Klägers im Mai 2007 auf Übernahme der Kosten für eine weitere durch
Wachstum und Progredienz der Erkrankung bedingte Anpassung/Umrüstung des Rollstuhls der S hatte keinen Erfolg (S 3 P 110/07, SG Gelsenkirchen = L 10 P 92/08 LSG NRW).
Im Mai 2008 beantragte der Kläger erneut die Übernahme der Kosten iHv 8.119,00 Euro (Kostenvoranschlags der Firma Gehrmeyer
- Osnabrück - vom 03.09.2008) für eine auf Verordnung der W Kinder- und Jugendklinik E vom 29.05.2008 angepassten Sitzschale
nebst Sitzschalenfahrgestell (Produktbezeichnung Mika, Positionsnummer 26.99.01.1019 des GKV-Hilfsmittelverzeichnisses). Das
Hilfsmittel wurde am 23.12.2008 zu dem im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Betrag geliefert (Rechnung vom 23.12.2008).
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 13.01.2009 und 09.04.2009 die beantragte Kostenübernahme für das Hilfsmittel ab. Es
handele sich um ein Sitzschalenfahruntergestell mit Sitzschale für den Innen- und Außenbereich. Erstattungsfähig seien nur
Aufwendungen für die im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung abschließend aufgeführten Pflegehilfsmittel.
Individuelle angepasste Sitzschalen fielen nicht hierunter. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Krankenversicherung
sei dieses Hilfsmittel ebenfalls nicht aufgeführt; es werde nicht vom dortigen Hilfsmittelkatalog umfasst. Der medizinische
Dienst habe zwar ein Sitzfahruntergestell für den Innenraum befürwortet. Ein derartiges Hilfsmittel für den Innen- und Außenbereich
könne nicht über die Pflegeversicherung anerkannt werden (Stellungnahmen der N GmbH vom 03.12.2008 und 10.12.2008).
Der Kläger hat am 12.10.2009 beim SG Gelsenkirchen gegen die Beklagte als Pflegeversicherung Klage erhoben und beantragt,
diese zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls (Sitzschale mit Sitzschalenuntergestell) für seine Tochter
Höhe von 8.119 Euro zu übernehmen. Hierbei handele es sich um ein Hilfsmittel der Pflegeversicherung.
Parallel hierzu hat er auch gegen die Beklagte als private Krankenversicherung (PKV) ohne Erfolg (Landgericht Köln - LG -,
23 O 300/09, Urteil vom 25.08.2010, bestätigt durch Oberlandesgericht Köln - OLG -, 20 U 123/10, Hinweisbeschluss vom 10.01.2011, Urteil vom 23.02.2011) Leistungsklage auf Zahlung vom 8.119,00 Euro erhoben und hierbei
die Ansicht vertreten, es handele sich bei der Sitzschale mit Sitzschalenuntergestell um ein Hilfsmittel der PKV. Das OLG
Köln hat in seinem Hinweisbeschluss vom 10.01.2011 im Wesentlichen ausgeführt, der maßgebliche Hilfsmittelkatalog der privaten
Krankenversicherung, der die Leistungspflicht der Beklagten insoweit abschließend definiere, umfasse individuell angepasste
Spezialanfertigungen nicht.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2010 abgewiesen. Das begehrte Hilfsmittel sei im Pflegehilfsmittelverzeichnis
der privaten Pflegepflichtversicherung nicht gelistet. Hierin liege auch kein Verstoß gegen die Vorschriften der §§
23 Abs
1 S 2, 40 Abs
1 des
Elften Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB XI), welche einen mit der sozialen Pflegeversicherung gleichwertigen Leistungsanspruch der Privatpflegeversicherten auf Versorgung
mit Pflegehilfsmitteln normierten. Da bei dem hier streitigen Rollstuhl der Ausgleich der vorhandenen Behinderung im Vordergrund
stehe, sei hierfür nach §
33 Abs
1 S 1 des
Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB V) vorrangig die gesetzliche Krankenversicherung zuständig.
Der Kläger hat gegen den am 03.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid am 03.01.2011 Berufung eingelegt, zu deren Begründung
er insbesondere ausführt, das begehrte Hilfsmittel diene entgegen der Auffassung des SG überwiegend der Erleichterung der Pflege und der Linderung der Beschwerden der S. Er hat eine weitere Bescheinigung der W
Kinder- und Jugendklinik E zur Notwendigkeit der Neuversorgung mit einer individuell angepassten Sitzschale sowie einem zugehörigen
Untergestell vorgelegt. Es verstoße zudem gegen die Regelung der UN-Behindertenrechtskonvention, wenn seine Tochter dauerhaft
von der Gewährung des Hilfsmittels ausgeschlossen werde.
Der Kläger beantragt nach dem im ersten Rechtszug schriftsätzlich gestellten Antrag sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.12.2010 aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 8.119 Euro
zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid im Wesentlichen für zutreffend und ist weiterhin der Auffassung, das Hilfsmittel
sei der Kranken- und nicht der Pflegeversicherung zuzuordnen. Es diene schwerpunktmäßig nicht der Pflege der Tochter des Klägers.
Die Beklagte hat ein weiteres Hilfsmittelgutachten der N GmbH (Dr. B vom 26.01.2012) zur Pflege- und Versorgungssituation
von S eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, S benötige aufgrund des Behinderungsbildes eine je nach Wachstum zu erneuernde
individuell angepasste Sitzschale (HMV-Nr 26.11.03.0001) auf einem Fahrgestell für den Innen- und Außenbereich (HMV-Nr.26.99.1000-1099 bzw. 3000 -3999). Die Sitzschale mit dem Fahrgestell komme zuhause, in der Schule und zur Teilnahme am
sozialen Leben und bei den regelmäßigen Therapien zum Einsatz. Als Nebeneffekt habe dieses Hilfsmittel allerdings auch Auswirkungen
auf die Pflege von S, weil die multiplen Verstellmöglichkeiten eine entspannte Körperhaltung ua zum Anlegen von Orthesen und
zur Positionierung beim Anreichen der Nahrung ermöglichten. Die Produktgruppe 26 falle in den Bereich der Krankenversicherung.
Bei entsprechendem Krankenversicherungsschutz sei die Sachlage hingegen eindeutig.
Der Senat hat aus dem Internet Produktbeschreibungen der Firma REHATEC über das streitige Sitzschalenfahrgestell Mika und
sonstige Zimmeruntergestelle Biene und Delfin, jeweils mit Zubehör beigezogen und mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung
vom 23.05.2012 besprochen. Er hat an diesem Tag im Weiteren die Mutter der S als deren Hauptpflegeperson informatorisch zur
Pflegesituation und der Verwendung des von ihr als Multifunktionsrollstuhl bezeichneten Hilfsmittels im Tagesablauf angehört.
Sie hat, ergänzt durch Erläuterungen des Klägers, den Einsatz des Hilfsmittels anhand einiger Fotos erläutert und diese zu
den Akten gereicht. Zu den Angaben der Eltern wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.05.2012 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Vorgänge der Beklagten
sowie den beigezogenen Vorprozessakten SG Gelsenkirchen S 3 P 110/07 = LSG NRW L 10 P 92/08 Bezug genommen; diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist in Höhe von 4.835,76 Euro für den Erwerb der individuell angepassten Sitzschale begründet.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Beklagten handelt es sich hierbei, anders als bei dem Sitzschalenfahrgestell
Mika, um ein Hilfsmittel der Pflegeversicherung. Entsprechend war die Berufung hinsichtlich des Betrages von 3.283,23 Euro
zurückzuweisen.
Dem Kläger steht der versicherungsrechtliche Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Sitzschale zu. Gemäß § 192 Abs 6 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG, in der ab 01.01.2009 unverändert gegenüber dem inhaltlich übernommenen § 178 b aF geltenden Fassung) ist bei der Pflegekrankenversicherung der Versicherer verpflichtet, im Falle der Pflegebedürftigkeit
im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten oder das vereinbarte Tagegeld
zu leisten. Der Leistungsumfang bestimmt sich nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Konditionen. Für die Leistungen
der häuslichen Pflege ist die Regelung des § 4 MB/PPV 2008 maßgebend. Hiernach haben versicherte Personen gemäß Nr 4 des hier
maßgebenden Tarifs PV Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für die Hilfsmittel und technischen Hilfen oder deren leihweise
Überlassung, wenn und soweit die Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung
der Beschwerden der versicherten Person beitragen oder ihr eine selbständigere Lebensführung ermöglichen und die Versorgung
notwendig ist. Der Versicherer erstattet die im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführten
Pflegehilfsmittel.
Mit dem Sozialgericht und der Beklagten geht auch der Senat davon aus, dass die von dem Kläger als Multifunktionsrollstuhl
bezeichnete Kombination aus Sitzschale und Fahruntergestell Mika, auch dann, wenn man die angepasste Sitzschale und das Sitzschalenfahrgestell
jeweils für sich bewertet, nicht vom Hilfsmittelkatalog der PPV umfasst wird. Letzteres enthält, wie auch dasjenige der PKV,
eine abschließende Aufzählung (vgl hierzu Beschluss des OLG Köln vom 23.02.2011, 20 U 123/10 für die PKV). Im Hilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung sind insoweit unter der Ziffer 1.2.5 "Sitzhilfen
zur Pflegeerleichterung", unter 1.2.6 "Rollstühle mit Sitzkantelung", unter 1.2.7 "Pflegerollstühle" und unter 1.3.1 "Schieberollstühle
(Standard-Schieberollstühle)" aufgeführt. Keinem dieser Hilfsmittel entsprechen die angepasste Sitzschale und das Sitzschalenfahrgestell.
Dies ergibt sich für die Ziffer 1.3.1 "Schieberollstühle" bereits daraus, dass nur Standard-Schieberollstühle erfasst sind;
Individualanfertigungen werden hiervon nicht erfasst. Die streitige Sitzschale ist nicht mit einem Rollstuhl mit Sitzkantelung,
einen Pflegerollstuhl oder einer reinen Sitzhilfe vergleichbar. Ein mit dem Fahruntergestelle zu Transportzwecken über einen
Adapter verbundenen angepasste Sitzschale ist auch in der Kombination nicht mit einem Rollstuhl gleichzusetzen. Der Senat
schließt sich insoweit auch der Beurteilung der MEDICPROF GmbH an. Gerade in der Kombination Sitzschale mit dem streitigen
Fahruntergestell Mika, kommt dem Hilfsmittel, wie auch vom Kläger und der Ehefrau so bezeichnet, die Funktion eines sog. Multifunktionsrollstuhls
zu. Hier steht, auch wenn die Verwendung der Erleichterung der Pflege dient insoweit zumindest gleichwertig, der Behinderungsausgleich
ganz im Vordergrund. Dieses Hilfsmittel in der konkreten Ausgestaltung erlaubt es der S, außerhalb der häuslichen Umgebung
zB am Schulbetrieb teilzunehmen. Dadurch, dass durch den Einsatz dieses Hilfsmittels im häuslichen Bereich auch ihr allgemeiner
Pflegebedarf verringert und damit die Pflege erleichtert wird, wird der Multifunktionsrollstuhl nicht zu einem reinen Pflegehilfsmittel.
Sein Anwendungsbereich dient im Wesentlichen dem Behinderungsausgleich und ist allein der Leistungspflicht der Krankenversicherung
zuzuordnen. Dass die PKV hierfür im konkreten Fall nicht eintritt, ist Folge des eigenverantwortlich ausgehandelten Vertragsabschlusses
(vgl hierzu BSG, Urteil vom Urteil vom 10.11.2005, B 3 P 10/04 R in Juris Rn 18f, OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 10.01.2011, Urteil vom 23.02.2011). Privat Krankenversicherte haben keinen
Anspruch auf vollständige Gleichbehandlung mit gesetzlich Krankenversicherten (vgl hierzu BSG, Urteil vom Urteil vom 10.11.2005, B 3 P 10/04 R in Juris Rn 18f,).
Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht jedoch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die angepasste Sitzschale, denn
die Sitzschale in Kombination mit einem Zimmeruntergestell, wie es der Produktbeschreibung Biene oder Delfin der Firma REHATEC
entspricht, ist nach Ansicht des Senat ein Pflegehilfsmittel, das nach Art und Umfang den Leistungen des vierten Kapitels
des
SGB XI gleichwertig ist. Es verstößt insoweit gegen §
23 Abs
1 S 1
SGB XI, wenn nach den Versicherungsbedingungen der Anspruch auf die Versorgung mit der hier streitigen Sitzschale abgelehnt wird
(vgl hierzu BSG, Urteil 10.11.2005, B 3 P 10/04 R in Juris Rn 15 ff). Maßstab für die Frage der Gleichwertigkeit des Leistungsanspruchs ist §
40 Abs
1 S 1
SGB XI. Danach haben Pflegebedürftige der sozialen Pflegeversicherung Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung
der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen,
soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern
zu leisten sind. Der Senat ist nach der informatorischen Anhörung der Eltern und nach Inaugenscheinnahme der Fotos der Überzeugung,
dass für die ordnungsgemäße und sachgerechte Durchführung der häuslichen Pflege der Einsatz der Sitzschale mit einem Zimmeruntergestell,
wie es der Produktbeschreibung Biene oder Delfin der Firma REHATEC entspricht, unerlässlich ist und das Element des Behinderungsausgleich
als zu vernachlässigend in den Hintergrund tritt. Insoweit weicht der Senat von der strikten Abgrenzung des BSG ab. Bei der Art der Erkrankung der zum Zeitpunkt der Anschaffung der Sitzschale bereits 10 Jahre alten Tochter ist eine sachgerechte
Pflege im Rahmen der in den §§
14,
15 SGB XI geschilderten Grundpflegeverrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität überhaupt erst möglich. So wird
im Gutachten von der N GmbH zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 06.05.2006 im Rahmen der Ernährung ein Zeitbedarf
von durchschnittlich 132 Minuten täglich angenommen. Die Nahrung muss nicht nur püriert und sehr klein geschnitten, sondern
S muss auch gefüttert werden. Zudem kann auch Flüssigkeit nur mit Hilfe der Pflegeperson aufgenommen werden und dies auch
nur sehr langsam. Ohne die individuell angefertigte Sitzschale ist die so umschriebene Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
nicht möglich. Die Mutter der S hat insoweit für den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt,
dass ihre Tochter lediglich in halb aufgerichteter Position in der Sitzschale gefüttert werden kann. Der Kläger hat dies ebenfalls
bestätigt. Der Senat legt diese Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde. Auch weitere Pflegeverrichtungen, wie das Waschen
von Gesicht und Händen, das Zähneputzen, das Kämmen der Haare, das Anlegen der Beinorthesen und der speziellen Schuhe, werden
durchgeführt, während S in der angepassten Schale sitzt. Das S in der Sitzschale auch am Schulunterricht (jedenfalls zum Teil)
teilnimmt und zu Hause hierin Musik hört oder fernsieht, dient zwar auch dem Behinderungsausgleich im Sinne des §
33 SGB V; dieser tritt gegenüber dem Pflegeausgleich dann in den Hintergrund, wenn wie hier das Hilfsmittel für die Durchführung einer
sachgerechten Pflege unabdingbar erforderlich ist. Zudem müssen Hilfsmittel für Pflegebedürftige nicht auf den häuslichen
Bereich beschränkt bleiben (BSG, Urteil vom 23.05.2001, L 3 P 46/00 in Juris Rn18). Maßgeblich ist allein, ob das Pflegehilfsmittel dazu dient, die häusliche Pflege sicherzustellen. Aber auch
während der Schule benötigt S Hilfe bei der Ernähung und der Körperpflege.
Unerheblich ist nach Ansicht des Senats, dass das Hilfsmittel aufgrund der konkreten Konstruktion mit einer Adaptervorrichtung
statt auf einem geeigneten Zimmeruntergestell wie Biene und Delfin auf einem auch extern einsatzfähigen Untergestell wie Mika
montiert werden kann und hier auch montiert ist und dieses Untergestell in der Produktgruppe 26 des Hilfsmittelkatalogs der
PKV und auch der gesetzlichen Krankenversicherung gelistet ist. Die Sitzschale in Kombination mit dem Zimmeruntergestell Biene
oder Delfin ist, auch wenn diese Gestelle ebenfalls der Produktgruppe 26 angehören, für den Gebrauch im häuslichen Bereich
nach der Einschätzung des Senats ein Pflegehilfsmittel. Die Hilfsmittelverzeichnisse der sozialen Pflege- und der sozialen
Krankenversicherung stellen lediglich Auslegungs- und Orientierungshilfen dar. Sie verkörpern, anders als in der PKV und PPV,
keine abschließende, die Leistungspflicht der Kranken- und Pflegekassen iS einer "Positivliste" beschränkende Regelung (BSG, Urteil vom 15.11.2007, B 3 A 1/07 R in Juris, Rn 20 mwN). Insoweit ist der Senat nicht an die Zugehörigkeit des Hilfsmittels zu einer Produktgruppe gebunden.
Bewertet der Senat die Kombination Sitzschale und Zimmeruntergestelle im konkreten Fall als Pflegehilfsmittel, ist auch die
Beklagte nach §
23 Abs
1 Satz 2
SGB XI verpflichtet, entsprechende Leistungen vertraglich vorzusehen.
Die Neuversorgung mit der Sitzschale war auch erforderlich. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Verordnungen der W Kinder-
und Jugendklinik E, sowie nunmehr auch aus dem letzten Schiedsgutachten von der N GmbH vom 01.02.2012 und wird von der Beklagten
letztlich auch nicht in Abrede gestellt.
Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das angeschaffte Fahruntergestell Mika. Die Verwendung
dieses Fahrgestells dient vordergründig dem Behinderungsausgleich, wie der Senat bereits zur Kombination Sitzschale mit Fahrgestell
Mika als Multifunktionsrollstuhle ausgeführt hat. Die Anschaffung des mit den großen Rädern und besonderen Vorrichtungen für
den Außenbereich vorgesehenen Fahrgestells Mika mag sich zwar als praktikabel anbieten, weil es auch im häuslichen Bereich
einsetzbar ist. Jedoch steht hier der Behinderungsausgleich im Vordergrund, denn dieses Untergestellt ist für die Gewährleistung
der sachgerechten Pflege nicht erforderlich.
Dass der Kläger statt eines (grundsätzlich erstattungsfähigen) Zimmerfahrgestells das extern einsatzfähige Untergestellt Mika
angeschafft hat, steht dem Anspruch nicht entgegen. Er hat allerdings keinen Anspruch auf ersatzweise Erstattung jedenfalls
der Kosten eines Zimmeruntergestells. Im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs nach §
23 Abs
1 S 3
SGB XI kommt, ähnlich wie in der PKV (OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 10.01.2011, Urteil vom 23.02.2011) eine Erstattung tatsächlich
nicht entstandener und bloß hypothetischer Kosten nicht in Betracht.
Die Rechnung iHv von 8.119,00 Euro für Sitzschale und Sitzschalenuntergestell Mika weist für die Sitzschale 4.835,76 Euro
(4.519,40 Euro zzgl. 19 % MwSt) und für das Fahrgestell 3.283,23 Euro (2.428,- Euro zzgl 7% MwSt und 575,86 zzgl. 19 % MwSt)
aus. Der Senat hat die Rechnung überprüft und die Einzelpositionen jeweils der Sitzschale und dem Sitzschalenuntergestell
zugeordnet. Die Kosten für die Sitzschale hat die Beklagte dem Kläger zu erstatten.
Der Senat hat die Revision nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG zugelassen, weil er der Frage, ob ein in den Hilfsmittelverzeichnissen nicht ausdrücklich aufgeführtes Hilfsmittel, das für
die Sicherstellung der häuslichen Pflege erforderlich ist, zur Pflegeversicherung gehört, obwohl es außerhalb der häuslichen
Pflege auch in Bereichen des Behinderungsausgleichs eingesetzt wird, grundsätzliche Bedeutung beimisst.